Samstagskolumne Peter J. König, 8.10.2011

Die Frankfurter Buchmesse, ein Ereignis, das keinen intellektuellen Menschen weltweit kalt lassen kann.

In der kommenden Woche ist es wieder soweit, die Frankfurter Buchmesse öffnet ihre Pforten. An keinem Punkt der Erde kommen so viele Bücher zusammen, sind so viele Verlage präsent, um ihre Neuerscheinungen vorzustellen, begegnet man so vielen Autoren, entweder zum Gespräch, oder aber zu Lesungen, werden so viele Geschäfte gemacht, mit der mehr oder weniger intellektuellen "Ware" Buch, sei es als Druckerzeugnisse oder aber auch mittlerweile in digitaler Form, trifft man so viele unterschiedliche Personen des öffentlichen Lebens, wie Politiker, Journalisten, Manager aus der Wirtschaft und nicht zu vergessen Popstars und Popsternchen. Alle wollen der Welt etwas mitteilen, alle wollen ins Rampenlicht der Medien und alle wollen von dem großen Kuchen ein Stück abhaben.

Wenn bis vor 10 Jahren die Messe, auch da schon überfüllt und auch da schon heiß geliebt, von der klassischen Klientel, überwiegend Herrschaften im reiferen Alter, die Damen in der Überzahl, gelegentlich den Gatten im Schlepptau, er eignet sich wunderbar das vielfältige Informationsmaterial zu tragen, oder aber Gruppen von jungen Mädchen, die während ihrer aktuellen gymnasialen Ausbildung besonders gerne ihrem germanistischen Lehrkörper lauschen, wenn also dieser Personenkreis in früheren Jahren das Messebild prägte, so hat es sich jetzt doch sichtbar gewandelt.

Natürlich sind die Treuen der Treuen die soeben beschriebenen klassischen Verehrer der Literatur noch immer in der Überzahl. Wobei das maskuline Geschlecht, einzeln oder in Gruppen irgendwie alle Profis sind, entweder als Verlagsmitarbeiter oder Hochschulabsolventen, die von Berufs wegen täglich mit Literatur zu tun haben, sei es als Deutschlehrer oder sei es als Hochschulprofessor. Die wahren Profis sind die Autoren. Ihnen gilt die gesamte Aufmerksamkeit.

Jedoch es sind neue, ganz andere Gruppen von Personen unter den Messebesuchern zu entdecken, jung, bunt und fantasievoll, meist heranwachsende junge Mädchen, verkleidet in Fantasiekostümen, die die Frankfurter Buchmesse als Bühne für ihre Selbstdarstellung entdeckt haben. Tatsächlich beleben diese Jugendlichen die Szene. Sie bringen frischen Wind und eine neue Lebendigkeit auf das Messegelände und vielleicht ist dies ja der Einstieg für eine lebenslange Lesekarriere.

Aber man kann noch eine andere, neue Gruppierung ausmachen, die es in früheren Jahren nicht gab. Es sind die Schaulustigen und Autogrammjäger, die heute die Buchmesse entdeckt haben, um ihren Idolen nahe zu sein. Bei keinem Verlagsstand ist so viel Auftrieb, wie bei den Autogrammstunden oder Buchvorstellungen von Fernsehstars wie Verona Pooth oder Pop-Titan Dieter Bohlen.

Vielleicht ist die Frankfurter Buchmesse der einzige Ort in Deutschland, wo Menschen von so unterschiedlichen Geisteshaltungen aufeinandertreffen, wo Menschen sich begegnen, die ansonsten nicht viel miteinander am Hut haben, deren Welten ziemlich auseinanderdriften. Dies ist für mich auch ein interessanter Aspekt von der Messe, denn man sieht schon am Erscheinungsbild der einzelnen Personen, wo die jeweilige Präferenz des Besuchers liegt, ob bei Bohlen oder bei Sloterdijk.

Für mich war die Buchmesse schon immer ein höchst willkommener Ort, um nicht nur die unendliche Vielzahl von Neuerscheinungen in Augenschein zu nehmen, genauso spannend habe ich es empfunden, die Menschen zu beobachten, wie sie sich in ihre Lieblingsmaterie hineinvertiefen und völlig entrückt den ganzen Messerummel um sich herum einfach nicht mehr wahrnehmen. Es ist ja auch wirklich spannend überall hinein zu schnüffeln, Bücher jeglicher Couleur anzuschauen und sich vielleicht einen kleinen Überblick über alles Neugedruckte zu verschaffen, ein Überblick, der in dieser Form nirgendwo sonst auf der Welt möglich ist.Hier findet jeder das Druckerzeugnis, was ihn besonders interessiert und dabei ist die Bandbreite unendlich.

