Samstagskolumne Peter J. König 08.11.2014

"Geschichtsbewusstsein ist mehr als bloßes Wissen oder reines Interesse an der Geschichte umgreift Geschichtsbewußtsein den Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive" (Jeismann)

Der 9. November 1989 ist wahrhaft ein historischer Tag für Deutschland. Dass das Ereignis der Grenzöffnung zwischen Ost und West, einhergehend mit dem Mauerfall, dem Untergang der DDR und der deutschen Wiedervereinigung sich an diesem Wochenende zum 25. Mal jährt, ist Anlass genug sich ausgelassen zu freuen, aber gibt auch die Gelegenheit, sich alles noch einmal bewusst zu machen und über die Entwicklung der letzten 25 Jahre und über das Hier und Heute nachzudenken.

Berlin steht ganz im Zeichen der Festivität, über eine Million Besucher werden erwartet, buchstäblich aus der ganzen Welt und hauptsächlich von Menschen deren Schicksal mit diesem Datum verbunden ist. In Ost- und Westdeutschland hat doch jeder ab dem Schulzeitalter eine persönliche Erinnerung, was in den Tagen vor dem Mauerfall passierte, aber speziell an die Nacht, als Günter Schabowski, Politbüro-Mitglied und Sprecher dieses Führungsgremiums in jener legendären Pressekonferenz in Ost-Berlin verkündete, nämlich die Reisefreiheit für die Menschen aus der DDR, und wie er betonte:"Nach meiner Kenntnis gilt die Reisemöglichkeit sofort". 

Schabowski hat damit eine Lawine ins Rollen gebracht. Für die entsprechende Dynamik sorgte schon der Dampf im Kessel DDR, der sich durch die Öffnung des Eisernen Vorhangs in Ungarn, die ostdeutschen Flüchtlinge in der westdeutschen Botschaft in Prag, aber vor allen Dingen durch die Montagsdemonstrationen in Leipzig zu einem gefährlichen Überdruck entwickelt hatte. Wer konnte schon garantieren, dass es nicht erneut zum Eingreifen russischer Truppen gekommen wäre, wie einst am 17. Juni 1953, als russische Panzer den Aufstand der Menschen in der sowjetischen Zone, sichtbar in Ostberlin, Leipziger Straße mit Gewalt niederschlugen?

Heute wissen wir, dass die sowjetische Führung unter Gorbatschow im Zuge von Perestroika und Glasnost zuvor schon entschieden hatte, den osteuropäischen Staaten selbst es zu überlassen, welchen politischen Weg sie gehen wollten. Deshalb blieben diesmal die Panzer in den Kasernen. Dies war faktisch das Ende des Warschauer Paktes und leitete die Demokratisierung dieser Staaten ein, jeweils mit einer völlig unterschiedlichen Dynamik. Vor diesem Hintergrund war es der Führungsclique in Ostberlin klar, dass ihr Ende bevorstand. Deshalb hat die Stasi überall in ihren Dienststellen, und davon gab es sehr, sehr viele, versucht das erspitzelte Material, die Akten über die Toten an der Grenze und letztendlich sämtliche Unterlagen über ihr perfides Handeln zu vernichten. 

Wenn man weiß, dass in keinem Land der Welt es mehr Geheimdienstler gab als in der DDR, dann ist auch klar, dass diese Fülle von Papier in so kurzer Zeit einfach nicht zu vernichten war. Damit man überhaupt einen kleinen Überblick über die Zahl der Stasimitarbeiter bekommt, hier ein Vergleich der in etwa die verschiedenen Dimensionen in den unterschiedlichen Ländern aufzeigt. In der Sowjet-Union kam ein Mitarbeiter vom Geheimdienst auf 5000 Einwohner, im Dritten Reich einer auf 10000, in der Bundesrepublik Deutschland einer auf 50000 und in der DDR einer auf 150 Einwohner. 

