Samstagskolumne Peter J. König 24.03.2018

Ist ein bevorstehender Handelskrieg noch abwendbar?

Lange hat es nicht gedauert, bis nach Vereidigung der neuen Regierung die Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr neues Regierungsprogramm vorgestellt hat. Nur eine Woche nach der Akkreditierung des Kabinetts ist Merkel am letzten Mittwoch vor den Bundestag getreten, um in Form einer ersten Regierungserklärung ihr politisches Programm für die laufende Legislatur vorzustellen und zu erläutern. 

Das zukünftige Regierungshandeln basiert auf dem Koalitionsvertag, den CDU, CSU und SPD gemeinsam vereinbart und unterschrieben haben. Darüber hinaus hat die Kanzlerin klar gemacht, wo die Schwerpunkte liegen, indem sie zunächst einmal die Herausforderungen benannt hat, die es in den nächsten 3 ½ Jahren und darüber hinaus zu bewältigen gilt. Da gibt es die beiden großen Politikfelder der Innen- und Außenpolitik, die im Grunde eine Vielzahl von Einzelfeldern abdecken, im Bereich des Inneren etwa Bildung, Soziales mit der Versorgung von vor der Geburt bis zur Bahre, im Bereich Wirtschaft, infrastrukturelle Entwicklung mit der Digitalisierung, aber auch Kultur, demographische Entwicklung, Integration von Asylanten und politischer Zusammenhalt zwischen Ost und West in Deutschland, mit dem besonderen Augenmerk auf die Demokratie. 

Die Außenpolitik beginnt bei dem besonderen Verhältnis zu Frankreich und dem Zusammenhalt und der Vertiefung der Europäischen Union, der Währungsunion und der konsequenten Umsetzung des Schengen-Abkommens und damit die garantierte Absicherung der Außengrenzen der EU. Dies korrespondiert unmittelbar mit der Flüchtlingsfrage und der geordneten Abwicklung nach Völkerrecht und unserem Grundgesetz. 

Darüber hinaus ist es von eminenter Bedeutung, wie sich die Bundesrepublik bei den internationalen Krisen verhält, sei es beim Krieg in Syrien, der Terroristenbekämpfung in Afghanistan, in Mali oder an anderen weltweiten Brennpunkten

Ein weiteres Problemfeld stellt sich mit dem Verhältnis zu Putin, Erdogan aber auch Trump dar. Alle drei Staatsführer haben das außenpolitische Agieren der Bundesrepublik Deutschland durch Angela Merkel und den neuen Außenminister Heiko Maas nicht eben leichter gemacht, ganz im Gegenteil, ganz neue Problemfelder sind entstanden und speziell mit der Wahl von #Trump drohen alte Allianzen, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs bestehen, auseinander zu brechen, zumindest müssen sie neu überdacht werden. 

Bei #Putin ist alles klar, da ist die Annektierung der Krim, die völkerrechtswidrige Besetzung der Ost-Ukraine durch als fremde Milizen getarnte, russische Einheiten und ganz aktuell der #Giftangriff auf britische Staatsbürger auf dem Staatsgebiet von Großbritannien. Auch hier hat Merkel eine klare Aussage getroffen. 

Bei #Erdogan ist die Haltung der Regierung um ein vielfaches problematischer. Nicht allein die Tatsache, dass etwa 3 Millionen Menschen türkischer Abstammung in Deutschland leben, stellt an sich schon einen schwierigen Sachverhalt dar, denn es gilt nicht nur diese hier zu integrieren und dabei trotzdem ihre kulturellen Wurzeln nicht zu leugnen, es muss auch ein rechtstaatliches Verhältnis dieser Menschen zu dem nationalistischen Umbau der Türkei durch Erdogan gefördert werden. Darüber hinaus gibt es ja noch das sehr problematische Abkommen zwischen der EU und der Türkei über die Flüchtlingsfrage, wobei sich Ankara verpflichtet hat, Millionen von Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak oder auch aus Afghanistan in der Türkei zu versorgen, gegen Milliarden natürlich und sie nicht über die Ägäis von Schleppern zu den griechischen Inseln transportieren zu lassen. Nicht nur einmal hat Erdogan Merkel in der Vergangenheit gedroht, den Flüchtlingsstrom ungebremst wieder in die EU einströmen zu lassen. 

Zudem sind die eklatanten Menschenrechtsverletzungen, die besonders nach diesem dubiosen Putschversuch in der Türkei ein Ausmaß angenommen haben, die absolut diktatorisch sind und die der Charta der Menschenrechtskonvention der Vereinigten Nationen einfach nur spotten. Da ist die Verhaftung von selbst deutschen Journalisten wie #Deniz_Yücel nur eines von unzähligen Beispielen. Ihn und einige andere deutsche Journalisten und Menschenrechtler frei zu bekommen, war bei dem derzeitigen Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland alles andere als ein Kinderspiel. 

Und um es ganz klar zu sagen, was natürlich die Bundesregierung nicht offen zugeben kann, jedes Mittel war dazu recht, ob auf diplomatischem Weg, ob durch Reisewarnungen für die Türkei und wirtschaftlichen Sanktionen oder letztendlich vielleicht durch verdeckten Geldtransfer. Nicht akzeptabel sind weitere Rüstungsverkäufe an Erdogan, denn was er mit den Leopard-Panzern anstellt, ist aktuell in Nord-Syrien zu sehen, wo er die kurdische Stadt Afrin mit seinen Truppen und deutschen Panzern eingekesselt hat, um einmal wieder gegen Kurden vorzugehen. 

