Samstagskolumne Peter J. König 23.03.2013

Zypern vor dem Untergang?

Wer hätte gedacht, dass die Währungsunion, vielleicht die gesamte EU so leicht ins Straucheln kommen könnte, wie es in diesen Stunden den Anschein hat. Um das gesamte Ausmaß des europäischen Trauerspiels zu erfassen, muss man einige grundsätzliche Fragen stellen, deren Antworten bisher durch die Politik aus Brüssel mehr als dürftig beantwortet wurden. Dazu aber mehr im Laufe der weiteren Kolumne, zunächst soll hier erst einmal ein aktueller Sachstand zu Grunde gelegt werden, der sich aber stündlich verändern kann, da politische Entscheidungen im Fluss sind. Fast schon überflüssig zu erwähnen ist, dass es um die Rettung Zyperns vor dem Totalbankrott geht, in den letzten Tagen das alles einnehmende Thema nicht nur in den Medien sondern auch bei den meisten Bürgern in den EU-Ländern, denn viele haben das Gefühl es braut sich etwas zusammen, das bisher undenkbar schien. 

Dass die Banken in Zypern schon faktisch seit Monaten insolvent sind und nur durch ein Nothilfe- Programm der EZB künstlich am Leben gehalten werden und dies gegen die Statuten der EZB, die einer insolventen Bank keine Kredite mehr einräumen dürfen, wurde bisher von politischer Seite hingenommen. Die Insolvenz der Geldinstitute kam dadurch zustande, dass sie marode griechische Staatsanleihen, die sie in verstärktem Maße angekauft hatten, nach dem Schuldenschnitt von über 50% in ihren Büchern stehen hatten, damit aber eine ausreichende Deckung ihrer Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet war, mit der Folge der Insolvenz. Pikanterweise wurden diese Staatsanleihen mit dem Geld ihrer russischen Kunden bezahlt, die Milliardensummen aus Russland nach Zypern transferiert hatten, angeblich auch viel Schwarzgeld. 

Die Inselbanken offerierten Zinssätze von vier bis fünf Prozent, ja sogar bis zu 8%, bei Weltmarktzinsen von aktuell etwa einem Prozent. Schon hier wird das Geschäftsmodell instabil, denn diese überhöhten Zinsen lassen sich real nicht erwirtschaften. Zudem lockt Zypern mit den niedrigsten Steuersätzen in der Währungsunion und scheinbar alles abgesichert durch die EZB und den festen Euro. Das war ganz nach dem Geschmack der russischen Oligarchen, aber auch der vermögenden Oberschicht, die Zypern auch wegen der sonnigen Lage im Mittelmeer gerne als Feriendomizil gewählt haben. Die Insel hat einen nie gekannten Aufschwung erlebt. Und wo es warm ist und die Anlagenrenditen überdurchschnittsmäßig, sind die Briten nicht weit. Auch von dort sind Milliardensummen auf Zypern angelegt worden. 

Bei einem Bankrott der Banken und dies soll, wenn es zu keiner Einigung zwischen der EZB und der Regierung über ein Rettungspaket bis am kommenden Montag kommen sollte, am nächsten Dienstag soweit sein, da die EZB den Geldhahn zudreht. Danach wird ein Desaster über das Land hereinbrechen. Nicht nur die Banken sind zahlungsunfähig sondern in der Folge auch der gesamte Staat. Was bedeutet das? Es können keine Gehälter an die Staatsdiener, keine Renten, keine Rechnungen mehr bezahlt werden. Es gibt keine Kredite mehr für die Unternehmen seitens der Banken, diese müssen daraufhin ihre Produktionen einstellen und ihre Belegschaften nach Hause schicken. Das bedeutet Massenarbeitslosigkeit und Aufruhr auf der Straße. 

