Frohe Weihnachten!

Liebe Kolumnenfreunde, für dieses Jahr ist es genug. Deshalb von dieser Stelle die herzlichsten Weihnachtsgrüße, einhergehend mit einkehrender Ruhe und Entspanntheit mit der Familie oder selbstgewählter Zerstreuung, gleich wo dies auch sein mag. Für 2014 „all the best“ unter dem Motto: 
Samstagskolumne Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 14.12.2013

Die große Koalition ist Wirklichkeit.

Nachdem der Mitgliederentscheid der SPD mit über 70 prozentigem Votum sich für die Koalition mit CDU und CSU ausgesprochen hat, steht der neuen Regierungsbildung durch die alte und neue Kanzlerin Angela Merkel nichts mehr im Weg. Nach mehrwöchigen Koalitionsverhandlungen der drei Parteien miteinander, stand schon seit einiger Zeit das gemeinsame Regierungsprogramm fest. Allein die Entscheidung der etwa 450.000 Mitglieder sollte ausschlaggebend sein, ob die SPD bereit ist, mit zu regieren.

Obwohl die Führungsebene um Gabriel erstaunlich viel Terrain für sich gut machen konnte, sprich, viele Punkte aus ihrem Wahlprogramm in das zukünftige Regierungshandeln untergebracht hat, wurden anfänglich deutliche Ressentiments gegen eine solche Koalition an der Basis der Roten spürbar. Im Falle einer Ablehnung hätte die Partei sich faktisch selbst enthauptet, denn ein kollektiver Rücktritt der Führungsgenossen wäre unausweichlich gewesen. Soweit wollte man dann doch nicht gehen und außerdem wurden die Mitglieder in zahllosen Regionalkonferenzen auf die Linie der Parteiführung eingeschworen.

Allein die Jusos wollten da nicht mitmachen und lehnten auf einem Treffen mit Gabriel eine solche Regierungsbeteiligung ab. Da schien es auf einmal eng zu werden, allgemeine Verunsicherung machte sich innerhalb der SPD breit. Für Gabriel, Nahles und die Anderen war kämpfen angesagt, es ging auch um ihre Köpfe. Je näher jedoch das Abstimmungsende rückte, umso gelassener konnte man die Führungsspitze erleben. Es deutete sich eine breite Zustimmung an und damit die große Koalition. Vielleicht macht es Sinn doch noch einmal zu hinterfragen, warum die Christsozialen der SPD derart viele Möglichkeiten eingeräumt haben, sich so erfolgreich bei den Verhandlungen darzustellen?

Der entscheidende Punkt ist, dass Merkel das Bündnis mit den Sozialdemokraten wollte. Jetzt auf dem Höhepunkt ihrer Macht sollte einer dritten Amtszeit nichts im Wege stehen, auch nicht die relative Sicherheit einer Neuwahl, bei der man nie so genau voraus sehen konnte, welche Konstellationen sich vielleicht noch ergeben würden. So gesehen hat sich der Schachzug der Bassisbefragung auf Seiten der SPD vorteilhaft auf das Ergebnis ihrer Verhandlungsstrategie ausgewirkt. Um die Genossen mit ins Boot zu holen, mussten die Verhandelnden solche Ergebnisse liefern, die die verkrätzten Wahlkämpfer besänftigen würden. Dies ging allerdings nur mit dem Wohlwollen von Merkel und Seehofer, wobei das alte Schlitzohr gleich noch sein Lieblingssteckenpferd, die Autobahnmaut für ausländische PKW`s mit im Verhandlungspaket untergebracht hat. Selbst bei der Anzahl der Ministerien für die SPD wurde spendabel verfahren, ebenso bei dem Kompetenzzuschnitt. Jetzt konnten sich die Granden mit breiter Brust vor ihrer Anhängerschaft aufpflanzen, die Schmach der verlorenen Wahl war getilgt, die SPD hatte sichtbar an Ansehen gewonnen, sie sitzt jetzt mit auf der Regierungsbank.

Angela Merkel indes nimmt es gelassen. Sie hat ihr Ziel erreicht. Mit einer erdrückenden Mehrheit im Bundestag, zudem einer Mehrheit im Bundesrat besitzt sie die uneingeschränkte parlamentarische Macht in unserem Land, ohne nennenswerte Opposition und ohne Widersacher in ihrer eigenen Partei, die schon längst eliminiert worden sind. Dass eine solche Dominanz nicht allzu förderlich für unser Land ist, hat man bereits unter Kohl erleben dürfen. In der Regel führt ein solcher politischer Zustand zur Stagnation, es wird nur noch verwaltet, nicht mehr kreativ gehandelt. Alles wird davon abhängen, wie weit es der SPD gelingen wird, im Laufe der Legislatur sich dem Würgegriff der Kanzlerin zu entziehen, um die dringend angemahnten sozialen Probleme im Inland und in der EU anzupacken. Wenn es den Sozialdemokraten nicht gelingen sollte, ein klares eigenes Profil innerhalb der Regierung zu entwickeln, werden sie fürchten müssen, dass es Ihnen am Ende so geht wie der F.D.P. Die Folge wird sein, dass ein Großteil der Wähler sich rechts oder links anderweitig orientiert und der gerade wieder begonnene Zulauf an Mitgliedern sich in erneute Austritte massiver Art umkehrt. 

Das war es dann mit der alten sozialdemokratischen Volkspartei, allein ein veralteter, vergreister Wurmfortsatz wäre die Folge. Daran kann keinem Demokraten in unserem Land gelegen sein, auch wenn er nicht zum Lager der SPD-Anhänger gehört. Die Bundesrepublik Deutschland ist immer gut gefahren, wenn es zwei starke Lager gegeben hat, eine starke Opposition neben einer stabilen Regierung. Auch gehört eine selbstbewusste liberale Partei, die allerdings auch diesen Namen verdient, zum Spektrum der Parteienlandschaft. Aufsplitterungen in viele einzelne Interessensgruppierungen sind immer schwierig, ja sogar tödlich für die Demokratie. Wir sehen es heute wie z. B. in Italien, wo Regierungen kommen und gehen, mit der Folge, dass jeder Fortschritt blockiert wird. Während der Weimarer Republik bei uns, ist das Schlimmste eingetreten, was die Folge von Zersplitterung in einer Demokratie sein kann. Letztendlich fördert sie den Auftrieb von radikalen Parteien und damit den Beginn des Endes der Demokratie. So ist es in Deutschland geschehen, so war der Beginn der Diktatur der Nazis unter Adolf Hitler.

Solche Anzeichen sind gottlob heute hierzulande nicht festzustellen, obwohl eine große Koalition immer Gefahr läuft, Stillstand zu produzieren. Da wir uns aber einen solchen Stillstand in den Zeiten der Bankenkrise, der Eurokrise, der Finanzkrise und der weltweiten Verschuldungen der Staaten, inklusive der Bundesrepublik Deutschland überhaupt nicht leisten können, sind alle Koalitionäre angemahnt, konstruktiv an den Lösungen der anstehenden Probleme mitzuarbeiten, ihre Profilsüchte hinten anzustellen und das zu leisten, wozu sie gewählt worden sind, nämlich dem Wohl des Deutschen Volkes zu dienen. Dabei sollten sie einmal nicht in erster Linie an die nächste Wahl denken, lösungsorientiert und nicht wahltaktisch handeln und das Ganze positiv im Auge behalten. In den nächsten Tagen wird Angela Merkel mit einer satten Mehrheit zur Kanzlerin gewählt werden. Dies steht außer Frage. Interessant aber wird es sein zu registrieren, wie viel Abgeordnete aus der Koalition sich der Stimme enthalten haben oder gar mit nein votieren. Daraus wird sich schon ablesen lassen, wie groß die innere Opposition in den Reihen der Regierungsparteien ist. 

Auch zukünftig wird dies ein Gradmesser sein, in welchem Zustand das Regierungsbündnis sich gerade befindet. Ganz ohne Blessuren wird die Legislaturperiode ganz bestimmt nicht ablaufen. Gehen wir einmal davon aus, dass mit dem guten Willen aller, die nächsten vier Jahre gemeinsam überstanden werden, so ist doch nicht unwesentlich, wie die Kanzlerin in ihrer vermeintlich letzten Kanzlerschaft sich positionieren wird. Schon jetzt gilt es die Weichen für eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu stellen. Dies bedeutet Position zu beziehen, aber auch den heutigen Verbündeten nicht zu groß werden zu lassen, denn bei der nächsten Bundestagswahl wird genau um ihr Amt gekämpft werden. 

Gabriel hat sich mit dem Eintritt in diese große Koalition unangefochten in die Rolle des sozialdemokratischen Bundeskanzlerkandidaten gebracht. Dies steht heute schon fest. Entsprechend wird er die Zeit nutzen, sowohl das Profil der SPD, als auch sein eigenes zu schärfen. In der CDU kristallisieren sich eine Kronprinzessin und ein Kronprinz heraus, Ursula von der Leyen und Thomas de Maiziere. Für beide steht sehr viel auf dem Spiel und keiner darf den Anderen unterschätzen, kann aber auch nicht zu offensiv werden, was wiederum die Kanzlerin verärgern würde. Da wird es noch viel zu berichten geben, unabhängig davon was der politische Alltag an Problemen in den nächsten Jahren sowieso aufwirft.

Also beobachten wir analytisch und warten gespannt ab. Das Warten und der politische Stillstand sind jetzt erst einmal vorbei oder um es mit den Worten der alten und neuen Bundeskanzlerin zu sagen: "Jetzt können wir endlich wieder an die Arbeit gehen". 

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 23.11.2013

Warum zeugt die Entscheidung der Grünen in Wiesbaden von mehr Mut, als die ihrer Parteifreunde in Berlin?

In Hessen wird beginnen, was dereinst in der Hauptstadt vollendet werden soll. Ministerpräsident Volker Bouffier und Grünen-Chef Tarik Al-Wazir haben nach einer Periode unterschiedlicher Verhandlungen im Laufe der letzten Woche sich entschlossen, Koalitionsverhandlungen zu führen. Nachdem auch die entscheidenden Parteigremien ihr Placet dazu gegeben haben, scheint der Weg frei für die erste Schwarz-Grüne Koalition in einem Flächenland in der Bundesrepublik Deutschland. Wenn es so kommen wird, und dies steht bekanntlich erst mit den Unterschriften unter dem besagten Vertrag fest, ist dies ein Novum in unserer politischen Landschaft, bedeutet aber auch, dass ein neuer Abschnitt im Gefüge von möglichen Regierungsbildungen beginnt. Zwar hat es in Hamburg schon einmal einen ähnlichen Versuch gegeben, dieser aber war nicht von allzu großer Dauer. Schon in den parallel laufenden Sondierungsgesprächen nach der Bundestagswahl in Berlin blitzte kurze Zeit die Möglichkeit einer Schwarz-Grünen Regierung auf. 

Mancher in beiden Lagern hätte durchaus darin eine charmante Lösung gesehen, doch nach offizieller Lesart war ein solches Bündnis noch nicht reif. Fakt ist jedoch, dass die Grünen, trotz eines gesteigerten Interesses, besonders bei ihren Führungsspitzen, bei dem schwachen Abschneiden in der Wahl und einem verkorksten Wahlkampf, nicht den Mut aufbrachten, eine solche neuartige Konstellation einzugehen. Zu groß war die Angst von Angela Merkel vereinnahmt oder gar erdrückt zu werden. Wie so etwas geht, wurde ihnen gerade am Beispiel der F.D.P. vorgeführt. Da schien ihnen das Risiko doch zu groß. Wer weiß wie die Sache ausgesehen hätte, wenn man mit sattem Zugewinn eine strahlende Braut für die Schwarzen gewesen wäre? So aber zu viel Enttäuschung und Depression über das eigene Abschneiden, als dass man sich mit den Christsozialen in einer Liaison verbandeln konnte. Doch bekanntlich ist ja aufgeschoben nicht gleich aufgehoben. Welche wunderbare Gelegenheit bietet da ein Bündnis auf Landesebene. Im Sinne einer künftigen gemeinsamen Bundesregierung ist die Entscheidung in Hessen als eine Art Verlobungszeit zu sehen. Hier kann Vertrauen aufgebaut, Glaubwürdigkeit und Regierungshandeln getestet werden, ohne dass im Falle eines Scheiterns gleich die ganze Nation in Mitleidenschaft gezogen wird. Aber Scheitern steht bei den beiden Koalitionären nicht auf der Agenda. Beide sind sehr zuversichtlich, obwohl sie genau wissen, wo ihre Knackpunkte liegen könnten. 