Alle Beispiele zeigen, wie komplex und überaus problematisch die Außenmission mit der Türkei momentan ist und sie wird mit dem Einmarsch in Syrien und der damit verbundenen Instabilität der Türkei insgesamt nicht einfacher. Merkel hat ganz dezidiert bei ihrer Regierungserklärung darauf hingewiesen und diesbezüglich Gespräche mit den Türken angemahnt. Aber die Latte der außenpolitischen Probleme hat noch ganz andere Schwerpunkte. Dabei steht ganz besonders das veränderte Verhältnis von Trump zu Europa und auch ganz speziell zu Deutschland im Vordergrund. Der Präsident hat ja mit seiner Losung "America first" ganz eindeutig gesagt, worauf es ihm unter allen Umständen ankommt. Trump möchte den wirtschaftlichen Niedergang seiner produzierenden Industrie mit protektionistischen Mitteln stoppen, indem er nicht nur Einfuhrzölle angedroht hat, sondern sie mittlerweile durch Dekrete diktiert, zunächst direkt gegenüber China, mit der EU will er noch verhandeln, was auf jeden Fall sehr teuer wird. Grund ist die vernachlässigte heimische Industrie, die nicht mehr in Amerika produziert, sondern verteilt über die ganze Welt Produkte lieber dort herstellen lässt, wo sie billiger und oftmals besser sind, etwa in China bei billigen Massenprodukten oder in Europa, Japan oder Südkorea bei Hochtechnologie, wie Maschinen und Autos aus Deutschland, Japan und Südkorea, aber auch kompliziertere Produkte wie Fernseher, Computer oder Smart-Phones. 

In USA selbst wird kaum noch auf diesem Sektor hergestellt, wobei auch der technische Fortschritt in diesen Bereichen auf der Strecke geblieben ist. Ganz aktuell ist das Beispiel bei Aluminium und Stahl, wo unmittelbar Zölle auf die Einfuhr nach USA aufgeschlagen werden sollen. Hintergrund ist natürlich der unterlegene Wettbewerb der amerikanischen Hersteller, denn deren Stahl und Aluminium ist so grottenschlecht, wenn es sie überhaupt noch gibt, dass das verarbeitende Gewerbe sich in Europa oder in Ostasien eindeckt. 

Die Folge war doch der Niedergang ganzer wirtschaftlicher Regionen, wie etwa im "rust belt", einst eine Herzkammer der amerikanischen Stahlindustrie jenseits der Appalachen, jenem bewaldeten Mittelgebirge im Osten Nordamerikas. Hier hat die große Arbeitslosigkeit die Menschen in die Arme von Trump getrieben und seine Versprechungen ihnen wieder Arbeit und Brot zu geben, haben ihn zum Präsident der USA aufsteigen lassen. Mit dem Blick auf eine zweite Amtszeit scheint nun Trump diese Versprechen einlösen zu wollen, ob dies allerdings durch Einfuhrzölle gelingt, ist mehr als zweifelhaft, denn das dann vielleicht wieder auf amerikanischem Boden produzierte Material wird allein durch die Verteuerung ausländischen Stahl und Aluminiums deshalb automatisch nicht besser. Es scheint zweifelhaft zu sein, ob die weiterverarbeitende Industrie nicht doch auf die besseren Rohprodukte weiterhin zurückgreift und dann lieber die Preise für die amerikanischen Verbraucher erhöht. 

Die Reaktion kam prompt, denn sowohl die Europäische Union als auch China, Japan und Südkorea haben für den Fall erhöhter Einfuhrzölle Gegenmaßnahmen durch ebenfalls erhöhte Importzölle angekündigt. Und schon wäre ein weltweiter Handelskrieg in Gang gesetzt, der letztendlich keinem dient, ganz im Gegenteil, die Geschichte hat gelehrt, dass aus einem Handelskrieg oder Handelsboykott sehr schnell ein Krieg mit Waffen entstehen kann. 

Und bei der sich wieder in Gang gesetzten Spirale an Aufrüstung in allen großen Staaten, auch an Atomwaffen, ist jede Verschärfung von handelspolitischer Auseinandersetzung ein tödliches Spiel mit dem Feuer. Putin hat dazu ein ganz aktuelles Beispiel geliefert. Nach den Wirtschaftssanktionen der westlichen Staaten und Japan durch die Krim-Annektierung hat er sofort mit dem Bau neuer nuklearer Waffensysteme begonnen, die er erst vor einigen Tagen vor seiner Wiederwahl als Präsident sehr medienwirksam dem russischen Volk, aber auch der restlichen Welt vorgestellt hat. Auf diese Weise versucht der russische Präsident die westlichen Wirtschaftsnationen zu beeindrucken und dabei ganz speziell Europa, das ja bekanntermaßen unmittelbar vor seiner Haustüre liegt. 

