Samstagskolumne Peter J. König 05.10.2013

Werden die USA an ihrer eigenen Finanzpolitik scheitern?

Während in Berlin und in Wiesbaden die politischen Pokerspielchen sich fortsetzen und dabei eigentlich nur zwei entscheidende Fragen auf Antwort warten, nämlich zunächst die wichtigste, wer bekommt welchen Posten und dann, wie verkaufen die Parteien dem Wahlvolk die Tatsache, dass die gegebenen Versprechen doch nicht eingehalten werden, ohne es explizit zugeben zu müssen, ist in den USA eine Situation eingetreten, deren Brisanz nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wird. 

Nachdem Senat und Kongress sich nicht auf ein gemeinsames  Haushaltsgesetz einigen konnten, sind die amerikanischen Behörden nicht in der Lage, die Gehälter an ihre Bediensteten zu zahlen. Die Folge war ein sofortig angeordneter Zwangsurlaub  ohne Bezahlung  für mehr als 1.5 Millionen Angestellte bei den amerikanischen Behörden. Dies hört sich zunächst nicht besonders dramatisch an und mit der Frage: Warum sollte dies auch uns tangieren, scheint die Sache auch schon abgetan. Allerdings ist das so einfach nicht. So wurden z. B. alle Museen und öffentliche Sehenswürdigkeiten geschlossen,  etwa die Freiheitsstatue in New York oder die berühmte Circle-Line, die legendäre Schiffsumrundung um Manhattan, bei der man in besonders eindrucksvoller Weise die Skyline der Weltstadt erleben kann. Wer einmal in Washington, der amerikanischen Hauptstadt war, weiß wie viele Memorials, also prachtvolle Gebäude in Erinnerung an die großen Präsidenten, wie Lincoln, Jefferson oder auch George Washington dort zu besichtigen sind, alle in öffentlicher Hand, momentan alle geschlossen. Selbst eine Besucher-Führung durch das Kapitol oder gar das "Weiße Haus", dem Sitz des amerikanischen Präsidenten, alles nicht möglich. Dabei sind dies die Touristenmagneten auf einer USA-Reise für Besucher aus aller Welt. 

Wir Deutsche stehen da ganz oben auf der Besucher-Liste und dementsprechend ist es gerade den Touristenscharen  aus Deutschland anzusehen, wie enttäuscht sie sind, wenn sie momentan ihre große, vielleicht im Leben einmalige USA-Visite angetreten haben. Dieser Zustand gilt für das ganze Land, für die großen Parks im Mittleren Westen, etwa Mount Rushmore  mit den Präsidentenköpfen, in den Rockies der Yellowstone  National mit den wunderbaren Gysire und Sinterterrassen, aber auch die Canyons, wie Bryce und Grand Canyon in South-West, Monument Valley in Arizona, all die großartigen Sehenswürdigkeiten in California, und und und, all closed. Der wirtschaftliche Verlust ist immens. Er wird etwa auf 200 Millionen Dollar täglich geschätzt. Über den Prestigeverlust muss gar nicht erst gesprochen werden, denn was soll man von dem reichsten Land der Erde halten, das ihren Staatsdienern noch nicht einmal gesichert das Gehalt zahlt? 

Dabei gibt es durchaus auch sehr sensible Bereiche, die dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden, wie etwa öffentliche Institute, die wichtige Impfstoffe entwickeln. Präsident Obama hat das Militär vor diesen Maßnahmen geschützt, zu kritisch könnte sich die Lage bei den 2.5 Millionen Soldaten weltweit entwickeln. Dass die Betroffenen stocksauer sind und lautstark protestieren ist allzu verständlich. Bei vielen hängt unmittelbar ihre Existenz davon ab, natürlich auch ihre persönlichen finanziellen Verpflichtungen, wenn sie ein Haus oder ein Auto auf Raten gekauft haben, wie in den Staaten üblich. Dann ist das Schulgeld für die privaten Schulen der Kids gefährdet, der Beitrag für den örtlichen Sportclub und eine Reihe vieler anderer Aktivitäten des normalen amerikanischen Bürgers. Übrigens auch die Bezahlung von Arzt- oder Krankenhauskosten, denn die werden von den meisten Personen in den USA privat geleistet. 

Dass es zu dieser nationalen Tragödie überhaupt gekommen ist, hat gerade mit dieser strittigen politischen Frage zu tun, denn Obama hat das Gesetz zur amerikanischen Krankenversicherung verabschiedet, ganz gegen den Willen der Republikaner, die eine staatliche Regelung auf diesem Gebiet ablehnen. Sie bestehen weiterhin darauf, dass die Amerikaner sich privat versichern, ohne staatlichen Zwang und ohne staatliche Hilfe. Die Folgen sind einschneidend, denn Millionen von Bürgern in den USA besitzen keine Krankenversicherung, mit verheerenden Folgen, wenn sie gesundheitliche Hilfe benötigen. Wie so etwas konkret aussieht, kann man bei der immer noch anhaltenden Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten sehen. Durch den Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen haben diese Menschen keine Gesundheitsversorgung mehr, ein unhaltbarer Zustand.

