Samstagskolumne Peter J. König 22.06.2013

Wo steht Deutschland wirklich? 

Die letzte Woche war geprägt von zwei sehr aufschlussreichen Besuchen. Am Montag und Dienstag hat der amerikanische Präsident Barack Obama im Anschluss an den G 8-Gipfel in Nordirland mit seiner Familie Berlin besucht, während unmittelbar anschließend am Freitag Bundeskanzlerin Merkel nach St. Petersburg zu einem internationalen Wirtschaftsforum flog, um am Abend, so die Planung zusammen mit Präsident Putin eine Kunstausstellung zu eröffnen. So viel sei schon vorweg gesagt, Entscheidungen von weltbewegender Tragweite wurden bei beiden Treffen nicht verkündet. Während der amerikanische Präsident eine Abrüstungsinitiative von Atomsprengköpfen ansprach, sollte der Besuch Angela Merkels jetzt in der Zeit der weißen Nächte an der Newa eher informeller Natur sein und die kulturellen Bindungen zwischen Russland und Deutschland vertiefen. Doch welche Überraschung, welcher Eklat, der gerade noch diplomatisch verbrämt werden konnte. Selten hat man in der letzten Zeit so offen die Kontroverse zwischen beiden Staatsführern gesehen, wie am gestrigen Freitag. Aber gehen wir chronologisch vor und versuchen wir an Hand dieser Besuche, die jeweiligen politischen Beziehungen zwischen den Ländern zu analysieren.

Natürlich wurden für Obama bei seinem achtundzwanzigstündigen Aufenthalt in der Bundeshauptstadt Berlin, obwohl nur als Arbeitsbesuch deklariert, alle Register gezogen, die für einen Staatsbesuch möglich sind. Empfang mit militärischen Ehren beim Bundespräsident im Schloss Bellevue. Treffen und ausgiebiges Gespräch mit der Kanzlerin, anschließend Pressekonferenz vor der internationalen Presse. Hier war man gespannt, ob auch das aktuell heikelste Thema zur Sprache kommen würde, nämlich die totale Überwachung des Internets durch amerikanische Geheimdienste und wie würde der Präsident dazu Stellung beziehen? Weitere Themen, die hierzulande intensiv diskutiert werden, wie die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo und die Steuerung von Drohnen von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland zum weltweiten Einsatz, standen ebenfalls auf dem Fragenkatalog der Journalisten. Nach allgemeiner Ansicht soll das Verhältnis zwischen Angela Merkel und Barack Obama von kühler Pragmatik geprägt sein. Des Weiteren sollen sich die Staatsinteressen unterschiedlich entwickelt haben, manche Kenner haben sogar schon von einer Eiszeit zwischen den beiden Staaten gesprochen, von einem vermeintlichen Bruch der transatlantischen Achse. Obama habe als Präsident sein ganzes Interesse auf den pazifischen Raum gelegt, zumal er auf Hawaii geboren wurde und er mit seiner Mutter im schulpflichtigen Alter einige Jahre in Indonesien verbracht hat. Auch soll der Sparkurs der Kanzlerin auf wirtschaftlichem Gebiet für die amerikanische Administration völlig kontraproduktiv sein. Die FED, also die amerikanische Notenbank versucht durch eine fortwährende Schuldenpolitik, indem sie die Märkte mit Dollar flutet, die amerikanische Wirtschaft zu stimulieren, damit sie aus der Krise kommt. Hier ist der Kurs der Kanzlerin eher schädlich für die Weltwirtschaft, so die Amerikaner.

