Syrien vor der Auflösung oder steht der Konflikt vor seiner entscheidenden Wende?
Die heutige Kolumne kann natürlich nicht auskommen, ohne das Top-Ereignis der Woche zu streifen, die Wahl des neuen Papstes in Rom. Das Ergebnis war wieder einmal eine Bestätigung der alten Weisheit: wer von den Medien als zukünftiger Papst proklamiert, in die Sixtinische Kapelle einzieht, kommt als Kardinal nach der Wahl wieder heraus.
Die Medienpräsenz hat einen nie dagewesenen Höhepunkt erreicht, weniger wäre mehr gewesen, denn die Liveschaltungen von ARD und ZDF haben nicht nur den gemeinen, interessierten Zuschauer überfordert, nein die Fragen an die wartenden Personen auf dem Petersplatz, willkürlich herausgepickt, haben zuweilen das Niveau einer Jahrmarktsunterhaltung erreicht, gerade von Seiten der Fernsehschaffenden. Hier wurden Stunden gequält und die Fernsehzuschauer dazu. Manchmal konnte man vergessen, worum es eigentlich ging.
Zu unserer aller Erlösung war die Dreiviertelmehrheit auf einen Kandidaten schon beim fünften Wahlgang erreicht und endlich hatten alle Spekulationen und Kaffeesatzlesereien ein Ende, der Kardinal von Buenos Aires Jorge Mario Bergoglio, ein Mitglied des Jesuitenordens, hatte das Rennen gemacht, sehr zum Erstaunen der italienischen Bischofskonferenz, die ihrem Kardinal von Mailand schon vor Bekanntgabe des Ergebnisses zum neuen Papstamt gratulierten. Da muss irgendetwas bei der internen Informationsübertragung schief gelaufen sein, auf die Spitzel innerhalb der Kurie ist seit dem Fall des Kammerdieners von Papst Benedikt auch kein Verlass mehr.
Über den neuen Papst Franziskus möchte ich hier mich nicht weiter auslassen, da haben die Medien schon alles ausgegraben, bis hin zu seinen bäuerlichen, italienischen Vorfahren aus der Toskana, die einst nach Argentinien ausgewandert sind. Was ich allerdings ansprechen will, ist die Respektlosigkeit, speziell im Netz, wo wichtigtuerische Selbstdarsteller in primitiver Weise, Vorverurteilungen, Verleumdungen, Diskriminierungen, bis hin zu frechen Beleidigungen sich nicht erblöden, öffentlich zu machen. Hier scheint mir doch ein offenes Wort angebracht. So wie diese Schreiberlinge selbstverständlich für ihre Person Respekt erwarten, so ist dieser Respekt auch dem neuen Papst zuzubilligen.
Man mag zu allen Glaubensgemeinschaften und speziell zur Katholischen Kirche stehen wie man will, dies ist jedermanns persönliches Bier, aber es ist ein Gebot der Fairness einem neuen Kirchenoberhaupt die Chance einer persönlichen Interpretation seines Papstamtes zu geben, es mit seinen Vorstellungen zu füllen, um so zu versuchen, 1.2 Milliarden Gläubigen irgendwie gerecht zu werden. Dies ist per se schwer genug, nahezu unmöglich. Und doch warten die Menschen auf Reformen und um noch einmal auf das Gebot der Fairness anzusprechen, auch einem Papst muss eine solche Chance zugebilligt werden, zu beweisen, ob er es ernst meint mit Veränderung. Er wird noch früh genug feststellen, anhand der Zahlen von Kirchenaustritten, ob es gelungen ist, neue Glaubwürdigkeit zu erringen. Papst Franziskus könnte das Zeug dazu haben.
