Samstagskolumne Peter J. König 25.08.2012

Erwartet uns im herannahenden Herbst ein Euro-Desaster?

Wer die politische Szenerie systematisch verfolgt, registriert deutlich, wie mit dem Ende der Sommerpause eine schlagartige Veränderung der Dynamik der Euro-Krise eingesetzt, welcher Druck auf die politisch Agierenden in Europa sich aufgebaut hat und mit welcher Rasanz das Thema Gemeinschaftswährung und im Besonderen das Reizwort Griechenland sämtliche anderen Brennpunkte in den Hintergrund drängte, insbesondere auch den brutalen Bürgerkrieg in Syrien. 

Die Medien werden überflutet von Darstellungen aller möglichen Experten, bis hin zu politischen Ränkespielen zwischen den Parteien allgemein und zwischen CDU und CSU im Besonderen. Die F.D.P. geht da noch einen Schritt weiter. Hier kommt es zu öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Herrn Rösler und Herrn Westerwelle, die beide zwar die heikle Lage Griechenlands zum Anlass ihrer Statements nehmen, eigentlich aber einen offenen Machtkampf um die Vorherrschaft in der Partei begonnen haben. Auch dieses sind die Vorboten zur Bundestagswahl im September 2013. 

 Mitnichten hat sich Westerwelle mit seiner Entmachtung in der Partei abgefunden, er hat lediglich eine ruhige Phase auf dem Posten des Außenministers genutzt, um einen neuen Anlauf zur Rückeroberung des Parteivorsitzes im Laufe der Bundestagswahl zu starten. Jetzt rächt sich die Schwäche von Rösler, im Zuge seiner Wahl zum Parteivorsitzenden seinen Vorgänger nicht komplett entsorgt zu haben, denn der Hydra sind zwischenzeitlich neue Köpfe gewachsen und sie greifen wieder an. Spannend wird es sein, zu verfolgen, wie dieses Kräftemessen zwischen Rösler und Westerwelle ausgehen wird. 

Dabei steht das Ergebnis für die Freien Demokraten allerdings schon jetzt fest, es wird ein Desaster werden. Dieser Machtkampf wird der F.D.P. den Wiedereinzug in den Bundestag kosten. Der Wähler will diese Partei mit diesen beiden Personen an der Spitze nicht mehr im Parlament sehen. Es wird allerhöchste Zeit, dass beide Politiker an der Spitze ausgetauscht werden, besser noch sie erkennen, dass ihre Zeit abgelaufen ist, und sie ziehen sich freiwillig zurück. Aber wer glaubt an so etwas, besonders wenn man an die Selbstgefälligkeit und Darstellungssucht eines Herrn Westerwelle denkt. Kurzum die F.D.P. hat im September 2013 nur eine Chance mit einer neuen Führung. 

Diese Erneuerung kann nur aus den Ländern kommen. Dabei wird es überhaupt fraglich sein, ob trotz verändertem Führungspersonal die Wähler bereit sind auf Bundesebene dieser Partei genügend Stimmen zu geben. Die aktuellen Protagonisten haben es geschafft, bei den Wählern den Eindruck zu hinterlassen, dass sie für die Geschicke unseres Landes keinen positiven Beitrag mehr leisten können, ganz im Gegenteil, sie seien nur noch Anwalt einer kleinen gierigen Klientel, die nur ihre eigenen Vorteile im Blick hat. Von den Vermögenden alleine ist die Fünf-Prozent-Hürde nicht zu überspringen, um in den Bundestag zu kommen. 
Dies zeigen die Einkommensstatistiken deutlich. 

Wenn die F.D.P. überhaupt noch eine Daseinsberechtigung nachweisen will, dann muss sie wieder an ihre Wurzeln anknüpfen. Sie muss nachweisen, dass die Wahrung der Grundrechte auch die Wahrung der würdevollen Existenzrechte der Bürger bedeutet. Wenn in der Partei diese Philosophie die gleiche Bedeutung erlangt, wie das Einsetzen für Wirtschafts- und Steuerfragen, dann zeigt der Wähler mit seinem Votum, dass diese F.D.P. tatsächlich eine Existenzberechtigung hat. Hier können sich die Freien Demokraten neu profilieren, zumal diese Fragen in der unmittelbaren Zukunft enorm an Bedeutung gewinnen werden, da schon heute eine würdevolle Existenz für Millionen von Mitbürgern nur noch graue Theorie ist. 

