Samstagskolumne Peter J. König 13.10.2012

Muss die Welt mit einem Krieg zwischen Syrien und der Türkei rechnen? 

Schon in meiner Kolumne am letzten Samstag habe ich daraufhin gewiesen, dass ein gefährlicher Eskalationspunkt im Verhältnis zwischen den beiden Nachbarstaaten Syrien und Türkei erreicht worden ist. Alle Appelle der Mäßigung in diesem Konflikt sind von Assad und seinen Schergen entweder nicht ernst genommen worden, oder er sucht die Konfrontation mit den Türken als ein letztes Mittel, die Macht in Syrien in den Händen zu behalten. Die Begründung meiner These folgt später, zunächst einmal ein Rückblick, was in der letzten Woche geschehen ist, wie die Kriegsbedrohung in den letzten Tagen eklatant zugenommen hat, sodass wir aktuell mit allem rechnen müssen. Nicht umsonst unterbricht Westerwelle heute seine Rückreise von China mit einem unplanmäßigen Stopp in der Türkei, um den türkischen Außenminister zu treffen, damit er ihm als Verbündeter in der Nato seine Solidarität bekunden kann, aber auch um die türkischen Freude zu bitten, sehr besonnen mit der Situation umzugehen. Ebenfalls hat der UN-Syrien-Beauftragte Lakhdar Brahimi seinen Besuch in der Türkei für den heutigen Tag angekündigt.

 Am vergangenen Donnerstag haben türkische Militärjets eine syrische zivile Passagiermaschine zur Landung in Ankara gezwungen, mit der Begründung, es seien Waffen an Bord dieses Fluges aus Russland, und diese Waffen seien für das syrische Verteidigungsministerium bestimmt, ein Verstoß gegen die zivile Luftfahrtkonvention. Daraufhin hagelte es Proteste, sowohl von syrischer als auch von russischer Seite, es wurde von einer Propaganda- und Aggressionsaktion gesprochen, die nicht ohne Folgen bleiben dürfe. Der türkische Ministerpräsident Erdogan hatte zu Anfang der Woche nach dem Beschuss auf grenznahe Dörfer durch syrische Artillerie unmissverständlich erklärt, die Türkei würde ihre Menschen und ihr Territorium uneingeschränkt schützen, notfalls mit massiver Waffengewalt. Dazu wurden Truppen, Panzer und Militärflugzeuge an die Grenze zu Syrien beordert. Bei einer Stückzahl von 250 zusätzlichen Panzerfahrzeugen kann man entnehmen, dass die Türkei sich auf den Ernstfall vorbereitet. Trotz dieser Drohkulisse ist es im Laufe der Woche immer wieder zu Grenzverletzungen durch syrisches Militär gekommen, Aktionen die nicht dem Zufall geschuldet sind, sondern eindeutig eine Strategie erkennen lassen. Der bisherige Höhepunkt der Eskalation wurde am gestrigen Freitag erreicht, als ein syrischer Militärhubschrauber eine Rebellensiedlung unmittelbar an der Grenze zur Türkei angreifen wollte und dabei von einem türkischen Militärjet abgedrängt wurde. Von diesem Punkt bis zu aktiven Kampfhandlungen ist es nicht mehr weit. Es fehlt allein ein letzter Funke, vielleicht eine unbedachte Aktion eines Piloten vor Ort und wir haben es mit einem weiteren Krieg im Nahen Osten zu tun.

 Möglicherweise ist ein solcher Krieg aber auch von Assad gewollt, denn er hofft, so seine Verbündeten Iran und Russland noch weitaus stärker einbinden zu können. Allein hat Syrien keine Chance gegen die Türkei militärisch zu bestehen. Zudem werden die Aufständischen in Syrien über die Türkei mit Waffen versorgt, was zunehmend zum Problem für das syrische Militär wird. Sollte es zu offenen Kampfhandlungen seitens der Türken kommen, provoziert durch syrische Aktionen, würde Assad durch Russland die Vereinten Nationen auf den Plan rufen, außerdem würde sein Abschlachten der Zivilbevölkerung in den Hintergrund treten, so sein Kalkül. Die Türkei würde an allen militärischen und nicht militärischen Aktionen seitens des Sicherheitsrates eingebremst, zumal auch Jo Biden, der amerikanische Vizepräsident in der Fernsehdiskussion mit seinem Herausforderer Paul Ryan kategorisch ein militärisches Eingreifen der USA in den Syrien-Konflikt abgelehnt hat. Daraus muss man wohl entnehmen, dass die Nato kein Interesse hat, dass es zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Staaten kommt. Im Ernstfall müsste ja die Bündnisverpflichtung greifen, dies soll aber unbedingt durch politische Gespräche mit den NATO Partnern verhindert werden. Wir sehen, Assad spielt mit dem Feuer und außerdem bleiben ihm nicht mehr viele Optionen um seine Macht zu behalten. Mit einem Krieg setzt er alles auf seine letzte Karte, denn wenn seine Erwartungen nicht erfüllt werden und die Türkei greift seine Truppen im Alleingang massiv an, und diese werden dadurch entscheidend geschwächt, dann hat sein letztes Stündlein geschlagen. Die Aufständischen werden keine Minute vergehen lassen, um ihn zu holen. Was danach kommt, wissen wir von Libyen. Es wird grausam. Trotzdem ist davon auszugehen, dass diese Variante die bestmögliche ist. Ein Krieg mit der Beteiligung des Iran bei gleichzeitiger starker logistischer Hilfe seitens Russlands, wo zudem auch noch die arabischen Staaten vom Golf mit hinein gezogen werden, wäre ein unkalkulierbares Fiasko mit nicht einschätzbaren Folgen. Darüber sind sich alle führenden Mächte in dieser Welt einig, selbst China. Die nächsten Tage werden zeigen, wohin sich die Auseinandersetzung bewegt, welche Dynamik oder welche Dramatik der Syrienkonflikt bekommt. Fest steht jedenfalls, dass es bis zu einer Katastrophe nicht mehr weit ist.

