Samstagskolumne Peter J. König 26.10.2013

Was unterscheidet Merkels Handy von allen anderen hierzulande?

Nicht die Tatsache, dass sich die stärksten Parteien des Bundestages in der neuen Legislaturperiode, nämlich CDU und SPD nicht so ganz überraschend zu Koalitionsverhandlungen zusammen gefunden haben, ist das spannendste Ereignis der letzten Tage, nein das politische Berlin scheint fassungslos ob der Erkenntnis, dass Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin von amerikanischen Geheimdiensten ausspioniert worden ist. Dabei soll ihr Diensthandy abgehört worden sein, ausgerechnet aus der amerikanischen Botschaft, die neuerrichtet am Potsdamer Platz, nur wenige hundert Meter vom Regierungssitz der Kanzlerin einen hervorragend Standort inmitten des Regierungsviertels einnimmt. 

Dass Frau Merkel nicht allein im Focus des Überwachungsinteresses der USA stand, angeblich sei dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr der Fall, so der Sprecher des amerikanischen Präsidenten, scheint zweifelfrei. Es ist davon auszugehen, dass alle hochrangigen Politiker, gleichgültig welcher Partei auch, belauscht worden sind. Damit hatten die Amerikaner einen ziemlich genauen Wissensstand, was in der deutschen Politik so vor sich gegangen ist. So etwas hilft natürlich bei jeder Art von Verhandlung, man ist seinem Gegenüber immer einen entscheidenden Schritt voraus. Zudem lässt sich dieser Informationsvorsprung bestens in die eigene Planung einbauen, unangenehme Überraschungen, etwa bei der Verweigerung gemeinsamer militärischer Aktionen können frühzeitig in die eigenen Strategien eingebunden werden.

Ob solche Bespitzelung auf deutschem Boden rechtswidrig ist, scheint im Fall der USA noch gar nicht ausgemacht, obwohl dieses seitens der Regierung und des Innenministers vehement verkündet worden ist. Auf Grund früherer Verträge und bedingt durch den Status einer Siegermacht des Zweiten Weltkrieges wurden den Amerikanern solche geheimdienstlichen Tätigkeiten zugestanden. Während des Kalten Krieges war die Bundesrepublik und West-Berlin der eigentliche Tummelplatz für Agenten und Spionage, über den Eisernen Vorhang hinweg, aber auch in Westdeutschland, allein schon um die Vasallentreue zu überprüfen. Wie Historiker erklären, hat es bisher keine Aufhebung der bestehenden Verträge diesbezüglich gegeben, was natürlich aktuell von der Politik bestritten wird. Auf deutscher Seite ist man davon ausgegangen, dass mit der Integration in die westliche Bündnisgemeinschaft selbstverständlich eine irgendwie geartete Überwachung seitens der Amerikaner eingestellt werden würde. Dies hat sich aber jetzt als fataler Irrtum heraus gestellt. Mit neuen Techniken wurde noch lückenloser ausgespäht. 

Dabei hat man selbst die befreundete Bundeskanzlerin nicht ausgelassen. Als ob dies nicht schon peinlich genug wäre, nach all den Freundschaftsbekundungen, immerhin hat Obama Angela Merkel vor nicht allzu langer Zeit mit der Friedensmedaille, einem der höchsten zivilen Orden, die die Vereinigten Staaten verleihen können, ausgezeichnet und sie dabei als sehr bedeutenden Freund der Amerikaner bezeichnet. Gleichzeitig wurde die Bundeskanzlerin auf dem Handy abgehört und mit ihr ein Großteil der politischen Elite unseres Landes. Wie passt so etwas zusammen? Eigentlich gar nicht und trotzdem rechtfertigen die USA diese Vorgehensweise, argumentieren mit bestehenden Verträgen und versuchen mit plumpen Erklärungen wie z. B., dass die deutsche Regierung sich abhörsichere Kommunikationsmittel beschaffen muss, oder dass die Amerikaner dafür sorgen müssen, dass solche Aktivitäten nicht an die Öffentlichkeit geraten, die Affäre herunter zu spielen. 