 Auch die CSU kämpft auf dem Rücken der Eurokrise und dem Verbleib von Griechenland in der Währungsunion um die Gunst der Wähler im Zuge der anstehenden Landtagswahl. Dass sie dabei der Bundeskanzlerin Angela Merkel ohne Skrupel in den Rücken fällt, einen Tag nach dem Besuch des griechischen Ministerpräsidenten und ihrem Bekenntnis, sie wolle die Griechen unbedingt im Euroverbund halten, zeigt wie wenig geschlossen die beiden Schwestern CDU und CSU miteinander agieren. Für die CSU ist der Austritt Griechenlands aus dem Euro schon faktisch beschlossen, genauso wie für Herrn Rösler, die multinational agierenden Konzerne, die internationalen Großbanken und für die Vordenker in Brüssel innerhalb der Europäischen Institutionen. 

Da in Bayern bekanntlich die Uhren etwas anders gehen, hat man aber nicht gewartet, bis die abschließenden Berichte der Troika veröffentlich werden, von dem angeblich eine weitere Geldspritze an Griechenland abhängen soll, sondern man hat gemutmaßt, dass nach der Pleite Griechenlands durch Ablehnung weitere Kredite, ein unmittelbarer Austritt aus dem Euro bevorsteht und hat dieses Szenario als Chance für dieses Land verkauft. In Wahrheit aber will man dem bayrischen Wähler Handlungsstärke und Weitsicht suggerieren. Man will den Wählern zeigen, wie führungsstark die CSU ist, so stark, dass Herr Seehofer die 50%ige, absolute Mehrheit im Land wiedererlangt. Was schert es da noch, was Angela Merkel will. 

Herr Scharnagel, der ehemalige Chefredakteur des Bayernkurier und Vorstandsmitglied der CSU mantelt sich zudem in seinem neusten Buch auf, mit dem er durch die bundesrepublikanischen Medien reist, indem er die Unabhängigkeit Bayerns von der Bundesrepublik Deutschland fordert. Bei “Illner“ wurde er daraufhin von seiner Nachbarin, einer Grünen aus dem Europaparlament gefragt, von welchem Land „Bayern München“ zukünftig eigentlich Fußballmeister werden will? Antwort: Keine.

Manchmal habe ich den Eindruck, die Macher in den politischen Führungseliten haben total die Bodenhaftung verloren. Sie sehen überhaupt nicht mehr, vor welchen riesigen Problemen die Volkswirtschaften, die verschuldeten Staaten und damit die Menschen insgesamt stehen. Wenn sie es jedoch sehen sollten, dann haben sie sich von dem Wählerauftrag zu der politischen Führung verabschiedet, haben der Finanzwelt, um nicht zu sagen den Finanzgaunern, das Gestaltungsfeld Konsequenz los überlassen und denken nur noch an ihren eigenen Machterhalt. 

In diesem Zusammenhang darf ich auf das brandaktuelle Buch von Frau Professor Dr. Gertrud Höhler hinweisen, mit dem Titel „ Die Patin, wie Angela Merkel Deutschland umbaut“. Hierin zeigt Frau Höhler auf, mit welchen Methoden die Kanzlerin versucht ihre Macht zu sichern und welche Folgen daraus entstehen. Wie ich anfangs erwähnt habe, kommt es in diesen Tagen zu einer Flut von Erklärungen bezüglich der Eurokrise, der Staatsverschuldungen und nun im Herbst auch noch zu einer weltweiten Wirtschaftskrise, und damit zu einer Lage, deren Verunsicherung deutlich zu spüren ist. Dies ist der Grund warum sich so zahlreiche Auguren zu Wort melden. 

Viele Spekulationen schwirren durch den Raum, einige versuchen ihr Süppchen in dieser Brühe zu kochen, siehe CSU, aber keiner weiß, was wirklich geschehen wird, wenn mit Griechenland der Euro seinen ersten Riss bekommt. Mir scheint, dass alle Versuche einen Lösungsansatz für diesen Fall zu berechnen, lediglich dazu dient, sich selbst zu beruhigen, sich selbst eine gewisse Selbstsicherheit zu suggerieren, um dann im Ernstfall nicht panisch zu reagieren. Dieses Muster gilt nicht nur für die Politik, nein, die Wirtschaft insgesamt hat schon seit einiger Zeit begonnen, sich Handlungsfähigkeit für diesen Fall zu erarbeiten. 