Nicht zuletzt sei da der Frankfurter Flughafen genannt in Bezug auf Lärmschutz, Ausbau und Ökologie. Zunächst hat man sich auf ergebnisoffene Verhandlungen im Zuge der Koalitionsgespräche verständigt, die Problematik soll sich an Hand neuester Gutachten orientieren. Dies konnte die hessische SPD nicht ungerührt lassen, sah es doch zwischenzeitlich einmal so aus, als habe sich Ministerpräsident Bouffier mit seinem sozial-demokratischen Herausforderer Schäfer-Gümbel darauf geeinigt, alle Wahlkampfattacken vergessen zu machen, um nach vorne schauend, die Chancen für eine große Koalition auch in Hessen zu verwirklichen. Zudem wird sich Schäfer-Gümbel ausgerechnet haben, dass nach einer Legislatur als stellvertretender Ministerpräsident nicht nur sein politisches Gewicht und sein Bekanntheitsgrad gewachsen sind, sondern er auch bessere Chancen auf den Posten des Ministerpräsidenten bei der nächsten Wahl haben würde, zumal in der CDU altersbedingt ein Wechsel an der Führungsspitze in Hessen anstehen könnte. Auch muss ihm klar geworden sein, dass mit einer Schwarz-Grünen Regierung in Wiesbaden für einen längeren Zeitraum ein Regieren im Land in weite Ferne gerückt ist, wenn sich das Bündnis als stabil herausstellen sollte.

Und was könnte passieren, wenn man, ausgelöst durch das hessische Modell, auf Bundesebene Appetit auf mehr bekommen würde? Damit einhergehend, was passiert eigentlich, wenn der ausgehandelte Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD in Berlin vor den Augen der sozial-demokratischen Basis keine Gnade findet? Dies wird überhaupt die spannendste politische Frage in dieser Woche werden. Bisher liegt noch alles im Ungewissen. Aus den Kreis- und Ortsverbänden regt sich massiver Widerstand gegen ein solches Bündnis. Die SPD-Parteispitze, allen voran der Vorsitzende Sigmar Gabriel, reist von einer Veranstaltung zur nächsten, um die Genossen zur Zustimmung zu bewegen. Bisher mit mäßigem Erfolg. Dabei geht es auch um seine Haut, denn im Falle einer Ablehnung kann die gesamte Vorstandsebene abdanken, zu groß wäre der Vertrauensverlust. Und mitten hinein in diesen unerfreulichen Schwebezustand platzt auch noch das angedachte Bündnis in Hessen. Die vermeintlichen Koalitionsgetreuen von den Grünen gehen von der Fahne und legen sich mit den Schwarzen ins Bett. 

Derweil läuft die SPD Gefahr durch falsches taktisches Manövrieren, und nur so muss man die Befragung der Basis werten, sich selbst zu eliminieren, zumindest sich selbst großen Schaden zuzufügen. Zu allem Überfluss haben sie auch noch die Öffnung zu den Linken beschlossen. Zum jetzigen Zeitpunkt war dies nicht nur ebenfalls taktisch unklug sondern auch völlig überflüssig. Damit haben sie erneut das Szenario angefacht, zwar jetzt eine Koalition mit der CDU einzugehen, aber auf halbem Wege dann doch aufzukündigen, um einen Schwenk nach links zu machen. Seitdem liegt ein gewisses Misstrauen über den Verhandlungen, es zwickt und zwackt an allen Enden und dies vor der Kulisse eines drohenden Zustimmungsverlustes. Die SPD hat wahrlich schon bessere Zeiten erlebt. Doch damit nicht genug. 

Sollte es gar knüppeldick für die altehrwürdige sozial-demokratische Partei kommen, müsste sie mit dem Allerschlimmsten rechnen. Führungslos müsste sie zusehen, wie sie sich spaltet, indem der linke Flügel sich zu den Linken aufmacht, während der gemäßigte Teil die Zukunft bei den Grünen sucht. Viele aus dem rechten Flügel zieht es dann zu Angela Merkel, die sie auch schon bisher als Kanzlerin recht passabel fanden. Und was bleibt zum Schluss übrig von der 150.jährigen Geschichte: ein gerupftes Huhn mit arg gestutzten Flügeln, unfähig noch einmal sich in die Lüfte zu schwingen, um den sozialen Traum zu verwirklichen. Welch eine Aussicht und dies auch noch bei sinkenden Mitgliederzahlen und abstürzenden Wahlergebnissen. Dabei sah am Anfang alles so schön aus. Zwar hatte man die Wahl verloren, aber ob des Wahlergebnisses, welch eine Genugtuung die Schwarzen vor sich herzutreiben. Gabriel und seine Genossen konnten vor Kraft kaum laufen, sie glaubten tatsächlich Angela Merkel in die Enge getrieben zu haben. Und einmal wieder bewahrheitet sich das alte Sprichwort: Jeder Höhenflug ist vom Absturz bedroht, wie einst, als Ikarus glaubte der Sonne zu nahe kommen zu können. 

Vielleicht geht dieser Kelch durch eine gehörige Portion Glück an der Sozialdemokratie noch einmal vorüber, wenn die Zugeständnisse seitens der CDU/CSU so großzügig gestaltet werden, dass selbst die größten Kritiker innerhalb der SPD, Züge ihres Wahlprogrammes in dem ausgehandelten Koalitionspapier zu erkennen glauben. Vielleicht klappt es ja auch nicht zwischen Schwarz und Grün hinsichtlich höherer Ziele. Alles kann, nichts muss. Politik ist ein wages Geschäft, voll von Fallstricken und Tretminen und immer wieder für eine neue Schlagzeile gut. Deshalb hat es auch nicht überrascht zu lesen, dass der Hessen-Grüne Al-Wazir, erst nachdem Joschka Fischer ihm getwittert hatte, er schaffe das schon mit der Schwarz-Grünen Koalition, eine solche Entscheidung öffentlich gemacht hat. 

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 16.11.2013

Wird die altehrwürdige SPD die Koalitionsverhandlungen überleben oder wird ihr aktueller Vorstand dran zerbrechen? 

Wenn man die großen Koalitionsrunden sieht, die alle paar Tage zusammenkommen, um zwischen CDU, SPD und CSU zu beraten, ob man gewillt ist, gemeinsam die Regierungsverantwortung zu übernehmen, kann man schon verwundert ins Grübeln kommen, wie so etwas überhaupt funktionieren soll. Da wandern ganze Busladungen von gewichtigen Politikern der drei Koalitionswilligen hin zum Verhandlungsort, und haben sie alle erst einmal Platz genommen, dann erkennt man das Gegenüber in dieser weitläufigen Halle nur noch schemenhaft. Wie muss man sich das vorstellen, wenn eine bestimmte Thematik diskutiert wird? Werden da alle Anwesenden gehört, einzeln oder alle gleichzeitig oder reden da nur die Parteivorsitzenden und alle anderen nicken geflissentlich? Weshalb aber diese Armada der anderen Parteioberen, die einem Rudel gleich, ihren Anführern Rückendeckung signalisieren. Dabei ist der Einmarsch der Gladiatoren signifikant für jede einzelne Delegation. 

Die Kanzlerin schreitet oder besser gesagt trippelt ihrem Parteigefolge selbstbewusst voran, hier ist ganz klar zu erkennen, wer die Hosen an hat. Bei der CSU wirkt das Ganze fast imperial, wenn Seehofer nahezu in der Attitude eines Alleinherrschers, gemessenen Schrittes einher schreitet, immer das gesetzte Ziel des eigenen Machtanspruches vor Augen, während die Staffage, seine auserkorenen Günstlinge sich eher als Dekoration ausmachen. Ja, im Land der Bayern hat die Hierarchie noch seine traditionelle Bedeutung. Wie verstört kommt dagegen die alte Tante SPD daher. Alles ähnelt eher einem unkoordinierten Haufen. Um es vorweg zu nehmen, in der nächsten Woche wird dieses Bild des Aufmarsches ein noch viel kläglicheres, nach den Erfahrungen auf dem Parteitag in Leipzig am letzten Donnerstag und Freitag. Fast wäre es hier schon zu einem Eklat gekommen, als bei den Vorstandswahlen, die Landesvorsitzenden bei der Wiederwahl zum Parteivorstand der Bundespartei diese reihenweise beim ersten Wahlgang von der Basis ab gewatscht worden sind und die nötigen Stimmenzahlen verfehlt haben. 

Erst nachdem der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel die Delegierten um Geschlossenheit gebeten hatte, um so die Handlungsfähigkeit sicher zu stellen, wurden die Landesfürsten mit Ach und Krach soeben in ihre Ämter zurück gehievt. Was ist da los mit den Sozialdemokraten, die jetzt immerhin auf eine 150jährige Geschichte zurück blicken können? Klar ist, dass die Kluft zwischen Parteibasis und Parteiführung noch nie so groß war wie zurzeit. Damit ist aber auch klar, dass für viele in den Orts- und Kreisverbänden eine Große Koalition, so wie es die Granden propagieren, nahezu unvorstellbar ist. Sie alle haben noch den enormen Stimmenverlust von weit mehr als 10% nach der letzten Großen Koalition im Hinterkopf, als Angela Merkel, nachdem sich Schröder notgedrungen zurückziehen musste, mit Walter Steinmeier eine gemeinsame Regierung zustande gebracht hatte. Trotz einer vernünftigen gemeinsamen Arbeit in dieser Koalition, war es die Kanzlerin, die bei der anschließenden Bundestagswahl die Lorbeeren für die Bewältigung der Banken- und Finanzkrise einheimsen konnte.

Anstatt Anerkennung haben die Sozialdemokraten eine krachende Niederlage hinnehmen müssen, das Ende als Volkspartei schien nicht mehr weit zu sein. So etwas steckt bei vielen noch in den Knochen, sie befürchten das Schlimmste nach einer erneuten Regierung mit Merkel. Nach der darauf folgenden miserablen schwarz-gelben Koalition hatten sie gehofft, mit Steinbrück jetzt endlich wieder einmal den Kanzler zu stellen, aber erneut ging der Schuss nach hinten los, mit dem Ergebnis von weiteren Stimmenverlusten. Während all dieser Zeit hat Angela Merkel an Zustimmung bei den Deutschen gewonnen, der Stimmenzuwachs für die CDU auf über 40% geht allein auf ihr Konto. Ähnlich wie bei der vorletzten Wahl es die SPD getroffen hatte, wurde im September die F.D.P. gerupft, nur dass die Gelben danach von der Bildfläche verschwunden sind, kein Wiedereinzug in den Bundestag und in Hessen soeben knappe 5%, welcher Reibungsverlust an der Teflon-Kanzlerin. 

So etwas will die SPD-Basis auf keinen Fall erleben, bei diesem Gedanken befällt sie die schiere Panik. Dazu kommt der gesellschaftliche Umbruch durch die Globalisierung und die Wirtschaftskrise in einigen südlichen EU-Ländern mit Hunderten von Milliarden Staatshilfen, wobei nicht feststeht, wie weit Deutschland damit belastet wird. Und bei dieser Gemengelage soll die SPD noch den Mehrheitsbeschaffer für die Christsozialen geben. Dies scheint so manches überzeugte SPD-Mitglied einfach nicht mehr verkraften zu wollen. Und doch drängt die Parteispitze in die Regierungsverantwortung und versucht dies mit Kontrollfunktionen zu erläutern, nach dem Motto: wenn wir schon nicht die Führung in der Regierung stellen können, dann müssen wir wenigstens die Schwarzen überwachen und so dafür sorgen, dass möglichst viel von unserem Wahlprogramm in diese Koalition eingebracht werden kann. 

Als Drohkulisse hat man noch, zwecks Eigenstärkung, auf dem Parteitag beschlossen, zukünftig ein Bündnis mit den Linken grundsätzlich nicht mehr auszuschließen, so wie man dies bei der letzten Wahl noch kategorisch getan hatte. Um aber keinen Parteiaufstand mit selbstzerfleischenden Flügelkämpfen zu riskieren, sind Gabriel, Nahles und Co auf die Idee gekommen, das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen durch eine Mitgliederbefragung bestätigen zu lassen. Taktisch ist dies gegenüber den beiden anderen Parteien nicht unklug, denn mit dem Argument der Befragung lässt sich sowohl drohen, als auch locken. Trotzdem birgt diese Konstellation ein gewaltiges Risiko, doch dessen glaubte die Führungsspitze gewachsen zu sein. Man vertraute auf die Gefolgschaft der Basis und war sich sicher, ein positives Votum von ihnen zu bekommen. Dieser Traum endete jäh durch die Vorstandswahlen, denn mit den verpatzten Wahlen war blitzartig klar, dass diese Mitgliederbefragung kein Selbstläufer sein wird. Seitdem geht Angst und Verunsicherung durch die Reihen der Vorstände. Was kann passieren?