Was dies bedeutete, hat dann auch die Wirklichkeit gezeigt, Bespitzelung überall und jederzeit und zwar auch dort, wo man es eigentlich nicht erwarten sollte. Nichts war vor der Stasi sicher, nicht die Familie, nicht der Freundeskreis und am Arbeitsplatz sowieso nicht. Die Methoden zur "Erkenntnisgewinnung", so der Sprachjargon der Stasi hat eine derart überbordende Fülle erreicht, dass nur weniger als die Hälfte ausgewertet werden konnte, die eigentliche Arbeit hat dann die Gauck-Behörde übernommen bei der Aufarbeitung des gesamten Stasi-Materials, und das hat Jahre gedauert. 

Mittlerweile sind 25 Jahre seit dem Mauerfall vergangen und bei aller Freude darüber und den spektakulären offiziellen Feierlichkeiten, die erfreulicherweise überwiegend den Charakter eines großen Miteinanders, anstatt staatstragender Couleur besitzen, ist das Wichtigste jedoch, sich noch einmal klar zu machen, was eigentlich an diesem Tag überwunden wurde, welche neue Zeitrechnung für die Menschen in Ostdeutschland , ja in ganz Deutschland angebrochen ist und welches Joch man mit dem Untergang der DDR abgeworfen hat. 

Deshalb sollte der 9. November neben aller Freude ganz besonders ein Tag des Erinnerns sein, eine Erinnerung an die politische, wirtschaftliche und menschenverachtende Entwicklung in der DDR, wo man doch einst angetreten war, einen Staat zu entwickeln, der mehr Gerechtigkeit, mehr soziale Gleichheit, mehr Humanität und mehr respektables Leben gewährleisten sollte. Entstanden ist eine Diktatur, die fast jede persönliche Freiheit eingeschränkt hat, ein Überwachungsstaat mit einer militärischen Ausrichtung, stärker als im Dritten Reich und geprägt durch die Verachtung seiner Bürger, die sie grundsätzlich wie Verbrecher behandelt haben, ihnen mit großem Misstrauen begegnet sind und wo kurzerhand jeder der nicht als linientreu erschien, mit erheblichen Repressalien belegt wurde. 

Das Land wurde von einer Nomenklatura beherrscht, die aus etwa 2 Millionen SED- Mitglieder bestand. Wahlen wurden manipuliert, Gesetze wurden dem Interesse dieser Nomenklatura angepasst, Erpressung seitens der staatlichen Organe stand auf der Tagesordnung, die Justiz war ein ausgesprochenes Machtinstrument, sie diente allein dem Erhalt des Systems. Wer zu dieser Zeit in der DDR gelebt hat, kein Mitläufer war und einen gesunden Menschenverstand besaß, wird nie mehr vergessen, was mit ihm dort passiert ist. Doch wie sieht dieses heute aus? 

Dazu gibt es gerade im Zuge der 25. Jahrfeier einige interessante, teilweise aber erschreckende Umfragen, die zeigen, in welchem unterschiedlichen Maß, je nach Alter und Erfahrungswert, die Bürger der neuen Bundesländer die Situation mittlerweile einschätzen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass je jünger die Menschen sind, umso mehr scheint der Schrecken der DDR zu verblassen, oder bei Nichterleben nicht vorhanden zu sein. Dieses gipfelt darin, dass bei Umfragen in den höheren Klassen (11 und 12) in Gymnasien und Oberschulen die überwiegende Meinung herrscht, die DDR hätte nicht untergehen sollen, im Extrem man sich sogar die DDR zurück wünscht. Wie ist so etwas möglich? 

Was bekommen die jungen Menschen heutzutage in den höheren Schulen beigebracht und wer ist dafür verantwortlich? Oder liegt es vielleicht an dem mangelnden Geschichtsbewusstsein oder Desinteresse von der neuen Generation und was erzählen ihnen die Alten? Dass in der Wahrnehmung größerer Bevölkerungsgruppen in den neuen Bundesländern Befremdliches vorgeht, gerade im Hinblick auf die DDR-Vergangenheit, zeigt die erstarkte Position der Partei "Die Linke". Wenn sie noch vor Weihnachten den Ministerpräsident in Thüringen stellen sollte, dann ist dies ein klares Zeichen, dass Geschichte lieber vergessen oder verdrängt wird, um in Nostalgie und Wunschträume sich zu ergehen, anstatt sich über eindeutige Fakten zu informieren. "Die Linke" verfolgt Ziele wie sie einst ihre Vorgängerpartei SED in der DDR postuliert hat. Wer sich einmal die Mühe macht in das Wahlprogramm der Linken in Thüringen zur Landtagswahl hinein zu schauen, stellt frappierende Ähnlichkeiten mit dem SED-Programm in der alten DDR fest. 