Vielleicht wissen die Verantwortlichen schon viel mehr, als sie der Öffentlichkeit gegenüber zugeben. Als ich am Donnerstag Merkel und Hollande bei ihrem Treffen in Berlin sah, hatte ich überhaupt nicht den Eindruck, als wären hier zwei tatendurstige Macher zusammen gekommen, die jetzt gemeinsam die Eurokrise lösen wollen. Für mich sah die Begegnung eher nach dem Stelldichein zweier gerupfter Persönlichkeiten aus, die einst angetreten mit strotzendem Selbstbewusstsein, jetzt im Anblick einer übergroßen heranrollenden Sunamiwelle ängstlich zusammenhocken, um irgendwie dem drohenden Unheil noch entkommen zu können. Den griechischen Ministerpräsidenten erwartend, kann allein nicht der Grund einer solchen sichtbaren Konfusion gewesen sein. Da sieht man in Berlin und  Paris  weitaus mehr entgegen. Etwas Gutes scheint jedoch das drohende Ungemach bewirkt zu haben, denn war man sich zu Beginn von Hollandes Amtszeit noch recht frostig begegnet, so werden mittlerweile doch immerhin schon „bissous“ ausgetauscht.

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 11.08.2012

Will die Politik, jetzt wo es brenzlig wird, die Verantwortung an die Wähler zurück delegieren?

Morgen, am Sonntagabend gehen die dreißigsten Olympischen Spiele in London zu Ende. Sie waren glanzvoll in ihrer Darstellung und ebenso spektakulär, was die Leistungen der Athleten insgesamt anbetrifft. Dabei haben sich einige Sportler unsterblich gemacht, zumindest in den „Ewigen- Besten-Listen“, selbst Legenden wurden gekürt. 

Die Besucher der Spiele erlebten die Briten als ein Volk mit großem organisatorischem Talent, gepaart mit herzlicher Gastfreundschaft. Da alles in die berühmte Gelassenheit dieser Menschen eingebunden ist, nebst der Weltoffenheit, die die Briten seit Jahrhunderten in ihrer Denke beeinflusst, fühlten sich alle Besucher hier gut aufgehoben, zumindest habe ich nichts Gegenteiliges den Medien bisher entnehmen können. Einmal wieder hat sich die traditionell  bestehende Erfahrung aus dem Commonwealth als nützlich erwiesen. 

Die Briten selbst haben neues Selbstbewusstsein getankt. Nicht nur der gelungene Ablauf des Ereignisses hat sie stolz gemacht. Natürlich zeigen sie dieses allein in ihrer klassischen Form des britischen Understatements. Bei der tatsächlichen Fülle an Medaillen, speziell an Goldmedaillen allerdings, ist die gewohnte Kühle einer überbordenden Begeisterung gewichen, wie man sie selten bei den Untertanen der englischen Krone erlebt. Wer will bei diesen Bildern behaupten, die Bewohner der britischen Inseln hätten kein Temperament? 

Selbst die „Royals“ waren sichtbar aus dem Häuschen. Als Fazit muss festgestellt werden, dass die Olympischen Spiele in London eine vortreffliche Werbung für Großbritannien und seine Bürger erbracht hat. Da dieses Großereignis sich seinem Ende nähert, zudem auch in unserem Land die Sommerpause mit den meisten Schulferien bald ein Ende hat, kehrt der Alltag wieder zurück. 

Mit einem Schlag sind sie alle wieder präsent, die Problemlagen der Vormonate. Mit Bedauern wird die Bevölkerung feststellen, dass sich nichts, aber auch gar nichts verbessert hat, im Gegenteil, die Dringlichkeit nach Lösungen hat sich erhöht.

Außenpolitisch ist der Aufstand in Syrien ins Stocken geraten. Die kriegerischen Auseinandersetzungen finden in den großen Städten statt, zuvorderst in Aleppo und Damaskus. Hier wird mit Panzern und schwerer Artillerie, nebst syrischer Luftwaffe gegen die Aufständischen vorgegangen. Bei dem Angriff auf einzelne Stadtviertel nimmt man auf die Zivilbevölkerung keine Rücksicht, so ist die Gefahr für die Bewohner zu sterben, besonders gross. Ein Ende dieses Bürgerkrieges ist momentan noch in weiter Ferne, da keine Seite in der Lage ist, den Gegner entscheidend zu treffen. 