Zypern müsste den Währungsverbund verlassen und die Nationalbank würde wieder eigenes Geld ausgeben. Was mit den Eurovermögen und den Milliardenkrediten passieren wird, ist letztlich noch nicht geklärt, aber sicher ist, dass das meiste Geld verloren wäre. Eine Ansteckungsgefahr für andere schwächelnde Länder im EURO scheint nicht gegeben zu sein, da sind sich die Experten mittlerweile ziemlich sicher. Dies ist die Situation, wie sie sich zur Stunde darstellt, nachdem das erste Rettungspaket von dem Parlament in Nikosia in der letzten Woche abgelehnt wurde, alle Bittgänge nach Moskau seitens des Finanzministers vergeblich waren und auch die orthodoxe Kirche mit ihrem Kirchenvermögen nicht zur Rettung beitragen konnte. 

Abgesehen von dem Rechtsbruch, der durch das erste Rettungspaket seitens der zypriotischen Regierung in Kauf genommen werden sollte, wenn man die Spareinlagen der Bankkunden unter 100000 EURO mit einer Abgabe von 6 bis 7% belegt, immerhin gilt bei den Banken in der Währungsunion eine Sicherheitseinlage bis zu dieser genannten Summe, hat man in Brüssel nicht bedacht, welchen massiven Protest ein solches Vorgehen bei der Bevölkerung auf Zypern auslösen würde und vielleicht noch gravierender welche Bedenken, gar Ängste dadurch bei allen Bürgern des Euroverbundes ausgelöst werden. In zweierlei Hinsicht kann man nur den Kopf schütteln, wenn nachvollzogen wird, warum die politisch Handelnden zu einem solchen Verhandlungsergebnis gekommen sind. Neben dem in Kauf genommenen Rechtsbruch, der natürlich die Frage impliziert, was Rechtsvorschriften eigentlich noch wert sind, wenn sie bedarfsweise missachtet werden, hätte man sich in Brüssel doch im Klaren sein müssen, welche verheerenden Wirkungen dies auf alle Sparer und Geldanleger in Europa und darüber hinaus haben würde. Zudem sollte die soeben als überwunden erklärte Eurokrise mit einem Schlag wieder im Mittelpunkt stehen, mit erheblichen erneuten Zweifeln an ihrer Beherrschbarkeit. 

Erneut haben die Menschen das Gefühl, ihr Erspartes ist alles andere als sicher, sie fragen sich, wann es bei ihnen soweit ist, dass Zwangsabgaben erhoben werden, auch in Deutschland. Wenn man sich den deutschen Schuldenberg von über 2 Billionen Euro ansieht und vielleicht einmal spekuliert, dass die Exportwirtschaft nicht mehr annähernd so gut funktioniert, wie zur Zeit, dann sind solche fiskalischen Zwangsmaßnahmen überhaupt nicht mehr im Bereich der theoretischen Spekulation. 

Es gibt Stimmen die sagen, ein solches Szenario will man an Zypern einmal durchspielen, um entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Ein überzeugendes Krisenmanagement sieht anders aus. Hier hat es sowohl an Weitblick als auch an Durchblick gefehlt. Aber auch den Zyprioten hat es komplett an Einsicht gemangelt, haben sie doch allen Ernstes geglaubt, sie könnten ihr marodes Geschäftsmodell mit Finanzdienstleistungen retten, wenn sie die milliardenschweren Investoren aus Russland und Großbritannien möglichst ungeschoren davonkommen lassen, beim Einsammeln den von der EU geforderten 5.8 Milliarden Euro an Eigenleistung, um dann seitens der EZB ein weiteres Hilfspaket von 10 Milliarden EURO zu erhalten. Alles dieses war Gegenstand einer turbulenten Woche, sowohl in Brüssel als auch in Nikosia, der Hauptstadt des griechischen Teils von Zypern. 