Obama selbst hat sich öffentlich zu diesem Affront gegenüber einem der engsten Verbündeten der USA nicht geäußert. Die NSA, also der agierende Geheimdienst erklärte lediglich lapidar: der Präsident sei nicht in Kenntnis gesetzt worden. Dies ist doch sehr zweifelhaft, denn bei einem solch gravierenden Akt von Informationsbeschaffung, immerhin wurden eine Reihe weiterer Präsidenten und Staatsführer ausgespäht, so etwa in Frankreich und Brasilien, aber auch Weltorganisationen wie die UNO, das kann nicht ohne das Wissen des Mannes im Weißen Haus passieren, bei dem alle wichtigen Fäden der amerikanischen Politik, Diplomatie und bedeutenden Staatsangelegenheiten zusammenlaufen. Dieser Sachverhalt wirft ein diffuses Licht auf den einst charismatischen ersten farbigen Präsidenten der USA, von dem erwartet wurde, eine neue Art von Politik nach innen und nach außen zu betreiben. 

Der Friedensnobelpreis ist ihm verliehen worden, weil man ganz große Hoffnungen in sein politisches Handeln gesetzt hatte. Das Präsidentenamt hat ihn verändert, die sich daraus ergebenden Zwänge haben wenig von seiner Strahlkraft übrig gelassen. Die Abhör-Affären bilden einen erneuten Tiefpunkt, nach weltweiten Drohnenangriffen und damit verbundenen Tötungsakten auch von unschuldigen Zivilisten. Nicht alles ist mit dem Krieg gegen den Terror zu rechtfertigen, bestimmt aber nicht das Bespitzeln von befreundeten Staats-Frauen und Männer, politischen Führern von verbündeten Staaten. Schon wird nach amerikanischer Diktion relativiert, wenn man in erster Linie von Partnern spricht. Doch wie soll man die Gesten von Obama gegenüber Merkel im Garten des Weißen Hauses verstehen, oder zuletzt das Treffen in Berlin auf dem Potsdamer Platz, als der Präsident sich seines Jacketts entledigte mit der Bemerkung: bei guten Freunden kann man sich ruhig etwas lockerer geben? 

Dass dies alles unmittelbar vor der amerikanischen Botschaft passiert ist, von wo zur gleichen Zeit mit ziemlicher Sicherheit das Handy der Kanzlerin überwacht worden ist, gibt der Angelegenheit eine ganz besondere Brisanz, um nicht zu sagen, wie schamlos ist das denn? Als im Sommer, bedingt durch die Veröffentlichungen des geflohenen, ehemaligen NSA-Mitarbeiter Snowden die deutsche Öffentlichkeit aufgeschreckt wurde, weil vermutlich monatlich viele Millionen Gespräche und Mails von Handys bundesdeutscher Bürger abgehört worden sind, hat die Regierung versucht durch wachsweiche Erklärungen und absurde Beteuerungen dieses Thema unter den Teppich zu kehren. Die Bundestagswahlen warfen ihre Schatten voraus und ein Skandal konnte Merkel sich nicht leisten, zumal auch nie geklärt wurde, wie weit die deutsche Regierung über den deutschen Geheimdienst BND involviert war, entweder durch Tolerierung oder gar durch aktives Handeln. 

Profalla, der Kanzleramtschef und einer der engsten Vertrauten von Merkel hat in einem an Peinlichkeit nicht mehr zu überbietenden Kurzstatements gesagt: Die NSA habe erklärt, keine Rechtsbrüche auf deutschem Boden durch Abhören zu begehen, dies sei für ihn absolut glaubwürdig, die Angelegenheit sei damit vom Tisch. Dies war und ist bis heute nicht der Fall, denn auf Anfrage der Bundesregierung haben die Amerikaner noch immer nicht auf die aufklärenden Fragen geantwortet, die ihnen in dieser Angelegenheit zugesandt worden sind. Schon in der damaligen Kolumne hat der Schreiber dieser Zeilen darauf hingewiesen, dass der Wahlkampf eine völlig neue Dynamik bekommen würde, wenn tieferschürfende Erkenntnisse auf die Tagesordnung kämen. Da die amerikanische Administration und Merkel in diesem Punkt die gleichen Interessen vertreten haben, wurde die Angelegenheit schnellstens abgewürgt. Und jetzt das. 