Seitens der Großmächte fehlt noch immer der Wille eine irgendwie geartete Lösung herbei zu führen. Also müssen die unschuldigen Menschen weiter mit ihrem Leben bezahlen. Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass es in den letzten Tagen zu Gefechten an der syrisch-jordanischen Grenze gekommen ist, nachdem die syrische Armee flüchtende Syrer auf jordanischem Territorium beschossen hat und dabei ein Flüchtlingslager traf. Die jordanische Artillerie hat daraufhin zurückgeschossen. Dieses bedeutet eine sichtbare Eskalation des Konfliktes, denn zum ersten Mal ist ein ausländischer Staat direkt in den Syrienkonflikt involviert. Damit ist die Lunte gelegt, jetzt heißt es alle Hebel in Bewegung setzen, damit kein Flächenbrand entsteht. Über die Folgen eines größeren Krieges zwischen den Staaten im Nahen Osten und am Persischen Golf will ich gar nicht erst spekulieren, denn bei dem geostrategischen Interesse der Weltmächte können die Folgen für uns alle nur verheerend sein. 

Aber auch innenpolitisch ist sie wieder in den Mittelpunkt gerückt, die Staatsschuldenkrise in Europa mit all ihren Spezialproblemen der einzelnen Mitgliedsländer. Über allem schwebt die Unsicherheit der europäischen Banken, von denen die meisten nicht wissen oder nicht zugeben wollen, mit wie viel vergifteten Krediten sie zu kämpfen haben und wie weit sie eigentlich noch von einer Pleite entfernt sind.

 Allmählich muss man zu der Überzeugung gelangen, dass die Gier sich selbst frisst. 

Dieser Vorgang hat eine immer stärker werdende Dynamik erreicht. Es wird für die internationale Finanzpolitik immer schwieriger diesen Prozess unter Kontrolle zu behalten. Die nächsten Monate werden zeigen, ob dies noch gelingen wird oder ob uns unser weltweites Finanzsystem bald um die Ohren fliegt. Nebenbei darf ich erwähnen, dass ich dabei bin, über dieses Thema ein Buch zu verfassen, indem ich versuche die Gründe darzustellen, warum die allgemein vorherrschende Gier es geschafft hat, sich derart der Menschen weltweit zu bedienen, dass wir am Rand des monetären Abgrundes angelangt sind. Außerdem will ich zeigen, mit welchen perfiden Methoden eine skrupellose Clique von international agierenden Verbrechern und Staaten dabei ist, die Volkswirtschaften vieler Länder zu unterminieren, um sie in den Bankrott zu treiben. 

Vieles wird in den nächsten Wochen und Monaten darüber Aufschluss geben, wie weit diese Entwicklung schon fortgeschritten ist und ob eine Umkehr noch möglich ist. Wer weiß, welche Apokalypse uns in nicht allzu ferner Zukunft erwartet? Diese Frage kann ich hier und heute nicht beantworten, aber ich kann mit Sicherheit behaupten, dass viele Machtgierige alles momentan unternehmen, dass dieser Zustand möglichst bald eintritt. Dann sind sie am Ziel Ihres Handelns und es ermöglicht Ihnen ihre perfiden Allmachtsgedanken in die Realität umzusetzen. In diesem Zusammenhang muss auch die Kehrtwende in den einzelnen Parteien in der Frage eines Volksentscheids gesehen werden. 

Haben bis vor wenigen Tagen alle unisono erklärt, dass die demokratischen Instrumente in unserem Land ausreichen und Volksentscheide überflüssig machen, so hört man seit neuem von Seehofer, Brüderle und anderen, man solle bei speziellen Fragen zum politischen Einigungsprozess in der Europäischen Union das gesamte Wahlvolk befragen. Besonders wenn es um die Hoheit der Wirtschafts- und Fiskalrechte geht, die nach Brüssel abgegeben werden muss, um so europäisches Handeln zu legalisieren, um nicht nur Zahlmeister zu sein, sondern um auch gleichzeitig zu überprüfen was mit dem Geld passiert, um notfalls auch Sanktionen durchsetzen zu können,  wollen die Politiker diese Verantwortung an den Souverän zurück delegieren. 

Natürlich ist es wünschenswert, dass solche weittragenden Entscheidungen von allen Menschen im Land entschieden werden. Es stellt sich nur die Frage, warum jetzt durch einen Volksentscheid, während früher allein der Bundestag über elementare Entscheidungen unseres Staates entschieden hat. Selbst bei der Wiedervereinigung wurde das Volk nicht gefragt. Weshalb jetzt dieser Sinneswandel und warum hat man nicht ebenfalls eine neue Verfassung angemahnt, die das Grundgesetz nach der Wiedervereinigung vorgegeben hat? 