Leider lesen ja die wenigsten Wähler solche Programme weder im Osten noch im Westen. Dies wissen alle Parteien und besonders Gregor Gysi, der seit Jahren es schafft, früher übrigens auch mit Oskar Lafontaine der Partei "Die Linke" ein Image nach außen zu verpassen, das einen neuen, gerechteren Sozialismus verspricht, der besonders die Menschen im Osten anzieht, die enttäuscht sind von ihrem Leben im wiedervereinigten Deutschland und für die die Wende vermeintlich nur Schlechtes gebracht hat. 

Da vergisst man auch leicht die Realität in der DDR oder sie wird nachträglich schön gemalt, je nach Grad der Enttäuschung. Die Wahlentscheidung für die Linken ist ein ziemlich exakter Gradmesser, wie groß der Anteil der Unzufriedenen bei der Bevölkerung in den jeweiligen östlichen Bundesländern ist. Im Gegensatz zur DDR hat heute jeder Bürger das Recht die Partei zu wählen, die ihm genehm ist. Dies gilt auch für "Die Linke". Trotzdem oder gerade deshalb muss man sich klarmachen, was drin ist in dem Paket des neuen freundlichen Sozialismus. Wunschträume helfen da wenig, sonst wird das Erwachen umso ernüchternder. 

Mit Ramelow in Thüringen wird die Demokratie in Deutschland nicht untergehen. Allerdings werden sich dann sehr bald die sozialistischen wirtschaftlichen Eckpfeiler seines Programmes im Land bemerkbar machen. Und das wird nicht gut aussehen, trotz all seiner Beteuerungen. Interessant ist, dass schon zu SED-Zeiten theoretisch alles wunderbar funktioniert hat, sehr bald musste die DDR allerdings eine große Mauer um das Land bauen, damit die Bürger nicht die Flucht ergriffen haben. So weit wird es in Thüringen nicht kommen, denn heutzutage gibt es demokratische Möglichkeiten bei dann aufkommender Unzufriedenheit der Mehrheit der Bürger den erneuten sozialistischen Versuch zu beenden und zwar ebenfalls friedlich mit einem Stift bewaffnet auf dem Stimmzettel in der Wahlkabine bei der nächsten Landtagswahl. 

Ob es aber überhaupt so weit kommen wird, bleibt noch abzuwarten. Die Koalition zwischen Linken, der SPD und den Grünen hat exakt eine Stimme Mehrheit, ist also hauchdünn. Wenn bei der Wahl Ramelows zum Ministerpräsident im Thüringer Landtag nur ein Abgeordneter von der SPD oder den Grünen sich der Stimme enthält und dies sich in drei Wahlgängen wiederholt, kommt die Koalition nicht zustande, das sozialistische Abenteuer ist geplatzt. Noch ist alles offen. Nicht offen aber darf der Umgang der jungen Leute mit der jüngsten Geschichte bleiben, denn besonders ihre spezifischen Kenntnisse von der Vergangenheit entscheiden darüber, wie sie ihre Zukunft gestalten.