Wir dürfen gespannt sein, welches Ergebnis dass soeben vereinbarte Gipfeltreffen von Putin und Trump auch in Hinsicht auf die Wirtschaftssanktionen gegen Russland bringen wird? Denn eines ist doch ganz klar, beiden Wirtschaftsmächten, sowohl den USA als auch Russland ist ein neuer starker Konkurrent erwachsen, mit einem China, das in jeder Form in der Welt auf dem Vormarsch ist, ob in der Wirtschaft mit seinem Staatskapitalismus, in der Politik mit seiner Machtausdehnung in Südostasien und im Chinesen Meer durch den Ausbau von unbewohnten Inseln zu Militärbasen oder die Präsenz in Afrika, wo die Chinesen nicht nur sich Rohstoffe sichern und riesige Reisplantagen, sondern in vielen Ländern regelrecht eine Wirtschaftsoffensive gestartet haben , indem sie den einzelnen Staaten "kostenlos" Straßen, Flugplätze und ganze Häfen gebaut haben. Da können weder die USA, Russland oder auch Europa tatenlos zusehen. 

Und dies scheint auch bei der Kanzlerin angekommen zu sein, nicht umsonst beschwört sie ein gestärktes Europa, das mit seiner ganzen Wirtschaftskraft auf diese globalen Herausforderungen gemeinsam antwortet. Und um es klar zu sagen, eine Alternative gibt es nicht, Aktionen einzelner Länder, auch von Deutschland, sind geradezu untauglich, dazu hat sich das globale System in den letzten zwei Jahrzehnten zu stark verändert. 

Die Digitalisierung, auch ein ganz wichtiges Thema in Merkels Regierungserklärung, hat auch entscheidend zu diesen Veränderungen beigetragen, wobei der Rede der Bundeskanzlerin ganz klar zu entnehmen war, was diesbezüglich in unmittelbarer Zukunft zu erwarten ist, nämlich eine total vernetzte Welt mit jeder Form globaler Möglichkeiten. Wenn hier Deutschland nicht sofort alles unternimmt, um unsere Wettbewerbsfähigkeit mit an die Weltspitze zu bringen, wird dies gravierende Folgen auf unseren Arbeitsmarkt und unsere Beschäftigungszahlen haben. 

Wie Angela Merkel richtig bemerkt hat, werden sehr bald einige Millionen konventionelle Arbeitsplätze wegfallen, da Roboter und künstliche Intelligenz die Arbeiten übernehmen werden. Dies muss unserer Bevölkerung eindeutig klar werden, denn augenscheinlich mangelt es noch dem ganz überwiegenden Teil an dieser Erkenntnis, denn warum sollte ansonsten noch so wenig Gebrauch von den digitalen Möglichkeiten bisher gemacht worden sein, sowohl von Staatsseite her, als auch von Seiten jedes Einzelnen sowie auch vom Handwerk, wie die Zahlen es beweisen. 

Lediglich die Großindustrie und die weltweit operierenden Firmen haben hierzulande die sich aus der Digitalisierung ergebenden Möglichkeiten gewinnbringend erkannt. Da ist ja selbst das kleine aber innovative Litauen uns bereits weit voraus. Jedenfalls hat Angela Merkel alles dieses in ihrer ersten Regierungserklärung als wiedergewählte Bundeskanzlerin thematisiert und hat überraschenderweise durchaus Versäumnisse und Mängel in der Vergangenheit festgestellt. Dies könnte ein erster Schritt zur Erneuerung und zu einem längst überfälligen Aufbruch sein. Aber es müssen jetzt Taten folgen. Regierungserklärungen allein reichen da nicht, selbst wenn sie ein "mea culpa" beinhalten. 

Und wie sehr die Welt und unsere politischen Notwendigkeiten ebenfalls vernetzt sind, zeigt allein die Tatsache, dass, so wie im Leben überhaupt, alles mit allem zusammenhängt, Außenpolitik mit der Wirtschaft, Wirtschaft mit weltweiter Vernetzung und Digitalisierung, daraus resultierend allgemeiner Wohlstand mit der richtigen Sozialpolitik, die das geeignete Wohl aller Menschen in unserem Land im Auge hat. Dann macht es auch nichts aus, wenn Familie Quandt 1,1 Milliarden Euro von BMW für den Gewinn im letzten Jahr erhält. Über den erfreulichen Bonus aller BMW-Mitarbeiter von annähernd 10.000 Euro lässt sich allenfalls streiten, ob man mehr links oder wirtschaftsliberal orientiert ist, in jedem Fall steht fest, dass sowohl Aktieninhaber als auch Mitarbeiter ihre Gewinne versteuern müssen, auf welche Weise auch immer, und Finanzminister Olaf Scholz kann das ambitionierte Regierungsprogramm von Angela Merkel besonders tatkräftig finanziell unterstützen. 


 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 17.03.2018

Aufbruch oder "Weiter so!"?

Na endlich, am letzten Mittwoch war es schließlich soweit. Nachdem am Dienstag dieser Woche der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD unterzeichnet worden war, kam es ein Tag später zu der Vereidigung der alten und neuen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem gesamten Kabinett im Bundestag, damit sie anschließend im Schloss Bellevue dem Amtssitz des Bundespräsidenten von Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunden in Empfang nehmen konnten. Merkel selbst hatte bereits zuvor von Steinmeier ihre Akkreditierung erhalten um anschließend gemeinsam mit ihren Kabinettsmitgliedern von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble vereidigt zu werden. So verlangt es die Verfassung, und dieser staatstragende Akt soll die angemessene Würde der neuen Regierung präsentieren. 