Fakt ist, dass die Politiker aller Parteien erkannt haben, dass schnellstens eine politische Einigung in Europa zustande kommen muss, die es erlaubt mit gebündelten Kräften gegen die Attacken der Finanzmafia vorzugehen. Erst in einer europäischen Konstellation ist es überhaupt möglich, den Kampf gegen diese Bedrohung aufzunehmen. Fakt ist aber auch, dass niemand in den politischen Lägern weiß, wie und ob man eine solche tiefgreifende Entscheidung herbeiführen kann. Wie soll man den europäischen Völkern beibringen, fundamentale Rechte nach Brüssel abzugeben. Da stehen alle verantwortlichen, europäischen Politiker vor einem großen Rätsel. Dabei wäre es jetzt überlebenswichtig, diesen Schritt zu tun. 

Wenn es zu einer solchen europäischen Lösung nicht kommen sollte und dies der Grund ist, dass die Länder mit ihren Volkswirtschaften reihenweise in den Bankrott gehen, will kein Politiker in Europa dafür verantwortlich gemacht werden. 

Deshalb sollen nun die Bürger selbst die Verantwortung übernehmen. Große Zweifel habe ich, ob die Menschen sich der Tragweite dieser Entscheidung überhaupt bewusst sind, denn es gehört doch ein gewisser Weitblick, neben profunden Sachkenntnissen zu einem solchen Votum. Bei unseren Politikern sollte man dieses voraussetzen können, bei allen Wählern ist dies wohl fraglich. Jetzt gilt es über den Tellerrand zu schauen, eine Gabe, die nicht jedem gegeben ist. Deshalb ist es so wichtig, die Menschen umfassend und ehrlich aufzuklären. Dies ist jetzt die eigentliche Verantwortung der Politik. Wenn dieser Umstand dazu führt, dass die Bürger die Tragweite dieses Volksentscheides falsch interpretieren, weil man sie seitens der Parteien nicht vollständig aufgeklärt hat, dann tragen diese Parteien die gleiche Verantwortung, als hätten sie gegen die Interessen des Landes votiert. 

 Das Grundgesetz hat sie bestimmt, bei der politischen Willensbildung entscheidend mitzuwirken. Dies ist die Legitimation für ihr gesamtes Handeln und die Macht, die ihnen dadurch erwächst. Diese Macht geht aber einher mit der Verantwortung, die Politik zu tragen hat. Somit stehen die Politiker aller Parteien in der Pflicht für das Gelingen eines solchen Volksentscheides zu sorgen.

Dieses alles zeigt, dass die Zeiten nicht so rosig werden, wenn am Montag die schönen Bilder aus London verflogen sind, und die Urlaubsbräune zu verblassen beginnt. Für viele startet dann die langersehnte Zeit der Fußball Bundesliga und alles andere tritt wieder in den Hintergrund. Für den politischen Beobachter aber wird es spannend sein, zu ergründen, wie katastrophal die Problemlage sich in Europa eigentlich wirklich zugespitzt hat, damit führende Politiker Machtbefugnisse freiwillig abgeben. Dabei laufen sie Gefahr, in Zukunft nicht mehr alleine einsame Entscheidungen von großer Tragweite fällen zu können, ein sichtbarer Machtverlust. 

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 04.08.2012

"Und sie bewegt sich doch!"

Gestern, am Freitagmorgen gegen elf Uhr ist bei den Olympischen Spielen in London etwas passiert, das wichtiger ist, als alle Medaillen, die man dort in den gesamten vierzehn Tagen erringen kann. Vielleicht hat der rekordvernarrte, ergebnisorientierte Sportfreak eine etwas eingetrübte Sichtweise, sodass er diese Geschehnisse schlichtweg nicht wahrnimmt. 

Tatsache ist, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele der Neuzeit eine weibliche Sportlerin aus Saudi-Arabien an den Spielen teilnehmen durfte. 