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 01.11.2014

Stasi-Ballade: 

Menschlich fühl´ ich mich verbunden
mit den armen Stasi-Hunden,
die bei Schnee und Regengüssen
mühsam auf mich achten müssen,
die ein Mikrofon einbauten,
um zu hören all die lauten
Lieder, Witze, leisen Flüche
auf dem Klo und in der Küche,
Brüder von der Sicherheit,
Ihr allein kennt all mein Leid.
.......
...
Wolf Biermann

("Gegen den scharfen Kritiker der DDR-Parteidiktatur wurde 1965 ein totales Auftritts- und Publikationsverbot verhängt. 1976 wurde er ausgebürgert" (Wikipedia)
Stasi-Ballade: http://www.songtexte.com/songtext/wolf-biermann/die-stasi-ballade-7bfa2618.html

Zu einem äußerst interessanten Zeitpunkt, jetzt wo am 9. November der Fall der Mauer sich zum 25. Mal jährt, hat unser Bundespräsident Joachim Gauck sich zu der Partei "Die Linke" geäußert. In einem Interview mit der ARD hat er die Frage aufgeworfen, ob diese Partei mittlerweile den nötigen Abstand zu ihrer Vorgängerin zu DDR-Zeiten der SED hat, die das Unrechtssystem verantwortet, und ob "Die Linke" mittlerweile das berechtigte Vertrauen genießt, um in Thüringen die Regierung zu führen.

Im Hinblick auf seine eigene Vita, aber noch entscheidender aus der Sicht der Opfer (Mauertote, Stasi-Verfolgte oder allgemeine Repressalien der bürgerlichen Gesellschaft, nicht zu vergessen Justiz-Willkür) bestehen auch bei Gauck gewaltige Zweifel. Welch eine Entrüstung daraufhin im linken Spektrum, nicht nur bei der Linkspartei selbst, sondern auch bei den Linken in der SPD, angeführt durch Ralf Stegner, Vorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein und Führungsmitglied der SPD-Spitze. Er, die Speerspitze aller Scharfmacher gegen alles was nicht stramm links ist, hat unisono mit den Führungskadern der Linkspartei den Bundespräsidenten kritisiert und ihm Parteinahme vorgeworfen, gar ihm unterstellt er wolle die Meinungsbildung innerhalb der thüringischen SPD beeinflussen, um so die angestrebte Koalition zwischen Linke, SPD und Grünen zumindest in Frage zu stellen.

Unabhängig davon, welche politischen Äußerungen dem Bundespräsidenten qua Amt zugebilligt werden und wie weit seine persönliche Meinung zu respektieren ist, enthält dieser Vorgang doch eine gewisse Ironie, denn es waren SPD und Grüne, die Gauck als kritischen Präsidenten für dieses Amt favorisiert haben. Nun äußert er sich zu einem Themenfeld, bei dem er selbst unmittelbar betroffen war, denn als evangelischer Pastor in der DDR stand er ebenfalls im Focus der Stasi und war Repressalien der Staatspartei SED ausgesetzt. Zu gerne hätten SPD und Grüne doch gesehen, wenn Gauck überwiegend in den eigenen rechten Reihen seine Kritik angesetzt hätte und nun dies.

Insgesamt ist zu sagen, dass Joachim Gauck sein Amt als Bundespräsident nicht nur sehr souverän und äußerst respektabel handhabt, er ist auch als Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland im Ausland hoch angesehen. Überaus erfreulich ist, dass er sich selbst keinen Maulkorb verpasst hat und sehr eigenverantwortlich entscheidet, wozu er sich äußert und wo sein Amt es gebietet, Zurückhaltung zu üben. Hier steht er jetzt schon in einer Reihe mit Theodor Heuss, Richard von Weizsäcker und Roman Herzog, aber auch Gustav Heinemann, alles Glücksfälle in unserer Präsidentengeschichte.

Dass Joachim Gauck aus seiner unmittelbaren Erfahrung kritische Fragen stellt, zeigt doch eher, dass ihm die Angelegenheit wichtig ist, auch im Hinblick auf die Geschichte. Da scheut er auch nicht die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht, denn dieses hat entschieden, dass er sich durchaus im Rahmen seiner Kompetenzen geäußert hat, als er die NPD als Spinner bezeichnete, und die Neo-Nazis vor das höchste Gericht gezogen waren. Diese vom Bundespräsidenten ausgelöste Diskussion zeigt bei näherer Analyse, dass die angestrebte Regierung in Thüringen mehr als ein waghalsiges Experiment darstellt. Zunächst hat sich offenbart, dass "Die Linke" alles andere als sattelfest ist, gerade in den Bedenken, die Gauck aufgeworfen hat.