Wütend und verzweifelt sind die Menschen auf die Straße gegangen, eine Annahme des Rettungspaketes hätte wohl zu einem Aufstand gegen das Parlament geführt. Dabei haben sich Hasstiraden gegen Merkel und Schäuble entladen, die vermeintlichen Drahtzieher dieses in den Augen der Zyprioten inszenierten Komplotts. Dass der drohende Banken- und Staatsbankrott jedoch Folge der eigenen staatlichen Finanzwirtschaftsgeschäfte ist, können die Menschen vor Ort kaum begreifen und dass sie dafür auch noch mit ihrem Ersparten herhalten sollen, ist in ihren Augen vernichtende Willkür. Aber die Zeit tickt. Dead-Line ist Montag 24 Uhr, da haben die Verantwortlichen in Brüssel keinen Zweifel daran gelassen. 

Wer den zypriotischen Finanzminister in der letzten Woche beobachtet hat, konnte alleine an seiner Körpersprache ablesen, wie die Verzweiflung von Tag zu Tag zunahm. Und trotzdem war, bei aller Enttäuschung der Regierung die Einsicht gereift, dass nur durch eine gemeinsame Lösung mit der EU, ein Staatsbankrott mit katastrophalen Folgen zu verhindern ist. Erneute Verhandlungen am Wochenende, auf der Grundlage von weitaus erfolgversprechenden Lösungen scheinen quasi in letzter Minute den Bankrott noch abwenden zu können. Teil dieser Lösung ist eine Neuausrichtung des Bankensystems der Insel, dazu gehört die Zerschlagung der zweitgrößten Bank des Landes. 

Die Beschaffung der 5.8 Milliarden Selbstanteil soll jetzt durch die Vermögen jenseits von 100000 EURO stattfinden. 15 bis 20% werden vermutlich bei diesen Bankeinlagen konfisziert werden, so die Planungsvorgabe. Dieses Mal trifft es nicht die Allgemeinbevölkerung, zudem ist die Sicherungseinlage gewährleistet. Nervosität, gar Panik ist bei den russischen Profiteuren zu spüren, die sich und ihr Geld so sicher in der Sonne Zyperns zu gedeihen glaubten. Ihr Vertrauen in den EURO ist hin, sie wissen, welche Verluste auf sie zukommen werden, die Party auf Zypern ist vorbei. Medwedew, der russische Ministerpräsident spricht gar vom EURO als einer unsicheren Währung, wahrscheinlich wird er selbst bei der zypriotischen Lösung ordentlich Federn lassen müssen, denn auch ranghöchste russische Politiker sollen sich gerne in Nikosia bedient haben. 

Noch ist aber nichts in trockenen Tüchern, ein Absturz Zyperns ist überhaupt noch nicht vom Tisch, denn Unwägbarkeiten gibt es genug auch in dem neuen Rettungspaket. Als gutes Zeichen ist allerdings ein erneutes Treffen der Finanzminister zu werten, die am Sonntag um 18 Uhr in Brüssel über eine Lösung der Zypern-Krise zusammen kommen wollen. Ein positives Ergebnis wäre für alle EURO-Staaten wünschenswert, aber besonders für die Menschen auf Zypern, denn sie hätten zumindest wieder eine gewisse Planungssicherheit. Die Folgen, die sie durch das Zerschlagen der überzogenen staatlichen Finanzwirtschaft zu ertragen haben, werden sie sowieso noch sehr lange und sehr hautnah zu spüren bekommen. 

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 16.03.2013

Syrien vor der Auflösung oder steht der Konflikt vor seiner entscheidenden Wende?

Die heutige Kolumne kann natürlich nicht auskommen, ohne das Top-Ereignis der Woche zu streifen, die Wahl des neuen Papstes in Rom. Das Ergebnis war wieder einmal eine Bestätigung der alten Weisheit: wer von den Medien als zukünftiger Papst proklamiert, in die Sixtinische Kapelle einzieht, kommt als Kardinal nach der Wahl wieder heraus. 

