Die Gipfel häufen sich. Werden sie auch zum notwendigen Ergebnis führen?
Heute zu einem Thema, dass nicht nur die überschaubare europäische Landkarte berührt, sondern wirklich alle und ich meine damit die globale Bevölkerung angeht.
Wir stecken in einer großen Krise, die von mehreren kleineren Krisen begleitet wird. Doch was ist die große Krise, die die Menschen überall in der Welt verunsichert? Ist es die Staatsschuldenkrise, ist es eine erneute Wirtschaftskrise oder ist es vielleicht doch nur eine Eurokrise, weil einige Länder des Eurowährungsverbundes ihre Mitgliedschaft dazu benutzt haben, auch mal das ganz große Rad zu drehen, ihnen jedoch zwischendurch „die Spucke“ wegblieb, um bei nachlassender Wirtschaftsdynamik die Belastungen dauerhaft stemmen zu können.
Wir alle haben einen Eurogipfel an diesem Wochenende erwartet, der letztendlich Klärung bringen, der den Finanzmärkten wieder klare Perspektiven geben sollte, der damit auch der Realwirtschaft wieder neue Chancen bietet und damit Stabilität ins Gesamtgefüge bringt.
Jedoch weit gefehlt, am heutigen Samstag stehen wir vor einem großen Chaos, das zu entwirren fast unmöglich scheint. Der Gipfel, der zu einem Befreiungsschlag werden sollte, ist zu einem Gipfelchen mutiert, da Angela Merkel und Herr Sarkozy sich nicht darauf einigen können, ob der Eurorettungsschirm nur als Rückendeckung, quasi als Versicherung, wie die Bundeskanzlerin dieses Finanzinstrument präferiert, ausgelegt werden soll oder wie der französische Präsident es unbedingt haben möchte, in Form einer Bank installiert wird, mit der Möglichkeit, sich bei der Europäischen Zentralbank, über die Deckungssumme hinaus, weiteres Geld zu beschaffen.
Dieses soll in Form eines sogenannten Hebels stattfinden, die 711 Milliarden Euro dienen dabei zum zwanzigprozentigen Eigenkapitalbeitrag, um damit eine Summe von über 3 Billionen zu akquirieren. Diese unvorstellbare Summe würde dann einen fünffach größeren Rettungsschirm ausmachen.
Dieses hätte zwangsläufig zur Folge, dass auch das Risiko für den Steuerzahler massiv steigen würde, denn er müsste im Falle von größeren Ausfällen bei Rückzahlungen für diese Summen aufkommen. Schließlich hätte man sich ja nicht nur für den Umfang von 711 Milliarden verbürgt, sondern durch den Hebel zeichnet man auch für die Gesamtsumme von 3 Billionen verantwortlich.
Dies wäre eine massive Überbelastung für den Steuerzahler, also für die Bürger der einzelnen Länder, die für den Rettungsschirm sich in den entsprechenden Höhen verbürgt haben. Übrigens ist die Europäische Zentralbank (EZB) auch ein staatliches Instrument, das von dem europäischen Steuerzahler getragen wird.
Weshalb aber nun die Kontroverse zwischen Frankreich und Deutschland, sodass Monsieur Sarkozy selbst die Geburt seiner ersten Tochter hinten anstellen musste, um überraschenderweise zur Verabschiedung des EZB-Präsidenten Trichet nach Frankfurt zu fliegen, um dort mit Frau Merkel zu einem Verhandlungsergebnis zu kommen, das die französische Seite präferiert.
Dazu muss man wissen, dass die französischen Banken mit einem viel größeren Engagement von Staatsanleihen kriselnder Eurostaaten belastet sind und zwar nicht wie bei uns die staatlichen Banken, wie etwa die Landesbanken oder die KfW, sondern im Falle der französischen Institute handelt es sich durchweg um Privatbanken, die mit Geldern aus dem privaten Sektor arbeiten.