Am Beispiel der Frage: War die DDR ein Unrechtsstaat, beginnen sich die Geister innerhalb dieser Partei zu scheiden, die Altkader wie Gysi und andere führende Genossinnen und Genossen können mit dieser Frage überhaupt nichts anfangen, während man in Thüringen seitens der dortigen Linkspartei bei den Sondierungsgesprächen sich geradezu verbogen hat, um dann doch noch ein Kompromisspapier zusammen zu zimmern, damit nicht schon damit eine weitere Verhandlung mit SPD und Grünen scheitert. Eindeutiges Distanzieren von den Machenschaften der SED sieht anders aus. Weshalb sollte in einem zukünftigen Koalitionsvertrag nicht ein klarer Passus zur SED-Vergangenheit stehen? 

Warum haben sich SPD und Grüne auf einen solch faulen Kompromiss eingelassen, der selbst der Grünen-Vorsitzenden Göring-Eckhart einer früheren DDR-Oppositionellen aus Thüringen Bauchschmerzen bereitet? Der Grund ist leicht durchschaubar. Man wollte nicht nur die Spitzenfunktionäre in Berlin nicht düpieren, sondern braucht auch die alten SED-Mitglieder in den neuen Bundesländern um dort politisch etwas zu bewirken, denn ohne diese sieht es nicht besonders rosig aus mit dem Linken-Fundament im Osten. Selten hat man seitens der Linken ein solches Rumgeeiere gehört wie von Frau Kipping der Vorsitzenden der Linken im ZDF zu den Fragen nach Gauck und einer klaren Aussage zur SED-Vergangenheit.

Der Auftritt von Frau Kipping war nicht nur an Peinlichkeit nicht mehr zu übertreffen, er zeigte auch, dass in ihrem Kopf ganz andere Gedanken Vorrang haben. Es geht um Macht, um die Erneuerung sozialistischen Gedankenguts und um die Tatsache die Option nicht nur in Thüringen zu verspielen, sondern auch um den Versuch in Berlin bei der nächsten Bundestagswahl zu reüssieren. Es ist unzweifelhaft, dass "die Linke" Morgenluft wittert, zunächst in Thüringen und dann in einer möglichen Bundesregierung. Dies ist der Grund, warum die Links-Kader Kreide gefressen haben, um mit an die Macht zu kommen versprechen sie alles und mimen die Bekehrten. Aufarbeitung der Vergangenheit bedeutet für die Linkspartei ein Wochendseminar hinter verschlossenen Türen unter Gleichgesinnten und anschließend eine lauwarme Erklärung vor der Presse: In der DDR war nicht alles gut, man hat auch Fehler gemacht. Ist es da ein Wunder, dass die Menschen, die unter dem DDR-Regime gelitten haben, skeptisch und sorgenvoll reagieren, meistens sogar ein Erstarken der SED-Nachfolgepartei mit einem Ministerpräsident aus deren Reihen ablehnen?

Da hilft auch der Hinweis nicht, dass Ramelow aus dem Westen kommt und eigentlich Gewerkschaftler sei. Diese argumentative Krücke kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich bei den Linken auch in Thüringen noch alte Stasimitarbeiter tummeln, auch bei den Abgeordneten im Landtag und sonstigen Parlamenten und bei vielen öffentlichen Ämtern in der Verwaltung, so wie dies auch in allen anderen neuen Bundesländern der Fall ist. Die SPD Thüringens hat sich bei einer Mitgliederbefragung eindeutig für Koalitionsverhandlungen mit der Linkspartei ausgesprochen. Dabei ist auffällig, dass gerade die älteren SPD-Mitglieder, die keine belastete Vergangenheit haben, sich aber dem SED-Regime beugen mussten, vehement eine solche Koalition ablehnten.

