Samstagskolumne Peter J. König 23.09.2017

Wir Bürger müssen uns gegen den Rechtsradikalismus zur Wehr setzen, jeder einzelne von uns und jeweils im eigenen Umfeld. Wegducken gilt da nicht, auch wenn es manchmal nicht besonders kommod ist und man Farbe bekennen muss. 

Am jetzigen Sonntag findet nun endgültig die Bundestagswahl 2017 statt. Es wird auch höchste Zeit, denn die vielen Phrasen, die in einem solchen Wahlkampf gedroschen werden, sind nervtötend und werden auch durch permanente Wiederholungen nicht besser. All diese Talk-Shows, die Fragerunden und persönlichen Vorstellungen der Spitzenkandidaten der Parteien, die eine reelle Chance haben ins Parlament zu kommen, sind in der Fülle absolut kontraproduktiv, zumal sie durch die mangelnde Zeit sich intensiv mit den drängenden Problemen in unserer Gesellschaft zu befassen, maximal diese nur streifen. 

Und immer wieder diese parteiliche Profilierung der einzelnen Kandidaten, die sich gefühlt zum Hundersten Mal schon im Fernsehen gegenüber gestanden haben, um innerhalb 20 Sekunden Teile ihres Wahlprogramms vorzustellen oder Antworten auf Fragen von Bürgern zu geben. Was soll da rauskommen? Weitestgehend nur Phrasen, die es gilt so oft wie möglich zu wiederholen, damit sie beim Zuschauer irgendwie hängenbleiben. Selbst bei den Spitzenkandidaten Angela Merkel(CDU) und Herausforderer Martin Schulz (SPD), was heißt dabei eigentlich Herausforderer, haben wir es mit einem Boxkampf um einen Weltmeisterschaftsgürtel zu tun, selbst in deren gemeinsamen Wahlauftritt im TV oder auch bei den Einzelauftritten, wurden keine wirklich erhellenden Antworten gegeben, mit denen der interessierte Bürger etwas anfangen konnte. Allein die Tatsache, dass ein junger Mann der zum Altenpfleger sich ausbilden lässt, die Kanzlerin derart ins Schwimmen bringen konnte, weil er einfach die Verhältnisse in den Alten- und Pflegeheimen schilderte, sodass er anschließend bei Lanz in seiner Talk-Show gefeiert wurde, zeigt auf welch dünnem Eis solche Fragestunden stattfinden, zeigt aber auch, welche grundsätzlichen Defizite in unserem Land vorhanden sind. 

Und da brauchen sich die beiden großen Parteien gar nicht gegenseitig vorzuführen,  sie beide sind an diesen Entwicklungen beteiligt. Zunächst soll es aber erst einmal um den Wahlkampf als solchen gehen, bevor später auf die innerparteilichen Defizite, wie z.B. klare Analysen und das problemorientierte Anpacken der Missstände eingegangen wird, was oftmals der Auslöser für die einzelnen Krisen in unserem Land ist.


Man muss wissen, Wahlkampf ist showlaufen, showlaufen das unter dem hären Motto stattfindet: "Wettbewerb für die bessere Idee  und das erfolgreichere Konzept", und wenn es ganz gruselig wird mit der Aussage  "für ein moderneres Land und das Wohl seiner Bürger". Tatsächlich aber geht es um Macht, um Mehrheiten und um Mandate für den Bundestag. Dafür machen die Parteien und ihre Kandidaten fast alles. 

Und je schwächer ihre Positionen sind, umso mehr wird versprochen, verunglimpft und ganz übel, sogar wieder die nationalsozialistische Blut und Boden-Ideologie herausgeholt und über die Ewig-Gestrigen ausgekübelt. Wie man sieht, keine schlechte Strategie um ohne Umschweife in Landesparlamente und jetzt in den Bundestag zu kommen. Diese ständige Fernsehpräsenz hat dieser rechtsradikalen Partei doch erst den nötigen Schub verpasst, weil, und dies ist auch der oberflächlichen Durchführung solcher Veranstaltungen geschuldet, ihre Vertreter, es gab davon letztendlich nur zwei, vielleicht gebrandmarkt werden konnten, aber nicht tatsächlich zu politischen Inhalten animiert wurden. Die Folge ist, dass die rechte Klientel nur noch enger zusammengerückt ist, anstatt dass man ihr vorgeführt hat, wie hohl und substanzlos all diese schlagwortartigen Merksätze eigentlich sind. Zudem wurde nicht von den anderen demokratischen Kandidaten nachgesetzt, auch von den jeweiligen Moderatoren(innen) nicht, wenn auf konkrete Fragen keine Antworten gegeben worden sind, sondern nur Partei-Kauderwelsch abgesondert wurde. Diese Methode gilt übrigens für alle Kandidaten, gleich welcher Couleur. 