Wenn auch die Interessenslage der beiden Staaten unterschiedlich ist, atmosphärisch war von Eiszeit nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil: Gauck und Obama schienen sich auf Anhieb zu verstehen, obwohl sie sich zum ersten Mal begegnet sind. Ausgehend von dem wunderschönen Wetter, früher wurde ein solcher glänzender Sommertag als Kaiserwetter bezeichnet, hat Obamas Charme Gauck nicht lange fremdeln lassen. Beim Abspielen der amerikanischen Hymne war er zutiefst ergriffen. Danach ging es zwischen den beiden zu wie bei dem Besuch eines alten Schulfreundes nach vielen Jahren der Trennung. Selbst die sonst eher spröde wirkende Kanzlerin war völlig aufgeräumt. Empfing sie den Präsidenten vor dem Kanzleramt zwar freundlich, aber eher zurückhaltend, so wurde sie im Laufe des Tages immer zugänglicher. Für wahre Freundschaftsgesten konnte die gemeinsame Pressekonferenz noch nicht herhalten, war doch zu spüren, dass die genannten Problemfelder nicht ausgeräumt werden konnten oder seitens Obama nicht ausgeräumt werden wollten. Darüber konnten auch seine verbindlichen, aber wenig aussagekräftigen Antworten nicht hinweg täuschen. Dem aufmerksamen Zuhörer konnte nicht entgehen, dass der amerikanische Präsident, trotz aller Charmeoffensive nicht gewillt ist, von seiner knallharten Linie abzurücken. Vielmehr sieht er seine Aufgabe darin, die Deutschen und die Europäer für seine Interessen einzubinden. 

Deutschland soll als jahrzehntelanger verlässlicher Verbündeter und als stärkste Wirtschaftsmacht in Europa helfen, die restlichen europäischen Staaten in eine gemeinsame Freihandelszone mit einzubinden. Dieser größte Wirtschaftsraum weltweit soll die ökonomische Macht beiderseits des Atlantiks festigen, um den Herausforderungen der Globalisierung Paroli bieten zu können. Höhepunkt des Besuches war zweifellos die Rede des Präsidenten auf dem Pariser Platz auf der östlichen Seite des Brandenburger Tores. Es sollte eine historische Ansprache werden, wie vor genau fünfzig Jahren, als John F. Kennedy vom Schöneberger Rathaus aus seine Freiheitsrede an die Berliner richtete. Diesen Anspruch konnte Obama nicht erfüllen. Er hat zwar den Russen ein Angebot zur Reduzierung des nuklearen Arsenals gemacht, ansonsten blieb er allgemein verbindlich und hat sich in Erinnerungen ob der amerikanisch-deutschen Freundschaft ergangen, politisch wenig konkret. Allein die menschliche Beziehung zwischen Barack Obama und Angela Merkel schien irgendwie an diesem Tag gewachsen zu sein. Selten hat man die Bundeskanzlerin so gelöst gesehen, wie bei dem gemeinsamen Auftritt vor dem Brandenburger Tor.

Aber auch Obama hat es sichtlich genossen, das warmherzige Entgegenkommen der Zuhörer. Wenn auch handverlesen, ließen sie den Präsident sichtlich aufleben. Er schien sich in Berlin wohl gefühlt zu haben, da kein anderer Präsident eine solche Aufmerksamkeit genießt. Für das deutsch-amerikanische Verhältnis war dieser Besuch gewiss eine Bereicherung, zumal er schon überfällig war. Auch wird er zur Verbesserung der persönlichen Beziehung zwischen Obama und Merkel beigetragen haben, wo doch die Amerikaner mit der Wiederwahl von Angela Merkel rechnen. Wer aber glaubt, dass dadurch der Einfluss seitens der Deutschen auf die Politik des Weißen Hauses größer geworden ist, der täuscht sich gewaltig. Alle amerikanischen Präsidenten sind ausschließlich ihrem eigenen Landeswohl verpflichtet. Sie akzeptieren nur solche Einflüsse, die den Interessen der Amerikaner entgegenkommen. Mit einem festlichen Essen am Abend im Charlottenburger Schloss wurde der amerikanische Präsident verabschiedet. In Begleitung seiner attraktiven Gattin Michelle gelang es diesen Besuch sehr einvernehmlich abzurunden, sodass Obama nur die angenehmsten Erinnerungen nach Washington mitnehmen konnte.