Hätte Merkel sich mit der gleichen Empörung schon damals an Obama gewandt, hätte dieses für sie vielleicht größere Probleme im Wahlkampf aufgeworfen, ihrer Glaubwürdigkeit insgesamt aber hätte das gut zu Gesicht gestanden. Jetzt steht sie selbst da, düpiert wie ein begossener Pudel und muss sich fragen, was all diese Freundschaftsbekundungen eigentlich wert waren, welche Rolle Deutschland im deutsch-amerikanischen Verhältnis einnimmt und wie der enorme Vertrauensverlust in dieser Beziehung wieder aufgefangen werden kann. Amerika ist und bleibt unser Verbündeter. Über viele Jahrzehnte hat sich gerade von deutscher Seite ein großes Vertrauen, ja oftmals eine breite Sympathie bei vielen Menschen aufgebaut, ein Besuch in den USA war ein Höhepunkt in ihrer Lebensplanung. Einmal den “American way of Live“ zu erleben, das war etwas ganz Besonderes. Dazu muss gesagt werden, dass die amerikanische Bevölkerung noch immer sehr liebenswürdig ist und die Deutschen mit offenen Armen empfängt. Bei der amerikanischen Politik sollte man dies gewiss differenzierter sehen. Dort sind die USA Weltmacht, zurzeit noch die einzige nach dem Zusammenbruch der Sowjet-Union. Doch die Chinesen sind den Amerikanern mächtig auf den Fersen, zumal die USA mit etwa 1,2 Billionen Dollar bei China in der Kreide stehen. 9/11, die Zerstörung des World Trade Center hat eine Phobie ausgelöst, die zu einem erbitterten Krieg gegen den Terror geführt hat, mit all den bekannten Maßnahmen ziviler, militärischer und geheimdienstlicher Art. Das Ausmaß der Bespitzelung ist das Ergebnis, die neuen technischen Standards bieten Voraussetzungen, die bisher nur in der Utopie möglich schienen, Totalüberwachung rund um den Globus inklusive. 

Dies bedeutet, dass ein neues Zeitalter angebrochen ist, ein Zeitalter in dem die Technik den ethischen, gesellschaftlichen und gesetzlichen Werten weit vorauseilt. Darüber gilt es sich in einer globalisierten Welt zu verständigen. Es kann nicht sein, dass die Macht des technologischen Vorsprungs allein der Maßstab des Handelns ist. Für die amerikanische Politik ist es schwer vorstellbar, ihren Machtanspruch gegen eine wirkliche Partnerschaft zu tauschen, zumal sie über einen langen Zeitraum ihre Verbündeten in erster Linie als Satelliten gesehen haben. Nach der Zeit des "splendid isolation", also der Doktrin sich auf das eigene Land zu konzentrieren, ist man Bündnisse eingegangen, primär aus Eigeninteressen und so ist man mit diesen auch umgegangen. Die Ideologie der Puritaner von  "Gods own land" hat dabei ihr Übriges beigesteuert. Dies könnte sich jetzt ändern, denn die amerikanische Gesellschaft ist im Wandel begriffen, durch veränderte wirtschaftliche Bedingungen, aber noch mehr durch den größer werdenden Anteil von eingewanderten Latinos in die USA. 

Europa kann das Seinige dazu tun, um in der sich verändernden weltweiten Machtbalance, gemeinsam mit den Amerikanern eine große Wertegemeinschaft zu bilden, demokratische Werte, die für uns alle essentiell sind. Ein starkes, gemeinsames Europa muss das Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten bilden, sodass auf Augenhöhe nicht nur eine gemeinsame Freihandelszone gebildet, sondern zunächst über strikte gemeinsame Gesetzmäßigkeiten und Abkommen verhandelt wird, die solche Praktiken des Ausspionierens und Bespitzeln schlichtweg verbieten. Nicht zuletzt muss dabei auch die Wirtschaftsspionage mit einbezogen werden, denn dieser gilt von vielen Seiten ein wesentliches Augenmerk, auch innerhalb der Europäischen Union und nicht nur seitens der Russen, Chinesen aber auch der Amerikaner. Die deutsche Wirtschaft hat geschätzt etwa einen Verlust von über 50 Milliarden Euro jährlich, allein bedingt durch die Wirtschaftsspionage anderer Länder. 