Anstatt schon staatstragend als Bundesminister am Tisch der Kanzlerin zu sitzen, kann es durchaus sein, dass sie nur noch ihren Rücktritt von ihren hohen Parteiämter erklären dürfen, wenn die Basis glaubt, ihre Zustimmung zu einem ausgehandelten Koalitionspapier verweigern zu müssen. Diese Brisanz ist mittlerweile allen in der SPD klar. Die da oben spüren, dass sie auf trügerischem Boden stehen und die da unten registrieren, dass sie plötzlich unverhoffte Macht, aber auch Verantwortung bekommen haben. Dabei schien der Winkelzug mit der Befragung so genial. Zusätzliche Verhandlungsmasse ohne großes Risiko glaubte man gewonnen zu haben, und nun das. Wie anfangs erwähnt, hat der Auftritt der SPD-Kader schon bisher nicht den Eindruck erweckt, außer einem Platz auf Augenhöhe gegenüber Angela Merkel steht überhaupt nichts zur Debatte. 

Nach diesem Wochenende wird neben der Ernüchterung auch noch eine gehörige Portion Selbstzweifel auf Seiten der SPD die Verhandlungen begleiten, nicht unbedingt eine Stärkung für das Selbstbewusstsein der Akteure. Es wird spannend sein zu beobachten, welchen Verlauf die Koalitionsgespräche nächste Woche nehmen werden und dies hängt nicht nur von den Roten ab. In erster Linie ist es Sache von Merkel und Seehofer, ob sie unbedingt diese große Koalition wollen. Dann werden sie Zugeständnisse machen müssen, damit die SPD-Basis die Kröten schlucken kann, die ihnen ihre Parteiführung vorsetzt. Sollten allerdings die Damen und Herren der Führungselite die Verhandlungen platzen lassen, auch nur um sicher zu gehen, nicht plötzlich ohne hohes Funktionärsamt dazustehen, dann brauchen sie über eine Regierungsbeteiligung nach einer sofortigen Neuwahl nicht mehr nachzudenken. Während sie einen weiteren Stimmenschwund betrauern, können sie zuschauen, wie Angela Merkel als absolute Herrscherin im politischen Berlin die Zügel führt oder wenn es dazu nicht gereicht hat, wie sie sich die Afd, die Alternative für Deutschland zu Recht stutzt, ihr neuer Kandidat, der für den Machterhalt herhalten muss. 

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 09.11.2013

Zum fünfundsiebzigsten Mal jährt sich der Pogrom vom 9. November 1938. Haben die Deutschen, hat der Rest der Welt etwas daraus gelernt? 

Heute ist ein denkwürdiger und ein trauriger Tag zugleich. Vor genau 75 Jahren, am 9. November 1938 haben die Deutschen gezeigt zu welchen Verbrechen sie fähig waren, als stellvertretend für alle, die Schlägertrupps und Mordbuben der SA die Jüdischen Synagogen in Brand gesteckt, die von Juden betriebenen Geschäfte und Firmen überfallen, verwüstet und beraubt haben. Die jüdischen Menschen wurden zusammen getrieben, oftmals die Alten, die sich nicht vorstellen wollten, dass selbst das Nazi-Deutschland zu solchen Verbrechen nicht fähig sein würde. Viele von ihnen hatten im Ersten Weltkrieg diesem Land mit dem Einsatz ihres Lebens gedient, viele sind dafür ausgezeichnet worden, viele ihrer jüdischen Freunde hat es das Leben gekostet. Und nun wurden sie aus ihren Häusern getrieben, oftmals unter dem Gejohle des aufgestachelten Mobs, verprügelt, gedemütigt und aufs Schändlichste misshandelt, auch getötet. Dies geschah deutschlandweit flächendeckend.

Danach wurden sie in Lager verschleppt, ihre Habe wurde konfisziert, der Holocaust, die Vernichtung des Judentums auf nationalsozialistischem Herrschaftsgebiet hatte begonnen. Dies galt auch für Österreich, nachdem zuvor ja der "Anschluss an das Deutsche Reich", so der offizielle Sprachjargon, bereits stattgefunden hatte. Was war los mit dem Volk der Dichter und Denker, warum haben sich die Deutschen nicht dagegen gewehrt? 

Wie alte Wochenschauaufnahmen beweisen, hat die Bevölkerung tatenlos zugesehen, es ging eher darum einen guten Platz zu erwischen, um dem kriminellen Spektakel zuzuschauen. Weder die örtliche Polizei, noch die Feuerwehren machten Anstalten die mordbrennenden SA-Schergen aufzuhalten oder vielleicht die Brände einzudämmen. Löscharbeiten wurden nur dort unternommen, wo Gefahr bestand, dass das Feuer auf angrenzende nichtjüdische Häuser übergreifen könnte. Keiner kam den langjährigen Nachbarn zur Hilfe, als die Menschen jüdischen Glaubens wie Vieh auf die Sammelplätze getrieben wurden, von sogenannten "Gesinnungsdeutschen", die in bester Absicht das deutsche Volk von der "Judenpest" befreien wollten, so die Propaganda des Volksverhetzers Goebbels. Dass es sich bei diesen SA-Trupps oft um verblendete, gescheiterte und brutalisierte Versager in der Gesellschaft, oder aber aufstiegsgeile, machtgierige und dazu gewissenlose Parteikarrieristen handelte, zeigt wer 1938 das Sagen in Deutschland hatte. 

Der Rechtsstaat war untergegangen, Justiz und Verwaltung waren gleichgeschaltet und dienten einzig und alleine dazu Adolf Hitler und den Seinen willfährig zu sein. Aus dem demokratischen Deutschland der Weimarer Republik war eine menschenverachtende Diktatur geworden und dies in einigen wenigen Jahren. Die Juden wurden zu dem Synonym des Bösen stilisiert, sie wurden für die wirtschaftliche Misere nach 1928, für die riesigen Reparationszahlungen nach dem ersten Weltkrieg, gar für dessen Niederlage verantwortlich gemacht. Die Judenhetze war allgegenwärtig und die "Ausrottung" beschlossene Sache. Dabei haben die jüdischen Mitbürger und dabei handelte es sich nicht wie die Nazis vorgelogen haben, um ein eigenes ethnisches Volk sondern um eine Glaubensgemeinschaft, so wie Christen oder Muslime, also Deutsche wie jeder andere Bürger im preußischen Staat, nachweislich besonders viel geleistet für das deutsche Volk, sei es in der Wissenschaft, in der Wirtschaft oder aber auch in Politik, Gesellschaft und Kultur. 

Tief im Bürgertum verankert, waren es gerade die Menschen jüdischen Glaubens, die die gesellschaftliche Bildung vorantrieben. Die Nazis haben daraus die Verschwörung gegen das deutsche Volk durch die Juden gemacht, genauer gesagt durch die internationalen Zionisten. Doch genau das Gegenteil hat stattgefunden, Hitler hat sich des Staates und des Volkes bemächtigt, hat Millionen von Menschen umbringen lassen, neben Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, politisch Andersdenkende, Behinderte, Zwangsarbeiter und viele mehr. 

Durch die Kriegsüberfälle in ganz Europa starben weitere Millionen, sei es in Kampfhandlungen oder aber auch, dass man Kriegsgefangene systematisch verhungern ließ. Mit dem Gedanken der Judenvernichtung, dem Holocaust und der Pogromnacht, in diesem Augenblick, da der Schreiber dieser Zeilen diesen Text fixiert vor exakt 75 Jahren, nahm dieser verheerende Geschichtsverlauf seinen aktiven Anfang. Die Deutschen haben, wenn sie nicht aktiv beteiligt waren, doch duckmäuserisch zugesehen und geschwiegen. Sie haben zugelassen, dass sie selbst in den Zustand der Verrohung abgeglitten sind, sie haben zugelassen, dass sie nicht nur von dem schlimmsten Verbrecher der Geschichte beherrscht wurden, sondern auch die schlimmsten Verbrechen in ihrem Namen an der Menschheit verübt worden sind. 

Dieses gilt es niemals zu vergessen, deshalb ist der heutige Tag ein so wichtiges Datum. Es ist aber auch der richtige Zeitpunkt, sich der Menschen zu erinnern, bei denen  die Deutschen als Volk sich große Schuld aufgeladen haben. Das Rad der Geschichte kann niemals zurück gedreht werden, insofern wird es immer bei dieser Schuld bleiben. Aber wir können auf verschiedene Weise Abbitte leisten. Dazu gehört die aufrichtige Entschuldigung, die nur durch die eindeutige geschichtliche Aufarbeitung geleistet werden kann. Jegliches Leugnen und Verdrängen muss tabu sein. Dies gilt speziell für die heutigen und zukünftigen Generationen, wobei wir aus der Geschichte unmittelbar in die aktuelle Realität herüber kommen. 

In Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, wie z.B.in Ungarn ist wieder verstärkt Antisemitismus festzustellen. Noch immer zeigen die alten Nazihetzparolen Wirkung und es ist der gleiche Humus, auf dem sie erneut sprießen. Wirtschaftliche Probleme, Bildungsmangel und Ausländerfeindlichkeit sind nur einige Gründe weshalb die gefährlichen faschistoiden Ideen neuen Zulauf bekommen. Deshalb ist es dringend geboten, sowohl seitens des Staates, aber noch mehr seitens einer couragierten Bevölkerung diesem Aufflammen von Faschismus zu begegnen. Dabei hilft besonders das Erinnern und der Wille nicht noch einmal so etwas zuzulassen, was am 9. November 1938 schreckliche Wirklichkeit geworden ist. 

Bei aller Trauer und dem Erinnern an die dunkelste Seite der deutschen Geschichte muss aber auch erwähnt werden, dass der 9. November als Tag auch etwas sehr Glückliches für die Deutschen gebracht hat. Am 9. November 1989 war mit der Öffnung der Berliner Mauer der Zeitpunkt gekommen, den Zustand der deutschen Teilung zu überwinden, aus zwei Staaten wieder ein vereintes Deutschland zu machen. Trotz allen gelegentlichen Unkens ist dies ein glückliches Ereignis in der jüngeren deutschen Geschichte. Damit einher geht aber auch eine große Verantwortung, als stärkste Kraft in Europa politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich vorbildlich zu sein. Auch dadurch zeigen wir, dass wir aus unserer Geschichte gelernt haben, dass wir im Gegensatz zu vor 75 Jahren die Menschen nicht unterdrücken, diskriminieren oder gar töten wollen, sondern als Freunde und Partner mit unseren Nachbarn in Europa und in der ganzen Welt, die Demokratie, die Menschenrechte und ein gedeihliches Miteinander für uns oberste Priorität hat. 

Wie gesagt, wir können das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen, aber wir können neben der Entschuldigung und der Trauer die klare Botschaft hinzufügen, wir haben aus unserer Geschichte gelernt, wir werden zukünftig die Werte der Humanität mit aller Deutlichkeit verteidigen. 

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 26.10.2013

Was unterscheidet Merkels Handy von allen anderen hierzulande?

Nicht die Tatsache, dass sich die stärksten Parteien des Bundestages in der neuen Legislaturperiode, nämlich CDU und SPD nicht so ganz überraschend zu Koalitionsverhandlungen zusammen gefunden haben, ist das spannendste Ereignis der letzten Tage, nein das politische Berlin scheint fassungslos ob der Erkenntnis, dass Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin von amerikanischen Geheimdiensten ausspioniert worden ist. Dabei soll ihr Diensthandy abgehört worden sein, ausgerechnet aus der amerikanischen Botschaft, die neuerrichtet am Potsdamer Platz, nur wenige hundert Meter vom Regierungssitz der Kanzlerin einen hervorragend Standort inmitten des Regierungsviertels einnimmt. 

