Kommt sie oder kommt sie nicht, die ungeliebte große Koalition von CDU, CSU und SPD?
Während nicht nur in Deutschland sondern auch in ganz Europa und dabei speziell in Frankreich Macron darauf wartet, dass unser Land regierungs- und handlungsfähig wird, krümmt sich die SPD in Geburtswehen, und das obwohl noch nicht einmal die Hälfte der politischen Schwangerschaft vorbei ist. Zunächst geht es darum, die Delegierten bei dem am kommenden Sonntag stattfindenden Parteitag in Bonn zu überzeugen, dass das Sondierungspapier angenommen wird und die Mehrheit der Abgesandten der SPD für Koalitionsgespräche mit CDU und CSU stimmen. Dies allein ist schon eine Schwerst-Geburt, bei der die Chancen fifty-fifty stehen.
So bemüht sich die Parteispitze um Martin Schulz und Andrea Nahles auf regionaler Ebene die Delegierten zur Zustimmung zu bewegen, was durchaus sehr unterschiedlich angenommen wird. Schon jetzt haben Landesverbände wie Sachsen-Anhalt und Berlin für die Ablehnung votiert. Die Jusos gar geben den Vorreiter für ein entschiedenes "Nein", da sie die entscheidenden Themen der SPD in dem Sondierungspapier nicht deutlich genug verankert sehen und zudem befürchten, dass durch eine neue "Groko" die Partei nicht nur den Rest ihrer Glaubwürdigkeit verliert, sondern so auch zur Bedeutungslosigkeit verkümmert. Neueste Umfragen besagen, dass die SPD nochmals an Zustimmung verloren hat und nun bei einer Bundestagswahl auf maximal 18% kommen würde.
Die AfD hat erneut zugelegt und käme auf 14% und wäre damit drittstärkste Kraft, denn FDP, Grüne und Linke würden kaum 10% schaffen. Was dies bedeuten würde, wenn aufgrund des Nichtzustandekommen einer großen Koalition in einigen Wochen Neuwahlen stattfinden, soll im Laufe dieser Kolumne noch ausgiebig erörtert werden.
Zunächst gilt es aber die parteiinternen Vorgänge in der SPD zu analysieren. Dabei ist den Parteioberen ein, wie sie glauben, zugkräftiges Argument eingefallen, denn nicht nur die Delegierten am Sonntag sollen ihre Zustimmung zu Koalitionsgesprächen geben, nein, bei einem "Ja" sollen anschließend auch noch die gesamten SPD-Mitglieder befragt werden, um die Sache ab zunicken. Wenn das keine Basisdemokratie ist, nach dem Motto: "Dreimal genäht hält besser".
Stellt sich doch die Frage, warum überhaupt noch die Parteivorstände und Delegierten fragen, da kann man doch gleich die Mitglieder entscheiden lassen?
Dann brauchen wir aber auch keine Abgeordneten mehr, weder in den Landesparlamenten noch im Bund. Dies ist natürlich nicht praktikabel, zudem gefährlich wegen des Populismus und nach dem Grundgesetz auch gar nicht möglich. Die Mütter und Vater des Grundgesetzes waren sich auch aus der Erfahrung der Weimarer Republik sehr wohl einig, dass die Macht im Staat bei den Parlamenten liegt und nicht beim Volk durch entsprechende Volksentscheide.
Deshalb wird gewählt auf allen Ebenen und die Volksvertreter bestimmen nach ihrem eigenen Gewissen, was an Gesetzen und Verordnungen durchzusetzen ist. Ein Procedere á la SPD ist nicht vorgesehen, dass die Entscheidungen in den Parlamenten noch einmal durch Volksabstimmung abgesegnet oder verworfen werden. Rechtlich ist diese Vorgehensweise innerhalb einer Partei möglich, es zeigt aber doch wie verunsichert, anfällig und wenig stabil eine solche Parteien-Struktur ist, wenn Herr Schulz und seine Führungsmannschaft nach dem Votum zu Koalitionsgesprächen, dieses von den Delegierten und schließlich noch von den Mitgliedern wieder kassiert werden kann.
Hier handelt es sich nicht um selbstbewusste Politiker, die auf Grund ihrer Wahl die Partei vertreten, sondern um unsichere Zauderer, die eher als Marionetten fungieren, und nicht als Parteiführer, die von ihrer Sache überzeugt sind und notfalls auch ihren Kopf, sprich ihr Amt riskieren, was bei einer Ablehnung durch die Partei sowieso der Fall wäre.
Vielleicht ist es ja gerade diese Verunsicherung seit Jahren an der Spitze der SPD, dass sie nicht mehr als entscheidende Kraft in Deutschland wahrgenommen wird und sie die Hälfte ihrer Wählerschaft über die Jahre seit Schröder verloren hat. So konnte sich mit den "Linken" eine Partei links von der SPD etablieren, um so das Potential der Linkswähler zu spalten. Früher einmal, und dies über mehr als hundert Jahre, waren die Sozialdemokraten für "den kleinen Mann", aber auch für Linksliberale uneingeschränkt die politische Kraft, von der sie sich vertreten fühlten, für die sie auf die Straße gingen. Natürlich auch weil Frauen und Männer an der Spitze selbstbewusst und unbeugsam ihre politischen Thesen vertreten haben und selbst KZ und Ermordungen unter Hitler für ihre Ideen nicht scheuten. Davon ist die heutige SPD meilenweit entfernt.