Im Falle eines Crashs würde so das Geld von Bürgern, Unternehmen, Versicherungsanstalten, Pensionskassen und sonstiger privatwirtschaftlicher Investoren betroffen sein. Frankreich würde brennen, der europäische Einigungsgedanke wäre geplatzt. Dies ist das Problem von „monsieur le president“.
Deshalb war er bei dem Gespräch in Frankfurt nicht einen Millimeter von seinem Standpunkt wegzubewegen.
Aber auch unsere Kanzlerin hat ein Problem in dieser Sache. Sie hat sich festgelegt, dass über die Summe hinaus die im Bundestag für den Rettungsschirm veranschlagt wurde, keinerlei weitere Erhöhung mehr stattfinden soll. Auch sind die Bundestagsabgeordneten nicht mehr bereit, sich kaltstellen zu lassen, in dem weitere Beschlüsse nur von dem Haushaltsausschuss genehmigt werden. Sie wollen das unbedingte Mitspracherecht bei diesem komplexen Thema.
Zudem ist seitens der EU in Brüssel noch kein konkretes Papier erstellt worden, das aufzeigt, welche Maßnahmen zur großen Krisenrettung von den Gipfelteilnehmern beschlossen werden sollen. Die Folge wird sein, dass am Mittwoch kommender Woche ein erneuter Gipfel stattfinden wird, der endlich zu einer brauchbaren Lösung führen soll. Dazu wäre es aber unbedingt notwendig, dass sich die Hauptakteure, nämlich Deutschland und Frankreich auf ein gemeinsames Konzept des Rettungsschirmes einigen. Bei der soeben beschriebenen Ausgangslage ist dies wirklich ein chaotisches Unterfangen.
Über die Summen, die im Raum stehen, darf man gar nicht erst nachdenken, denn drei Billionen Euro sind etwa sechsmal der Gesamthaushalt eines Jahres der Bundesrepublik Deutschland, unvorstellbar und sehr riskant, selbst für ein so reiches Land wie das unsrige.
Allmählich erkennt man die Dimension der Krise und zu allem Überfluss geht auch noch die Zeitschiene dem Ende entgegen, denn aussitzen führt unweigerlich zum Crash, wie ich bereits in der letzten Kolumne angedeutet habe. Die Ratingagenturen liegen auf der Lauer. Amerika mahnt lauthals die Europäer, sie sollen endlich zu einer praktikablen Lösung kommen, denn Amerika selbst steckt bis zum Hals in Schulden und sie wissen auch nicht so recht, wie sie diese bekämpfen sollen. Eine gefährliche Melange. Irgendwie geht es jetzt ans Eingemachte und die wichtige europäische Idee steht auf dem Spiel.
Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat es sich in seiner Rede zur Verabschiedung von Herrn Trichet in der Alten Oper zu Frankfurt deshalb, trotz seines hohen Alters von 92 Jahren, nicht nehmen lassen, der aktuellen Politik die Leviten zu lesen.
Im Laufe seiner Ausführungen in Rage gekommen, gipfeln seine Erkenntnisse darin, dass es keine Eurokrise gibt, sondern dass wir in einer Politikkrise stecken, dass die europäischen Politiker es bislang nicht geschafft haben, die Probleme gemeinsam zu lösen, was letztendlich bedeutet, dass unsere europäischen Politiker unfähig sind, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Dies ist wirklich eine schöne Aussicht für die Zukunft.
Zum Schluss möchte ich bei allen derzeitigen Krisen, doch noch etwas Positives übermitteln. Der Wein des neuen Jahrgangs 2011 soll nach Auskunft des Winzerverbandes ein ganz hervorragender Jahrgang werden. Da auch die Ernteerträge überdurchschnittlich sind, müssen zumindest die Winzer momentan nicht mit einer Krise leben. Ganz im Gegenteil, bei den vielen großen und kleinen Schwierigkeiten wird bestimmt die eine oder andere Flasche dieses edlen Getränkes bei den Betroffenen dazu führen, die gegenwärtige Trostlosigkeit für einige Stunden zu vergessen.
Peter J. König
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