Samstagskolumne Peter J. König o1.09.2013

Wozu dienen diese politischen Fernsehduelle, zur Volksbelustigung oder zur inhaltlichen Standortbestimmung der beiden Kandidaten um das wichtigste Amt in unserem Staat? 


Bei der morgendlichen Nachlese zu dem gestrigen Fernsehduell zwischen der Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück bei einem großen, hessischen, privaten Radiosender gab es nur einen Tenor bei allen Anrufern. Nicht dass auf politische Aussagen der beiden Kontrahenten eingegangen worden ist, nein den Zuhörern scheint nur der Spaßfaktor, der Klamauk, gar die verbale Aggression zu kurz gekommen zu sein. Davon haben sie sich einiges in den neunzig Minuten versprochen, darin schien für sie der Reiz dieser politischen Auseinandersetzung gelegen zu haben. Deshalb das gängige Votum: Langweilig, uninteressant, überflüssig. Diese Aussagen sind zwar nicht repräsentativ, aber immerhin artikulieren sie Volkes-Stimme, und es ist ja die Mehrheit des Volkes die bestimmt, wer nach dem 22. September uns regieren wird. Gerade aus diesem Grund ist doch zu hinterfragen, was man sich landläufig unter einem solchen Fernsehduell vorstellt?

Es scheint, als seien viele gar nicht so sehr an den politischen Inhalten der führenden Parteienvertreter interessiert, wenn überhaupt, vielmehr ist man gespannt, ob und wann einer der beiden Protagonisten strauchelt, gar Schach matt gesetzt wird. Dies will man sehen, um daraus eine Wahlentscheidung abzuleiten, vielleicht sogar dies als Animation werten, um überhaupt zur Wahl zu gehen. Speziell die SPD hat in dieser Veranstaltung eher die Möglichkeit gesehen, ihre Anhänger zu mobilisieren, weniger diejenigen, die sich noch nicht entschieden haben, um sie für sich zu gewinnen. Dabei haben die Wahlforscher herausgefunden, dass etwa 30% aller Wähler sich erst unmittelbar vor der Wahl entscheiden, welche Partei sie wählen wollen. Dies ist jedoch primär von dem Kandidaten abhängig, denn Programme interessieren eh nur den politischen Gegner und ein paar Unerschrockene, die sich wirklich für Politik begeistern und nicht zu vergessen die Journalisten, die so ihr Geld verdienen. 

Damit sind wir auch schon bei der Rolle der vier Medienvertreter bei dieser eineinhalb stündigen Politshow. Natürlich versucht jeder Fernsehsender seinen eigenen Vertreter oder seine Vertreterin ins rechte Licht zu rücken, denn diese Megaveranstaltung wurde gleichzeitig von zwei öffentlich-rechtlichen und zwei Privatsender inszeniert und das Schaulaufen diente nicht nur den Politikern, sondern zumindest ebenso den Frontleuten der Fernsehanstalten, die damit versuchen ihr jeweiliges Profil zu schärfen. Das ging jedoch gründlich daneben und dies ist bestimmt ein wesentlicher Grund, warum die Veranstaltung zu einer harmlosen politischen Fragestunde mutierte. Vollmundig auf allen beteiligten Kanälen angekündigt, als das Wahl entscheidende TV-Ereignis haben Will, Illner, Klöppel und der für die jüngeren Leute engagierte Raab bei der Präsentation Hoffnungen auf ein politisches Feuerwerk erweckt, das letztlich mangels Dynamik aber völlig glanzlos blieb.

Man konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass alle vier Fernsehleute, allein durchaus zugkräftig und sattelfest, sich mehr behindert haben, als sich im politischen Frage- und Antwortspiel gegenseitig zu beflügeln. Die journalistischen Fragesteller traten eher zögerlich auf, zuweilen sogar waren sie total defensiv, als wollten sie sich für ihr Tun entschuldigen. Vielleicht haben sie auch an ihren Platz im Journalistentross gedacht, wenn sie demnächst mit dem neuen Amtsinhaber auf Auslandsreise im Regierungsjet gehen wollen. Zu provokante Fragen können da nur hinderlich sein. Selbst Raab, der in dieser Richtung unverdächtig ist, hatte massive Ladehemmung. Als er es dennoch bei Steinbrück mit banaler Provokation versucht hat, fehlte ihm nach dessen Konter die intellektuelle Spritzigkeit, um wirklich Leben in die Bude zu bringen. Bei der Kanzlerin hat er es gar nicht erst versucht, ihm sind überhaupt nicht die richtigen Fragen eingefallen, wie allen anderen Moderatoren übrigens auch nicht. 

Schließlich wurde von dem Abend erwartet, dass ein paar neue Aspekte der politischen Programme der Wahlkämpfer zur Debatte stehen würden und nicht der ständige Einheitsbrei der landauf, landab auf den Marktplätzen von Merkel und Steinbrück gebetsmühlenartig unter das Wahlvolk gebracht wird. Nichts von alledem war Sache. Zum Schluss wurde deshalb die Halskette von Frau Merkel in der Nachlese thematisiert, war sie nun in den bundesdeutschen Farben Schwarz-Rot-Gold oder eher in den umgekehrten belgischen Staatsfarben? 

Wenn sich erfahrene Hauptstadtjournalisten unmittelbar nach dem wichtigsten Fernsehduell über solche Petitessen unterhalten, kann es mit dem politischen Gehalt, aber auch mit der politischen Performance nicht weit her gewesen sein. Deshalb ist man geneigt zu sagen, dass diese Veranstaltung zumindest in dieser Form überflüssig ist. Es fehlt an der Spontanität, an der politischen Streitkultur und ganz entscheidend an der politischen Themensetzung außerhalb der auswendig gelernten Statements. Warum hat man nicht hinterfragt, wann die Politik wieder die Gestaltungshoheit in diesem Land übernimmt und in welcher Form?

Warum wurde Merkel und Steinbrück nicht gefragt, wie sie der unendlichen Steuerverschwendung begegnen wollen, wie der nicht mehr zu überblickenden Steuergesetzgebung und insgesamt der alles überwuchernden Bürokratie? 

Zudem muss die Frage gestellt werden, warum die Parteien eine solche Machtfülle angehäuft haben und mittlerweile in alle Belange der Bürger hinein reden, natürlich alles schön im Proporz. Da liegt doch überhaupt der Grund, warum die Journalisten sich nicht trauen auch mal an den Parteisockeln zu kratzen, die Fernsehsender schön bei Fuß stehen, die öffentlich-rechtlichen wegen ihrer Abhängigkeit und die privaten, weil damit kein Geld zu verdienen ist, da inszeniert man lieber drittklassische Promishows und berichtet über deren Befindlichkeiten, ohne dass seitens der Politik über Maßnahmen gegen die Volksverdummung nachgedacht wird. Und alles das wird hingenommen, labbrige Fernsehduelle von Kandidaten, die morgen schon wieder gemeinsam in einer großen Koalition die Politik bestimmen, um letztlich in einem unübersehbaren Einheitsbrei zu verschwimmen. 

Dies riecht irgendwie nach althergebrachten Mustern, die wir glaubten schon lange überwunden zu haben. Lebendige Demokratie sieht anders aus. Dabei dürfen wir uns überhaupt nichts vormachen. Am Ende des Wahlabends des 22. Septembers fällt alles Wahlkampfgetöse in sich zusammen. Dann wird der Souverän wieder in sein Körbchen geschickt, politische Halbwahrheiten machen erneut die Runde und der große Legislaturschlaf des Wahlvolkes beginnt von vorne. Es herrscht wieder politischer Alltag. 

 Peter J. König

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