Welcher Gegensatz dann am gestrigen Freitag in St. Petersburg. Am Rande des Petersburger Wirtschaftsgipfels sollten Präsident Putin und Frau Merkel gemeinsam die Petersburger Bronze-Zeit-Ausstellung eröffnen. Bei ihrer Eröffnungsrede, so signalisierte die Kanzlerin der russischen Seite, wollte sie auf die Tatsache aufmerksam machen, dass viele Objekte in dieser Ausstellung von russischen Soldaten im Zuge der Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg als Beutekunst nach Russland verbracht worden sind und dass es jetzt an der Zeit sei , diese Stücke zurück zu geben. Seit Jahren wird dieses von russischer Seite abgelehnt. Nachdem das Vorhaben der Kanzlerin der Moskauer Regierung bekannt wurde, hat diese kurzerhand die Ansprachen gestrichen. Daraufhin hat der deutsche Regierungssprecher noch kurz vor dem Abflug nach Petersburg bekannt gegeben, dass Merkel noch vor der Eröffnung der Ausstellung wieder nach Berlin zurückfliegen werde. Der Eklat schien perfekt. Eine solche Verstimmung im deutsch-russischen Verhältnis hat es seit den Tagen des Kalten Krieges nicht mehr gegeben. Bei allen Meinungsverschiedenheiten und unterschiedlichen Interessen hat man es doch immer verstanden, diplomatisch nach außen kooperativ zu wirken. Schröder und Putin verbindet seit langem eine intensive Freundschaft, da wurde Konsens bei einigen guten Flaschen Rotwein geschaffen, zu welchem Vorteil auch immer? 

Bei Merkel und Putin scheint die Beziehung einen Tiefpunkt erreicht zu haben. Vielleicht ist der russische Präsident verärgert, dass er niemals einen solchen Empfang wie Obama in Deutschland bekommen hat. Vielleicht hat es auch etwas mit der Bundestagswahl zu tun, dass Schröder seinem Kumpel signalisiert hat, er möge die CDU-Vorsitzende auflaufen lassen, damit Steinbrück eine neue Angriffsfläche bekommt, nämlich das von Merkel zerstörte gute Verhältnis zu Russland. Vielleicht sind dies aber auch noch die Nachwirkungen des G8-Gipfels, als Putin bedrängt wurde sich von Assad zu lösen und nur sehr widerwillig einer Syrien-Konferenz in Genf zugestimmt hat. Fakt ist letztendlich, dass die Kanzlerin mit Putin die Ausstellung eröffnet und auch gesprochen hat und beide dabei ihre ablehnenden Gefühle kaum verbergen konnten. Hier scheint unbedingter Handlungsbedarf in Sachen Freundschaft zu bestehen. Immerhin hätte es dazu noch eine Gelegenheit gegeben, denn das geplante Abendessen auf einem Schiff auf der Newa mit dem Blick auf die sommerliche Stadt wurde dann auch noch gemeinsam eingenommen. Diese weißen Nächte in St. Petersburg zur Mittsommernacht, wenn alles in ein sanftes Licht getaucht ist und die Sonne kaum untergeht, hätten den richtigen Rahmen für eine erneute Annäherung geboten und so viele Flaschen Rotwein wie mit Schröder wären bestimmt auch nicht erforderlich gewesen. 

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 15.06.2013

Wird das Treffen der mächtigsten Staaten endlich den Menschen in Syrien helfen?

Vor dem G8 Gipfel nächste Woche in Irland sind die jeweiligen Staaten dabei ihre Positionen abzustecken. Wieder einmal steht der Bürgerkrieg in Syrien auf der Agenda. Mittlerweile sind nach Angaben der UN 94000 Menschen in diesem Konflikt umgekommen. Eine brauchbare Lösung ist auch jetzt nicht in Sicht, denn der Schlächter Assad hat mittlerweile eine bessere Position, als im gesamten Verlauf dieses Volksaufstandes. Unvermindert wird er von Russland mit Waffen beliefert, zudem erhält er politische Unterstützung aus Moskau. Wie eh und je mischt der Iran kräftig mit, nicht nur mit militärischem Gerät sondern auch mit Spezialeinheiten, die die syrische Armee entlastet und bei denen nicht befürchtet werden muss, dass sie eventuell desertieren könnten.

