Samstagskolumne Peter J. König, 4.2.2012

Steht das Pulverfass Nahost unmittelbar vor der Explosion?

Der Boden im "Nahen Osten" vibriert. Die Anzeichen mehren sich, dass die hohe Politik zusehends nervöser wird, sowohl bei den Israelis und Amerikanern, aber auch bei Russen, Chinesen und Indern. Alle hatten ihre Machtclaims abgesteckt und einen irgendwie gearteten "Status Quo" für diese Region entwickelt. Jetzt aber, mit den fortschreitenden Unruhen in Syrien, verliert das politische Gebilde immer mehr an Stabilität.


Dazu muss man wissen, dass Syrien nicht nur militärstrategisch für Russland sehr bedeutsam ist, die Russen haben Kriegsschiffe dort vor Ort stationiert, sondern genauso wichtig ist das Land für den russischen Geheimdienst. Von Damaskus aus wird die gesamte Region ausspioniert und das umfasst die Länder am Persischen Golf, das gesamte östliche Mittelmeer, inklusive Israel und auch den Iran.


Was würde passieren, wenn Assad und sein Clan aufgehängt würde oder er eventuell türmt?


Es soll ja wohl erste Versuche von Familienmitgliedern Assads gegeben haben, das Land zu verlassen. Dieses kennen wir schon von Tunesien, wo sich die Frau des Diktators vorab mit einem Flugzeug voller Goldbarren, unmittelbar vor dem Abflug noch schnell bei der tunesischen Staatsbank besorgt, nach Dubai abgesetzt hat. Wenige Tage später folgte der Gatte, nun nicht mehr als selbstherrlicher Führer des tunesischen Volkes, sondern als flüchtender Krimineller, der Angst um sein armseliges Leben hat.


Dies sind die Fragen, die Assad mächtig quälen, zumal er von Libyen und auch Ägypten vorgeführt bekommen hat, was geschieht, wenn er den Absprung verpasst.


Tod durch Pfählung mit einer Eisenstange, wie bei Gaddafi oder demütigendes Schauspiel in einem öffentlichen Prozess wie bei Mubarak, um anschließend in irgendeiner Form exekutiert zu werden.


Nicht umsonst sind die Unruhen in Ägypten wieder aufgeflammt. Die Führung der Militärregierung scheint ein doppeltes Spiel zu spielen, einerseits gaukeln sie dem Volk vor, man führe das Land in demokratische Strukturen, mit Wahlen und der Rücknahme des Ausnahmezustandes, andererseits können angeheuerte Schlägertrupps im Fußballstadion von Port Said ungehindert morden oder die Aufständischen am Tahirplatz in Kairo blutig attackieren. Zweifellos haben die Militärs dabei ihre Finger mit im Spiel. Destabilisation heißt die Devise. Es soll vorgeführt werden, dass nur die Armee der Garant für die innere Sicherheit in Ägypten ist.
Da Mubarak aber immer seine Machtbasis durch das Militär hatte, er selbst entstammt ja aus der Offizierskaste, ist davon auszugehen, dass durch den Machterhalt der Streitkräfte Mubaraks Haut und die der seinen gerettet werden soll. Man wird sehen. Nichts ist entschieden in diesem Land.


Zurück nach Syrien und Assad. Dieser wackelt mächtig und wird nur noch von den Russen und Chinesen durch das Veto im UN- Sicherheitsrat gestützt. Sollten jedoch die Aufständischen im Land die Oberhand gewinnen, dann geht es dahin mit dem studierten Augenarzt, der die Macht in Syrien von seinem Vater übertragen bekam, quasi geerbt hat.


Dann hilft nur noch der rettende Sprung auf ein russisches Kriegsschiff, zumal und davon bin ich fest überzeugt,  genügend Gold und andere Werte schon lange an sicheren Orten deponiert sind.