Fazit: Was gilt es jetzt zu tun? Damit wieder Klarheit in das deutsch-amerikanische Verhältnis kommt, müssen die Fakten auf den Tisch und dies in aller Offenheit für alle Bürger unseres Landes nachvollziehbar. Als weitere vertrauensbildende Maßnahme müssen eindeutige Regelungen im gemeinsamen Umgang mit geheimdienstlichen Tätigkeiten herbei. "Whistle-Blower" werden damit überflüssig. Wie allerdings Obama Kanzlerin Merkel beim nächsten Zusammentreffen gegenübertreten wird, kann man sich in etwa vorstellen. Wie Angela Merkel anschließend darauf reagiert, ist ebenso spannend, wie die Ergebnisse, die dann präsentiert werden, zumal in diesen speziellen Fragen. Dann wird sich weisen, was die Amerikaner wirklich von den Deutschen wollen, Hilfestellung bei dem globalen Machterhalt oder echte Partnerschaft und Freundschaft auf Augenhöhe.

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 12.10.2013

Sind die U.S.A am kommenden Mittwoch pleite?

Während die geistige Welt, zumindest die schreibende Zunft sich noch bis Sonntagabend auf der Frankfurter Buchmesse tummelt, dreht sich die Welt derweil weiter. Mögen in den Büchern noch so interessante Lösungsansätze für die Probleme auf unserem Globus angeboten werden, selten richtet sich die Realität nach solchen Vorgaben. 

In Syrien z. B. müssen immer noch Menschen sterben, und die Zahl von 100.000 Toten ist längst überschritten, es werden mittlerweile eher 120.000 bis 130.000 arme Seelen sein, die bei diesem mörderischen Bürgerkrieg ihr Leben lassen mussten. Ein Heer von mehreren Millionen Flüchtlingen irrt durch das Land oder ist in die benachbarten Staaten ausgewichen. Doch auch an der Grenze der Europäischen Union spielen sich mittlerweile Dramen ab, die schrecklicher nicht sein können. Immer mehr syrische Flüchtlinge versuchen auf verrotteten Booten den Weg über das Mittelmeer an die Küsten von Sizilien oder der vorgelagerten Insel Lampedusa zu finden, dem am südlichsten gelegenen Vorposten von Italien.

Hoffnungslos mit Menschen überladen, sind diese Gefährte wenig seetüchtig, Wasser und Verpflegung ist kaum vorhanden, und der nächste aufkommende Sturm bringt die Flüchtlinge in höchste Lebensgefahr. Wie viele solcher Boote schon abgesoffen sind weiß niemand, es gibt nur grobe Schätzungen, dabei geht man von Tausenden von Personen aus, die dabei umgekommen sind. Auch das sind die Folgen des Bürgerkrieges in Syrien und wir Europäer können nicht einfach wegschauen, wenn immer mehr Leichen an die Südküsten Italiens angeschwemmt werden.

Oftmals werden die Boote der Flüchtlinge von den italienischen Patrouillen- Schiffen hart attackiert, um sie zum Umkehren zu bewegen, nur wenige Seemeilen von dem rettenden Ufer. Während diese Zeilen geschrieben werden, haben sich neue Katastrophen ereignet. Erneut ist ein Boot mit über 200 Menschen gekentert. Dabei hat es mehr als 30 Ertrunkene gegeben, die von der italienischen Küstenwache geborgen worden sind. Etwa 200 Flüchtlinge wurden buchstäblich in letzter Minute aus dem Wasser gefischt, darunter auch ein zweijähriges Kind.

Wie Kenner der Situation berichten, ist der Flüchtlingsstrom jetzt so unmittelbar vor den Winterstürmen auf dem Mittelmeer besonders stark, viele versuchen noch die einzige Möglichkeit das EU-Gebiet zu erreichen, bevor über Winter gar nichts mehr geht, da die Boote der Schleuser bei höherem Seegang sofort kentern. Dies bedeutet aber nicht, dass sie bei ruhiger Wetterlage die Passage über das Mittelmeer besser schaffen, zu abgewrackt sind diese Vehikel. Deshalb weiß niemand wie viele Menschen tatsächlich ihr Leben auf See gelassen haben, es existiert nicht einmal eine Dunkelziffer. 