Kämpfer der Hisbullah aus dem Libanon haben sich ebenfalls in die Kampfhandlungen eingemischt. Sie gelten als gnadenlos auf Seiten Assads. Die Chancen der Aufständischen haben sich merklich verschlechtert. Gebiete, die sie schon unter ihren Einfluss gebracht hatten, mussten aufgegeben werden. Die Armee Assads ist auf dem Vormarsch nach Norden Richtung türkische Grenze und sie sind dabei die Küstenregionen zum Mittelmeer zurück zu erobern. Dabei soll es ihnen schon gelungen sein, bis in die Vororte von Aleppo, der alten Handelsstadt vorzudringen. Diese Regionen waren die Gebiete in denen sich der Widerstand gegen das Regime Assad formiert hatte. Mit jedem weiteren Erfolg der Rückeroberung sind die Chancen auf einen Machtwechsel in Syrien immer aussichtsloser. 

Assad gibt sich siegesgewiss. Im syrischen Fernsehen verkündet er den Sieg über die Terroristen, die vom Westen gesteuert, dem syrischen Volk die legitime, durch Wahlen bestätigte Führung wegnehmen wollen, um das Land unter amerikanischen Einfluss zu bringen. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um den Kampf der Vorherrschaft der schiitischen oder der sunnitischen Glaubensrichtung, der vom Iran und von Saudi-Arabien geschürt wird. Beide Länder versuchen ihre Positionen so zu verstärken, dass sie die dominanten Staaten in der Region werden können, sollten sich die Amerikaner aus dem Nahen Osten zurückziehen. Sowohl der schiitische Iran, als auch das sunnitische Königshaus in Saudi-Arabien wollen dieses Machtvakuum füllen, indem sie die Vorherrschaft in Syrien anstreben. Dabei sollen die Saudis die Interessen der Amerikaner vertreten, während Assad und der Iran die russischen Belange hochhalten. Immerhin existiert der einzige Flottenstützpunkt der Russen im Mittelmeer auf syrischem Terrain. Diesen wollen sie unter allen Umständen behalten und dies ist nur unter Assad möglich, deshalb ihr bedingungsloses Engagement. 

Geostrategisch ist der Bürgerkrieg nichts anderes als ein Krieg um die Vormachtstellung im Nahen Osten. Diese Auseinandersetzung wird mit dem Blut der syrischen Bevölkerung bezahlt. Aber es geht um noch viel mehr. Letztendlich sind die Ölvorkommen der arabischen Potentaten am Persischen Golf im Visier der Schiiten und damit in der Interessenssphäre von Russland. Welcher Machtgewinn für sie, wenn es ihnen gelänge die gesamten Ölvorkommen im Vorderen Orient zu beeinflussen. Sie sehen darin den Wiederaufstieg zu einer Weltmacht, ähnlich wie zu den Zeiten der Sowjet-Union. Dieses kann den Amerikanern nicht schmecken, sie sind noch von diesen Ölreserven abhängig, ähnlich wie Indien und Japan. Um nicht in naher Zukunft große Probleme mit der Ölversorgung zu bekommen, haben sie angefangen mit Hilfe des Frackings ungenutzte Reserven an Öl und Gas in ihrem eigenen Land auszubeuten. Glaubt man amerikanischen Experten, sind die USA in wenigen Jahren völlig autark, was die Versorgung mit diesen Rohstoffen angeht. In der Folge wird auch das Interesse der amerikanischen Administration an dieser Region sich sukzessive verringern, was wiederum Israel und die Saudis sehr beunruhigt. 

Alles dieses sind Gründe, die eine gewichtige Rolle bei diesem Konflikt darstellen. Syrien allein spielt da eher eine weniger wichtige Rolle. Trotzdem kann sich vieles auf syrischem Gebiet entscheiden, da auch die Türkei mit der Volksgruppe der Kurden beiderseits der türkisch-syrischen Grenze erheblich destabilisiert werden könnte. Nicht umsonst ist es zu einem Umdenken in der letzten Zeit in der Kurdenpolitik auf Seiten Ankaras gekommen. Die Rechte der Kurden werden durch die türkische Regierung massiv ausgeweitet, alles eine Folge des Bürgerkriegs in Syrien. Eine Lösung diese verworrenen Machtspiels seitens der USA und Russland ist bisher nicht in Sicht. Auch der G8- Gipfel in der nächsten Woche verspricht da wenig Erfolg. 