Die einzelnen Ministerposten hatten die nun regierenden Koalitionäre bereits einige Tage zuvor öffentlich gemacht, wobei die SPD sich noch geziert hat, wollten sie doch zunächst das Votum der Parteimitglieder abwarten, damit nicht schon wieder ein Schuss ins Leere abgegeben worden wäre, wenn die Befragten mit "Nein" zur Groko gestimmt hätten. Dies war ja bekanntermaßen nicht der Fall, und überraschenderweise haben doch 66% sich für eine erneute Große Koalition entschieden. Da fiel nicht nur der SPD-Spitze tonnenschwere Last vom Herzen, auch CDU und CSU haben mit gebibbert, dass nun endlich eine neue Regierung gebildet werden konnte. 

In der Bevölkerung und auch bei den politischen Journalisten und nicht zuletzt bei den Politikwissenschaftlern war deutlicher Unmut zu spüren, dass die gewählten Volksvertreter so lange gebraucht haben, um sich auf eine neue Regierung zu einigen. Fast 6 Monate hat es gedauert, dass unter holprigsten Bedingungen, erwähnt sei neben dem Versuch von Jamaika auch der desaströse Auftritt von Schulz und der gesamten Führungsriege der SPD, nun endlich am 14. März eine bestätigte Regierung ihre Arbeit aufnehmen konnte. Dieses langwierige Procedere war beileibe kein Ruhmesblatt für die gesamte Elite der deutschen Politik. 

Abgesehen davon, dass dringend notwendige Entscheidungen in der Europapolitik, der Wirtschaftspolitik, ja selbst für den weiteren Einsatz der Bundeswehr in Mali erst einmal auf die lange Bank geschoben werden mussten, dass Mandat wurde zunächst nur provisorisch für 3 Monate verlängert, bis dann eine neue Bundesregierung erneut einen Antrag im Parlament für den Mali-Einsatz einbringen würde, unabhängig davon ist die längste Phase einer versuchten Regierungsbildung ein eindeutiges Alarmsignal für ein Schwächeln der demokratischen Parteien im Bundestag. Hier hat sich ganz deutlich gezeigt, dass die Parteien in erster Linie ihr Wohl, ihre angestrebte Macht und ihren Überlebenskampf im Bundestag im Auge hatten. Sowohl CDU, CSU, SPD und FDP hatten primär ihre Interessen im Visier, allein die Grünen haben Stärke und Selbstbewusstsein gezeigt und sind für das neue Projekt Jamaika auch über ihren Schatten gesprungen. Dies ist eindeutig bemerkenswert und um es frei herauszusagen, diese Jamaika-Koalition hätte der Beginn einer neuen politischen Zeit werden können. 

Lindner von der FDP hat allerdings verweigert, zu groß war seine Angst im Zuge dieser Koalition so weit verschlissen zu werden, dass es nach vier Jahren noch nicht einmal mehr reicht, erneut in den Bundestag gewählt zu werden. Und vermutlich hatte er mit dieser Befürchtung recht, denn bei seinem blassen Personal-Tableau, außer ihm und Kubicki ist weder jemand inhaltlich als auch mit einer wieder erkennbaren Persönlichkeit aufgetreten, sodass schließlich die Wähler sie nicht einmal mehr erneut über die Fünf-Prozent-Hürde gebracht hätten. 

Lindner spielt jetzt den Fraktionsvorsitzenden ohne Verantwortung, aber immer präsent und besserwisserisch. Dies ist kommod und im Grunde kann er dabei nicht viel falsch machen. Dass jetzt aber die Rechtsradikalen der AfD die größte Oppositionspartei sind, im Bundestag immer die ersten Redner nach den Regierungsparteien stellen, auch wenn die Kanzlerin bei der Aussprache im Plenum gesprochen hat, ist nicht nur für unsere Demokratie ein Armutszeugnis, sondern ist auch mit der Konsequenz verbunden, dass diese Nationalisten ein noch größeres Podium erhalten haben. 

Schon jetzt ist in den öffentlichen Medien, bei Talk-Shows etwa eine klare Veränderung zu erkennen. Ob bei Maischberger, Illner, Plasberg oder Will eine ständige Präsenz von AfD-Führern ist neuerdings zu bemerken. Dass die weich gespülten Neo-Nazis damit hoffähig gemacht werden, ist unzweifelhaft. Mit ihrem gesteigerten Auftreten im Parlament, das schon jetzt eine eindeutig rechtslastige Debattenform aufweist, lässt sich gleichzeitig prima davon ablenken, was draußen im Land von der AfD veranstaltet wird, ein bewusster Kampf gegen die Demokratie, eine gezielte Verunsicherung der Bevölkerung mit der Absicht in Deutschland die Regierung zu übernehmen mit all den schrecklichen Folgen, die wir aus der Vergangenheit kennen

Mit Jamaika wäre eine solche parlamentarische Aufwertung nicht möglich gewesen, da ja die SPD die stärkste Oppositions-Faktion gebildet hätte, was Schulz zunächst auch vorhatte. Mit Lindners Regierungsverweigerung hat er unmittelbar der AfD in den Sattel geholfen, nun lautstark und von jedermann beachtet, ihr rechtes Gedankengut im Bundestag zu verbreiten

Dagegen spricht auch der Einwand eventueller Neuwahlen nicht, denn diese hätten garantiert die AfD noch weitaus stärker gemacht. Wie bereits erwähnt, ist auch für CDU und CSU die erneute Groko ein letzter Kraftakt der Machterhaltung. Angela Merkel hat es nur so geschafft, noch einmal Bundeskanzlerin zu werden. Bereits in ihren letzten Amtszeiten hat sie es bewusst verabsäumt, ebenbürtige Mitbewerber in der CDU als spätere Nachfolger aufzubauen, ganz im Gegenteil, sie hat starke Konkurrenten immer weggemobbt, ob Roland Koch oder auch Friedrich Merz. 