Dass Frau Merkel nicht allein im Focus des Überwachungsinteresses der USA stand, angeblich sei dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr der Fall, so der Sprecher des amerikanischen Präsidenten, scheint zweifelfrei. Es ist davon auszugehen, dass alle hochrangigen Politiker, gleichgültig welcher Partei auch, belauscht worden sind. Damit hatten die Amerikaner einen ziemlich genauen Wissensstand, was in der deutschen Politik so vor sich gegangen ist. So etwas hilft natürlich bei jeder Art von Verhandlung, man ist seinem Gegenüber immer einen entscheidenden Schritt voraus. Zudem lässt sich dieser Informationsvorsprung bestens in die eigene Planung einbauen, unangenehme Überraschungen, etwa bei der Verweigerung gemeinsamer militärischer Aktionen können frühzeitig in die eigenen Strategien eingebunden werden.

Ob solche Bespitzelung auf deutschem Boden rechtswidrig ist, scheint im Fall der USA noch gar nicht ausgemacht, obwohl dieses seitens der Regierung und des Innenministers vehement verkündet worden ist. Auf Grund früherer Verträge und bedingt durch den Status einer Siegermacht des Zweiten Weltkrieges wurden den Amerikanern solche geheimdienstlichen Tätigkeiten zugestanden. Während des Kalten Krieges war die Bundesrepublik und West-Berlin der eigentliche Tummelplatz für Agenten und Spionage, über den Eisernen Vorhang hinweg, aber auch in Westdeutschland, allein schon um die Vasallentreue zu überprüfen. Wie Historiker erklären, hat es bisher keine Aufhebung der bestehenden Verträge diesbezüglich gegeben, was natürlich aktuell von der Politik bestritten wird. Auf deutscher Seite ist man davon ausgegangen, dass mit der Integration in die westliche Bündnisgemeinschaft selbstverständlich eine irgendwie geartete Überwachung seitens der Amerikaner eingestellt werden würde. Dies hat sich aber jetzt als fataler Irrtum heraus gestellt. Mit neuen Techniken wurde noch lückenloser ausgespäht. 

Dabei hat man selbst die befreundete Bundeskanzlerin nicht ausgelassen. Als ob dies nicht schon peinlich genug wäre, nach all den Freundschaftsbekundungen, immerhin hat Obama Angela Merkel vor nicht allzu langer Zeit mit der Friedensmedaille, einem der höchsten zivilen Orden, die die Vereinigten Staaten verleihen können, ausgezeichnet und sie dabei als sehr bedeutenden Freund der Amerikaner bezeichnet. Gleichzeitig wurde die Bundeskanzlerin auf dem Handy abgehört und mit ihr ein Großteil der politischen Elite unseres Landes. Wie passt so etwas zusammen? Eigentlich gar nicht und trotzdem rechtfertigen die USA diese Vorgehensweise, argumentieren mit bestehenden Verträgen und versuchen mit plumpen Erklärungen wie z. B., dass die deutsche Regierung sich abhörsichere Kommunikationsmittel beschaffen muss, oder dass die Amerikaner dafür sorgen müssen, dass solche Aktivitäten nicht an die Öffentlichkeit geraten, die Affäre herunter zu spielen. 

Obama selbst hat sich öffentlich zu diesem Affront gegenüber einem der engsten Verbündeten der USA nicht geäußert. Die NSA, also der agierende Geheimdienst erklärte lediglich lapidar: der Präsident sei nicht in Kenntnis gesetzt worden. Dies ist doch sehr zweifelhaft, denn bei einem solch gravierenden Akt von Informationsbeschaffung, immerhin wurden eine Reihe weiterer Präsidenten und Staatsführer ausgespäht, so etwa in Frankreich und Brasilien, aber auch Weltorganisationen wie die UNO, das kann nicht ohne das Wissen des Mannes im Weißen Haus passieren, bei dem alle wichtigen Fäden der amerikanischen Politik, Diplomatie und bedeutenden Staatsangelegenheiten zusammenlaufen. Dieser Sachverhalt wirft ein diffuses Licht auf den einst charismatischen ersten farbigen Präsidenten der USA, von dem erwartet wurde, eine neue Art von Politik nach innen und nach außen zu betreiben. 

Der Friedensnobelpreis ist ihm verliehen worden, weil man ganz große Hoffnungen in sein politisches Handeln gesetzt hatte. Das Präsidentenamt hat ihn verändert, die sich daraus ergebenden Zwänge haben wenig von seiner Strahlkraft übrig gelassen. Die Abhör-Affären bilden einen erneuten Tiefpunkt, nach weltweiten Drohnenangriffen und damit verbundenen Tötungsakten auch von unschuldigen Zivilisten. Nicht alles ist mit dem Krieg gegen den Terror zu rechtfertigen, bestimmt aber nicht das Bespitzeln von befreundeten Staats-Frauen und Männer, politischen Führern von verbündeten Staaten. Schon wird nach amerikanischer Diktion relativiert, wenn man in erster Linie von Partnern spricht. Doch wie soll man die Gesten von Obama gegenüber Merkel im Garten des Weißen Hauses verstehen, oder zuletzt das Treffen in Berlin auf dem Potsdamer Platz, als der Präsident sich seines Jacketts entledigte mit der Bemerkung: bei guten Freunden kann man sich ruhig etwas lockerer geben? 

Dass dies alles unmittelbar vor der amerikanischen Botschaft passiert ist, von wo zur gleichen Zeit mit ziemlicher Sicherheit das Handy der Kanzlerin überwacht worden ist, gibt der Angelegenheit eine ganz besondere Brisanz, um nicht zu sagen, wie schamlos ist das denn? Als im Sommer, bedingt durch die Veröffentlichungen des geflohenen, ehemaligen NSA-Mitarbeiter Snowden die deutsche Öffentlichkeit aufgeschreckt wurde, weil vermutlich monatlich viele Millionen Gespräche und Mails von Handys bundesdeutscher Bürger abgehört worden sind, hat die Regierung versucht durch wachsweiche Erklärungen und absurde Beteuerungen dieses Thema unter den Teppich zu kehren. Die Bundestagswahlen warfen ihre Schatten voraus und ein Skandal konnte Merkel sich nicht leisten, zumal auch nie geklärt wurde, wie weit die deutsche Regierung über den deutschen Geheimdienst BND involviert war, entweder durch Tolerierung oder gar durch aktives Handeln. 

Profalla, der Kanzleramtschef und einer der engsten Vertrauten von Merkel hat in einem an Peinlichkeit nicht mehr zu überbietenden Kurzstatements gesagt: Die NSA habe erklärt, keine Rechtsbrüche auf deutschem Boden durch Abhören zu begehen, dies sei für ihn absolut glaubwürdig, die Angelegenheit sei damit vom Tisch. Dies war und ist bis heute nicht der Fall, denn auf Anfrage der Bundesregierung haben die Amerikaner noch immer nicht auf die aufklärenden Fragen geantwortet, die ihnen in dieser Angelegenheit zugesandt worden sind. Schon in der damaligen Kolumne hat der Schreiber dieser Zeilen darauf hingewiesen, dass der Wahlkampf eine völlig neue Dynamik bekommen würde, wenn tieferschürfende Erkenntnisse auf die Tagesordnung kämen. Da die amerikanische Administration und Merkel in diesem Punkt die gleichen Interessen vertreten haben, wurde die Angelegenheit schnellstens abgewürgt. Und jetzt das. 

Hätte Merkel sich mit der gleichen Empörung schon damals an Obama gewandt, hätte dieses für sie vielleicht größere Probleme im Wahlkampf aufgeworfen, ihrer Glaubwürdigkeit insgesamt aber hätte das gut zu Gesicht gestanden. Jetzt steht sie selbst da, düpiert wie ein begossener Pudel und muss sich fragen, was all diese Freundschaftsbekundungen eigentlich wert waren, welche Rolle Deutschland im deutsch-amerikanischen Verhältnis einnimmt und wie der enorme Vertrauensverlust in dieser Beziehung wieder aufgefangen werden kann. Amerika ist und bleibt unser Verbündeter. Über viele Jahrzehnte hat sich gerade von deutscher Seite ein großes Vertrauen, ja oftmals eine breite Sympathie bei vielen Menschen aufgebaut, ein Besuch in den USA war ein Höhepunkt in ihrer Lebensplanung. Einmal den “American way of Live“ zu erleben, das war etwas ganz Besonderes. Dazu muss gesagt werden, dass die amerikanische Bevölkerung noch immer sehr liebenswürdig ist und die Deutschen mit offenen Armen empfängt. Bei der amerikanischen Politik sollte man dies gewiss differenzierter sehen. Dort sind die USA Weltmacht, zurzeit noch die einzige nach dem Zusammenbruch der Sowjet-Union. Doch die Chinesen sind den Amerikanern mächtig auf den Fersen, zumal die USA mit etwa 1,2 Billionen Dollar bei China in der Kreide stehen. 9/11, die Zerstörung des World Trade Center hat eine Phobie ausgelöst, die zu einem erbitterten Krieg gegen den Terror geführt hat, mit all den bekannten Maßnahmen ziviler, militärischer und geheimdienstlicher Art. Das Ausmaß der Bespitzelung ist das Ergebnis, die neuen technischen Standards bieten Voraussetzungen, die bisher nur in der Utopie möglich schienen, Totalüberwachung rund um den Globus inklusive. 

Dies bedeutet, dass ein neues Zeitalter angebrochen ist, ein Zeitalter in dem die Technik den ethischen, gesellschaftlichen und gesetzlichen Werten weit vorauseilt. Darüber gilt es sich in einer globalisierten Welt zu verständigen. Es kann nicht sein, dass die Macht des technologischen Vorsprungs allein der Maßstab des Handelns ist. Für die amerikanische Politik ist es schwer vorstellbar, ihren Machtanspruch gegen eine wirkliche Partnerschaft zu tauschen, zumal sie über einen langen Zeitraum ihre Verbündeten in erster Linie als Satelliten gesehen haben. Nach der Zeit des "splendid isolation", also der Doktrin sich auf das eigene Land zu konzentrieren, ist man Bündnisse eingegangen, primär aus Eigeninteressen und so ist man mit diesen auch umgegangen. Die Ideologie der Puritaner von  "Gods own land" hat dabei ihr Übriges beigesteuert. Dies könnte sich jetzt ändern, denn die amerikanische Gesellschaft ist im Wandel begriffen, durch veränderte wirtschaftliche Bedingungen, aber noch mehr durch den größer werdenden Anteil von eingewanderten Latinos in die USA. 

Europa kann das Seinige dazu tun, um in der sich verändernden weltweiten Machtbalance, gemeinsam mit den Amerikanern eine große Wertegemeinschaft zu bilden, demokratische Werte, die für uns alle essentiell sind. Ein starkes, gemeinsames Europa muss das Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten bilden, sodass auf Augenhöhe nicht nur eine gemeinsame Freihandelszone gebildet, sondern zunächst über strikte gemeinsame Gesetzmäßigkeiten und Abkommen verhandelt wird, die solche Praktiken des Ausspionierens und Bespitzeln schlichtweg verbieten. Nicht zuletzt muss dabei auch die Wirtschaftsspionage mit einbezogen werden, denn dieser gilt von vielen Seiten ein wesentliches Augenmerk, auch innerhalb der Europäischen Union und nicht nur seitens der Russen, Chinesen aber auch der Amerikaner. Die deutsche Wirtschaft hat geschätzt etwa einen Verlust von über 50 Milliarden Euro jährlich, allein bedingt durch die Wirtschaftsspionage anderer Länder. 

Fazit: Was gilt es jetzt zu tun? Damit wieder Klarheit in das deutsch-amerikanische Verhältnis kommt, müssen die Fakten auf den Tisch und dies in aller Offenheit für alle Bürger unseres Landes nachvollziehbar. Als weitere vertrauensbildende Maßnahme müssen eindeutige Regelungen im gemeinsamen Umgang mit geheimdienstlichen Tätigkeiten herbei. "Whistle-Blower" werden damit überflüssig. Wie allerdings Obama Kanzlerin Merkel beim nächsten Zusammentreffen gegenübertreten wird, kann man sich in etwa vorstellen. Wie Angela Merkel anschließend darauf reagiert, ist ebenso spannend, wie die Ergebnisse, die dann präsentiert werden, zumal in diesen speziellen Fragen. Dann wird sich weisen, was die Amerikaner wirklich von den Deutschen wollen, Hilfestellung bei dem globalen Machterhalt oder echte Partnerschaft und Freundschaft auf Augenhöhe.

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 12.10.2013

Sind die U.S.A am kommenden Mittwoch pleite?