Die Medienpräsenz hat einen nie dagewesenen Höhepunkt erreicht, weniger wäre mehr gewesen, denn die Liveschaltungen von ARD und ZDF haben nicht nur den gemeinen, interessierten Zuschauer überfordert, nein die Fragen an die wartenden Personen auf dem Petersplatz, willkürlich herausgepickt, haben zuweilen das Niveau einer Jahrmarktsunterhaltung erreicht, gerade von Seiten der Fernsehschaffenden. Hier wurden Stunden gequält und die Fernsehzuschauer dazu. Manchmal konnte man vergessen, worum es eigentlich ging. 

Zu unserer aller Erlösung war die Dreiviertelmehrheit auf einen Kandidaten schon beim fünften Wahlgang erreicht und endlich hatten alle Spekulationen und Kaffeesatzlesereien ein Ende, der Kardinal von Buenos Aires Jorge Mario Bergoglio, ein Mitglied des Jesuitenordens, hatte das Rennen gemacht, sehr zum Erstaunen der italienischen Bischofskonferenz, die ihrem Kardinal von Mailand schon vor Bekanntgabe des Ergebnisses zum neuen Papstamt gratulierten. Da muss irgendetwas bei der internen Informationsübertragung schief gelaufen sein, auf die Spitzel innerhalb der Kurie ist seit dem Fall des Kammerdieners von Papst Benedikt auch kein Verlass mehr. 

Über den neuen Papst Franziskus möchte ich hier mich nicht weiter auslassen, da haben die Medien schon alles ausgegraben, bis hin zu seinen bäuerlichen, italienischen Vorfahren aus der Toskana, die einst nach Argentinien ausgewandert sind. Was ich allerdings ansprechen will, ist die Respektlosigkeit, speziell im Netz, wo wichtigtuerische Selbstdarsteller in primitiver Weise, Vorverurteilungen, Verleumdungen, Diskriminierungen, bis hin zu frechen Beleidigungen sich nicht erblöden, öffentlich zu machen. Hier scheint mir doch ein offenes Wort angebracht. So wie diese Schreiberlinge selbstverständlich für ihre Person Respekt erwarten, so ist dieser Respekt auch dem neuen Papst zuzubilligen.

Man mag zu allen Glaubensgemeinschaften und speziell zur Katholischen Kirche stehen wie man will, dies ist jedermanns persönliches Bier, aber es ist ein Gebot der Fairness einem neuen Kirchenoberhaupt die Chance einer persönlichen Interpretation seines Papstamtes zu geben, es mit seinen Vorstellungen zu füllen, um so zu versuchen, 1.2 Milliarden Gläubigen irgendwie gerecht zu werden. Dies ist per se schwer genug, nahezu unmöglich. Und doch warten die Menschen auf Reformen und um noch einmal auf das Gebot der Fairness anzusprechen, auch einem Papst muss eine solche Chance zugebilligt werden, zu beweisen, ob er es ernst meint mit Veränderung. Er wird noch früh genug feststellen, anhand der Zahlen von Kirchenaustritten, ob es gelungen ist, neue Glaubwürdigkeit zu erringen. Papst Franziskus könnte das Zeug dazu haben. 
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Aus aktuellem Anlass, aber auch um niemals die mörderischen Ereignisse in Syrien in Vergessenheit geraten zu lassen, ist es die Pflicht eines jeden Journalisten und Kolumnisten auf die sich rasant entwickelnde Verschlechterung der Situation der Zivilbevölkerung immer wieder hinzuweisen. Die Zahl der Toten hat sich mittlerweile auf über 70.000 erhöht, was einer Einwohnerzahl einer größeren Stadt in Deutschland entspricht. Über eine Million Menschen sind aus Syrien bis dato geflohen, nach Jordanien, in die Türkei, in den Libanon und in den Irak. Sie leben dort in Flüchtlingslagern, die das Wort leben nicht im Ansatz rechtfertigt, nein sie vegetieren dort unter menschenunwürdigen Bedingungen, da selbst die Versorgung mit Wasser nur unzureichend gesichert ist. 