Für Obama steht zudem ein Prestigeverlust auf dem Spiel. Den Einsatz von Giftgas durch die syrische Armee hatte er als das Überschreiten einer roten Linie bezeichnet, die ein Eingreifen der USA in diesen Konflikt zur Folge haben würde. Tatsächlich sollen Sarin- Granaten abgeschossen worden sein. Dabei sind einige Hundert Menschen aus der Zivilbevölkerung umgekommen, dies können vermeintlich mehrere westliche Geheimdienste nachweisen. Im Vorfeld der G8-Konferenz versuchen amerikanische Diplomaten in Moskau den Russen diese Giftgasattacken zu belegen, in der Hoffnung sie zu einem Umdenken in ihrer Syrienpolitik zu bewegen. Die Verlängerung des Waffenembargos der EU ist vor wenigen Tagen kläglich gescheitert. Jetzt gibt es keine gemeinsame Haltung der europäischen Staaten in der Frage, ob man die Aufständischen mit Waffen beliefern soll oder nicht. Die meisten Europäer lehnen dies ab, da sie sich nicht sicher sein können, wo dieses militärische Gerät letztendlich landet. In den Händen von muslimischen Al Kaida-Kämpfern wollen sie es bestimmt nicht sehen. 

Allein Frankreich ist bereit, ausgesuchten Gruppen auf Seiten der Aufständischen leichtes militärisches Gerät zu liefern. Wenn man die große Konfusion feststellt, die im Vorfeld dieses Gipfels stattfindet, muss man davon ausgehen, dass die Situation in Syrien sich unverändert weiter fortsetzen wird. Die UN wird demnächst das Überschreiten der Zahl von hunderttausend Toten veröffentlichen. Das unsägliche Leid, das die Menschen ertragen müssen, kann dabei aber überhaupt nicht vermittelt werden. Über eine Million Flüchtlinge sind über die Grenzen in die Nachbarländer geflohen. Ihre Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern sind elend, zumal auch noch die sommerliche Hitze unerträglich ist. Jordanien ist wirtschaftlich völlig überfordert mit diesen Menschenströmen. Bei einem Telefonat am Sonntag will die Bundeskanzlerin dem jordanischen König eine Millionenspritze zusagen. 

Bei aller humanitären Hilfe, es muss eine grundsätzliche Lösung gefunden werden. Ein massives militärisches Eingreifen der USA ist nicht zu erwarten, den Amerikanern reichen ihre Einsätze in Afghanistan und im Irak. Sie haben genug damit zu tun ihre marode Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Ein weiterer militärischer Einsatz kann Obama seiner Bevölkerung nicht mehr plausibel machen. Von dieser Seite ist der G8-Gipfel zum Scheitern verurteilt und dass die Russen Assad plötzlich fallen lassen, daran glaubt niemand. Da Obama im Zuge dieses Gipfels seinen ersten offiziellen Besuch in Deutschland als amerikanischer Präsident absolviert, ist davon auszugehen, dass dieses Ereignis nicht scheitern wird. Ganz im Gegenteil, sein Ansehen bei der deutschen Bevölkerung ist noch immer sehr groß, obwohl sein Image im Zuge seiner beiden Präsidentschaften doch schon arg gelitten hat. Dies ist nicht mehr der charismatische Mann, der einst als Kandidat an der Berliner Siegessäule Hunderttausende begeistert hat. Das Amt hat ihn sichtlich mitgenommen, nicht nur körperlich sondern auch was seine Glaubwürdigkeit anbetrifft. 


Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 09.06.2013

Ist dies ein deutliches Zeichen gegen Abzocke und fortschreitende Gier? 