Dann jedoch wird es für die Russen und Chinesen ungleich schwerer, in der Region einen willigen Partner zu finden, der ihnen eine geeignete Operationsplattform zur Verfügung stellt.


Syrien wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zum Einflussgebiet der Amerikaner werden. Sowohl von Saudi Arabien als auch von Israel haben sie beste Operationsmöglichkeiten. Israel  hat dann im Libanon keinen ernst zu nehmenden Widersacher mehr, denn Syrien der bislang eigentliche Drahtzieher in diesem instabilen Land, entfällt.


Auch der Konflikt mit den Palästinensern würde umgewichtet. Vielleicht ist das eine große Chance, eine Befriedung in diesem Teil des östlichen Mittelmeerraums zu bekommen. Doch auch hier ist noch nichts entschieden und sowohl die Russen als auch die Chinesen werden alles unternehmen, um nicht den Kürzeren zu ziehen.


Nicht vergessen darf man den Iran, der momentan die Muskeln spielen lässt, wenn er ankündigt im Falle eines Angriffs, die Straße von Hormuz schließen zu wollen. Durch diese Meerenge führt die wichtigste Schifffahrtsstraße der Welt, um das Öl vom persischen Golf sowohl in die USA und Europa, als auch nach Indien und China zu bringen.


Das Ölembargo für den Iran seitens der EU ab Mitte dieses Jahres kann von Indien nicht mitgetragen werden, da dieses Land von iranischem Öl stark abhängig ist. Ein Embargo wäre für die prosperierende indische Wirtschaft ein Fiasko.


Auslöser dieser Aktionen ist der Versuch der Mullahs und Ahmadinedschad jetzt endlich eine Atombombe zu bauen, um damit unangreifbar für die USA und ihre Verbündeten zu sein.


Außerdem könnte man Israel mal so richtig „Feuer unter dem Arsch" machen, sprich ihnen mit massiven Schlägen drohen.

Die jüngste Aussage des amerikanischen Verteidigungsministers Panetta, Israel würde in den kommenden drei Monaten die Atomanlagen der Iraner angreifen und zerstören, wirkt auch nicht gerade beruhigend, zumal die israelische Luftwaffe seit Monaten das Betanken ihrer Kampfjets in der Luft trainiert, um so im Ernstfall das Gebiet des Irans erreichen zu können.


Was im Einzelnen dazu von den Verteidigungsministern und Sicherheitsberatern der verschiedenen Länder auf der momentan stattfindenden Münchener Sicherheitskonferenz besprochen wird, ist bisher nicht in die Öffentlichkeit gedrungen.


Noch ist es die Frage, alles nur Taktik und Psychologie oder doch schon die Frühphase eines heißen Konfliktes, dessen Ausgang mehr als fragwürdig ist. Jedenfalls ist die Vorstellung, dass Ahmadinedschad eine funktionsfähige Atombombe besitzt, für jeden Politiker, sei es in Ost oder West, der blanke Horror.

Derweil reist unsere Bundeskanzlerin auf "Good-will-tour"  durch China. Manche sagen, sie würde dort "Klinken putzen", sie würde versuchen, die chinesische Führung zu überreden, sich bei der Rettung des EURO zu beteiligen. Mich beschleicht bei dieser Vorstellung das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren doch sehr viel geändert hat und zwar nicht unbedingt zum Guten für uns. Noch vor einem Jahrzehnt sind die Chinesen zu uns gekommen, um betont devot zu bitten, sie an unserem technologischen Fortschritt ein wenig teilhaben zu lassen. Heute das umgekehrte Bild. Frau Merkel reist nach Peking, die gute Freundschaft beschwörend, jedoch ihr gesamter Habitus ist der einer Bittstellerin.


Da haben die beiden Bilder der Kanzlerin, zunächst in Brüssel und dann in Peking, so gar nichts gemeinsam. Hier Löwe, dort Kätzchen und dass sie das Versprechen der Chinesen in Rückreisegepäck mitbringt, man wolle nicht gleich die gesamte deutsche Wirtschaft aufkaufen, wirkt eher bedrohlich als beruhigend.
Doch was gedenkt Europa zu tun, um endlich wieder ein spürbares Gegengewicht gegen solche fortschreitende Dominanz zu entwickeln.