Während die geistige Welt, zumindest die schreibende Zunft sich noch bis Sonntagabend auf der Frankfurter Buchmesse tummelt, dreht sich die Welt derweil weiter. Mögen in den Büchern noch so interessante Lösungsansätze für die Probleme auf unserem Globus angeboten werden, selten richtet sich die Realität nach solchen Vorgaben. 

In Syrien z. B. müssen immer noch Menschen sterben, und die Zahl von 100.000 Toten ist längst überschritten, es werden mittlerweile eher 120.000 bis 130.000 arme Seelen sein, die bei diesem mörderischen Bürgerkrieg ihr Leben lassen mussten. Ein Heer von mehreren Millionen Flüchtlingen irrt durch das Land oder ist in die benachbarten Staaten ausgewichen. Doch auch an der Grenze der Europäischen Union spielen sich mittlerweile Dramen ab, die schrecklicher nicht sein können. Immer mehr syrische Flüchtlinge versuchen auf verrotteten Booten den Weg über das Mittelmeer an die Küsten von Sizilien oder der vorgelagerten Insel Lampedusa zu finden, dem am südlichsten gelegenen Vorposten von Italien.

Hoffnungslos mit Menschen überladen, sind diese Gefährte wenig seetüchtig, Wasser und Verpflegung ist kaum vorhanden, und der nächste aufkommende Sturm bringt die Flüchtlinge in höchste Lebensgefahr. Wie viele solcher Boote schon abgesoffen sind weiß niemand, es gibt nur grobe Schätzungen, dabei geht man von Tausenden von Personen aus, die dabei umgekommen sind. Auch das sind die Folgen des Bürgerkrieges in Syrien und wir Europäer können nicht einfach wegschauen, wenn immer mehr Leichen an die Südküsten Italiens angeschwemmt werden.

Oftmals werden die Boote der Flüchtlinge von den italienischen Patrouillen- Schiffen hart attackiert, um sie zum Umkehren zu bewegen, nur wenige Seemeilen von dem rettenden Ufer. Während diese Zeilen geschrieben werden, haben sich neue Katastrophen ereignet. Erneut ist ein Boot mit über 200 Menschen gekentert. Dabei hat es mehr als 30 Ertrunkene gegeben, die von der italienischen Küstenwache geborgen worden sind. Etwa 200 Flüchtlinge wurden buchstäblich in letzter Minute aus dem Wasser gefischt, darunter auch ein zweijähriges Kind.

Wie Kenner der Situation berichten, ist der Flüchtlingsstrom jetzt so unmittelbar vor den Winterstürmen auf dem Mittelmeer besonders stark, viele versuchen noch die einzige Möglichkeit das EU-Gebiet zu erreichen, bevor über Winter gar nichts mehr geht, da die Boote der Schleuser bei höherem Seegang sofort kentern. Dies bedeutet aber nicht, dass sie bei ruhiger Wetterlage die Passage über das Mittelmeer besser schaffen, zu abgewrackt sind diese Vehikel. Deshalb weiß niemand wie viele Menschen tatsächlich ihr Leben auf See gelassen haben, es existiert nicht einmal eine Dunkelziffer. 

Tatsache ist, dass es so nicht weiter gehen kann. Tatsache ist es aber auch, dass es nicht die Ärmsten sind, die sich auf eine solche gefährliche Reise begeben. Die international agierenden und gut organisierten Schleuserbanden verlangen mehrere tausend Dollar für eine solche Passage, je nachdem aus welcher Region die Menschen kommen. Zurzeit versuchen viele sich aus den Staaten des südöstlichen Mittelmeers abzusetzen, also aus Libyen, Tunesien, Ägypten aber ins besonders aus Syrien. Der Strom aus der afrikanischen Sahelzone hält schon seit längerer Zeit an. 

Viele von ihnen die versucht haben über Ägypten und den Sinai über Land nach Norden zu kommen, haben ein besonders grausames Schicksal erleiden müssen. Der Sinai wird von radikalen islamistischen Terrorbanden zurzeit beherrscht und selbst die ägyptische Armee hat auf ihrem Hoheitsgebiet keine effektive Möglichkeit gegen diese vorzugehen. Die Flüchtlinge werden von diesen Terrorkommandos gefangen gehalten, um ihnen Lösegeld abzupressen. Ist dies nicht möglich, werden ihnen bei lebendigem Leib Organe entnommen, die über internationale Kanäle in westliche Länder verkauft werden. Wie viele dieser armen Kreaturen solche menschenverachtenden Torturen überleben, ist leicht vorstellbar. Nur einige wenige schaffen es in ein ägyptisches Militärhospital und auch dann sind die Überlebenschancen sehr gering.

Die internationale Staatengemeinschaft weiß um all dieser Vorgänge, ist aber nicht bereit, irgendetwas zu tun, damit sich die Zustände verbessern, weder bei den Bootsflüchtlingen noch bei den Grausamkeiten auf dem Sinai. Der einzige, kleine Lichtblick ist die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Organisation zum Aufspüren von Giftgas für ihre Arbeit aktuell in Syrien. Diese Auszeichnung könnte dazu führen, dass die Staaten im UN-Sicherheitsrat mit gesteigertem Interesse sich nicht nur der Giftgasattacken vor Ort annehmen, sondern es könnte ein Umdenken in der gesamten Syrienpolitik einleiten. Assads Stunden müssen gezählt sein, aber die Folgen können auch nicht in einem irgendwie gearteten islamischen Gottesstaat enden, à la Afghanistan, wie zu Zeiten der Taliban- Herrschaft dort. Weder die Russen noch die Amerikaner sollten daran keinerlei Interesse haben. 

Für die Menschen in Syrien muss eine Lösung her, sonst werden wie weiterhin fast täglich mit den Horrormeldungen konfrontiert: Neues Massaker an Hunderten von Menschen in christlichen Dörfern, sunnitischen Stadtteilen oder an schiitischen Familien begangen! Fest steht, die Menschen in Syrien warten dringend auf eine Antwort seitens der Völkergemeinschaft, sonst bleibt ihnen keine andere Wahl als zu flüchten, auch wenn es auf überfüllten Rostkähnen über das Mittelmeer ist.

Ein anderes, nicht minder drängendes Problem rollt aus den USA auf die gesamte Weltwirtschaft zu. Wenn es bis zum Dienstag kommender Woche, also dem 15.10. 24 Uhr Ortszeit Washington nicht zu einer Einigung zwischen Kongress und Senat über die Anhebung der Schuldenobergrenze des amerikanischen Haushalts gekommen ist, sind die USA zahlungsunfähig. Dies wird einen kapitalen Einbruch der Weltwirtschaft zur Folge haben. Die Gründe, warum dies so ist, habe ich in einer meiner letzten Kolumnen schon dargelegt: 

Es geht um die Blockadehaltung der Republikaner, die mit der Ablehnung des Haushaltsgesetzes die Gesundheitspolitik von Obama zu torpedieren suchen. Deshalb wurden schon eineinhalb Millionen amerikanische Staatsbedienstete ohne Bezüge zwangsbeurlaubt. Der Schaden wird nach neuesten Schätzungen auf über 300 Millionen US-Dollar täglich geschätzt, trotz der Einsparungen durch die nicht geleisteten Bezüge. Dieser Schaden ist aber nicht vergleichbar mit den Folgen, die bei einer Staatsinsolvenz drohen. Schon werden Stimmen in China laut, die die USA als unsicheren Schuldner einstufen. Dabei muss man wissen, dass China den USA Kredite in einer Höhe von über eine Billion US-Dollar eingeräumt hat. Die Chinesen sind der größte Gläubiger der USA.

Bisher galten diese Gelder als sicher angelegt. Mit diesem Geld haben die Amerikaner billige Waren bei den Chinesen eingekauft und somit auch die hohen Wachstumsraten in der chinesischen Volkswirtschaft ermöglicht. Im Zuge dieser Turbulenzen um den amerikanischen Haushalt, aber noch mehr um den drohenden Bankrott der USA denkt man in der chinesischen Führung darüber nach, die Kapitalreserven bei der amerikanischen Notenbank zu verringern und sie besser gestreut, woanders anzulegen. Hinter vorgehaltener Hand sehen die Chinesen die USA bereits als kapitalistisches Auslaufmodell und sie werden nicht müde zu erklären, dass damit auch die Demokratie am Ende sein wird. Sie wollen ihrer Bevölkerung weismachen, dass der parteigelenkte Staatsapparat die bessere Zukunftsperspektive ist. Da wartet noch eine spannende Zukunft auf den politischen Beobachter, ganz zu schweigen auf die chinesische Gesellschaft, die ihrerseits auf immer größere Freiheiten drängt.

Zunächst beschäftigen uns aber die nächsten beiden Tage, die sehr wichtig für uns alle werden können. Sollte die Schuldenobergrenze in dieser Zeit nicht angehoben werden, wird es am Mittwoch zu einem Einbruch der weltweiten Börsen kommen. Der US-Dollar wird einen massiven Einbruch erleben, im Gegenzug werden der Euro und der Yen drastisch steigen. Folge werden große Probleme in der Exportwirtschaft sein. Um es kurz und direkt zu sagen, die Weltwirtschaft kommt ins Stocken und wie so etwas aussieht, haben wir erst kürzlich 2008 und 2009 erlebt. Dann ist sie in einem weit größeren Maße wieder da, die Finanzkrise, die Bankenkrise und die Schuldenkrise. Viele Experten haben ein solches Szenario schon lange vorausgesagt. Dass bei einer Verschuldung dieses Ausmaßes, wie sie in fast allen Ländern der westlichen Welt besteht, eine drastische Reaktion entstehen wird, muss allen klar sein. Deshalb wird selbst bei einer Einigung und der Anhebung der Schuldenobergrenze das Problem zwar noch einmal vertagt, behoben  ist die Tatsache, dass man über seine Verhältnisse gelebt hat, aber noch lange nicht. Hier müssen ganz andere Maßnahmen ergriffen werden, soll es zukünftig nicht zu einem Totalcrash kommen.

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 05.10.2013

Werden die USA an ihrer eigenen Finanzpolitik scheitern?

Während in Berlin und in Wiesbaden die politischen Pokerspielchen sich fortsetzen und dabei eigentlich nur zwei entscheidende Fragen auf Antwort warten, nämlich zunächst die wichtigste, wer bekommt welchen Posten und dann, wie verkaufen die Parteien dem Wahlvolk die Tatsache, dass die gegebenen Versprechen doch nicht eingehalten werden, ohne es explizit zugeben zu müssen, ist in den USA eine Situation eingetreten, deren Brisanz nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wird. 

Nachdem Senat und Kongress sich nicht auf ein gemeinsames  Haushaltsgesetz einigen konnten, sind die amerikanischen Behörden nicht in der Lage, die Gehälter an ihre Bediensteten zu zahlen. Die Folge war ein sofortig angeordneter Zwangsurlaub  ohne Bezahlung  für mehr als 1.5 Millionen Angestellte bei den amerikanischen Behörden. Dies hört sich zunächst nicht besonders dramatisch an und mit der Frage: Warum sollte dies auch uns tangieren, scheint die Sache auch schon abgetan. Allerdings ist das so einfach nicht. So wurden z. B. alle Museen und öffentliche Sehenswürdigkeiten geschlossen,  etwa die Freiheitsstatue in New York oder die berühmte Circle-Line, die legendäre Schiffsumrundung um Manhattan, bei der man in besonders eindrucksvoller Weise die Skyline der Weltstadt erleben kann. Wer einmal in Washington, der amerikanischen Hauptstadt war, weiß wie viele Memorials, also prachtvolle Gebäude in Erinnerung an die großen Präsidenten, wie Lincoln, Jefferson oder auch George Washington dort zu besichtigen sind, alle in öffentlicher Hand, momentan alle geschlossen. Selbst eine Besucher-Führung durch das Kapitol oder gar das "Weiße Haus", dem Sitz des amerikanischen Präsidenten, alles nicht möglich. Dabei sind dies die Touristenmagneten auf einer USA-Reise für Besucher aus aller Welt. 

Wir Deutsche stehen da ganz oben auf der Besucher-Liste und dementsprechend ist es gerade den Touristenscharen  aus Deutschland anzusehen, wie enttäuscht sie sind, wenn sie momentan ihre große, vielleicht im Leben einmalige USA-Visite angetreten haben. Dieser Zustand gilt für das ganze Land, für die großen Parks im Mittleren Westen, etwa Mount Rushmore  mit den Präsidentenköpfen, in den Rockies der Yellowstone  National mit den wunderbaren Gysire und Sinterterrassen, aber auch die Canyons, wie Bryce und Grand Canyon in South-West, Monument Valley in Arizona, all die großartigen Sehenswürdigkeiten in California, und und und, all closed. Der wirtschaftliche Verlust ist immens. Er wird etwa auf 200 Millionen Dollar täglich geschätzt. Über den Prestigeverlust muss gar nicht erst gesprochen werden, denn was soll man von dem reichsten Land der Erde halten, das ihren Staatsdienern noch nicht einmal gesichert das Gehalt zahlt? 