Für die CDU gab es praktisch bei der letzten Bundestagswahl keine personelle Alternative zu Angela Merkel und dass sie dieses Mal Federn lassen würde, daran bestand überhaupt keinen Zweifel nach dem Chaos der Flüchtlingskrise. Die Frage war nur, wie hoch der Stimmenverlust werden würde und würde es erneut zur stärksten Kraft im Lande reichen? 

Schulz und die SPD hatte sich dies ganz anders vorgestellt, zumal die Umfragen nahezu wöchentlich für die Sozies anzogen. Dass am Ende sowohl CDU, CSU und SPD massiv gerupft worden sind und die AfD als drittstärkste Partei in den Bundestag eingezogen ist, dies hatte keiner der Altetablierten auf der Rechnung. 

Auch die CSU in Bayern hat ein desaströses Ergebnis bei den Bundestagswahlen eingefahren, in einigen Landkreisen, früher immer sicherer Rückhalt mit absoluter Mehrheit, hat die AfD bis zu 29% Stimmenanteil erhalten. Nicht umsonst ist es zum Führungswechsel an der Spitze des Landes gekommen, wo seit Freitag nicht mehr Horst Seehofer Ministerpräsident ist, sondern seinem innerparteilichen Rivalen Markus Söder das prestigeträchtige Amt überlassen musste, damit die CSU bei den Landtagswahlen mit Söder als Spitzenkandidat im Herbst wieder die Chance einer absoluten Mehrheit hat. Seehofer ist derweil als Innen- und Heimat-Minister ins neue Kabinett Merkel eingetreten, wo er als Law- and- Order-Mann mit markigen Sprüchen und strikten Erlassen in Bezug auf Flüchtlinge, Muslime und straffällig gewordene Migranten der AfD die Stimmen wieder abjagen will, sowohl im Bund, aber ganz besonders in Bayern hinsichtlich der Landtagswahlen.

Und so wie Seehofer seinen erwünschten Part in der neuen Regierung bekommen hat, so hat auch die SPD mit ihrem noch kommissarischen Vorsitzenden Olaf Scholz, einen Wiederbelebungsakt erhalten, mit alten und neuen Gesichtern in Ministerverantwortung. Scholz wurde Finanzminister und Vize-Kanzler, und mit Franziska Giffey, der Talkshow-erprobten Bezirksbürgermeistern von Berlin- Neukölln ist ein neues, engagiertes Gesicht ins Familien-Ministerium eingezogen, das auch wieder mehr Wähler für die SPD anziehen soll. 

Zur passenden Gelegenheit hat Andrea Nahles, die Fraktionsvorsitzende und designierte Parteivorsitzende sich des beliebtesten Politikers der SPD in der Bevölkerung, Siegmar Gabriel, entledigt, sein Posten als Außenminister hat der ehemalige Justizminister Heiko Maas bekommen. Damit hat Andrea Nahles auch einen ernst zu nehmenden Mitkonkurrenten als Kanzlerkandidat entsorgt, denn es steht außer Zweifel, dass sie in 3 1/2 Jahren bei der nächsten Bundestagswahl diese Führungsrolle übernehmen wird. 

Dies ist zwischen Scholz und Nahles quasi ausgemachte Sache, zumal Nahles sich nach dem endgültigen Abgang dann von Merkel beste Chancen ausrechnet, die erste weibliche Bundeskanzlerin für die SPD zu werden. Was gibt es sonst noch Bemerkenswertes über die neue Ministerriege im Kabinett zu sagen? Es sind mehr Frauen in Amt und Würden gekommen, zumindest bei CDU und SPD, in Bayern allerdings braucht dies noch die eine oder andere Legislatur. Den drei Ministern der CSU, Seehofer (Innen), Scheuer (Verkehr) und Schmidt (Entwicklung) steht allein Dorothee Bär als Kanzleramtsministerin für Digitales im Rang einer Staatssekretärin gegenüber. 

Führungs-Politik ist in Bayern halt noch Männersache. Merkel hat ihrerseits mit Julia Klöckner (Landwirtschaft) und Jens Spahn (Gesundheit) jüngere Kräfte der CDU berücksichtigt, wobei sie der vasallentreuen Klöckner ihre unbedingte Loyalität gedankt hat, während der aufmüpfige Spahn in die Kabinettsdisziplin eingebunden wurde. Da keiner die marode Bundeswehr übernehmen wollte, hat Merkel Ursula von der Leyen, ihre Allzweckwaffe, erneut in die Pflicht genommen, hier die Missstände weiterhin zu verwalten. 