Tatsache ist, dass es so nicht weiter gehen kann. Tatsache ist es aber auch, dass es nicht die Ärmsten sind, die sich auf eine solche gefährliche Reise begeben. Die international agierenden und gut organisierten Schleuserbanden verlangen mehrere tausend Dollar für eine solche Passage, je nachdem aus welcher Region die Menschen kommen. Zurzeit versuchen viele sich aus den Staaten des südöstlichen Mittelmeers abzusetzen, also aus Libyen, Tunesien, Ägypten aber ins besonders aus Syrien. Der Strom aus der afrikanischen Sahelzone hält schon seit längerer Zeit an. 

Viele von ihnen die versucht haben über Ägypten und den Sinai über Land nach Norden zu kommen, haben ein besonders grausames Schicksal erleiden müssen. Der Sinai wird von radikalen islamistischen Terrorbanden zurzeit beherrscht und selbst die ägyptische Armee hat auf ihrem Hoheitsgebiet keine effektive Möglichkeit gegen diese vorzugehen. Die Flüchtlinge werden von diesen Terrorkommandos gefangen gehalten, um ihnen Lösegeld abzupressen. Ist dies nicht möglich, werden ihnen bei lebendigem Leib Organe entnommen, die über internationale Kanäle in westliche Länder verkauft werden. Wie viele dieser armen Kreaturen solche menschenverachtenden Torturen überleben, ist leicht vorstellbar. Nur einige wenige schaffen es in ein ägyptisches Militärhospital und auch dann sind die Überlebenschancen sehr gering.

Die internationale Staatengemeinschaft weiß um all dieser Vorgänge, ist aber nicht bereit, irgendetwas zu tun, damit sich die Zustände verbessern, weder bei den Bootsflüchtlingen noch bei den Grausamkeiten auf dem Sinai. Der einzige, kleine Lichtblick ist die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Organisation zum Aufspüren von Giftgas für ihre Arbeit aktuell in Syrien. Diese Auszeichnung könnte dazu führen, dass die Staaten im UN-Sicherheitsrat mit gesteigertem Interesse sich nicht nur der Giftgasattacken vor Ort annehmen, sondern es könnte ein Umdenken in der gesamten Syrienpolitik einleiten. Assads Stunden müssen gezählt sein, aber die Folgen können auch nicht in einem irgendwie gearteten islamischen Gottesstaat enden, à la Afghanistan, wie zu Zeiten der Taliban- Herrschaft dort. Weder die Russen noch die Amerikaner sollten daran keinerlei Interesse haben. 

Für die Menschen in Syrien muss eine Lösung her, sonst werden wie weiterhin fast täglich mit den Horrormeldungen konfrontiert: Neues Massaker an Hunderten von Menschen in christlichen Dörfern, sunnitischen Stadtteilen oder an schiitischen Familien begangen! Fest steht, die Menschen in Syrien warten dringend auf eine Antwort seitens der Völkergemeinschaft, sonst bleibt ihnen keine andere Wahl als zu flüchten, auch wenn es auf überfüllten Rostkähnen über das Mittelmeer ist.

Ein anderes, nicht minder drängendes Problem rollt aus den USA auf die gesamte Weltwirtschaft zu. Wenn es bis zum Dienstag kommender Woche, also dem 15.10. 24 Uhr Ortszeit Washington nicht zu einer Einigung zwischen Kongress und Senat über die Anhebung der Schuldenobergrenze des amerikanischen Haushalts gekommen ist, sind die USA zahlungsunfähig. Dies wird einen kapitalen Einbruch der Weltwirtschaft zur Folge haben. Die Gründe, warum dies so ist, habe ich in einer meiner letzten Kolumnen schon dargelegt: 

Es geht um die Blockadehaltung der Republikaner, die mit der Ablehnung des Haushaltsgesetzes die Gesundheitspolitik von Obama zu torpedieren suchen. Deshalb wurden schon eineinhalb Millionen amerikanische Staatsbedienstete ohne Bezüge zwangsbeurlaubt. Der Schaden wird nach neuesten Schätzungen auf über 300 Millionen US-Dollar täglich geschätzt, trotz der Einsparungen durch die nicht geleisteten Bezüge. Dieser Schaden ist aber nicht vergleichbar mit den Folgen, die bei einer Staatsinsolvenz drohen. Schon werden Stimmen in China laut, die die USA als unsicheren Schuldner einstufen. Dabei muss man wissen, dass China den USA Kredite in einer Höhe von über eine Billion US-Dollar eingeräumt hat. Die Chinesen sind der größte Gläubiger der USA.