Allein die Hoffnung, das Assad-Regime ist bald dem Ende nahe, hält sie noch aufrecht und hindert sie daran sich zu radikalisieren. Was dieses bedeuten würde, hat die Region schon einmal erlebt, in den Flüchtlingslagern der Palästinenser in Jordanien und im Libanon. Bombenattentate, Selbstmordkommandos und Überfälle auf die Zivilbevölkerungen in den angrenzenden Ländern waren die Folgen und sind auch heute noch die Voraussetzung für die Unlösbarkeit der Konflikte in dieser Region. Welche Explosivität dadurch entstehen würde, wenn Syrien eine ähnliche Entwicklung nähme wie Palästina, ist bisher nur zu erahnen. Da sich die schiitischen und sunnitischen Achsen in Syrien kreuzen, beide Glaubensrichtungen versuchen jeweils die Vorherrschaft im Land zu erringen, ist es sehr unbestimmt zu erkennen, wie sich das Land nach dem Abgang von Assad entwickeln wird. 

Die Familie Assad und ihre Clique haben mit militärischer Gewalt, brachial alle Aufstände im Keim erstickt, konnten sich so an der Macht halten und den Zusammenhalt Syriens gewährleisten. Dabei wurden sie immer sehr großzügig von der UDSSR, heute Russland mit Waffen unterstützt, der Grund warum die Armee über genügend Feuerkraft verfügt. Zudem pumpt der Iran immer größere Mengen an Kriegsgerät in die militärischen Arme des Regimes, für die Russen ein Grund zu behaupten, man würde in diese angespannte Lage keine Waffen liefern. Fakt ist jedoch, dass Assad zunehmend mit immer größeren Kontingenten bedacht wird, an mangelndem Kriegsgerät wird sein Machtverbleib nicht scheitern. Ein Problem könnte für ihn die Truppenstärke werden, hier zeigt sich Aderlass durch die Kämpfe und desertierende Militärs.

Milizen- Einheiten, gar Volkssturmaktivitäten sollen den Verlust an regulären Soldaten auffangen. Weil die Situation in Syrien so unübersichtlich und so explosiv ist, zumal die Aufständischen keine Einheit zu bilden im Stande waren und zudem noch alle möglichen Terrorgruppen, bis hin zu Al-Kaida massiv in die Kämpfe eingegriffen haben, gut organisiert und mit ausreichend Waffen versorgt, hat die EU ein Waffenembargo für Syrien ausgesprochen. Dies trifft aber zunehmend die militärische Opposition des Landes, die Freiheitskämpfer, die Assad stürzen wollen, um ein freiheitliches Syrien aufzubauen. Entsprechend verlagert sich die Kampfkraft auf ausländische, militärisch starke islamistische Kampfgruppen, die ihre Interessen a la Afghanistan oder Mali in der Zeit nach Assad etablieren wollen. Dies ist weder im Sinn der syrischen Bevölkerung, weder im Sinn der Nachbarstaaten, noch im Sinne der EU, selbst Russland kann kein Interesse daran haben. 

Wie ich die Situation einschätze, ist es zu entscheidenden Interessensverlagerungen bei der militärischen Situation im syrischen Bürgerkrieg gekommen, zugunsten der islamistischen Brigaden und mit der schwindenden Aussicht, dass sich die syrische Opposition militärisch mit Erfolg gegen das Assad-Regime durchsetzen kann. In der nächsten Woche steht erneut die Entscheidung der EU an, ob das Waffenembargo in Syrien weiter aufrechterhalten werden soll. Ein solches Votum kann nur einstimmig erfolgen. 