Mit Svenja Schulze (Naturschutz, Umwelt und nukleare Sicherheit) SPD und Anja Karliczek (Bildung und Forschung) CDU sind zwei nahezu unbekannte Ministerinnen ins Kabinett geholt worden, ist dies doch offensichtlich dem Länderproporz geschuldet. Um die Ministerriege zu vervollständigen, gilt es noch einige bekannte Gesichter zu nennen mit Peter Altmeier (Wirtschaft) CDU, Katarina Barley (Justiz) SPD, Hubertus Heil(Arbeit und Soziales) SPD, und schließlich Helge Braun(Kanzleramtsminister) CDU und engster Mitarbeiter von Angela Merkel im Kanzleramt und ihr Koordinator. Wenn man sich die Personen anschaut, ist von dem versprochenen Neuanfang und Aufbruch nicht viel Bemerkenswertes zu sehen, stammen doch alle Minister - bis auf Familienministerin Giffey- aus dem langjährigen Dunstkreis von Angela Merkel und der bereits in früheren Großen Koalitionen agierenden Minister und Ministerinnen. 

Auch der Koalitionsvertrag, der hauptsächliche Leitfaden und das Bindeglied in der Koalition zeigt wenig Spektakuläres, was auf eine Neuausrichtung der Bundesrepublik Deutschland hinweist. Es ist eher eine Aneinanderreihung der Versäumnisse der letzten Legislatur-Perioden, die besonders bei den Wahlveranstaltungen vor der letzten Bundestagswahl sichtbar wurden. Damit sind jetzt eher Reparaturarbeiten vereinbart worden, nicht aber zukunftsweisende große Würfe, die unser Land für die Zukunft fit machen. Und doch hat die neue Regierung zunächst einmal Vertrauen verdient, damit sie zeigen kann, wie ernst sie es mit der Erneuerung und dem sozialen Aufbruch nimmt. 

Wie üblich in der Politik sollte sie eine Schonfrist in den ersten hundert Tagen haben, dann aber muss genau hingesehen werden, ob es nur ein "Weiter so!" gibt, oder ob es Merkel in ihrer dritten Groko tatsächlich gelingt doch noch notwendige neue Wege zu gehen. 

 Peter J. König  

Samstagskolumne Peter J. König 03.03.2018

Am Sonntag ist High Noon: TOP oder FLOP

Es ist so weit. Bis einschließlich Freitag, den 2.März hatten die etwa 460.000 Mitglieder der SPD die Gelegenheit, ihr Votum für oder gegen die Große Koalition abzugeben. Das Ergebnis wird mit großer Spannung erwartet, entscheidet es doch darüber, ob eine erneute Koalition zwischen CDU, CSU und SPD zustande kommt. Dies ist unabhängig von der Frage, ob es eigentlich politisch legitim ist, dass eine verschwindende Minderheit von ein paar hunderttausend registrierten Sozialdemokraten letztendlich entscheidet, ob es zu dieser Koalition mit einer neuen Regierung kommt, oder ob am Ende doch Neuwahlen angesetzt werden müssen, weil sich die Parteien nicht imstande sehen, eine tragfähige Regierung zu bilden, welche Farben auch immer diese gehabt hätten, ob Jamaika, Ampel oder die Groko. 

Der Wähler kann erwarten, dass die im Bundestag vertretenen Parteien sich auf eine Regierung einigen können, und nicht weglaufen, wenn bereits bei Sondierungsverhandlungen man sich nicht richtig berücksichtigt fühlt, wie etwa die FDP mit 10,7% Stimmenanteil, die sich wie die stärkste Fraktion gebärdet hat, mit dem Anspruch, maßgeblich das Meiste bestimmen zu wollen

"Schwamm drüber", die SPD hat unmittelbar nach der Wahl und auch danach eine nicht minder unrühmliche Rolle gespielt. "Messias Schulz" hat sofort kategorisch einen Eintritt in eine Koalition abgelehnt, was sich hernach als schwerer strategischer Fehler herausstellte und schlussendlich zu den vertrackten Folgen für die SPD geführt hat, die da sind: "Messias" weg, Wahl-Prognose im schwindelnden Fall, jetzt bereits im Zuge mehreren Umfragen bei 16%, gleichauf mit der rechtsradikalen AfD, dabei ist eine Ende noch nicht in Sicht

Und nun das Ergebnis der Mitgliederbefragung, das noch keineswegs feststeht, bis die letzte Stimme ausgezählt ist, wie diesbezügliche Umfragen es weismachen wollen. Danach soll das Ergebnis äußerst knapp für die Groko mit einem "Ja" ausfallen. Aber dieses bedeutet gar nichts, denn mal stimmen Umfragen einigermaßen, mal liegen sie deutlich daneben. Ob die SPD mit ihrem demokratischen Basisversuch ausgerechnet in ihrer Situation der totalen Verirrung den vernünftigsten Schritt getan hat, wird sich nach der Bekanntgabe der Mitgliederbefragung am Sonntag zeigen. Bei einem "Nein" beginnt die große Demontage dieser altehrwürdigen Partei erst recht. Dies ist, ohne Prophet zu sein, klar erkennbar. Sinnvoller wäre es gewesen, es bei dem Votum des Parteitages in Bonn zu belassen, als die Delegierten sich zur Sondierung mit CDU und CSU mehrheitlich entschieden haben. Wozu noch "alle" Parteimitglieder fragen, sind die Delegierten nicht die demokratisch gewählten Vertreter des gesamten Parteivolkes? 