Klein-Klein, Streitsucht, Eifersüchteleien und falscher Nationalstolz ist hier fehl am Platz. Es wird Zeit, dass Europa gesamtheitliche Strukturen erhält. Ein instabiles Eurowährungssystem hilft da überhaupt nicht, wie aktuell schmerzlich zu erleben ist.


Wir brauchen die politische Union in Gesamteuropa. Nur so können die monetären Probleme gelöst werden, nur dann kann Europa mit einer Stimme sprechen und zwar mit einer Stimme, die wieder Gewicht hat, einer Stimme, die in diesem globalisierten Wirtschaftsraum entscheidend mitbestimmt. Gelingt uns das nicht, werden wir in nicht allzu ferner Zukunft nur noch die Rolle des "Disneyland"  für Amerikaner, Russen, Asiaten und Chinesen spielen dürfen, wenn überhaupt.


Zuletzt noch ein Blick in die Vereinigten Staaten. Da scheint ökonomisch sich wieder etwas zu regen. Jetzt im Januar 2012 sind zum ersten Mal wieder die Arbeitslosenzahlen zurückgegangen und haben das Niveau vom Februar 2009 erreicht. Noch immer aber sind 12,8 Millionen Menschen in den USA ohne Job und dabei handelt es sich nicht nur um Niedrigqualifizierte. In den letzten Jahren hat es den gesamten amerikanischen Mittelstand gebeutelt. Auch hier sind die Reichen noch reicher geworden, während der Mittelstand zusehends verarmte. Zu hoffen ist, dass diese Entwicklung nun gestoppt und umgekehrt werden kann. Dieses gibt den liberaldemokratischen Kräften um Obama neuen Auftrieb und lässt auf eine zweite Amtszeit von ihm hoffen.


Was wäre die Alternative?


Vielleicht ein Rückfall in die Busch-Ära mit einem konservativen republikanischen Präsidenten, wie er auch heißen mag, mit dem Einfluss der „Tea Party“, einer politischen Gruppierung, bei der Intoleranz, pures Spießertum und Anachronismen an der Tagesordnung sind. Dazu möchte ich hier das Buch von Eva C. Schweitzer empfehlen, mit dem Titel „Die weiße Wut- Was Amerikas neue Rechte so gefährlich macht“. Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, stehen Ihnen entweder die Haare zu Berge oder Sie sind eingeschriebenes Mitglied der NPD und werden vom Verfassungsschutz gesponsert. Leider ist die Sache nicht so spaßig, denn immer noch ist für uns Europäer besonders wichtig, wer gerade auf dem Stuhl des amerikanischen Präsidenten sitzt. Für mein Dafürhalten sollte Obama noch eine weitere Amtszeit dort Platz nehmen dürfen, zumal wenn sich die Wirtschaft erholt hat und  der Mittelstand gestärkt ist. Dann wird er vielleicht auch die innenpolitische Macht haben, Lager wie Guantanamo oder Abu Ghuraib zu schließen, um zu zeigen, dass Amerika tatsächlich „land of the free“ ist, wie es in der Nationalhymne heißt und Foltermethoden wie „waterboarding“ oder ähnliche Misshandlungen nicht nötig hat.


Peter J. König


PS: Nächste Woche müssen wir uns unbedingt einmal mit Russland befassen. Von dort kommen völlig neue Töne aus einem immer stärker werdenden Mittelstand, der es satt hat von Putin, dem starken Mann im Kreml, bevormundet und gegängelt zu werden. Sie fordern vehement freie Wahlen um das Präsidentenamt und keine wie auch immer geartete Politshow, mit einem Ergebnis, das schon lange zuvor feststeht.

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