Wird #Griechenland für #Europa zur #Zerreißprobe?
Um nicht als Hellseher zu gelten, soll darauf hingewiesen werden, dass diese Samstagskolumne erst am 13.07. 2015 entstanden ist. Der Grund liegt einfach im Ablauf der Ereignisse um die Verhandlungen der Eurozone mit Griechenland und dem ungewissen Ergebnis, das erst nach einer Marathonverhandlung im Laufe der Nacht zum Montag Klarheit darüber gebracht hat, ob Griechenland noch eine letzte Chance erhält, um weiter in der europäischen Währungsunion verbleiben zu können, oder ob vielleicht schon morgen das Land insolvent ist, da es seinen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern(EZB, IWF und EU) nicht mehr nachkommen kann.
Die Folge wäre nicht nur ein möglicher Austritt aus dieser Eurozone. Die Rechtsexperten sind sich nicht sicher, ob dies von den anderen Mitgliedsstaaten herbeigeführt werden kann, oder ob die Griechen dies nur selbst bestimmen können. Fakt aber ist, das Griechenland kein Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB) im Falle einer Nichteinigung mehr erhält, und auch keinerlei Förderung durch spezielle EU-Rettungsschirme mehr beantragen kann. Bei aller Schwierigkeit der juristischen Materie wäre das Ergebnis aber eindeutig.
Mit der Pleite Griechenlands und ihrer Auswirkung hätte das Land verheerende Folgen zu erleiden, die das Staatsgebilde bis ins Mark erschüttern, die jeden einzelnen Griechen treffen würde, bis vielleicht auf ein paar wenige Oligarchen und ihre Clans, doch auch die müssten mit erheblichen Einbußen bei ihren innergriechischen Aktivitäten rechnen. Darüber hinaus wäre nicht sicher, ob Griechenland weiter in der EU bleiben würde, und ohne massive europäische Hilfe bestünde die Gefahr eines Zerfalls der sozialen Strukturen des Landes, sodass Experten davor warnen, Griechenland könnte ein ähnliches Schicksal erleiden, wie einst Äthiopien oder Eritrea, wo jegliche staatliche Ordnung sich aufgelöst hat, wie es auch gerade in Libyen stattfindet und wo Warlords das Schicksal des Landes bestimmen. Und dies in der Wiege der Demokratie in einem europäischen Land!
Aber nicht nur die Menschen in Griechenland würden ein tragisches Schicksal erleiden, ohne jegliche Perspektive, nein ganz Europa würde in eine überaus gefährliche Krise schlittern, denn ob es die EU auf Dauer überhaupt noch geben würde, wäre fraglich.
Die Gefahren durch Krieg und militärische Überfälle wären so akut wie in der Vergangenheit, die man glaubte mit dem Zusammenwachsen der europäischen Völker überwunden zu haben. Aber nicht nur diese Rückentwicklung wäre bedrohlich, wirtschaftlich wäre es ein Desaster im Hinblick auf die globale Wirtschaft, die einzelnen europäischen Staaten wären ein Nichts im Welthandel.
Doch die vielleicht größte Gefahr lauert auf politischer Ebene. Hatte man es im Ansatz geschafft, einem sich entwickelnden gemeinsamen Europa wieder mehr Einfluss in geostrategischen Fragen zukommen zu lassen, würde die Zukunft als europäische Einzelstaaten diese zur Bedeutungslosigkeit verkommen lassen. Sowohl Russland und China würden versuchen ihren Einfluss in der Region weiter massiv zu verstärken. Ohne eine gemeinsame EU hätte sich der Ukrainekonflikt schon lange erledigt, mit dem Ergebnis, dass die gesamte Ukraine zum Vasallenstaat Russlands degradiert wäre.
China versucht schon jetzt mit wirtschaftlichen Mitteln in Griechenland Positionen zu erreichen, so wie übrigens in vielen Staaten in der EU, auch in Deutschland, wie die Übernahmen deutscher Firmen durch die Chinesen zeigen. Der einst so gerühmte und wirtschaftlich aktive Hafen von Piräus ist langfristig zur Hälfte von einem chinesischen staatlichen Transportunternehmen gepachtet worden, mit der Folge, dass nur hier überhaupt noch Waren umgeschlagen werden, der griechische Teil ist mittelweile schon längst verrottet.