Klar ist doch, wenn das Votum der Mitglieder so entscheidend von dem Willen der gewählten Vertreter abweicht, dann stimmt irgendetwas ganz Wesentliches nicht mit der Struktur der SPD, zu viel Klüngel und zu wenig Durchlässigkeit im Machtgefüge vielleicht? Auch dies war ein schwerer strategischer Fehler von Schulz und seiner Führungsriege, sie hätten zuerst besser eine Koalition gebildet, wenn auch schweren Herzens, um danach in Regierungsverantwortung mit der Erneuerung der Partei zu beginnen. Zumal die SPD doch eigentlich sehr erfolgreich Koalitionsverhandlungen mit den Unionisten geführt hat und damit über eine Basis verfügte, nicht nur wichtige und sehr notwendige Punkte ihres Programms durchzusetzen, sondern auch wieder markant in der Bevölkerung wahrgenommen zu werden. 

Wie kann man einen solchen Erfolg für die Partei und die Menschen im Land so leichtfertig aufs Spiel setzen, zumal die Jusos es verstanden haben, Fundamental-Opposition innerhalb der Basis der Partei sehr erfolgreich, aber im Ergebnis völlig unklug, zu verkaufen. Es wäre ratsam gewesen die SPD-Führung hätte die Partei zunächst aus der Gefahrenzone eines weiteren Absturzes geführt. Und mit einer vernünftigen Erneuerungspolitik für das Land als mitverantwortliche Regierung wäre auch eine innerparteiliche Erneuerung viel besser vonstatten gegangen. Nun hängt alles am seidenen Faden und wer glaubt tatsächlich, dass nach einer Neuwahl mit vielleicht 12 oder 13%, garantiert hinter der AfD, hinter den Linken und hinter den Grünen, die SPD problemlos und alsbald sich erneuern könnte, um zu alter Stärke zurück zu finden. Mit Verlaub, eine Utopie und Wunschdenken, aber wirklich kein realistischer Ansatz zu einem erfolgreichen Comeback. 

Es verbietet sich hier und heute über eine Regierung zu spekulieren, wenn die Groko nicht kommt. Aber eines ist sicher, wir reden dann über ganz andere Konstellationen und die können wahrlich Angst machen, wird doch an der AfD keiner mehr vorbeikommen. Was passiert, wenn diese dann nicht mit von der Partie sein wird, was eher unwahrscheinlich ist, denn die Union wird ihren Widerstand gegen diese, im Willen doch wieder die Regierung zu führen, aufgeben und sich zu einer Koalition mit den Rechtsradikalen bereit erklären? Falls jedoch ohne AfD, wird es in der Folge zu einer absolut schwachen politischen Führung durch mehrere Parteien kommen, die durch ständige Querelen handlungsunfähig und gefährdet sein wird. Spätestens dann ist die AfD ganz obenauf, denn bei erneuten Wahlen werden dann die Wähler in Massen ihnen zulaufen, haben doch die Altparteien gezeigt, dass sie stabile Verhältnisse nicht mehr schaffen können, ganz so wie 1933. Ähnliche Konstellationen gibt es z.B. in Italien, wo der rechtsgerichtete Berlusconi sich am Sonntag anschickt, wieder die Macht zu gewinnen. Aber noch sind wir nicht soweit, noch ist Hoffnung. 

Die Frage, ob etwa 460.000 Mitglieder der SPD uns zu diesem Schicksal verdonnern können, bleibt trotz "Ja" oder "Nein" doch im Raum stehen? 

Nach so viel berechtigter Spekulation ist es wichtig sich mit den aktuellen Fragen unseres Landes und unserer Gesellschaft zu befassen, die eine Große Koalition, sollte sie denn doch zustande kommen, unbedingt anpacken muss. Im Ansatz zeigt ja schon das ausgehandelte Koalitionspapier, welche Veränderungen dringend in unserem Land durchgeführt werden müssen. Dabei fällt auf, dass eine Reihe von Aktivitäten längst hätten stattfinden können, zumal die Kanzlerin Angela Merkel schon bereits 3 Amtszeiten regiert und damit es ihre Pflicht gewesen wäre, sich über die Zustände in unserem Land umfassend zu informieren, Mängel politisch anzugehen und zukunftsorientiert zu handeln. Und diese Mängel gelten für viele Bereiche unseres Staates und der Gesellschaft. 

Außenpolitisch hat sie ja durchaus große Erfolge erzielt und hat der Bundesrepublik Deutschland wieder mehr Gewicht in Europa und der Welt gegeben. Aber gerade die letzte Bundestagswahl im September hat gezeigt, dass es gravierende Versäumnisse in unserem Staatswesen gibt, sei es in der Bildung(katastrophal), sei es im Gesundheitswesen bei den Ärzten, Krankenhäusern und der Pflege, überall wo der Staat sich zurückgezogen hat oder seiner Aufsichtspflicht nicht gewissenhaft nachgekommen ist. So ist neoliberaler Wildwuchs entstanden, immer verbunden mit Kostenexplosionen oder absurden Tatsachen, wenn Kassenpatienten Monate auf einen Facharzt-Termin warten müssen, über die weit überhöhten Kassenbeiträge der Krankenkassen, ob privat oder gesetzlich ganz zu schweigen. 

Hier existiert die Schieflage bereits seit Jahrzehnten und die Regierungen unter Merkel sind in ihrem angeblichen Kampf dagegen keinen Zentimeter weitergekommen. Und was ist mit der fortschreitenden Armut ganzer Bevölkerungsteile, sei es während des Berufslebens etwa von alleinerziehenden Müttern oder von Rentnern, die ein Leben lang gearbeitet haben und im Alter kaum von ihrer knappen Rente leben können? 