Man mag zu allen Glaubensgemeinschaften und speziell zur Katholischen Kirche stehen wie man will, dies ist jedermanns persönliches Bier, aber es ist ein Gebot der Fairness einem neuen Kirchenoberhaupt die Chance einer persönlichen Interpretation seines Papstamtes zu geben, es mit seinen Vorstellungen zu füllen, um so zu versuchen, 1.2 Milliarden Gläubigen irgendwie gerecht zu werden. Dies ist per se schwer genug, nahezu unmöglich. Und doch warten die Menschen auf Reformen und um noch einmal auf das Gebot der Fairness anzusprechen, auch einem Papst muss eine solche Chance zugebilligt werden, zu beweisen, ob er es ernst meint mit Veränderung. Er wird noch früh genug feststellen, anhand der Zahlen von Kirchenaustritten, ob es gelungen ist, neue Glaubwürdigkeit zu erringen. Papst Franziskus könnte das Zeug dazu haben.
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Aus aktuellem Anlass, aber auch um niemals die mörderischen Ereignisse in Syrien in Vergessenheit geraten zu lassen, ist es die Pflicht eines jeden Journalisten und Kolumnisten auf die sich rasant entwickelnde Verschlechterung der Situation der Zivilbevölkerung immer wieder hinzuweisen. Die Zahl der Toten hat sich mittlerweile auf über 70.000 erhöht, was einer Einwohnerzahl einer größeren Stadt in Deutschland entspricht. Über eine Million Menschen sind aus Syrien bis dato geflohen, nach Jordanien, in die Türkei, in den Libanon und in den Irak. Sie leben dort in Flüchtlingslagern, die das Wort leben nicht im Ansatz rechtfertigt, nein sie vegetieren dort unter menschenunwürdigen Bedingungen, da selbst die Versorgung mit Wasser nur unzureichend gesichert ist.
Allein die Hoffnung, das Assad-Regime ist bald dem Ende nahe, hält sie noch aufrecht und hindert sie daran sich zu radikalisieren. Was dieses bedeuten würde, hat die Region schon einmal erlebt, in den Flüchtlingslagern der Palästinenser in Jordanien und im Libanon. Bombenattentate, Selbstmordkommandos und Überfälle auf die Zivilbevölkerungen in den angrenzenden Ländern waren die Folgen und sind auch heute noch die Voraussetzung für die Unlösbarkeit der Konflikte in dieser Region. Welche Explosivität dadurch entstehen würde, wenn Syrien eine ähnliche Entwicklung nähme wie Palästina, ist bisher nur zu erahnen. Da sich die schiitischen und sunnitischen Achsen in Syrien kreuzen, beide Glaubensrichtungen versuchen jeweils die Vorherrschaft im Land zu erringen, ist es sehr unbestimmt zu erkennen, wie sich das Land nach dem Abgang von Assad entwickeln wird.
Die Familie Assad und ihre Clique haben mit militärischer Gewalt, brachial alle Aufstände im Keim erstickt, konnten sich so an der Macht halten und den Zusammenhalt Syriens gewährleisten. Dabei wurden sie immer sehr großzügig von der UDSSR, heute Russland mit Waffen unterstützt, der Grund warum die Armee über genügend Feuerkraft verfügt. Zudem pumpt der Iran immer größere Mengen an Kriegsgerät in die militärischen Arme des Regimes, für die Russen ein Grund zu behaupten, man würde in diese angespannte Lage keine Waffen liefern. Fakt ist jedoch, dass Assad zunehmend mit immer größeren Kontingenten bedacht wird, an mangelndem Kriegsgerät wird sein Machtverbleib nicht scheitern. Ein Problem könnte für ihn die Truppenstärke werden, hier zeigt sich Aderlass durch die Kämpfe und desertierende Militärs.
Milizen- Einheiten, gar Volkssturmaktivitäten sollen den Verlust an regulären Soldaten auffangen.