Frankreich und England haben aber schon angekündigt, dass sie bereit sind, wenn die Opposition garantiert, dass gelieferte Waffen nicht in die Hände von Terrorgruppen gelangen, Gerätschaft zur militärischen Abwehr zu liefern. Dies brachte Berlin jetzt wieder in erhebliche Schwierigkeiten. Nicht nur, dass sie von diesen Ankündigungen völlig überrascht waren, was mich erneut zu der Frage der gemeinsamen europäischen Außenpolitik führt, die noch nicht einmal ein Mindestmaß an Information und Abstimmung zuwege bringt, wobei die Achse Paris-London zu funktionieren scheint, während die Verbindung Paris-Berlin bei wesentlichen Dingen ziemlich tot ist, nein zu allem Überfluss läuft die deutsche Außenpolitik wiederum Gefahr, ähnlich wie in Libyen, ins Abseits zu geraten, nachdem Herr Westerwelle ständig auf das Waffenembargo auch in der Zukunft gepocht hat. 

Stellt sich doch die Frage, welche Erkenntnisse haben Hollande und sein britischer Amtskollege, die Berlin nicht hat oder traut man den Deutschen keine Entscheidung zu, die sie aus ihrer bequemen Lage des Abwartens herausbringen müsste, selbst wenn damit eine gewisse Unwägbarkeit verbunden wäre? Hollande hat es in Mali vorgemacht, die Menschen sind ihm dankbar dafür. Auch in Syrien muss jetzt endlich etwas unternommen werden, das Morden und die Verrohung können nicht so weiter gehen, wie auf allen Seiten der Kämpfer feststellbar. Zudem kann als Ergebnis dieses Abschlachtens ja nicht am Ende stehen, dass Syrien oder der Rest der davon übrigbleibt ein irgendwie geartetes fundamentales Gebilde sein wird, mit extrem hohem Bedrohungspotential für den Nahen Osten und die gesamte Hemisphäre einschließlich Europas. 

Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die deutsche Regierung dieses Mal positionieren wird, welchen Spagat sie unternehmen wird, um nicht schon wieder außenpolitisch ins Abseits zu geraten. Alle Risiken und davon gibt es bekanntlich viele, wie ich immer wieder in meinen Kolumnen zum Syrienkonflikt betont habe, sind nicht zu unterschätzen, aber immer nur vermeintlich friedensstiftende Gespräche und Konferenzen zu führen, die den Friedensprozess nicht einen Zentimeter vorwärts bringen, während fundamentale Interessensgruppen militärische Fakten schaffen, kann überhaupt keine Lösung sein. 

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 02.03.2013

Politik ist zu wichtig, als dass wir sie alleine den Politikern überlassen können.

Kaum ist Papst Benedikt zurück getreten und wieder zum "einfachen Pilger Ratzinger" geworden, beginnt im Vatikan die geschichtliche Aufarbeitung seines Pontifikats. Dabei wird, für den Heiligen Stuhl völlig ungewöhnlich, eine Unmenge von Informationen aus den dunkelsten Kapiteln der neuzeitlichen Kirchengeschichte bekannt gegeben, nämlich die Existenz von Tausenden von Missbrauchsfällen, die bis vor nicht allzu langer Zeit sämtlich vertuscht worden sind. 

Wenn Papst Benedikt in den Augen vieler, mehr als der Bewahrer als der Reformer der Katholischen Kirche angesehen wird und dies war nach seiner Intension, als Glaubenswissenschaftler und akademischer Kirchenlehrer auch am ehesten zu erwarten, so hat er doch fast Revolutionäres angestoßen, indem er Untersuchungen gegen diesen vielfältigen Missbrauch einleiten ließ. Dazu war es notwendig die Zuständigkeit innerhalb der Kirche durch Veränderung des Kirchenrechts herbei zu führen. Fielen solche Missbrauchsfälle zuvor in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bischöfe und damit in der Regel, unbemerkt von der Öffentlichkeit in das Verschwiegenheitsgebot der Amtskirche, so hat Ratzinger das Kirchenrecht dahin gehend verändert, dass er die Meldung solchen Missbrauchs umgehend an den Vatikan durchgesetzt hat und dementsprechend auch die Konsequenzen, die für diese gestrauchelnden Kleriker ausgesprochen werden, nicht in der Anonymität eines Bistums verschwinden, sondern durch eine Rechtskommission am Sitz des Heiligen Stuhls verfolgt werden. 