Wie sie meinen Ausführungen entnehmen können, bin ich ein großer Liebhaber der Frankfurter Buchmesse, zuallererst aber, weil ich jegliche Art von Büchern liebe, sie sind etwas Erhabenes, sie kommunizieren mit dem jeweiligen Leser, sprechen seine Fantasie an, ermuntern zum Nachdenken, fordern Zustimmung oder Widerspruch heraus, vermitteln natürlich unendliches Wissen, das demjenigen, der es zu nutzen weiß, in allen Lebenslagen weiterhilft und schafft eine eigenartige Intimität, die je nach Inhalt entzückt, berauscht oder vielleicht große Wehmut aufkommen lässt.

Wunderschöne Bildbände entführen den Betrachter an die exotischsten Orte unseres Globus, wertvolle Kunstbände offerieren die Möglichkeit alle Werke großer Künstler sich näher zu bringen, fördern die Lust alles auch einmal im Original zu sehen und damit dokumentiert das Buch insgesamt zu welchen außerordentlichen Leistungen der geistige Mensch befähigt ist. Natürlich will ich hier auch nicht verschweigen, welche Kraft von dem gedruckten Wort ausgehen kann, sowohl Kraft im positiven mitmenschlichen Sinne, aber auch die Kraft des Bösen, ich nenne nur „Mein Kampf“ von Adolf Hitler“ und die daraus resultierenden Ereignisse, die größte von Menschen initiierte Katastrophe auf diesem Erdball.


Doch lassen Sie mich lieber noch ein wenig die positiven Seiten dieses magischen Erzeugnisses beschreiben. Wir haben das große Glück über Jahrzehnte alle Arten von Büchern zu sammeln und so einen umfangreichen Fundus zusammengetragen zu haben. An dieser Stelle möchte ich einen Interviewausschnitt von Karl #Lagerfeld erwähnen, auch einem ganz großen Liebhaber des Buches, seine Bibliothek soll über 200 000 Bände umfassen, er zitierte einen Philosophen, der sinngemäß gesagt haben soll, mit jedem Buch, das man bekommt, sollte man auch die Zeit erhalten, es in Ruhe zu lesen, um es verarbeiten zu können.

Was mich besonders fasziniert ist die Tatsache, dass Bücher in meinem Kopf miteinander kommunizieren können. Mein Blick fällt auf einen Bildband, vielleicht über die wunderschönen Buchten von Rio de Janeiro und sofort öffnet sich ein Türchen in meinem Kopf und die Fotografien aus diesem Bildband ziehen an meinem geistigen Auge vorbei, ergänzen sich mit selbst erlebten Bildern und führen hin zu einem anderen sich automatisch öffnenden Türchen, nämlich einem weiteren Bildband von Hongkong, wiederum zusammen mit eigenem Erleben und der Abwägung, bei welchen Bildern  wohl die größte Begeisterung entsteht. Auslöser zu allem war allein der kurze Blick auf ein ganz bestimmtes Buch und so gibt es unendlich viele Bilder im Kopf, die darauf warten in Erinnerung gebracht zu werden, stets erneut ausgelöst durch den Blick auf Gedrucktes. Gedanken und Ideen werden entsprechend auf die gleiche Weise erzeugt.

Jetzt werden Sie sagen, alles dieses kann man auch durch das Internet oder sonstige elektronische Medien erleben. Natürlich schaffen alle diese Kommunikationsmittel auch Inspiration und Wissensvermittlung, tatsächlich viel schneller und digital vernetzt, aber welche Entspannung und Freude erzeugt eine gedruckte Lektüre in Form eines Buches, wenn man sich in Ruhe mit ihm zurückziehen kann und seinen Gedanken freien Lauf lässt.

Die Frankfurter Buchmesse findet vom 12. bis zum 16. Oktober statt. Wenn Sie die Gelegenheit haben, sie zu besuchen, sollten Sie diese Chance nutzen. Vielleicht entdecken Sie ja dabei eine ganz neue Welt für sich.

Peter J. König

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