Bisher galten diese Gelder als sicher angelegt. Mit diesem Geld haben die Amerikaner billige Waren bei den Chinesen eingekauft und somit auch die hohen Wachstumsraten in der chinesischen Volkswirtschaft ermöglicht. Im Zuge dieser Turbulenzen um den amerikanischen Haushalt, aber noch mehr um den drohenden Bankrott der USA denkt man in der chinesischen Führung darüber nach, die Kapitalreserven bei der amerikanischen Notenbank zu verringern und sie besser gestreut, woanders anzulegen. Hinter vorgehaltener Hand sehen die Chinesen die USA bereits als kapitalistisches Auslaufmodell und sie werden nicht müde zu erklären, dass damit auch die Demokratie am Ende sein wird. Sie wollen ihrer Bevölkerung weismachen, dass der parteigelenkte Staatsapparat die bessere Zukunftsperspektive ist. Da wartet noch eine spannende Zukunft auf den politischen Beobachter, ganz zu schweigen auf die chinesische Gesellschaft, die ihrerseits auf immer größere Freiheiten drängt.

Zunächst beschäftigen uns aber die nächsten beiden Tage, die sehr wichtig für uns alle werden können. Sollte die Schuldenobergrenze in dieser Zeit nicht angehoben werden, wird es am Mittwoch zu einem Einbruch der weltweiten Börsen kommen. Der US-Dollar wird einen massiven Einbruch erleben, im Gegenzug werden der Euro und der Yen drastisch steigen. Folge werden große Probleme in der Exportwirtschaft sein. Um es kurz und direkt zu sagen, die Weltwirtschaft kommt ins Stocken und wie so etwas aussieht, haben wir erst kürzlich 2008 und 2009 erlebt. Dann ist sie in einem weit größeren Maße wieder da, die Finanzkrise, die Bankenkrise und die Schuldenkrise. Viele Experten haben ein solches Szenario schon lange vorausgesagt. Dass bei einer Verschuldung dieses Ausmaßes, wie sie in fast allen Ländern der westlichen Welt besteht, eine drastische Reaktion entstehen wird, muss allen klar sein. Deshalb wird selbst bei einer Einigung und der Anhebung der Schuldenobergrenze das Problem zwar noch einmal vertagt, behoben  ist die Tatsache, dass man über seine Verhältnisse gelebt hat, aber noch lange nicht. Hier müssen ganz andere Maßnahmen ergriffen werden, soll es zukünftig nicht zu einem Totalcrash kommen.

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 05.10.2013

Werden die USA an ihrer eigenen Finanzpolitik scheitern?

Während in Berlin und in Wiesbaden die politischen Pokerspielchen sich fortsetzen und dabei eigentlich nur zwei entscheidende Fragen auf Antwort warten, nämlich zunächst die wichtigste, wer bekommt welchen Posten und dann, wie verkaufen die Parteien dem Wahlvolk die Tatsache, dass die gegebenen Versprechen doch nicht eingehalten werden, ohne es explizit zugeben zu müssen, ist in den USA eine Situation eingetreten, deren Brisanz nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wird. 

Nachdem Senat und Kongress sich nicht auf ein gemeinsames  Haushaltsgesetz einigen konnten, sind die amerikanischen Behörden nicht in der Lage, die Gehälter an ihre Bediensteten zu zahlen. Die Folge war ein sofortig angeordneter Zwangsurlaub  ohne Bezahlung  für mehr als 1.5 Millionen Angestellte bei den amerikanischen Behörden. Dies hört sich zunächst nicht besonders dramatisch an und mit der Frage: Warum sollte dies auch uns tangieren, scheint die Sache auch schon abgetan. Allerdings ist das so einfach nicht. So wurden z. B. alle Museen und öffentliche Sehenswürdigkeiten geschlossen,  etwa die Freiheitsstatue in New York oder die berühmte Circle-Line, die legendäre Schiffsumrundung um Manhattan, bei der man in besonders eindrucksvoller Weise die Skyline der Weltstadt erleben kann. Wer einmal in Washington, der amerikanischen Hauptstadt war, weiß wie viele Memorials, also prachtvolle Gebäude in Erinnerung an die großen Präsidenten, wie Lincoln, Jefferson oder auch George Washington dort zu besichtigen sind, alle in öffentlicher Hand, momentan alle geschlossen. Selbst eine Besucher-Führung durch das Kapitol oder gar das "Weiße Haus", dem Sitz des amerikanischen Präsidenten, alles nicht möglich. Dabei sind dies die Touristenmagneten auf einer USA-Reise für Besucher aus aller Welt. 