Dabei gibt es durchaus auch sehr sensible Bereiche, die dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden, wie etwa öffentliche Institute, die wichtige Impfstoffe entwickeln. Präsident Obama hat das Militär vor diesen Maßnahmen geschützt, zu kritisch könnte sich die Lage bei den 2.5 Millionen Soldaten weltweit entwickeln. Dass die Betroffenen stocksauer sind und lautstark protestieren ist allzu verständlich. Bei vielen hängt unmittelbar ihre Existenz davon ab, natürlich auch ihre persönlichen finanziellen Verpflichtungen, wenn sie ein Haus oder ein Auto auf Raten gekauft haben, wie in den Staaten üblich. Dann ist das Schulgeld für die privaten Schulen der Kids gefährdet, der Beitrag für den örtlichen Sportclub und eine Reihe vieler anderer Aktivitäten des normalen amerikanischen Bürgers. Übrigens auch die Bezahlung von Arzt- oder Krankenhauskosten, denn die werden von den meisten Personen in den USA privat geleistet. 

Dass es zu dieser nationalen Tragödie überhaupt gekommen ist, hat gerade mit dieser strittigen politischen Frage zu tun, denn Obama hat das Gesetz zur amerikanischen Krankenversicherung verabschiedet, ganz gegen den Willen der Republikaner, die eine staatliche Regelung auf diesem Gebiet ablehnen. Sie bestehen weiterhin darauf, dass die Amerikaner sich privat versichern, ohne staatlichen Zwang und ohne staatliche Hilfe. Die Folgen sind einschneidend, denn Millionen von Bürgern in den USA besitzen keine Krankenversicherung, mit verheerenden Folgen, wenn sie gesundheitliche Hilfe benötigen. Wie so etwas konkret aussieht, kann man bei der immer noch anhaltenden Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten sehen. Durch den Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen haben diese Menschen keine Gesundheitsversorgung mehr, ein unhaltbarer Zustand.

Eines der ganz entscheidenden, politischen Ziele von Präsident Obama war es, jedem Amerikaner eine Krankenversicherung  zu ermöglichen. Dies ist in seiner ersten Amtszeit nicht gelungen, deshalb versucht er gegen jeden Widerstand jetzt in seiner zweiten und letzten Periode, dieses für ihn so elementare Projekt in die Wirklichkeit umzusetzen, quasi auch als sein politisches Vermächtnis. Schon Bill Clinton wollte in seiner Amtszeit dieses Projekt verwirklichen, ist aber damals am politischen Widerstand auch aus seiner demokratischen Partei gescheitert. Obama ist da schon einen ganzen Schritt weiter, er hat dieses Gesetz erst kürzlich in Kraft gesetzt. Dies wollen die Republikaner, und da speziell die Gruppierung der „Tea-Party-Fraktion“, eine ultra orthodox, rechtsgerichtete Bewegung,  in der Vergangenheit besonders auffällig vertretenen durch die ehemalige Gouverneurin aus Alaska Sarah Phalin, die sich auch einmal als republikanische Präsidentschaftskandidatin beworben hat, mit aller Macht rückgängig machen oder zumindest erst einmal um ein Jahr hinaus zögern.  Sie hoffen dabei auf einen Stimmungswandel in der amerikanischen Bevölkerung,  die mehrheitlich Obamas Gesetzesvorhaben billigt. 

Als gute Möglichkeit dem Präsidenten doch noch ein Bein zu stellen und ihn zu einer Verschiebung zu bewegen, sah die Mehrheit der republikanischen Abgeordneten, die momentan das Abgeordnetenhaus, eine der zwei Kammern im Kapitol dominieren, in der Vorlage des Haushaltsgesetzes. Dieses muss sowohl vom Kongress, als auch von der zweiten Kammer, dem Senat gebilligt werden, wo zurzeit die Demokraten die meisten Sitze haben.  Bislang hat das Abgeordnetenhaus die Zustimmung verweigert, Obama ist aber auch nicht bereit durch eine Verschiebung oder Rücknahme des Gesetzes zur Krankenversicherung den Republikanern entgegen zu kommen. Also keine einvernehmliche Verabschiedung des Haushaltsgesetzes mit den bekannten Folgen. 

Die Amerikaner sind mit Recht wütend auf ihre Politiker und besonders auf die Republikaner, denn sie sehen beileibe nicht ein, dass die politischen Spielchen auf ihrem Rücken ausgetragen werden, auch noch mit den soeben skizzierten Folgen. Finanzen sind in den USA sowieso ein heikles Thema, denn die Banken- und Finanzkrise ist hier so wenig überwunden, wie bei uns in Deutschland und in Europa. An die amerikanische Staatsverschuldung wollen die Bürger  drüben über dem großen Teich so wenig denken, wie wir hier über unsere Verschuldungen vor Ort. Leider sind unsere Freunde in der Neuen Welt nur unmittelbarer betroffen, wie wir zurzeit. Dieses kann sich aber  sehr schnell ändern, denn durch die politische Blockadepolitik der Republikaner könnte ein weitaus größeres wirtschaftliches Problem entstehen und dieses würde uns alle treffen, weltweit. 

Am 15. Oktober müssen die Amerikaner ihre Schuldenobergrenze  erhöhen. Dies geht nur im Konsens zwischen Präsident und beiden Häusern auf dem Kapitol- Hügel. Sollte es hier erneut zu einem Veto im Kongress kommen, wären die Folgen mit Abstand ungleich dramatischer, denn das Land mit der noch immer mit Abstand größten Volkswirtschaft wäre zahlungsunfähig, also insolvent. Nicht auszudenken die Bewertungen der Ratingagenturen, nicht auszudenken die Folgen einer globalen Finanzkrise, weitaus schlimmer noch als zu Lehman Brothers Zeiten. Die Weltwirtschaft würde drastisch einbrechen. Was dies für die Exportnation Deutschland bedeutet, braucht man nicht extra zu beleuchten.

Soweit darf es nicht kommen und die Amerikaner müssen, und dies in ihrem ureigenen Interesse, ihren Politikern klarmachen, wer sich gegen das Wohl des eigenen Volkes und auch das Wohl der gesamten Völkergemeinschaft stellt, denn als " leading nation oft he world" tragen die USA für alle Menschen auf diesem Globus Verantwortung, wer sich also und dies auch noch aus wahltaktischen Gründen, dieser Verantwortung entzieht, der darf auf absehbare Zeit nicht damit rechnen, sobald das höchste Staatsamt in den Vereinigten Staaten zu erreichen.  Es ist davon auszugehen, wenn die amerikanische Bevölkerung dies eindeutig den Protagonisten vermittelt, werden die gemäßigten, verantwortungsbewussten Republikaner sehr schnell und deutlich zeigen, was sie letztendlich in erster Linie sind, eindeutige amerikanische Patrioten, denen das Land mehr am Herzen liegt, wie fragwürdige taktische politische Spielchen mit derart unsicherem und schlimmen Ausgang.


Peter J. König 

Samstagskolumne Peter J. König 28.09.2013

Haben wirklich alle Parteien die innere Logik von Politik verstanden?

Nachdem die Würfel gefallen, sprich der Souverän seine Stimme abgegeben hat, beginnt nun die Zeit der Sondierung. Doch zunächst macht es Sinn, sich das Ergebnis der Bundestagswahl 2013 anzuschauen und die Gründe zu hinterfragen, wieso es so gekommen ist und nicht anders, und zwar bei allen Parteien, bei denen man bei dieser Wahl eine gewisse Gewichtung angenommen hat.

Angela Merkel, und ich sage bewusst nicht die CDU, hat nur knapp die absolute Mehrheit verpasst, um ein Haar hätte sie die Alleinherrschaft errungen. So ganz stimmt dies natürlich nicht, denn die "Schwestern" aus Bayern, erstaunlich was Seehofer in seinem politischen Leben alles verkörpern muss, haben kräftig mit dazu beigetragen, dass dieser strahlende Sieg, der vielleicht gar nicht so strahlend ist, wie wir später noch feststellen werden, zustande gekommen ist. In Bayern lag der Stimmenanteil bei der Bundestagswahl am letzten Sonntag noch höher, als eine Woche zuvor, als Seehofer wieder die Alleinherrschaft seiner CSU nach den Landtagswahlen genüsslich zelebrieren konnte. Ergo, ginge es allein nach den bayrischen Wählern, hätte die Kanzlerin eine erdrückende Dominanz im Bundestag erreicht. Aber bekanntlich ist Bayern nur ein Teil der Republik, woanders ticken die Uhren anders und nichts war es mit der absoluten Mehrheit. Aber auch für dieses Ergebnis schien man gut gerüstet, denn da gibt es ja noch die Mehrheitsbeschafferin, die ja noch immer bei allen Bundestagswahlen die 5% Hürde übersprungen hat, um dann Vasallen-treu die nötigen Stimmen zu organisieren, zumal bei der letzten Bundestagswahl satte 14% ihnen zugefallen waren. Falls jetzt Irritationen aufkommen sollten, hier ist die Rede von der F.D.P. und ihrer glorreichen Vergangenheit, ein Märchen aus uralten Zeiten, wenn man so will.

Nach einer desaströsen Regierungsbeteiligung unter der Führung von Westerwelle und Fipsi Rösler, in der es noch nicht einmal gelungen war, das einzige Wahlversprechen, das die Gelben bei der letzten Wahl abgegeben hatten, nämlich Steuersenkung durch zu setzen, folgte ein Wahlkampf, für den ein Politik-interessierter Beobachter nur noch Verachtung empfinden konnte. Entsprechend war das Ergebnis, knappe 4,8% und damit kein Wiedereinzug in das Parlament, aber auch keine Mehrheitsbeschafferin für Angela Merkel. 

Was ist nur aus der F.D.P. geworden, die sich einst auf die Fahnen geschrieben hatte, die freiheitlichen bürgerlichen Grundrechte zu verteidigen, Liberalität für jedermann zu gewährleisten und die Rechte des Einzelnen gegenüber einem übermächtigen Staat hoch zu halten. Übriggeblieben ist ein Haufen "Karriere-geiler Smartys", die unter dem Frühstücksclown und Selbstdarsteller Westerwelle sich selbst auf eine windige Klientelpolitik reduziert haben und das Gesetz über reduzierte Mehrwehrsteuer im Hotelbereich, nach einer Millionenspende eines Hotelkonzerns, als großen politischen Erfolg gefeiert hat. Über Westerwelles Entourage bei seinen Reisen als Außenminister wunderte sich auch so mancher Eingeweihte, handelte es sich es doch des Öfteren dabei um Personen, die mit dem Außenminister befreundet, vor Ort private Geschäftsbeziehungen anbahnen wollten, wobei die Nähe zum Minister nur förderlich sein konnte. Westerwelles Lebenspartner war da keine Ausnahme.

Als sei dieses Alles nicht schon genug, gab der Wahlkampf den Pseudoliberalen dann den Rest. Los ging es mit dem Spitzenkandidat Rainer Brüderle. Dieser mag ja durchaus seine Meriten im politischen Betrieb erworben haben, als Frontmann bei einer Bundestagswahl war er aber untauglich. Nicht jeder Landwirtschaftsminister aus Rheinland-Pfalz taugt auch zugleich als bundesweites Zugpferd. Als es dann aufgrund der Demoskopie sich heraus kristallisierte, dass es problematisch mit dem Wiedereinzug werden könnte, stellten sich Rösler, aber besonders Brüderle jammerlappig und widerlich anbiedernd vor das Wahlvolk und versuchten als Wurmfortsatz einer zukünftigen Koalition mit den Schwarzen auf Stimmenfang zu gehen. Dies bedeutete das endgültige Aus. 