Papst Benedikt war es, der als erster Pontifex sich bei den Opfern entschuldigt und damit eine neue Qualität mit dem Umgang des Missbrauchs innerhalb der Katholischen Kirche begonnen hat. Ein Abtauchen, jahrhundertelang praktiziert, ist jetzt nicht mehr möglich. Die Kirche muss Stellung beziehen, massive Kritik einstecken und  den Gläubigen, aber auch allen anderen Menschen gegenüber Rechenschaft ablegen. Es geht um ihre Glaubwürdigkeit, das höchste Gut das eine Glaubensgemeinschaft zu vertreten hat. Dies hat Ratzinger erkannt und entsprechend gehandelt. Bei seiner Einstellung zum Glauben und der Religion der Katholischen Kirche, aber auch in der Verwurzelung zu Jesus Christus ist ihm die Erkenntnis der Missstände innerhalb seiner Kirche bestimmt nicht leicht gefallen. Und doch war ihm als Papst sofort klar, dass er handeln musste. So ist auch zu vermuten, dass sein Rücktritt, immerhin ein fast einmaliges Ereignis in der Kirche, das letzte Mal vor über siebenhundert Jahren praktiziert, genau mit diesem Missbrauch zu tun hat. 

Mehr als viertausend Fälle sind zuletzt dem Vatikan gemeldet worden, von allen Erdteilen, bevorzugt aus Nordamerika und Europa. Benedikt hat zwar noch die Kraft gehabt, die Aufarbeitung anzustoßen, ihm war aber auch klar, dass er durch sein hohes Alter und seine angeschlagene Gesundheit, das einmal Begonnene nicht zu Ende bringen würde. Jetzt ist er überzeugt, dass der nächste Papst diese Belastung der gesamten Kirche aufarbeiten wird, denn es gilt die angeschlagene Glaubwürdigkeit wieder herzustellen und dies ist gerade in den moderneren Gesellschaften alles andere als einfach. 

Wie die Katholische Kirche sich auch entwickeln wird, es wird immer der Verdienst von Papst Benedikt bleiben, den Missbrauch aus seiner Anonymität herausgeholt und sich den Problemen gestellt zu haben. Dass dabei nicht für alle Opfer und Kirchenmitglieder eine angemessene Aufarbeitung stattgefunden hat ist Realität, hier muss die Katholische Kirche noch Erhebliches leisten. 

Nachdem ich vor wenigen Tagen das Buch des Autors und Journalisten Harald Schumann „Die Hungermacher“, Wie Deutsche Bank, Allianz und Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmittel spekulieren, rezensiert habe, wird es im Vorfeld der Bundestagswahlen allerhöchste Zeit, auf diese Missstände aufmerksam zu machen, zumal auf europäischer Ebene ernsthaft darüber nach gedacht wird das Grundrecht Wasser zu einer Spekulationsware verkommen zu lassen. Weltkonzerne wie Nestle stehen mit ihren Lobbyisten in Brüssel bereit, um mit dem Grundnahrungsmittel und dem lebensspendenden Stoff, nicht nur riesige Gewinne sondern auch mächtige Abhängigkeitsverhältnisse zu schaffen, sollte es ihnen gelingen, Wasser aus staatlicher Obhut in unternehmerische Zugehörigkeit zu übertragen. Was dann auf uns zukommt, ist exakt an den Rohstoffbörsen zu besichtigen. 

Wasser wird wie Weizen, Mais oder Raps Spekulationsobjekt, es werden Wetten auf zukünftige Preise eingegangen, auf Verknappung gesetzt und die Folgen werden noch verheerender sein, wie Klaus Kleber sie in seinem Buch „Spielball Erde“ beschrieben hat. Die arme Bevölkerung in den Andenstaaten wird überhaupt keine ausreichende Wasserversorgung mehr haben, schon heute ist nach dem Abschmelzen der Gletscher, Wasser zu einem teuren Gut geworden, da es mit Tankwagen in die Armenviertel transportiert werden muss, zu für die Menschen fast unbezahlbaren Preisen. Wer sehen möchte, wie sich die Zukunft diesbezüglich auch bei uns entwickeln kann, wenn wir solch ein elementares Gut in die Hände von gierigen Spekulanten geben, sollte sich einmal näher mit dieser Problematik beschäftigen. Dabei wird ihm das Wort Liberalisierung im Hals stecken bleiben, denn es umschreibt nichts anders als praktizierte Gier, die auch noch staatlich sanktioniert ist. 