 Insgesamt sind es zwei Athletinnen, die zur Mannschaft der Saudis gehören. Gestern kam Wodjan Shaherkani als Judokämpferin zu ihrem ersten Einsatz, ein Ereignis von historischer Dimension. Historisch ist auch die Tatsache einzuordnen, dass zum ersten Mal in der Geschichte des modernen Olympia alle Mannschaften mit weiblicher Beteiligung angetreten sind. Dies ist zweifellos der Verdienst des obersten Olympiers Jacques Rogge, der in mühevollen Verhandlungen mit den muslimischen Staaten es erreicht hat, dass diese Länder akzeptierten, Frauen an den Spielen teilnehmen zu lassen. 

Natürlich musste man sich zuerst über die Bekleidungsfrage einigen, denn von dem Verhüllungsgebot wäre niemals ein gläubiger Moslem abgerückt. Des Weiteren musste sichergestellt werden, dass die entsprechende männliche Vormundschaft zu den olympischen Stätten Zutritt bekam. Lange Verhandlungen mit dem IOC haben dann endlich den Durchbruch geschafft und diese Historie möglich gemacht. Dann kam sie gestern Morgen auf die internationale Bühne, die sechszehnjährige Judoka, eingehüllt in einem weißen, hochgeschlossenen Judo-Sportanzug mit schwarzem, enganliegendem Kopftuch, einer Badekappe ähnelnd. Wodjan Shaherkani war etwas zögerlich, als sie die Arena mit den vielen Zuschauern und der Fülle der Medienvertreter betrat. 

Ein kräftiger, männlicher Aufpasser, als Dolmetscher getarnt, bahnte ihr den Weg zur Matte. Ihre Gegnerin war die Puerto Ricanerin Melissa Mojica. Als der Hallensprecher die Kämpferin als erste weibliche Olympiateilnehmerin aus Saudi-Arabien vorstellte, brauste ein derartiger Jubel auf, als hätte hier gerade eine britische Sportlerin eine Goldmedaille gewonnen. Wie mag sich die sechszehnjährige Olympionikin in diesem Augenblick gefühlt haben? Welche Gedanken gingen ihr just in diesem Moment durch den Kopf? Viel Zeit hatte sie nicht dabei zu verweilen. Es blieben ihr auch nur 81 Sekunden, um sich um sportlichen Ruhm zu bemühen, denn dann war der Kampf schon beendet. Die Puerto Ricanerin machte kurzen Prozess. 

Mit den ersten Kampfgriffen war die Sache erledigt, zugunsten von Melissa Mojica. Die junge Dame aus Saudi-Arabien nahm es ruhig und besonnen hin. Sie hatte einen viel größeren Sieg ja schon zuvor errungen. Es war die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Wie bedeutungslos war dagegen ihr Sturz auf die Matte und das schnelle Kampfende, zumal sie ja keine professionelle Ausbildung in dieser Sportart erlangen konnte. Gestern wurde eine Tür aufgestoßen, von der man glaubte, dass sie ewig verschlossen bleiben würde. "Und sie bewegt sich doch!" wie einst Galileo Galilei behauptete. So ist auch der Auftritt der mutigen Judokämpferin zu verstehen, als ein Zeichen für die kulturelle Veränderung in den islamischen Staaten.

Frauen, Jahrhunderte lang unterdrückt, beginnen ihren unaufhaltsamen Weg in der muslimischen Gesellschaft zu einer Gleichberechtigung, ohne die kein moderner Staat mehr existieren kann. Dieses haben auch die archaischen Systeme erkannt, denn ohne die Potentiale seiner weiblichen Mitbürger geht in den muslimischen Ländern im einundzwanzigsten Jahrhundert gar nichts mehr. Schon heute dominieren in Saudi-Arabien bei den Zahlen der Hochschulabsolventen die jungen Frauen in allen wissenschaftlichen Bereichen. Sie haben die weitaus besseren Examina, die stärkere Motivation und stellen das größte Reservoir an „human capital“ in den Staaten am Persischen Golf. Selbst in den ostasiatischen Moslemstaaten wird man in der Zukunft nicht mehr auf diese Ressource verzichten können. 

Frauen sind die intellektuelle Zukunft aller Länder, im Westen zweifelt schon seit langem keiner mehr daran, der bereit ist die Zeichen der Zeit zu akzeptieren. 