Selbst alte F.D.P.ler, als auch wohlwollende CDU-Wähler, die bei früheren Wahlen mit einer Zweitstimmenkampagne die Gelben schon manchmal vor dem Absturz bewahrt hatten, wollten nicht mehr. Außerdem hätte dies nach der Wahlrechtsänderung auch nicht mehr funktioniert, da Überhangmandate mittlerweile für alle anderen Parteien ausgeglichen werden, damit das Wahlergebnis nicht verzerrt wird. Auf anderen Beistand konnte die F.D.P. nicht hoffen, der Volksmund hatte seine Meinung schon vor der Wahl deutlich kundgetan, das vernichtende Votum lautete: überflüssig. Dem ist zuzustimmen, aber auch gleichzeitig zu widersprechen. Eine F.D.P. in dieser abgewirtschafteten Form braucht unser Land wirklich nicht mehr. Steuerfragen, ob Erhöhungen oder Senkungen werden von allen Parteien im Bundestag vertreten. 

Wozu bedarf es da noch eines Westerwelles, Röslers, Bahrs, Niebels, Dörings oder Brüderles? Eine liberale F.D.P. alten Zuschnitts, bevor sie dem Neoliberalismus mit dem einzigen Inhalt des Marktradikalismus nachgehechelt ist, benötigt unser Land, wie schon seit zweihundert Jahren sehr wohl. Immer noch müssen die bürgerlichen Grundrechte gestärkt werden, immer noch gilt es die Übermacht des Staates gegenüber dem Einzelnen zu beschränken und immer noch gilt es individuelle Freiheiten zu gewährleisten und zwar auf allen Feldern der Gesellschaft,  in der Wirtschaft, in der Politik und nicht zuletzt in unserem Gemeinwohl. 

Klientelpolitik alleine hat da abgewirtschaftet, der Bürger in seiner Gesamtheit muss zurück in den Focus dieser Partei rücken, ansonsten vermisst sie niemand mehr und die führenden Protagonisten der vergangenen letzten Jahre sowieso nicht. Man gestatte einen letzten Satz zu diesem Thema in die Zukunft: Der letzte Hoffnungsträger der Gelben ist Christian Lindner. Er wird den Vorsitz übernehmen und er wird nur eine Chance haben, wenn er sich der alten, soeben skizzierten Werte erinnert und sie vehement programmatisch vertritt. Zu einer neuen Glaubwürdigkeit gehört aber auch, die Führung mit Personen zu besetzen, die zweifelsfrei diese Werte verkörpern. Für Karrieristen, Selbstdarsteller und Egoisten kann kein Platz mehr sein, sonst folgt das, was der allgemeine Tenor der Bevölkerung schon seit langem widerspiegelt: dauerhaft überflüssig.

Doch zurück zur Kanzlerin und ihrem grandiosen Sieg. Was macht sie nun mit ihrem Erfolg, befreit durch Volkes Wille von ihrem Wurmfortsatz mit dem sich so vortrefflich uneingeschränkt regieren ließ? Zwei Optionen scheinen möglich, aber sowohl SPD als auch die Grünen haben, jedenfalls noch nicht öffentlich, hier geschrien. Nur versteckt geben sie Bewerbungen ab, schon wegen ihrer eigenen Wähler. Deshalb können beide Parteien angeblich sich eigentlich nicht vorstellen in eine Koalition mit der CDU einzutreten, zu groß sind die programmatischen Unterschiede, ein Politikwechsel wurde ja von beiden gefordert. Man will sich nicht noch einmal unter Merkel verheizen lassen, so die Roten, man spielt nicht die Ausputzerin  und Mehrheitsbeschafferin, so die Grünen und trotzdem wird sich schon einmal hübsch gemacht, um vielleicht doch ins gemeinsame Bett zu steigen, aber nur wenn die eigenen Inhalte sich durchsetzen lassen, was so viel heißen soll, die jeweilige Braut bestimmt die Spielregeln in der Hochzeitsnacht. Dies verspricht spannend zu werden. 

Übrigens klingen die aktuellen Statements von beiden Umworbenen eher wie das Pfeifen im Wald, selbstbewusstes politisches Taktieren sieht anders aus. Beide haben ihre Wahlziele nicht erreicht, wobei die Grünen auf Grund ihrer und Trittins maßloser Selbstüberschätzung ein Teil Ihrer Stammwählerschaft eingebüßt hat. Anstatt konsequent ihre Kernthemen wie Ökologie und Bildung verstärkt zu vermitteln, haben sie in abstoßender Oberlehrer-Manier versucht Volkspartei zu spielen. Mit Steuererhöhungen ihre Stammwählerschaft wie Lehrer und gehobenen Mittelstand zu rupfen, war keine gute Idee, auch nicht die Themenfelder von SPD oder gar den Linken zu besetzen. Der Schreiber dieser Zeilen hat bereits in einer früheren Kolumne bei der Besprechung des Wahlprogramms der Grünen darauf hingewiesen, dass sich die Folgen am Wahlabend an den Zahlen ablesen lassen werden. Genauso ist es gekommen, ein zweistelliges früheres Ergebnis ist mit 8% weit verfehlt worden, mit der Folge, dass die gesamte Parteispitze zurück getreten ist. Unzweifelhaft erhöhen sich so die Chancen eventuell doch mit den Schwarzen sich einig zu werden, denn nach der Dominanz des linken Flügels mit Trittin und Künast, deren Handschrift deutlich im Wahlprogramm abzulesen war, wird der Einfluss der"Realos" einst von Joschka Fischer geführt, erheblich stärker.

Es bleibt abzuwarten, was sich letztlich durchsetzt, der Wille an die Macht oder das Schicksal mit der Linken eine schwache Opposition zu bilden. Auf jeden Fall wird dann genügend Zeit und Gelegenheit bleiben, noch einmal über die innere Logik von Politik nach zu denken. In der Demokratie kann Politik nicht verordnet werden. Man muss den Wähler von seinen Ideen überzeugen, nachdem man festgestellt hat, für welche Klientel man eigentlich Politik machen möchte. Dies ist den Grünen zählbar misslungen. 

Kommen wir zu der wahrscheinlichsten und vielleicht momentan besten Lösung einer Regierungsbildung nach heutigem Stand, der großen Koalition. Zwar geht zumindest an der Basis der SPD die große Angst um, unter Merkel ein zweites Mal am Ende wieder als gerupftes Huhn die Arena zu verlassen, doch in einer jetzigen großen Koalition ist nicht unbedingt davon auszugehen. Die SPD-Granden jedenfalls wollen kein Risiko eingehen und binden die Basis durch entsprechende Zustimmung mit ein. Dabei ist das Risiko für die SPD als Juniorpartner weitaus geringer als beim letzten Mal. Dafür sprechen einige grundsätzlich veränderte Bedingungen, ganz im Gegenteil, wenn die SPD klug und umsichtig, ohne innere Parteiquerelen handelt, hat sie sogar die Chance 2017 bei der nächsten Wahl eine Regierung unter ihrer Führung zu stellen. Gründe dafür gibt es mehrere. Nicht nur das Mutti Merkels Kräfte aufgebraucht sind, mittlerweile werden die Defizite Ihres Regierungshandelns deutlich sichtbar. Schon jetzt wird klar, dass das alte Spiel von vorne losgeht. Steuererhöhungen vehement ausgeschlossen, wird hinter den Kulissen schon wieder laut darüber nachgedacht, übrigens auch ein Zeichen in welche Richtung die Avancen zu einer Regierungsbildung gehen. Merkels alter Führungsstil setzt sich nahtlos fort, Wahlversprechen halten nur solange bis tatsächliche Notwendigkeiten sie hinfällig machen, von denen man vor der Wahl angeblich nichts wusste. Während die CDU nach vielen Merkeljahren allmählich auszehrt, könnte die SPD neues Profil gewinnen, die Chance jedenfalls gäbe es dazu. 

Neben allen parteipolitischen Betrachtungen gibt es unter anderen einen sehr entscheidenden Aspekt, der für uns alle bei einer großen Koalition wichtig ist. Durch die gemeinsame Mehrheit der beiden Parteien sowohl im Parlament, als auch im Bundesrat ist ein gegenseitiges Blockieren ausgeschlossen. Dies ist im Hinblick auf die anstehenden Problemfelder bei der Finanz- und Wirtschaftspolitik, bei der Europapolitik, der Außenpolitik und der europäischen Einigung enorm wichtig und bewahrt uns alle vor einem destruktiven Stillstand. Wenn dann beide Parteien auch noch bemüht sind , nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, was oftmals der Profilneurose geschuldet ist, sondern in Verantwortung für unser ganzes Land handelt, wenn die Wirtschaft wieder den Menschen dient, weil es politisch gewollt ist und dies sind ja Spielfelder für beide großen Parteien, dann macht eine solche Koalition wirklich Sinn. 

Keinen Sinn hätte der Einzug der AfD oder der Piraten in den Bundestag gemacht, da dies weder der Ort für rechtsgestützte Phantasten und rückwärtsgewandte Zukunftsverweigerer ist, noch die selbstgewählte Spielwiese für Clownerien von politikunkundigen, verfassungsignoranten Internetanbetern sein kann.

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 07.09.2013

Wie sieht es mit einem letzten Appell an die Vernunft von Herrn Putin aus?

Wenn man die Hilflosigkeit sieht, mit der die mächtigsten und wirtschaftlich stärksten Länder auf diesem Globus auf dem G20 Gipfel in St. Petersburg dem wohl aktuell größten und drängendsten Problem gegenüber stehen, kann man schon arg ins Grübeln kommen, ob diese Gipfeltreffen überhaupt Sinn machen und mit welcher Verantwortung diese Machthaber auf eine solche humanitäre Katastrophe reagieren. 

Wie uns allen bekannt ist, findet das Grauen in Syrien statt, wo ein Schlächter und Blutsauger namens Assad seine Bevölkerung massakriert, ein Staatsgebilde vor die Hunde gehen lässt und wenn es schlecht läuft noch einen Flächenbrand im gesamten Nahen Osten herauf beschwört. Über den Verlust von unwiederbringlichen Kulturgütern in einer der ältesten Regionen der Menschheitsgeschichte möchte ich angesichts des apokalyptischen Leids der Menschen gar nicht erst sprechen. Als seien schwere Artillerie, Raketen und Bombardements nicht genug, scheint es mittlerweile zweifelsfrei, dass das Giftgas Sarin, übrigens eine Erfindung der chemischen Industrie im Dritten Reich von der syrischen Armee eingesetzt worden ist, um die Aufständischen endgültig zu besiegen, um dem Regime wieder die uneingeschränkte Macht in Syrien zu garantieren. 

Mittlerweile spricht die UNO von über 100.000 Toten, unzähligen Verletzten und von mehreren Millionen von Flüchtlingen, die, kaum haben sie die Grenzen passiert, in den Nachbarländern Türkei, Irak, Jordanien und im Libanon in Lager aufgefangen werden, wo sie unter den Menschen unwürdigsten Bedingungen dahin vegetieren müssen, zum Teil ohne überhaupt genügend Wasser zu erhalten, wie z. B. in Jordanien, wo selbst die eigene Bevölkerung unter akutem Wassermangel leidet. Als wäre diese Situation nicht schon schlimm genug, hat sich das Land mittlerweile zu einem Tummelplatz von terroristischen Milizen Einheiten entwickelt, so etwa der militanten Hisbollah aus dem Libanon oder Al-Kaida nahestehenden Kampfgruppen aus Afghanistan und dem Irak. 

Jede dieser Terroreinheiten verfolgt dabei ihr eigenes Ziel. Auslöser von alledem ist der Kampf um die Vorherrschaft der schiitischen oder der sunnitischen Glaubensherrschaft, die wiederum durch die Länder Iran auf schiitischer Seite und die Königreiche am Persischen Golf auf sunnitischer Seite befeuert werden. Die Kurden im Nordosten Syriens haben mit Hilfe der türkischen Kurden auf der anderen Seite der gemeinsamen Grenze sich von Syrien los gesagt und ein autonomes Gebiet proklamiert, in dem die Syrische Armee keine Rolle mehr spielt. Da mittlerweile so viele Länder und Interessensgruppen die Finger mit im Spiel haben, besteht die große Gefahr, dass es zu kriegerischen Auseinandersetzungen aller beteiligten Länder in dieser Region kommt. Über allen regionalen Konflikten beherrschen auch noch die Interessen der Großmächte die Szenerie. 