 Nun zur Innenpolitik, ab sofort hat der Bundestagswahlkampf 2013 begonnen. Die Spitzenkandidaten Merkel und Steinbrück lassen es zunächst ruhig angehen, indem sie versuchen populäre Themen anzusprechen. Merkel stellt die Praxisgebühr von 10 Euro zur Disposition und beginnt nach altbewährter Taktik, ganz nach den Thesen von Frau Professor Dr. Gertrud Höhler in ihrem Merkel-Buch „Die Patin“ schon wieder peu a peu die Politikfelder von Herrn Steinbrück zu besetzen. Wenn Peer Steinbrück jetzt angekündigt hat, dass im Falle seiner Kanzlerschaft die Steuern für den Personenkreis, die von der Neoliberalisierung kräftig profitiert haben, so erhöht werden, dass der Staat wieder seinen Verpflichtungen nachkommen kann, die Menschen mit geringen Einkommen wieder allein mit ihrer Arbeit ihre Familien ernähren können und nicht Bittsteller von staatlichen Zuschüssen werden müssen, mit Hilfe eines vernünftigen Mindestlohnes, dann kontert die CDU-Vorsitzende mit einer alten F.D.P.-Variante, die sie bis zur letzten Woche kategorisch abgelehnt hat. Plötzlich ist das so geschundene Wort von der Steuersenkung wieder in ihrem Sprach- Repertoire zu finden. Es ist genau diese Volte, die Frau Höhler der Kanzlerin nachzuweisen versucht hat. Mit einer Beliebigkeit werden von ihr die Standpunkte gewechselt, immer die jeweiligen politischen Themen ihres Gegenübers im Auge, um sofort zu reagieren, wenn sich die Möglichkeit bietet, dieses angesprochene Politikfeld für sich zu besetzen. Verlässliche Politik sieht anders aus, sagt Frau Höhler und wird prompt darin von Peer Steinbrück bei Jauch bestätigt. Bisher gehen die Bewerber um das wichtigste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland noch sehr pfleglich miteinander um, sie müssen sich auch erst noch warmlaufen und es ist noch viel zu früh, den Knüppel aus dem Sack zu holen, sprich den Mitkandidaten frontal anzugreifen. Aber seien wir gelassen, das wird uns alles noch geboten, spätestens wenn die Prognosen aussagekräftiger sind. Eine direkte Attacke auf den Mitbewerber gehört zum Wahlkampf wie Parteifähnchen und Luftballons.

 Derweil gibt sich der Herausforderer auf Seiten der SPD noch recht gelassen. Zunächst geht es ihm darum sein Image aufzupolieren, da er bisher eher bärbeißig, vermeintlich arrogant und besserwisserisch und eine Spur zu Norddeutsch, also unterkühlt dahergekommen ist. Auch sein ihm eigener Humor hat mehr etwas von Sarkasmus, als feingesponnene Ironie, die auch noch von jedermann verstanden werden soll . Tatsächlich benötigt dieses Erscheinungsbild noch einer gewissen Korrektur, nicht zu vergessen seine Rededynamik, bei der er sich manchmal selbst zu überholen scheint. Es nützt ihm ja nichts, wenn nur die promovierte Akademikerschaft ihn versteht, die Wahl wird durch Volkes-Mehrheit entschieden. Aber wie er in einem Interview verriet, übt er gemeinsam mit seiner Frau seine Mimik und all die anderen Punkte wahlpolitisch salonfähig zu trainieren. Noch bleibt ihm etwas Zeit dazu, denn wenn er erst einmal seine Wahlmannschaft und später sein Schattenkabinett vorgestellt hat, muss die Pose des gewinnenden Erfolgspolitikers ihm wie eine zweite Haut passen, sonst haben die Medien genug Futter ihm das Leben als Wahlkämpfer zu versauern. Mich persönlich interessieren Inhalte, man weiß aber aufgrund der Demoskopie, dass schon eine profane Brille über Erfolg oder Misserfolg eines Kandidaten entscheiden kann, soll heißen, es kommt wesentlich darauf an, wie sympathisch das Erscheinungsbild des Politikers rüberkommt.

 Bei aller Sympathie zu der einen oder dem anderen Bewerber zum Amt des Bundeskanzlers, entscheidend ist in der jetzigen Situation ein klares Konzept zum Wohle unserer Bürger in Deutschland, eine gelungene Integration in Europa und ein unermüdliches Arbeiten für den Frieden in der Welt, gleichgültig wo Konflikte eskalieren oder neue Brandherde sich auftun. Wir müssen wissen, wir werden weltweit immer an unserer Haltung gemessen.


 Peter J. König

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