Und die Hiobsbotschaften gehen weiter. Bei der südosteuropäischen Lage wäre ein zerrüttetes Griechenland natürlich das unkontrollierte Einfallstor für alle möglichen Bewegungen auf den europäischen Kontinent. Bürgerkriegsflüchtlinge aus allen Nahoststaaten sowieso, aber auch terroristische Unterwanderungen der sich immer weiter ausbreitenden Terrororganisation ISIS, die versucht ihr Territorium des sogenannten IS-Staates kontinuierlich in Richtung Mitteleuropa zu erweitern, wäre die Folge. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Europa um Jahrhunderte zurück geworfen würde.
Diese Szenarien waren den Regierungschefs der Eurozone durchaus bewusst, als es darum ging, Griechenland unbedingt im Euro und in der EU zu halten. Keiner der verantwortlichen Staats-Frauen und –Männer und ganz bestimmt nicht Angela Merkel wollten letztendlich für einen "Grexit" verantwortlich sein, indem sie den Griechen nicht noch eine letzte Chance eingeräumt hätten.
Nach einem 17stündigen Ringen mit Griechenlands Ministerpräsident Tsipras ist es in den Morgenstunden gelungen einen Kompromiss zu erarbeiten mit dem sowohl Griechenland überleben kann, mit dem aber auch die restlichen Eurostaaten zumindest einverstanden sein können. Trotzdem muss darauf hingewiesen werden, dass die Sache zunächst noch an einem seidenen Faden hängt. Bevor überhaupt offizielle Verhandlungen mit Griechenland aufgenommen werden, dabei geht es um ein Hilfspaket von mehr als 80 Milliarden Euro über 3 Jahre, das nicht nur die Verpflichtungen bei den Gläubigern teilweise decken soll, die griechischen Banken wieder rekapitalisiert, damit sie nicht mehr am Tropf der EZB mit Notkrediten hängen und damit endlich das Wichtigste unternommen werden kann, nämlich Investitionen in die griechische Wirtschaft, muss die griechische Regierung bis Mittwoch anfangen, Reformen in Gang zu setzen.
Dies bedeutet konkret, Gesetze durch das Parlament zu bringen, die unumkehrlich staatliche Veränderungen in der Finanz-, Steuer- und Wirtschaftspolitik garantieren, und die Griechenland wieder zu neuem wirtschaftlichem Wachstum verhelfen. Ohne solche vertrauensbildenden gesetzlichen Maßnahmen wird es noch nicht einmal zu den Abstimmungen in den Parlamenten einiger Euroländern wie Holland, Finnland oder Deutschland kommen, die dann mit ihrem positivem Votum ihren Regierungschefs das Mandat erteilen, in Brüssel mit Griechenland ein solches sogenanntes "Drittes Hilfspaket" zu verhandeln.
Ob alle Parlamente allerdings "grünes Licht" geben werden, ist momentan noch nicht abzusehen. Dies wird sich am Ende dieser Woche zeigen, Voraussetzung ist allerdings unbedingt, dass die Griechen mit ihren Reformen begonnen haben.
Bei allen Aktivitäten muss man sich aber darüber im Klaren sein, dass die Rettung Griechenlands exorbitant viel Geld kosten wird. Etwa 340 Milliarden Euro Staatsschulden hat das Land zurzeit etwa. 80 Milliarden sollen erneut dazukommen, wobei ein Teil davon zur Schuldentilgung beim IWF und der EZB heran genommen werden sollen. Griechenland muss dafür Staatseigentum von 50 Milliarden auf ein Treuhandkonto übertragen, also staatliche Einrichtungen, wie Flughäfen und Eisenbahntrassen, die dann privatisiert werden und wobei die Erlöse jeweils zu einem Drittel für die Schuldentilgung, die Rekapitalisierung der Banken und zu Investitionen genutzt werden sollen. Dies alles reicht aber bei weitem nicht aus, um nur annährend Griechenlands Schulden zu tilgen.
Bei den Verhandlungen zwischen der Eurozone und den Griechen, wenn sie dann zustande kommen sollten, wird es dann auch um einen Schuldenschnitt und um eine langfristige Umschuldung gehen. Zwar wurde dies nach den Verhandlungen nicht erwähnt, zumindest der Schuldenschnitt nicht, aber jedem Kenner der Materie ist klar, dass es ohne einen Schuldenerlass in einem massiven Umfang für Griechenland zukünftig überhaupt keine Perspektive geben wird. Hinter vorgehaltener Hand wird mindestens mit 40 bis 50 Prozent gerechnet, die restlichen Schulden werden bei einem extrem niedrigen Zinssatz von vielleicht einem Prozent auf 50 bis 70 Jahre gestreckt.