Wir Deutsche stehen da ganz oben auf der Besucher-Liste und dementsprechend ist es gerade den Touristenscharen  aus Deutschland anzusehen, wie enttäuscht sie sind, wenn sie momentan ihre große, vielleicht im Leben einmalige USA-Visite angetreten haben. Dieser Zustand gilt für das ganze Land, für die großen Parks im Mittleren Westen, etwa Mount Rushmore  mit den Präsidentenköpfen, in den Rockies der Yellowstone  National mit den wunderbaren Gysire und Sinterterrassen, aber auch die Canyons, wie Bryce und Grand Canyon in South-West, Monument Valley in Arizona, all die großartigen Sehenswürdigkeiten in California, und und und, all closed. Der wirtschaftliche Verlust ist immens. Er wird etwa auf 200 Millionen Dollar täglich geschätzt. Über den Prestigeverlust muss gar nicht erst gesprochen werden, denn was soll man von dem reichsten Land der Erde halten, das ihren Staatsdienern noch nicht einmal gesichert das Gehalt zahlt? 

Dabei gibt es durchaus auch sehr sensible Bereiche, die dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden, wie etwa öffentliche Institute, die wichtige Impfstoffe entwickeln. Präsident Obama hat das Militär vor diesen Maßnahmen geschützt, zu kritisch könnte sich die Lage bei den 2.5 Millionen Soldaten weltweit entwickeln. Dass die Betroffenen stocksauer sind und lautstark protestieren ist allzu verständlich. Bei vielen hängt unmittelbar ihre Existenz davon ab, natürlich auch ihre persönlichen finanziellen Verpflichtungen, wenn sie ein Haus oder ein Auto auf Raten gekauft haben, wie in den Staaten üblich. Dann ist das Schulgeld für die privaten Schulen der Kids gefährdet, der Beitrag für den örtlichen Sportclub und eine Reihe vieler anderer Aktivitäten des normalen amerikanischen Bürgers. Übrigens auch die Bezahlung von Arzt- oder Krankenhauskosten, denn die werden von den meisten Personen in den USA privat geleistet. 

Dass es zu dieser nationalen Tragödie überhaupt gekommen ist, hat gerade mit dieser strittigen politischen Frage zu tun, denn Obama hat das Gesetz zur amerikanischen Krankenversicherung verabschiedet, ganz gegen den Willen der Republikaner, die eine staatliche Regelung auf diesem Gebiet ablehnen. Sie bestehen weiterhin darauf, dass die Amerikaner sich privat versichern, ohne staatlichen Zwang und ohne staatliche Hilfe. Die Folgen sind einschneidend, denn Millionen von Bürgern in den USA besitzen keine Krankenversicherung, mit verheerenden Folgen, wenn sie gesundheitliche Hilfe benötigen. Wie so etwas konkret aussieht, kann man bei der immer noch anhaltenden Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten sehen. Durch den Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen haben diese Menschen keine Gesundheitsversorgung mehr, ein unhaltbarer Zustand.

Eines der ganz entscheidenden, politischen Ziele von Präsident Obama war es, jedem Amerikaner eine Krankenversicherung  zu ermöglichen. Dies ist in seiner ersten Amtszeit nicht gelungen, deshalb versucht er gegen jeden Widerstand jetzt in seiner zweiten und letzten Periode, dieses für ihn so elementare Projekt in die Wirklichkeit umzusetzen, quasi auch als sein politisches Vermächtnis. Schon Bill Clinton wollte in seiner Amtszeit dieses Projekt verwirklichen, ist aber damals am politischen Widerstand auch aus seiner demokratischen Partei gescheitert. Obama ist da schon einen ganzen Schritt weiter, er hat dieses Gesetz erst kürzlich in Kraft gesetzt. Dies wollen die Republikaner, und da speziell die Gruppierung der „Tea-Party-Fraktion“, eine ultra orthodox, rechtsgerichtete Bewegung,  in der Vergangenheit besonders auffällig vertretenen durch die ehemalige Gouverneurin aus Alaska Sarah Phalin, die sich auch einmal als republikanische Präsidentschaftskandidatin beworben hat, mit aller Macht rückgängig machen oder zumindest erst einmal um ein Jahr hinaus zögern.  Sie hoffen dabei auf einen Stimmungswandel in der amerikanischen Bevölkerung,  die mehrheitlich Obamas Gesetzesvorhaben billigt. 