Weiter geht es mit der Digitalisierung, die hierzulande nahezu von der federführenden Politik verschlafen wurde, wie es sich jetzt immer konkreter herausstellt. Da ist es doch ein Witz, wenn im neuen Koalitions-Papier und von den seit Jahren an der Macht befindlichen Politikern erklärt wird, man sei auf einem guten Weg, man wolle in Deutschland eine Digitalisierungs-Offensive starten! 

Womit haben sich die zuständigen Fachministerien eigentlich die letzten 10 Jahre beschäftigt, wenn sie jetzt erst aufwachen und feststellen, dass es tatsächlich so etwas wie eine weltweite Digitalisierung gibt, ohne die zukünftig kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist? Da fällt es ja schon schwer zu glauben, dass ab jetzt der Turbo einsetzt, vermutlich aber mit Angela Merkel als Kanzlerin nicht mehr. Zweifellos hat sie große Verdienste für Deutschland erworben, sie hat vernünftig verwaltet und hatte das Glück, dass die Wirtschaft prächtig lief, sodass die nötige Herausforderung von Innovation primär sich nicht offen gezeigt hat. Diese Zeiten sind aber vorüber und der Mangel an Erneuerung wird immer deutlicher.

Globalisierung und Digitalisierung sind viel weiter fortgeschritten, wie dies in unserem Land deutlich wird. Die deutsche Industrie hat sich sukzessive ins Ausland verlagert, nach China oder in die USA wie z.B. die Autoindustrie, die ja auch die Elektromobilität verschlafen hat, um nicht wie über ein Jahrhundert lang stets Vorreiter zu sein und so hochqualifizierte Arbeitsplätze zu sichern. Über die Entwicklung künstlicher Intelligenz und ihre Umsetzung in die tägliche Praxis wissen hierzulande allenfalls die wenigen Experten etwas zu sagen und doch ist es die unmittelbare Zukunft. In all diesen Bereichen hat die Politik der Regierung nichts Adäquates vorzuweisen, hier wurden keine Weichen gestellt und schon gar nichts in die Wege geleitet. Wenn das sich nicht demnächst rächen wird? 

Jetzt ist Handeln gefragt und zwar umgehend und tiefgreifend. Und dies ist nicht mehr die Zeit von Angela Merkel. Auf alten Lorbeeren ausruhen und verknöcherten Verfahrensmethoden vertrauen, hilft jetzt nicht mehr, zumal die geschäftsführende Noch-Kanzlerin auch durch ihre 3 Amtsperioden verständlicherweise ausgepowert ist. 

"Frisches Blut" und neue Ideengeber müssen her und nur so kann eine erneute Groko Erfolg haben. Aber Angela Merkel, "die Rationale" wäre nicht Angela Merkel, wenn sie dies nicht lange erkannt hätte. Hier ist sie weitaus weniger ichbezogen und machtbesessen, als ihr einstiger Ziehvater Helmut Kohl, der partout nicht von der Macht lassen konnte, obwohl abzusehen war, dass alles in einem Scherbenhaufen enden würde. 

Mal wieder hat Merkel bewiesen, dass sie durchaus noch Realitätssinn besitzt und die Zeichen der Zeit erkannt hat. Und das macht sie zu einer großen Politikerin und zeigt intelligente Stärke. Mit ihrer neuen Generalsekretärin Annegret Kramp Karrenbauer, der ehemaligen Ministerpräsidentin des Saarlandes hat sie ein politisches Gewicht auf den Schild gehoben, die durchaus ähnliche politische Qualitäten besitzt wie sie selbst, die gezeigt hat, dass sie bei der Bevölkerung gut ankommt, anpacken kann und keine Angst vor männlichen Macho-Kollegen in der eigenen Führungsspitze und beim politischen Gegner hat. Zudem zeigt die Besetzungsliste der CDU-Ministerien der zukünftigen Regierung, falls sie denn zustande kommt, dass jetzt ein Generationswechsel seitens Merkel eingeleitet wurde, an dessen Ende im Laufe der Legislatur der Wechsel an der Regierungsspitze stehen wird. 

Wer allerdings die jetzige Kanzlerin beerbt, ist noch nicht endgültig ausgemacht. Dazu fehlen aktuell Merkel noch wichtige Erkenntnisse über das geschärfte politische Profil und das verantwortliche Handeln der in Frage kommenden Personen. Hier ist die Union und speziell die CDU einen ganzen Schritt weiter wie die CSU oder gar die SPD, die ja noch keine eventuelle Ministerin oder einen möglichen Minister benannt hat, zu groß ist die Angst, das könnte im Einzelfall noch mehr Mitglieder zu einem "Nein" bewegen. 

Interessant ist noch die Bemerkung von einigen führenden Mitgliedern der SPD-Spitze, die doch allen Ernstes behauptet haben, es gäbe keinen Plan B, wenn die Befragung negativ ausfällt. Dies scheint blauäugig, ist jedoch durchaus verständlich, denn alle diejenigen, die sich angeblich um eine Alternative nach dem Scheitern keine Gedanken gemacht haben, brauchen dies auch nicht mehr zu tun. Ihre Plätze haben dann andere Genossen eingenommen, die hoffentlich bessere Strategien und mehr Fortune zum Überleben der Sozies und für die Erneuerung unseres Landes haben. Eins ist jedoch noch immer klar, eine wieder erstarkte SPD wird auch zukünftig mehr denn je gebraucht, so oder so. 

 Peter J. König