Es sind die Ewig-Gestrigen, die gemeinsam mit einer dominanten jungen Riege in der Partei das linkssozialistische Experiment wagen wollen. Dabei liegt ihnen nur scheinbar das Wohl der Menschen in Thüringen am Herzen, nein in erster Linie geht es ihnen um die Macht, nach 25 Jahren CDU-Herrschaft, wo sie sich mit der Rolle eines Wurmfortsatzes begnügen mussten, und dann noch sich ihre Anhängerschaft mehr als halbiert hat. Nicht umsonst ist es zum Wechsel an der SPD-Spitze in Thüringen gekommen, junge Kräfte mit einer großen Nähe zur Linken glauben nun, es wird Zeit den Sozialismus wieder aufleben zu lassen. Dass sie dabei nicht primär an die Gräueltaten zu DDR-Zeiten denken, ist durchaus glaubhaft.

Als Karl Marx "Das Kapital" schrieb, konnte er sich auch nicht vorstellen, dass Kommunisten in vielen Ländern Verbrechen an den Menschen begehen werden, indem sie sich auf die Thesen aus seinen Werken berufen. Die neue Riege aus Linken und SPD glaubt fest daran einen sauberen, reinen Sozialismus auf den Weg bringen zu können. Dazu brauchen sie die Macht, erst in Erfurt und dann in Berlin. Die Grünen handeln völlig blauäugig, wenn sie glauben die neue Links-Koalition werde in Thüringen mit Korruption und Vetternwirtschaft aufräumen. Da ist doch die Frage erlaubt, wie lange betreiben diese thüringischen Grünenpolitiker eigentlich schon Politik und wie sieht es mit ihrem Realitätssinn aus?

Fakt ist, wenn Ramelow an die Macht kommt, wird er tief in die sozialistische Kiste greifen, um Wohltaten unter das Volk zu streuen, die er aber nicht bezahlen kann. Erst kommen dann die Reserven dran, zudem wird maßgeblich über Schulden finanziert. Natürlich muss auch die Wirtschaft herhalten, in Form von höheren Landessteuern und Abgaben. Die Folge wird sein, dass Thüringen nicht mehr als Investitions-geeignetes Bundesland angesehen wird, nach und nach werden Betriebe verlagert und die Steuereinnahmen schrumpfen dadurch stetig. Und was unternimmt man dann als strammer Linker? Man erhöht erneut den Druck auf die Wirtschaft und erfindet neue Abgabenquellen und zwar da, wo etwas zu holen ist. Die Vermögenden haben sich eh schon zurückgezogen, jetzt wird der gehobene Mittelstand zur Kasse gebeten. Wie so etwas weitergeht, kann man in den Geschichtsbüchern über die Entwicklung der DDR nachlesen. Aber wer interessiert sich heute noch im Allgemeinen für vergangene Geschichtsabläufe? 

Sollte man aber, wie heißt es so schön, ohne Vergangenheit keine Zukunft, soll heißen, wir müssen aus der Vergangenheit lernen, um die Zukunft positiv meistern zu können. Bisher geht es zunächst um Thüringen, insofern sind die Machtvorstellungen der Genossen faktisch noch begrenzt. Auch sind den hoheitlichen Rechten der Länder bestimmte Grenzen gesetzt. Dies sieht in Berlin schon ganz anders aus, obwohl die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes durch ihre Erfahrungen aus dem Dritten Reich hohe Hürden bei der Machtverteilung in unserem Staat postuliert haben. Doch wie mit den Bedenken und Ängsten der Millionen von Geschädigten in der früheren DDR umgehen, jetzt 25 Jahre nachdem die Kerkermauern dieser DDR gefallen sind?

Die Antwort hat Bundespräsident Joachim Gauck in seinem Interview gegeben. Im Zuge einer sich anbahnenden Koalition unter der Führung der Linken gilt es die politischen Handlungen permanent zu hinterfragen, um zu erkennen, ob diese Linke tatsächlich das Vertrauen der ostdeutschen Bürger rechtfertigt, oder ob es nur ein erneuerter Versuch ist die bürgerliche Klasse zu überwinden.

Peter J. König