Dies ist durchaus nicht ungewöhnlich bei einer Staatsschuldentilgung, denn auch Deutschland hat Reparationszahlungen vom Ersten Weltkrieg bis in die 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts bezahlt. Unter dem Strich ist festzustellen, dass die Rettung Griechenlands die europäischen Steuerzahler mindestens weit über hundert Milliarden Euro kosten wird, wenn alles so läuft wie geplant.
Doch was ist die Alternative, und um vielleicht noch etwas Positives bei allem finanziellen Desaster heraus zu filtern, welche Schlüsse können die Regierenden und ihre Bürger für Europa daraus ziehen?
Auf das Gefahrenpotential für den europäischen Kontinent bei einem "Grexit" wurde bereits hingewiesen. Der monetäre Verlust bei einer griechischen Pleite wäre in diesem Fall sofort eingetreten, alle Kredite an Griechenland wären unwiederbringlich untergegangen, wobei Deutschland die Summe von weit über hundert Milliarden für immer hätte abschreiben müssen. Dies reicht aber bei weitem nicht aus, wenn man Griechenland nicht "vor die Hunde gehen lassen will", aus oben genannten Gründen, aber ebenso, wenn die Menschen nicht verelenden sollen.
Also müssten umfangreiche humanitäre Hilfspakete her, in der Größenordnung des jetzt angestrebten "Dritten Hilfspaket", ohne jedoch überhaupt eine Rückzahlung dafür zu bekommen. Zudem hätten die Europäer keinerlei Einfluss mehr in Griechenland, natürlich würde jeder dort willkommen sein, wenn er nur Geld mitbringt. Auch ist sehr zweifelhaft, ob das Land bei einer Rückkehr zur Drachme überhaupt gewillt ist, die überfälligen Staatsreformen umzusetzen, an der entsprechenden Kraft hat es ja schon seit Jahrzehnten gefehlt. Es ist davon auszugehen, dass auch die humanitären Hilfspakete sinnlos verpuffen würden.
Unter dem Strich darf festgestellt, dass die Grexit-Lösung nicht die sinnvollere Variante für Griechenlands Zukunft sein kann.
Nun da man gewillt ist Griechenland im Euro zu halten, und dies haben die 19 Mitglieder der Eurogruppe ja einstimmig beschlossen, ist am Schluss zu fragen, welche Erfahrungen aus dem Griechenland-Drama zu ziehen sind, und was zukünftig zu unternehmen ist, damit ein solches kostspieliges Dilemma sich nicht wiederholt?
Grundsätzlich müssen die Kriterien der Maastricht-Verträge überarbeitet werden, sodass Bedingungen geschaffen werden, damit alle Mitglieder der Eurogruppe gleiche Wettbewerbschancen erhalten. Dies genauer hier auszuführen würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen. Doch so viel soll noch erwähnt werden, ohne eine gemeinsame Fiskal- und Wirtschaftspolitik ist zukünftig ein europäisches Gebilde auf Dauer nicht zu halten. Dies muss sowohl allen Menschen und besonders allen Politikern in Europa klar sein. Diesen Schritt zu gehen, erfordert viel Geduld, noch mehr Vernunft, große Überzeugungskraft und den Willen auf Privilegien im Sinne der Gemeinschaft zu verzichten.
Als Gegenleistung gibt es ein einiges, starkes Europa, das in der Riege der Großmächte durchaus seinen berechtigten Platz sichert.
In diesem Sinne ist wohl auch das Engagement der Bundeskanzlerin zu sehen, die weit vorausschauend und sehr pragmatisch die Vor- und Nachteile um die Griechenland-Rettung abgewogen hat und lieber ein zwar teures, aber überschaubares "Drittes Hilfspaket" präferiert hat, bei dem auch noch die Chance einer teilweisen Rückzahlung gegeben ist, als einen unkontrollierten "Grexit" in Kauf zu nehmen, bei dem keiner weiß, was tatsächlich passiert, weil die Folgen letztendlich unkalkulierbar sind.
Bei aller Skepsis gegenüber Angela Merkel, was ihr tägliches Politikgeschäft anbetrifft, hier hat sie trotz aller Häme die ihr diesbezüglich entgegenschlägt, sich mit aller Kraft für die bestmögliche Lösung eingesetzt, die langfristig Europa, den Griechen, aber auch den anderen Staaten in der Eurozone eine gewisse Erfolgschance bietet.
Peter J. König
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