Eines der ganz entscheidenden, politischen Ziele von Präsident Obama war es, jedem Amerikaner eine Krankenversicherung  zu ermöglichen. Dies ist in seiner ersten Amtszeit nicht gelungen, deshalb versucht er gegen jeden Widerstand jetzt in seiner zweiten und letzten Periode, dieses für ihn so elementare Projekt in die Wirklichkeit umzusetzen, quasi auch als sein politisches Vermächtnis. Schon Bill Clinton wollte in seiner Amtszeit dieses Projekt verwirklichen, ist aber damals am politischen Widerstand auch aus seiner demokratischen Partei gescheitert. Obama ist da schon einen ganzen Schritt weiter, er hat dieses Gesetz erst kürzlich in Kraft gesetzt. Dies wollen die Republikaner, und da speziell die Gruppierung der „Tea-Party-Fraktion“, eine ultra orthodox, rechtsgerichtete Bewegung,  in der Vergangenheit besonders auffällig vertretenen durch die ehemalige Gouverneurin aus Alaska Sarah Phalin, die sich auch einmal als republikanische Präsidentschaftskandidatin beworben hat, mit aller Macht rückgängig machen oder zumindest erst einmal um ein Jahr hinaus zögern.  Sie hoffen dabei auf einen Stimmungswandel in der amerikanischen Bevölkerung,  die mehrheitlich Obamas Gesetzesvorhaben billigt. 

Als gute Möglichkeit dem Präsidenten doch noch ein Bein zu stellen und ihn zu einer Verschiebung zu bewegen, sah die Mehrheit der republikanischen Abgeordneten, die momentan das Abgeordnetenhaus, eine der zwei Kammern im Kapitol dominieren, in der Vorlage des Haushaltsgesetzes. Dieses muss sowohl vom Kongress, als auch von der zweiten Kammer, dem Senat gebilligt werden, wo zurzeit die Demokraten die meisten Sitze haben.  Bislang hat das Abgeordnetenhaus die Zustimmung verweigert, Obama ist aber auch nicht bereit durch eine Verschiebung oder Rücknahme des Gesetzes zur Krankenversicherung den Republikanern entgegen zu kommen. Also keine einvernehmliche Verabschiedung des Haushaltsgesetzes mit den bekannten Folgen. 

Die Amerikaner sind mit Recht wütend auf ihre Politiker und besonders auf die Republikaner, denn sie sehen beileibe nicht ein, dass die politischen Spielchen auf ihrem Rücken ausgetragen werden, auch noch mit den soeben skizzierten Folgen. Finanzen sind in den USA sowieso ein heikles Thema, denn die Banken- und Finanzkrise ist hier so wenig überwunden, wie bei uns in Deutschland und in Europa. An die amerikanische Staatsverschuldung wollen die Bürger  drüben über dem großen Teich so wenig denken, wie wir hier über unsere Verschuldungen vor Ort. Leider sind unsere Freunde in der Neuen Welt nur unmittelbarer betroffen, wie wir zurzeit. Dieses kann sich aber  sehr schnell ändern, denn durch die politische Blockadepolitik der Republikaner könnte ein weitaus größeres wirtschaftliches Problem entstehen und dieses würde uns alle treffen, weltweit. 

Am 15. Oktober müssen die Amerikaner ihre Schuldenobergrenze  erhöhen. Dies geht nur im Konsens zwischen Präsident und beiden Häusern auf dem Kapitol- Hügel. Sollte es hier erneut zu einem Veto im Kongress kommen, wären die Folgen mit Abstand ungleich dramatischer, denn das Land mit der noch immer mit Abstand größten Volkswirtschaft wäre zahlungsunfähig, also insolvent. Nicht auszudenken die Bewertungen der Ratingagenturen, nicht auszudenken die Folgen einer globalen Finanzkrise, weitaus schlimmer noch als zu Lehman Brothers Zeiten. Die Weltwirtschaft würde drastisch einbrechen. Was dies für die Exportnation Deutschland bedeutet, braucht man nicht extra zu beleuchten.

Soweit darf es nicht kommen und die Amerikaner müssen, und dies in ihrem ureigenen Interesse, ihren Politikern klarmachen, wer sich gegen das Wohl des eigenen Volkes und auch das Wohl der gesamten Völkergemeinschaft stellt, denn als " leading nation oft he world" tragen die USA für alle Menschen auf diesem Globus Verantwortung, wer sich also und dies auch noch aus wahltaktischen Gründen, dieser Verantwortung entzieht, der darf auf absehbare Zeit nicht damit rechnen, sobald das höchste Staatsamt in den Vereinigten Staaten zu erreichen.  Es ist davon auszugehen, wenn die amerikanische Bevölkerung dies eindeutig den Protagonisten vermittelt, werden die gemäßigten, verantwortungsbewussten Republikaner sehr schnell und deutlich zeigen, was sie letztendlich in erster Linie sind, eindeutige amerikanische Patrioten, denen das Land mehr am Herzen liegt, wie fragwürdige taktische politische Spielchen mit derart unsicherem und schlimmen Ausgang.


Peter J. König 

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