 Bei den Leichtathletikwettbewerben werden wir die zweite Teilnehmerin aus Saudi-Arabien erleben. Sie ist Mittelstreckenläuferin, startet über achthundert Meter und wird ebenfalls verhüllt antreten. Ihr Haar wird sie unter einer Kopfbedeckung verstecken müssen. Sie studiert an einer Universität in Kalifornien, wo sie selbst beim Training entsprechend ausstaffiert ist. Welches Handicap für eine junge Frau, inmitten einer doch recht freizügigen Gesellschaft, aber auch welcher unbändige Wille ihre sportlichen Ambitionen für ihr Land nach Olympia zu tragen. Dafür nimmt sie alle sportlichen Nachteile in Kauf. Sie quält sich für die Frauen insgesamt aus ihrem Kulturkreis. Sie möchte beweisen, welches Potential muslimische Frauen haben, zu welchen Leistungen sie fähig sind, wenn man sie nur lässt. Ähnlich wie die junge Judoka aus Mekka wird sie später einmal zu den Wegbereiterinnen der Frauenemanzipation in ihrem Heimatland zählen. Die saudiarabische Gesellschaft wird ihnen dafür dankbar sein, denn es waren diese mutigen Frauen, die den Weg in eine moderne, globalisierte Gesellschaft erkämpft haben.

 Das Öl wird dann in ihrem Land nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das Auftreten solcher Frauen zeigt, dass der Wandel einer Gesellschaft unmittelbar bevorsteht. Nicht anders war es im englischen Königreich, als die Frauenvereine einen tiefgreifenden Wandel der komplett von Männer dominierten Gesellschaft einleiteten. Dieser Vorgang wiederholt sich jetzt in den muslimischen Gesellschaften. Es wird höchste Zeit, denn der Globalisierungsprozess macht auch vor diesen Staaten nicht Halt. Zudem sind ihre Ressourcen an Erdöl und Erdgas nicht unerschöpflich, da geht es den Russen schon besser. Alles dieses wird sich in dieser Form entwickeln und begonnen hat es mit einem schüchternen, vermummten Mädchen, das den olympischen Gedanken in London zutiefst ernst genommen hat: "Allein die Teilnahme zählt". 


Teilgenommen hat auch in der letzten Woche bei Olympia der russische Präsident Wladimir Putin. Zwar kam er nicht als Sportler, den er so gerne in seinen heimatlichen Medien gibt sondern als Inhaber eines schwarzen Gürtels der Judoka. Er wollte seinen russischen Kämpfer in dieser Sportart siegen sehen, um ihn zum Gewinn der Goldmedaille zu beglückwünschen. Es hat tatsächlich funktioniert und so sind wunderbare Bilder für die Menschen in Russland entstanden, nach dem Motto: erfolgreicher Athlet und erfolgreicher Präsident auf Augenhöhe. So etwas macht sich besonders gut, da es den andauernden Protesten von Putins Gegnern etwas Starkes entgegensetzt. Dafür lieben ihn die Menschen in den Weiten Russlands. Des Weiteren hat er in London auch noch etwas für seinen Ruf, ein lupenreiner Demokrat zu sein, getan. Plötzlich und unerwartet nimmt er sich der drei jungen Musikerinnen an, die kurz vor seiner Wahl zum Präsidenten, in der bedeutendsten russisch-orthodoxen Kathedrale in Moskau, den Klerus brüskiert und Putin diffamiert haben. Seit sechs Monaten sind die jungen Frauen inhaftiert. In einem Prozess droht ihnen eine Haftstrafe von fast zehn Jahren. Bisher sah es wirklich nicht sehr gut aus für die Pussy-Riots, so der Name der Band. An olympischer Stelle überkam den russischen Präsidenten aus heiterem Himmel eine demokratische Anwandlung, als er eine milde Strafe für die drei Mädels forderte. Umgehend schloss sich die Orthodoxe Kirche seiner Meinung an, sie sprachen von einem dummen Prozess. Dass es für die Aktion der Pussy-Riots im russischen Strafrecht überhaupt keinen Straftatbestand gibt, wie der russische Anwaltsverband erklärt, lässt ein entsprechendes Licht auf das Demokratieverständnis von Putin fallen. 

Die permanente Einschränkung der Pressefreiheit durch ihn tut ihr übriges. Dieses alles bietet London in diesen Tagen. Junge Frauen, die um ihre persönlichen Freiheiten ringen. Präsidenten, die aus einer guten Laune heraus, zu Recht protestierende Menschen nicht zehn Jahre in den Gulag schicken sondern nur fünf. Aber in den nächsten Tagen wird Frau Merkel nach London reisen. Warten wir einmal ab, womit sie uns von dort überraschen wird. 

 Peter J. König