Weil die Situation in Syrien so unübersichtlich und so explosiv ist, zumal die Aufständischen keine Einheit zu bilden im Stande waren und zudem noch alle möglichen Terrorgruppen, bis hin zu Al-Kaida massiv in die Kämpfe eingegriffen haben, gut organisiert und mit ausreichend Waffen versorgt, hat die EU ein Waffenembargo für Syrien ausgesprochen. Dies trifft aber zunehmend die militärische Opposition des Landes, die Freiheitskämpfer, die Assad stürzen wollen, um ein freiheitliches Syrien aufzubauen. Entsprechend verlagert sich die Kampfkraft auf ausländische, militärisch starke islamistische Kampfgruppen, die ihre Interessen a la Afghanistan oder Mali in der Zeit nach Assad etablieren wollen. Dies ist weder im Sinn der syrischen Bevölkerung, weder im Sinn der Nachbarstaaten, noch im Sinne der EU, selbst Russland kann kein Interesse daran haben.
Wie ich die Situation einschätze, ist es zu entscheidenden Interessensverlagerungen bei der militärischen Situation im syrischen Bürgerkrieg gekommen, zugunsten der islamistischen Brigaden und mit der schwindenden Aussicht, dass sich die syrische Opposition militärisch mit Erfolg gegen das Assad-Regime durchsetzen kann. In der nächsten Woche steht erneut die Entscheidung der EU an, ob das Waffenembargo in Syrien weiter aufrechterhalten werden soll. Ein solches Votum kann nur einstimmig erfolgen.
Frankreich und England haben aber schon angekündigt, dass sie bereit sind, wenn die Opposition garantiert, dass gelieferte Waffen nicht in die Hände von Terrorgruppen gelangen, Gerätschaft zur militärischen Abwehr zu liefern. Dies brachte Berlin jetzt wieder in erhebliche Schwierigkeiten. Nicht nur, dass sie von diesen Ankündigungen völlig überrascht waren, was mich erneut zu der Frage der gemeinsamen europäischen Außenpolitik führt, die noch nicht einmal ein Mindestmaß an Information und Abstimmung zuwege bringt, wobei die Achse Paris-London zu funktionieren scheint, während die Verbindung Paris-Berlin bei wesentlichen Dingen ziemlich tot ist, nein zu allem Überfluss läuft die deutsche Außenpolitik wiederum Gefahr, ähnlich wie in Libyen, ins Abseits zu geraten, nachdem Herr Westerwelle ständig auf das Waffenembargo auch in der Zukunft gepocht hat.
Stellt sich doch die Frage, welche Erkenntnisse haben Hollande und sein britischer Amtskollege, die Berlin nicht hat oder traut man den Deutschen keine Entscheidung zu, die sie aus ihrer bequemen Lage des Abwartens herausbringen müsste, selbst wenn damit eine gewisse Unwägbarkeit verbunden wäre? Hollande hat es in Mali vorgemacht, die Menschen sind ihm dankbar dafür. Auch in Syrien muss jetzt endlich etwas unternommen werden, das Morden und die Verrohung können nicht so weiter gehen, wie auf allen Seiten der Kämpfer feststellbar. Zudem kann als Ergebnis dieses Abschlachtens ja nicht am Ende stehen, dass Syrien oder der Rest der davon übrigbleibt ein irgendwie geartetes fundamentales Gebilde sein wird, mit extrem hohem Bedrohungspotential für den Nahen Osten und die gesamte Hemisphäre einschließlich Europas.
Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die deutsche Regierung dieses Mal positionieren wird, welchen Spagat sie unternehmen wird, um nicht schon wieder außenpolitisch ins Abseits zu geraten. Alle Risiken und davon gibt es bekanntlich viele, wie ich immer wieder in meinen Kolumnen zum Syrienkonflikt betont habe, sind nicht zu unterschätzen, aber immer nur vermeintlich friedensstiftende Gespräche und Konferenzen zu führen, die den Friedensprozess nicht einen Zentimeter vorwärts bringen, während fundamentale Interessensgruppen militärische Fakten schaffen, kann überhaupt keine Lösung sein.
Peter J. König
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