Dies ist am Beispiel der Rohstoffbörsen sehr wirklichkeitstreu nachzuvollziehen, was die Analysten der Großbanken, Versicherungen und Hedge-Fonds natürlich kategorisch ablehnen. Mit immer neuen selbsterstellten Studien versuchen sie die Folge von Spekulation und Hunger in den unterentwickelten Ländern zu negieren. Untersuchungen von internationalen Organisationen und neutralen Beobachtern sprechen da eine ganz andere Sprache, sie stellen schlichtweg fest, dass die explosionsartige Verteuerung der Lebensmittel hauptursächlich auf die Spekulation an den Rohstoffbörsen zurückzuführen ist. Wie lange wollen wir als betroffene Bürger uns das noch gefallen lassen? 

Gerade bei den laufenden Diskussionen um die Ressource Wasser in Brüssel können wir beginnen, uns unserer demokratischen Macht bewusst zu werden, indem wir unseren Volksvertretern eindeutig klar machen, dass die Zeit der uneingeschränkten Gier einer kleinen Minderheit vorbei ist. Es ist die Aufgabe der Parlamentarier den Interessen der Bürger zu dienen und nicht einige Großkonzerne noch reicher zu machen, als sie ohnehin schon sind. Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, haben sie keine Vertretungsberechtigung mehr und müssen ihren Hut nehmen. 

Wie ich die Kaste der Politiker kenne, sind sie enorm flexibel, wenn es darum geht, auch weiterhin ihrer „Fettlebe“ in Berlin zu frönen. (Mein Schreibprogramm kennt dieses Wort nicht und gibt mir dafür Fettleber aus, vielleicht auch nicht ganz unpassend). Entscheidend ist, dass wir Bürger unmissverständlich sagen was wir wollen und uns permanent in die politische Diskussion einmischen. Die Zeiten der geruhsamen Fernsehverblödung müssen endgültig vorbei sein, zumal dieses Medium erschreckend wenig Vielfalt zu bieten hat und ihm nichts Neues mehr einfällt. 

Erfreulicherweise ist eine Veränderung in der Gesellschaft festzustellen. Nicht alles was von „oben“ aufoktuiert wird, wird klaglos hingenommen. Mittlerweile kommt Protest auf, wenn der betroffene Bürger den Sinn von staatlichen Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen kann. Dies ist gelebte Demokratie und wenn wir dann noch in aller Offenheit nachvollziehbare Gründe erklärt bekommen, wird der Diskurs zwischen Bürger und Politik dazu führen, gemeinsam das Ende der Ära der unendlichen Gier einzuläuten. 

Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass diese niedrige menschliche Eigenschaft nur dann eine Chance hat, wenn wir sie zulassen. Veränderung kann nur aus der Mitte unserer Gesellschaft kommen, Piratenspielchen helfen da überhaupt nicht, solange die Herrschaften nicht das Stadium des Kindergartens hinter sich gelassen haben. Und doch zeigt der spontane Zuspruch, ähnlich wie in Italien, wo ein ehemaliger Komiker auf Anhieb die stärkste Partei bei den letzten Parlamentswahlen wurde, dass die Menschen eine andere politische Kultur  wollen. Die Politik kann diese neue Kultur nicht schaffen, das können wir nur selbst. Dies gilt es den Menschen bewusst zu machen, über Rohstoffbörsen und dem Spekulationsgut Wasser brauchen wir dann nicht mehr zu reden. 

Peter J. König