Deutschland scheint noch nicht verloren. Dies ist weder im Hinblick auf unsere politischen Eliten, noch auf unsere wirtschaftlichen und finanzpolitischen Voraussetzungen gemeint und schon gar nicht auf die Währungsunion und den Euro bezogen. Da weiß so recht keiner, was auf uns noch zukommen wird. Auf den Süden und den Osten unseres Landes ist allerdings eine Flutwelle herein gebrochen, die Überschwemmungen und Zerstörung gebracht und hinterlassen haben, deren Ausmaß kaum einer für möglich gehalten hat. Ein derartiges Hochwasser hat Passau seit Jahrhunderten nicht mehr erlebt. In Bayern um Deggendorf, aber auch im Landkreis Rosenheim geht es jetzt um Schadensanalyse und Wiederaufbau. Hier wird sich zeigen, ob den Betroffenen schnell und unbürokratisch, aber vor allem großzügig geholfen wird, denn diese Menschen haben nicht über ihre Verhältnisse gelebt, sondern die Natur, vielleicht auch manchmal eine verfehlte Infrastrukturpolitik hat ihnen unverschuldet ihre Existenz genommen oder sie an den Rand des Ruins getrieben. 

Bei allem Leid und aller Existenzangst ist es ein nicht unwesentlicher Gesichtspunkt, dass die Bundestagswahl im September ansteht. Dies könnte bedeuten, medienwirksame Zusage von Soforthilfen und Aufmerksamkeit der Politiker aller Parteien, mit den entsprechenden Fernsehbildern. Dass so etwas schon einmal funktioniert hat, zeigt das Beispiel Schröder, der seine Wiederwahl nur dem Oderhochwasser verdankt, denn ohne seine Bilder in Gummistiefeln im Hochwassergebiet, neben dem „Deichgraf“, dem bis dahin nur regional bekannten Landesminister Platzeck, wäre eine erneute Wahl zum Kanzler wohl gescheitert. 

Hat der Süden jetzt Gewissheit über die verheerenden Überschwemmungen, so grassiert an der Elbe und ihren Nebenflüssen noch immer die nackte Angst, was letztendlich passieren wird. Magdeburg und viele andere Städte und Gemeinden entlang der Elbe kämpfen gegen die Überflutung ganzer Stadtteile und bei der Gefahr, dass ältere Deiche den enormen Wassermassen nicht gewachsen sind, hat man vorsorglich schon Tausende von betroffenen Anwohnern evakuiert. Dabei sind die Bilder so friedlich, gar fröhlich, wenn man bei schönstem Sonnenschein, die vor dem Überschwappen gefüllten Flussufer sieht, an denen sich zigtausende freiwilliger Helfer bemühen, Sandsäcke zu füllen, die die Deiche stabilisieren sollen. Aber das Bild ist trügerisch.

Der Höhepunkt der Flut ist noch nicht erreicht, wohl bisher nur am östlichen Teil, um Dresden, das dieses Mal mit einem blauen Auge davon gekommen ist. Schloss, Zwinger, die Semperoper und die Altstadt sind verschont geblieben. Wie verheerend eine solche Flutkatastrophe ist, hat der Autor selbst erleben dürfen, als er das Hotel Taschenberg-Palais, unmittelbar neben dem Schloss gelegen, zu einer Silvestervisite aufsuchte. Praktisch die gesamten Räumlichkeiten in Keller und Parterre hatte das Elbewasser verwüstet. Lobby, Ballsäle und Restaurants mussten komplett wieder renoviert werden. Ähnlich erging es dem Zwinger und der Semperoper. Das Stadtschloss, gerade im Endstadium des Wiederaufbaus musste schon vor Eröffnung in großen Teilen generalsaniert werden. Wenn man als Nichtbetroffener so etwas hautnah erlebt hat, bekommt man eine Vorstellung, unter welchem Druck und welchen Ängsten die Menschen ausharren und bangen, ob das Schicksal sie verschont, oder sie sich ihm beugen müssen. 

Bei vielen ist dies nicht die erste Erfahrung mit dem Wasser, wenn sie in Flussnähe wohnen. Sie haben aber den Aussagen der Behörden vertraut, die ihnen nach dem letzten Hochwasser wirksame Schutzmaßnahmen versprochen haben. Es wird wohl noch mehrere Tage dauern, bis Gewissheit besteht, ob die Milliardeninvestitionen in den Deichschutz ausreichend waren. Eine Garantie für die Zukunft ist dies jedoch nicht. Vielleicht ist der Bau von immer höheren Deichen auch nicht die Lösung. Naturschützer sehen darin nicht eine Bewältigung des Problems, sondern eher eine Verschärfung. Da durch die Baumaßnahmen der Fluss nur eingeengt wird und die Fließgeschwindigkeit sich erhöht, was wiederum eine weitere Gefahr bedeutet, plädieren sie für Überschwemmungsbecken in den Flussauen, um so dem Wasser mehr Raum zu geben. Am Rhein hat man damit beste Erfahrungen gemacht. Allerdings wird dazu entsprechendes Land benötigt, oftmals fruchtbares Weide- und Ackerland. 