Als gute Möglichkeit dem Präsidenten doch noch ein Bein zu stellen und ihn zu einer Verschiebung zu bewegen, sah die Mehrheit der republikanischen Abgeordneten, die momentan das Abgeordnetenhaus, eine der zwei Kammern im Kapitol dominieren, in der Vorlage des Haushaltsgesetzes. Dieses muss sowohl vom Kongress, als auch von der zweiten Kammer, dem Senat gebilligt werden, wo zurzeit die Demokraten die meisten Sitze haben.  Bislang hat das Abgeordnetenhaus die Zustimmung verweigert, Obama ist aber auch nicht bereit durch eine Verschiebung oder Rücknahme des Gesetzes zur Krankenversicherung den Republikanern entgegen zu kommen. Also keine einvernehmliche Verabschiedung des Haushaltsgesetzes mit den bekannten Folgen. 

Die Amerikaner sind mit Recht wütend auf ihre Politiker und besonders auf die Republikaner, denn sie sehen beileibe nicht ein, dass die politischen Spielchen auf ihrem Rücken ausgetragen werden, auch noch mit den soeben skizzierten Folgen. Finanzen sind in den USA sowieso ein heikles Thema, denn die Banken- und Finanzkrise ist hier so wenig überwunden, wie bei uns in Deutschland und in Europa. An die amerikanische Staatsverschuldung wollen die Bürger  drüben über dem großen Teich so wenig denken, wie wir hier über unsere Verschuldungen vor Ort. Leider sind unsere Freunde in der Neuen Welt nur unmittelbarer betroffen, wie wir zurzeit. Dieses kann sich aber  sehr schnell ändern, denn durch die politische Blockadepolitik der Republikaner könnte ein weitaus größeres wirtschaftliches Problem entstehen und dieses würde uns alle treffen, weltweit. 

Am 15. Oktober müssen die Amerikaner ihre Schuldenobergrenze  erhöhen. Dies geht nur im Konsens zwischen Präsident und beiden Häusern auf dem Kapitol- Hügel. Sollte es hier erneut zu einem Veto im Kongress kommen, wären die Folgen mit Abstand ungleich dramatischer, denn das Land mit der noch immer mit Abstand größten Volkswirtschaft wäre zahlungsunfähig, also insolvent. Nicht auszudenken die Bewertungen der Ratingagenturen, nicht auszudenken die Folgen einer globalen Finanzkrise, weitaus schlimmer noch als zu Lehman Brothers Zeiten. Die Weltwirtschaft würde drastisch einbrechen. Was dies für die Exportnation Deutschland bedeutet, braucht man nicht extra zu beleuchten.

Soweit darf es nicht kommen und die Amerikaner müssen, und dies in ihrem ureigenen Interesse, ihren Politikern klarmachen, wer sich gegen das Wohl des eigenen Volkes und auch das Wohl der gesamten Völkergemeinschaft stellt, denn als " leading nation oft he world" tragen die USA für alle Menschen auf diesem Globus Verantwortung, wer sich also und dies auch noch aus wahltaktischen Gründen, dieser Verantwortung entzieht, der darf auf absehbare Zeit nicht damit rechnen, sobald das höchste Staatsamt in den Vereinigten Staaten zu erreichen.  Es ist davon auszugehen, wenn die amerikanische Bevölkerung dies eindeutig den Protagonisten vermittelt, werden die gemäßigten, verantwortungsbewussten Republikaner sehr schnell und deutlich zeigen, was sie letztendlich in erster Linie sind, eindeutige amerikanische Patrioten, denen das Land mehr am Herzen liegt, wie fragwürdige taktische politische Spielchen mit derart unsicherem und schlimmen Ausgang.


Peter J. König