Bei den demokratischen Parteien könnte man sagen "Schwamm drüber", nach der Wahl, wenn der politische Alltag wieder eingezogen ist, geht es in gewohnten Bahnen weiter. Dies gilt aber nicht für die Rechtsradikalen. Sie verfolgen andere Ziele. Noch im Schafspelz verhüllt, schüren sie eine gefährliche Glut, die, und wenn einige von ihnen dies auch zielgesetzt gar nicht beabsichtigen, Raum aufmachen für eine Entwicklung, die wir in Deutschland und in ganz Europa niemals mehr erleben möchten. 

Doch zurück zu der allgemeinen Untauglichkeit des Wahlkampfes. Aller Aktionismus, alle Beliebigkeit und aller Überdruss sind tödlich für einen informativen Wahlkampf. Es ist wie mit Kaviar, in vernünftigen Portionen, zeitlich angemessen und gut zubereitet und serviert, mag gefallen und Interesse wecken, aber zu viel, zu üppig und zu oft, ist fad und langweilig und macht überdrüssig. Davon will man nichts mehr haben. Und genauso ist es beim Wahlkampf, zu viel, zu häufig und  zu schlecht vermittelt, das schreckt den Bürger eher ab, als dass er sich interessiert zeigt, zuhört, sich seine Gedanken macht, um dann mit seinem gesunden Menschenverstand, die Allermeisten sind damit ausgestattet, die Partei oder den Kandidaten zu wählen, von dem er glaubt in seinen Belangen am besten vertreten zu sein. 

Wenn dies aber nicht in dieser verständlichen Form geboten wird, dann kommt die Stunde der Rattenfänger, der Scharlatane und der Verdreher, die dann mit eingängigen Phrasen, Erfindungen, Lügen und Verglitterungen glauben machen, alle Probleme seien ganz einfach zu lösen, man muss nur Stärke zeigen. Am Glaubwürdigsten ist doch letztendlich der Kandidat oder die Partei, die offen mit den Problemen umgeht und offen sagt, dass nicht alle Verwerfungen und Schwierigkeiten mit einem Federstrich gelöst werden, sondern dass es mühevolle Anstrengungen bedeutet mit den Problematiken fertig zu werden und sie auch gewillt sind, diese den Menschen zuzumuten

Die allermeisten Bürger verstehen und akzeptieren dies, aber nur dann, wenn sie merken es ist ehrlich gemeint und es gibt Fortschritte, auch wenn die manchmal eher klein sind. Um all dieses zu vermitteln, braucht es andere Formate in den Gesprächen in den Talkshows, aber auch im Gegenüber von Politikern mit den Bürgern. Weniger ist da mehr. 

Weniger Themen, ausgesucht nach ihrer Dringlichkeit und mehr Tiefe in den Antworten und hauptsächlich viel konkreter, ohne parteiliche Dauerberieselung. Dabei muss der Bürger wieder merken, dass es allein um ihn und seine Belange geht und nicht in erster Linie darum,  die politische Herrschaft im Land zu erringen, indem man zu viel verspricht, was anschließend doch nicht gehalten werden kann. Es soll hier nicht die eine oder andere Partei an den Pranger gestellt werden, ebenso soll keine Wahlempfehlung gegeben werden, es sei denn man versteht, dass hiermit das Wählen grundsätzlich gesponsert werden soll. Sinn dieser Kolumne ist, auf die allgemeinen Fehler des Wahlkampfs und seiner Durchführung aufmerksam zu machen, in der Hoffnung, dass man gewillt ist, diese abzustellen.

Sinn ist aber auch für das Wählen unbedingt zu plädieren und dabei dem Leser zu vermitteln, welche Kriterien ihn persönlich dabei leiten sollten. Und Sinn ist es die demokratischen Kräfte in unserem Land wieder stärker zu mobilisieren, die allgemeine Wahlmüdigkeit zu überwinden und damit den extremen Rechten keinen breiteren Raum, sprich mehr Bundestagsmandate zu überlassen.  