Davon wollen die Eigentümer aber oftmals nichts wissen. Folglich werden die Deiche nur erhöht, mit der soeben geschilderten Folge. Hier wartet noch eine Herkulesaufgabe auf die Politik, aber wie man bei Platzeck sieht, kann man durchaus damit ganz nach oben in der Hierarchie gespült werden, immerhin hat er es so zum Ministerpräsident, gar zum Vorsitzenden der SPD dadurch geschafft. Doch ist bisher immer noch nicht die Eingangsthese erläutert worden, warum Deutschland nicht verloren ist. Dies beweisen eindeutig die Bilder und die Aufrufe in allen Medien, wobei das Internet zeigt, welche Bedeutung es zunehmend für die Menschen hat. 

Die Hilfsbereitschaft, die spontan sich ergab, um den Menschen in den betroffenen Gebieten zu helfen, ist beeindruckend. Nicht nur, dass sich Tausende aus der ganzen Republik auf den Weg gemacht haben, um vor Ort Sandsäcke zu füllen und mit Menschenketten diese an den Deichen zu verbauen. Sowohl bei diesen Helfern, als auch bei den Leuten vom THW und unzähligen Feuerwehren, die aus ganz Deutschland angerückt sind, kann man sichtbar ihre Solidarität spüren. Endlich gelingt es auch der Bundeswehr zu zeigen, wie nützlich sie unmittelbar sein kann, die Soldaten geben alles. Bei vielen Freiwilligen ist zu bemerken, wie sie von dem Akt der Hilfe erfasst sind, dankbar und sichtlich überzeugt, in der Zeit der Raffgier und Abzocke endlich ein Zeichen zu setzen für Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn. Deshalb auch schaufeln sie bis zur Erschöpfung und sind dabei fröhlich und gut gelaunt, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es so gelingt, den großen Schaden vielleicht doch noch abzuwenden.

Aber auch die Einwohner der betroffenen Kommunen, die nicht unmittelbar unter dem Wasser leiden müssen, packen mit an. In Ansicht der Bedrohung wollen sie zusammenrücken, ein Zeichen setzen für die Zusammengehörigkeit, aber auch zeigen, dass sie sich um das Wohl ihres Ortes kümmern. Die Spendenbereitschaft ist riesig, über Facebook und Twitter werden unzählige Aktionen organisiert. Wenn man diese Welle an Hilfsbereitschaft und Uneigennützigkeit sieht, wird klar, dass die Menschen auf Dauer nicht bereit sind, die Parolen von unbedingtem Eigennutz und individueller Egomanie zu akzeptieren. 

Weshalb auf dieser Ebene das uneingeschränkte Engagement, während auf dem politischen Terrain das Interesse immer weiter abnimmt? Soviel steht jedenfalls fest, es liegt nicht an dem Gestaltungswille und dem Einsatz der Bürger. Vielmehr ist es die programmierte Unmündigkeit durch die politischen Institutionen, die willige Menschen daran hindern, sich wie bei der Flutkatastrophe politisch einzubringen. Die Parteien spüren den Gegenwind. Sie versuchen durch plebiszitäre Maßnahmen dem entgegen zu wirken, zumindest haben sie es vor der Bundestagswahl angekündigt. Bei der Flutkatastrophe muss gehandelt werden, um zu retten. In der Politik ist dies jedoch anders. Da wird vor der Wahl angekündigt, damit nach der Wahl wieder alles im Sande verläuft. Gefahrlos für unser Gemeinwohl  und die Demokratie ist das aber ganz bestimmt  nicht. 

Peter J. König