Russland will seinen Einfluss durch Assad nicht verlieren und hat zudem einen wichtigen Flottenstützpunkt in Syrien. China, immer Energie hungriger, baut ebenfalls auf Assad, während die USA die Saudis als einflussreichste Macht in der Region präferieren und keinesfalls dem Iran stärkeren Einfluss zubilligen wollen, ganz im Gegenteil. In dieser Gemengelage werden die Israelis zu Recht nervös, sie fürchten um ihre Existenz. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass der UN-Sicherheitsrat durch die Russen bei allen Aktionen blockiert wird, haben sich die G 20 Staaten zu einem Wirtschaftsgipfel in St. Petersburg getroffen, um gemeinsam neue Spielregeln im internationalen Bankenwesen aufzustellen, um die verdeckten Kapitalgeschäfte in Billionenhöhe unter staatliche Kontrollen zu bringen, damit der Beinahe-Zusammenbruch des globalen Finanzwesens durch irrsinnige Spekulationen mit verheerenden Folgen für die gesamte Weltwirtschaft sich nicht wiederholen kann, wie 2008 und 2009 geschehen. 

Angesichts der über 1400 Toten durch Giftgas in Syrien wurde dieser Gipfel von der Initiative Obamas überschattet, auch ohne das Mandat des Weltsicherheitsrates militärisch in Syrien einzugreifen. Dies stößt jedoch auf die massive Ablehnung von Russlands Präsident Putin, der seinerseits die Aufständischen für die Giftgasattacken verantwortlich macht, vermeintlich um die USA zu militärischen Aktionen gegen Assad zu bewegen. Wer die beiden mächtigsten Männer der Welt auf dem Gipfel beobachtet hat, fühlt sich an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert. Wenn es nicht unbedingt notwendig war, würdigten sie sich keines Blickes. 

Obama ist fest entschlossen durch Raketenbeschuss die militärische Macht Assads zu schwächen, er wartet nur noch auf die Unterstützung des amerikanischen Abgeordnetenhauses, die er wohl am Montag kommender Woche bekommen wird. Am Dienstag will er sich in einer Rede an die amerikanische Nation wenden und unmittelbar danach ist mit dem Angriff von Marschflugkörpern von amerikanischen Kriegsschiffen, die im östlichen Mittelmeer zusammen gezogen worden sind, zu rechnen. Über den Erfolg dieses Militärschlages sind sich die Experten selbst in den USA nicht einig. Viele sehen darin keine Möglichkeit, die Situation der syrischen Bevölkerung zu verbessern, eher das Gegenteil, da der Iran als Verbündeter mit Vergeltungsmaßnahmen droht und Syrien mit Raketenangriffen auf Israel antworten will, so die Militärpropaganda. 

Dies allein zeigt schon wie dramatisch die Lage ist, und welche Reaktionen darauf folgen werden, ist unkalkulierbar. Die europäischen Staaten sind sich bei der Frage eines militärischen Eingreifens uneins. Während Frankreich die Amerikaner unterstützen wird, setzen die meisten EU-Länder weiterhin auf eine diplomatische Lösung, so wie auch die Bundesregierung. Diese kann aber nur mit Russland zustande kommen und solange Putin sich weigert, selbst wirtschaftliche Sanktionen durch die UNO mit zu beschließen, wird es bei dieser Patt-Situation bleiben, Assad wird weiterhin seine Bevölkerung umbringen und, was am meisten befürchtet wird, vor neuen Giftgasattacken nicht zurückschrecken. Dies ist das Dilemma in dem der Syrienkonflikt steckt.

Derweil sterben immer mehr Menschen, der Flüchtlingsstrom nimmt rapide zu, mit der Folge, dass die Nachbarstaaten zusehends destabilisiert werden, da deren Bevölkerungen nicht mehr gewillt sind, diesen enormen Belastungen ausgesetzt zu werden. Bei Abwägung aller Umstände kommt man nicht umhin festzustellen, dass ein militärischer Angriff ebenso problematisch ist, wie das Verharren in dem momentanen Zustand der erfolglosen Diplomatie, solange Putin nicht bereit ist an einer Verhandlungslösung des Syrienkonflikts konstruktiv mitzuwirken und seinen Einfluss auf Assad geltend zu machen, um eine politische Lösung herbei zu führen, indem dieser seinen Machtanspruch aufgibt, um so alle politischen Gruppierungen an den Verhandlungstisch zu bringen. 

Obama glaubt an eine solche Verhandlungslösung nicht mehr, zumindest nicht mehr ohne durch den Angriff auf militärische Einrichtungen das Assad-Regime empfindlich zu schwächen und um dadurch die Giftgasattacken zukünftig zu verhindern. Welches hohe Risiko er dabei eingeht, wird allein schon dadurch klar, dass er zunächst die Abgeordneten um ihre Zustimmung bittet, obwohl er als Präsident die alleinige Befehlsbefugnis hat. Es wird ein schwieriger Gang werden, wenn in der nächsten Woche die Marschflugkörper zum Einsatz kommen. 

Dabei sollte allen klar sein, dass es nur darum gehen kann, der geschundenen Bevölkerung endlich eine Chance zu ermöglichen, ihr Leid zu beenden. Sollte allerdings zu dem entsetzlichen Leiden ein noch weitaus größeres durch die militärische Intervention hinzukommen, dann Gnade uns Gott, denn dann sind wir alle betroffen. 

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König o1.09.2013

Wozu dienen diese politischen Fernsehduelle, zur Volksbelustigung oder zur inhaltlichen Standortbestimmung der beiden Kandidaten um das wichtigste Amt in unserem Staat? 


Bei der morgendlichen Nachlese zu dem gestrigen Fernsehduell zwischen der Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück bei einem großen, hessischen, privaten Radiosender gab es nur einen Tenor bei allen Anrufern. Nicht dass auf politische Aussagen der beiden Kontrahenten eingegangen worden ist, nein den Zuhörern scheint nur der Spaßfaktor, der Klamauk, gar die verbale Aggression zu kurz gekommen zu sein. Davon haben sie sich einiges in den neunzig Minuten versprochen, darin schien für sie der Reiz dieser politischen Auseinandersetzung gelegen zu haben. Deshalb das gängige Votum: Langweilig, uninteressant, überflüssig. Diese Aussagen sind zwar nicht repräsentativ, aber immerhin artikulieren sie Volkes-Stimme, und es ist ja die Mehrheit des Volkes die bestimmt, wer nach dem 22. September uns regieren wird. Gerade aus diesem Grund ist doch zu hinterfragen, was man sich landläufig unter einem solchen Fernsehduell vorstellt?

Es scheint, als seien viele gar nicht so sehr an den politischen Inhalten der führenden Parteienvertreter interessiert, wenn überhaupt, vielmehr ist man gespannt, ob und wann einer der beiden Protagonisten strauchelt, gar Schach matt gesetzt wird. Dies will man sehen, um daraus eine Wahlentscheidung abzuleiten, vielleicht sogar dies als Animation werten, um überhaupt zur Wahl zu gehen. Speziell die SPD hat in dieser Veranstaltung eher die Möglichkeit gesehen, ihre Anhänger zu mobilisieren, weniger diejenigen, die sich noch nicht entschieden haben, um sie für sich zu gewinnen. Dabei haben die Wahlforscher herausgefunden, dass etwa 30% aller Wähler sich erst unmittelbar vor der Wahl entscheiden, welche Partei sie wählen wollen. Dies ist jedoch primär von dem Kandidaten abhängig, denn Programme interessieren eh nur den politischen Gegner und ein paar Unerschrockene, die sich wirklich für Politik begeistern und nicht zu vergessen die Journalisten, die so ihr Geld verdienen. 

Damit sind wir auch schon bei der Rolle der vier Medienvertreter bei dieser eineinhalb stündigen Politshow. Natürlich versucht jeder Fernsehsender seinen eigenen Vertreter oder seine Vertreterin ins rechte Licht zu rücken, denn diese Megaveranstaltung wurde gleichzeitig von zwei öffentlich-rechtlichen und zwei Privatsender inszeniert und das Schaulaufen diente nicht nur den Politikern, sondern zumindest ebenso den Frontleuten der Fernsehanstalten, die damit versuchen ihr jeweiliges Profil zu schärfen. Das ging jedoch gründlich daneben und dies ist bestimmt ein wesentlicher Grund, warum die Veranstaltung zu einer harmlosen politischen Fragestunde mutierte. Vollmundig auf allen beteiligten Kanälen angekündigt, als das Wahl entscheidende TV-Ereignis haben Will, Illner, Klöppel und der für die jüngeren Leute engagierte Raab bei der Präsentation Hoffnungen auf ein politisches Feuerwerk erweckt, das letztlich mangels Dynamik aber völlig glanzlos blieb.

Man konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass alle vier Fernsehleute, allein durchaus zugkräftig und sattelfest, sich mehr behindert haben, als sich im politischen Frage- und Antwortspiel gegenseitig zu beflügeln. Die journalistischen Fragesteller traten eher zögerlich auf, zuweilen sogar waren sie total defensiv, als wollten sie sich für ihr Tun entschuldigen. Vielleicht haben sie auch an ihren Platz im Journalistentross gedacht, wenn sie demnächst mit dem neuen Amtsinhaber auf Auslandsreise im Regierungsjet gehen wollen. Zu provokante Fragen können da nur hinderlich sein. Selbst Raab, der in dieser Richtung unverdächtig ist, hatte massive Ladehemmung. Als er es dennoch bei Steinbrück mit banaler Provokation versucht hat, fehlte ihm nach dessen Konter die intellektuelle Spritzigkeit, um wirklich Leben in die Bude zu bringen. Bei der Kanzlerin hat er es gar nicht erst versucht, ihm sind überhaupt nicht die richtigen Fragen eingefallen, wie allen anderen Moderatoren übrigens auch nicht. 

Schließlich wurde von dem Abend erwartet, dass ein paar neue Aspekte der politischen Programme der Wahlkämpfer zur Debatte stehen würden und nicht der ständige Einheitsbrei der landauf, landab auf den Marktplätzen von Merkel und Steinbrück gebetsmühlenartig unter das Wahlvolk gebracht wird. Nichts von alledem war Sache. Zum Schluss wurde deshalb die Halskette von Frau Merkel in der Nachlese thematisiert, war sie nun in den bundesdeutschen Farben Schwarz-Rot-Gold oder eher in den umgekehrten belgischen Staatsfarben? 

Wenn sich erfahrene Hauptstadtjournalisten unmittelbar nach dem wichtigsten Fernsehduell über solche Petitessen unterhalten, kann es mit dem politischen Gehalt, aber auch mit der politischen Performance nicht weit her gewesen sein. Deshalb ist man geneigt zu sagen, dass diese Veranstaltung zumindest in dieser Form überflüssig ist. Es fehlt an der Spontanität, an der politischen Streitkultur und ganz entscheidend an der politischen Themensetzung außerhalb der auswendig gelernten Statements. Warum hat man nicht hinterfragt, wann die Politik wieder die Gestaltungshoheit in diesem Land übernimmt und in welcher Form?

Warum wurde Merkel und Steinbrück nicht gefragt, wie sie der unendlichen Steuerverschwendung begegnen wollen, wie der nicht mehr zu überblickenden Steuergesetzgebung und insgesamt der alles überwuchernden Bürokratie? 

Zudem muss die Frage gestellt werden, warum die Parteien eine solche Machtfülle angehäuft haben und mittlerweile in alle Belange der Bürger hinein reden, natürlich alles schön im Proporz. Da liegt doch überhaupt der Grund, warum die Journalisten sich nicht trauen auch mal an den Parteisockeln zu kratzen, die Fernsehsender schön bei Fuß stehen, die öffentlich-rechtlichen wegen ihrer Abhängigkeit und die privaten, weil damit kein Geld zu verdienen ist, da inszeniert man lieber drittklassische Promishows und berichtet über deren Befindlichkeiten, ohne dass seitens der Politik über Maßnahmen gegen die Volksverdummung nachgedacht wird. Und alles das wird hingenommen, labbrige Fernsehduelle von Kandidaten, die morgen schon wieder gemeinsam in einer großen Koalition die Politik bestimmen, um letztlich in einem unübersehbaren Einheitsbrei zu verschwimmen. 

Dies riecht irgendwie nach althergebrachten Mustern, die wir glaubten schon lange überwunden zu haben. Lebendige Demokratie sieht anders aus. Dabei dürfen wir uns überhaupt nichts vormachen. Am Ende des Wahlabends des 22. Septembers fällt alles Wahlkampfgetöse in sich zusammen. Dann wird der Souverän wieder in sein Körbchen geschickt, politische Halbwahrheiten machen erneut die Runde und der große Legislaturschlaf des Wahlvolkes beginnt von vorne. Es herrscht wieder politischer Alltag. 

 Peter J. König