Letztendlich spielt es keine wirkliche Rolle, welche demokratische Partei über das gesamte Parteienspektrum mehr oder weniger Mandate bekommt, dies soll der Wählerwille entscheiden.  Was wirklich zählt, ist der erschreckende Anstieg der Rechtsradikalen in unserem Land, aber der darf keine tragende politische Rolle spielen. Dies ist überhaupt die eigentliche Bedeutung dieser Bundestagswahl 2017. Rechtsradikalismus, der allein darauf ausgerichtet ist, immer mehr Macht in unserem Land zu gewinnen, hat eigentlich überhaupt keinen Platz in einem deutschen Parlament und schon gar nicht im Bundestag.

Dass dieses jetzt so wahrscheinlich kommen wird, sollte ein unüberhörbares Alarmsignal sein. Wir alle sollten diese Entwicklung sehr ernst nehmen, überlegen, was wir und die Politik falsch gemacht haben, daraus lernen und nachdenken, wie wir dem Rechtspopulismus den Boden entziehen können. 

Und anfangen müssen wir dabei bei uns selbst und nicht auf die Politik warten. Wir Bürger müssen uns gegen den Rechtsradikalismus zur Wehr setzen, jeder einzelne von uns und jeweils im eigenen Umfeld. Wegducken gilt da nicht, auch wenn es manchmal nicht besonders kommod ist und man Farbe bekennen muss. 

Wir leben in einem freien, liberalen Land, wo jeder die Möglichkeit hat, seine Meinung zu äußern, zu kritisieren, ja zu protestieren, friedlich natürlich und wo ein aufgeweckter, junger Mann mit sozialen Ambitionen die Kanzlerin im Fernsehen fragen kann, warum solche unzumutbaren Zustände in der Pflege überhaupt vorhanden sind. Dass Frau Merkel dies nicht gefallen hat, ist klar, aber sie musste es schlucken und ich bin überzeugt, das bleibt nicht ohne Wirkung. Nach der Wahl wird es Bewegung in dieser Thematik geben und alle Parteien werden mit ernst gemeinten Lösungen kommen. Dafür ist der Machtinstinkt gerade der Spitzenpolitiker besonders ausgeprägt, um zu erkennen, wo es auf der ganzen Linie brenzlig werden könnte. 

Aber das ist Demokratie und wenn wieder mehr Menschen sich einmischen, würden solche Missstände gar nicht mehr so lange verwaltet werden. Demokratie lebt von der Bereitschaft mitzumachen, lebt von der Bereitschaft Farbe zu bekennen und lebt von der Bereitschaft stets gegen alle radikale Kräfte zu kämpfen, ob von rechts oder links. Demokratie lebt von der Vielfalt, von Toleranz und Akzeptanz. Alles was dem zuwider läuft, ist undemokratisch und zerstört die demokratische Gesellschaft.

Zugegeben, dies ist wirklich nicht einfach, aber es gibt keine Alternative dazu, auch wenn immer wieder Kräfte kommen, die etwas anderes versprechen: einfache Lösungen, verordnete Glückseligkeit und Reichtum für alle. Dies funktioniert nicht, das führt zu Elend, Zerstörung und zum Untergang wie wir wissen oder zur Staatspleite und zu Stasi-Gefängnissen. Beides sollte in unserem Land endgültig überwunden sein. 

Deshalb der dringend gemeinte Aufruf: Gehen Sie zur Wahl, wenn sie auch glauben, sie würden nichts bewirken können, Sie bewirken doch etwas, jeder der von uns hingeht. Es mag ja nicht gleich der Sieg oder die Kanzlerschaft seines Favoriten sein, aber auf jeden Fall ist es ein Sieg der Demokratie und je mehr Menschen sich per Wahlzettel für diese Demokratie entscheiden, umso geringer haben die Rechtsradikalen eine Chance in größeren Zahlen in den Bundestag zu kommen und dies sollte doch der geringe Aufwand zum Wahllokal zu gehen wirklich wert sein. 

Ab Montag dann darf wieder geschimpft werden und man kann sich aufregen über das nicht genehme Wahlergebnis, allerdings in dem Bewusstsein der Demokratie den Rücken gestärkt zu haben, um dann in vier Jahren erneut zur Wahl zu gehen, ohne Angst, ohne Repressalien, aber voller Hoffnung, dass dieses Mal die eigenen Leute die freien Wahlen gewinnen.  

Peter J. König               

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