Die Führungsspitze muss quasi mit der Basis drohen, damit die Delegierten einen ersten Schritt zu Koalitionsverhandlungen billigen, um schließlich das Votum den einfachen Mitgliedern zu überlassen. Falls es schließlich doch zu einer großen Koalition kommen sollte, was zwar nicht unwahrscheinlich doch mehr als unsicher ist, sollen in diesem Fall bei schwierigen Entscheidungen in der Regierung und im Parlament auch erst die Mitglieder gefragt werden? Ein absurder Zustand und alles andere als eine verlässliche Politik. So kommen bestimmt kein Aufbruch und kein Neuanfang in unserem Land zustande, wenn die SPD sich einerseits mit den Schwarzen rumschlagen muss und andererseits mit zwei Augen immer wieder auf die Basis und die Wählerschaft schielt.
Und doch muss die SPD diesen Weg gehen, wenn es irgendwie zu einer stabilen, kalkulierbaren Regierung kommen soll, die eine nötige soziale Gewichtung vorweisen kann. Und hier liegt die Chance für die Sozialdemokraten, zu beweisen, dass sie noch immer eine wichtige Kraft in unserem Land sind, dass sie Verantwortung tragen können für die Menschen in Deutschland und Europa, und dass sie gewillt sind auch unter schwierigsten Bedingungen sich gegen den Rechtsradikalismus, die Fremdenfeindlichkeit und den immer stärker werdenden Nationalismus zu stellen. In dieser Stunde wird die SPD gebraucht, mehr denn je in den letzten Jahrzehnten, denn wenn Europa noch ein zukunftsträchtiges Projekt für uns alle bleiben soll, und ohne dieses gemeinschaftliche Projekt spielen wir auf dem alten Kontinent kaum noch eine bedeutende Rolle in der Welt, also wenn Gemeinsamkeit und Eintracht und nicht nationalistische Zwietracht unsere Zukunft sein soll, dann führt kein Weg an einer baldigen großen Koalition vorbei, und zwar schnell.
Diese Notwendigkeit ist so unumgänglich, sowohl innen- als auch außenpolitisch, denn zu dem jetzigen Zeitpunkt garantiert nur eine Koalition von CDU, CSU und SPD eine sichere Zukunft, nachdem die Jamaika-Variante gestorben ist. Die politischen Herausforderungen und nationalistischen Verwerfungen in ganz Europa, ja in der ganzen Welt, machen eine deutsche Politik notwendig, die dieser Entwicklung entgegen wirkt, verlässlich ist und Vertrauen ausstrahlt, gerade in die Länder Osteuropas, die von nationalistischen Infiltrationen zurzeit stärker geprägt sind.
Und da ist die SPD gefragt, hier muss sie staatspolitische Verantwortung zeigen und sich nicht ausschließlich um die vermeintliche Genesung der Partei in der Opposition kümmern. Denn eine Mitgliedschaft in der Regierung ist sowieso der einzig vernünftige Weg raus aus der innerparteilichen Krise, wenn die Menschen im In- und Ausland erkennen, dass es gerade die SPD ist, die mit ihrer Bereitschaft Verantwortung zu tragen, für Stabilität, Entwicklung und Stärke in Europa und mit in unserem Land sorgt, anstatt sich wieder einmal nur mit sich selbst zu beschäftigen.
Denn was wäre die Alternative, wenn tatsächlich die "Groko" nicht Wirklichkeit würde und demnächst Neuwahlen anstünden? Allein die Tatsache, dass weder Jamaika noch "Groko" dann zustande gekommen ist, wäre ausgiebig Wasser auf die Mühlen der Rechten. Sie sprechen ja eh die Regierungsfähigkeit den alten Parteien ab, um dem Volk zu suggerieren, die neue Bewegung muss ans Ruder, die AfD, um dann federführend all die Probleme zu lösen, die unser Land so maßgeblich erschüttern sollen. Das Heil soll dann in rechtsradikaler Gesinnung, Abschottung und nationalistischer Stärke zu finden sein, alles vergiftete Parolen, die Deutschland schon einmal ins Verderben gestürzt haben. Und das Problem besteht darin, dass in vielen Ländern Europas und besonders im Osten diese verbalen Verführungen immer mehr Anhänger finden, so als hätte es die Geschichte vor und nach 1933 nie gegeben.
Sollte es tatsächlich zu Neuwahlen kommen, so ist mit einer ähnlichen Situation wie in Frankreich zu rechnen, wo es Marine Le Pen vom Front National, dem rechtsradikalen Pendant zur AfD, fast gelungen wäre, Präsidentin der Franzosen zu werden. Nur Macron mit seiner überparteilichen Bewegung "La République en Marche" ist es gerade noch geglückt die rechtsradikale Le Pen zu verhindern. Doch wer spielt hierzulande die Rolle von Macron? Weit und breit nichts und Niemanden zu sehen! Eine solche Entwicklung darf nicht zugelassen werden, darum muss auch die "Groko" her, so wenig sie auch momentan bei den Menschen favorisiert wird. An der SPD hängt es nun zu entscheiden, welchen Weg unser Land aber auch Europa gehen wird. Entweder gibt es mit Macron eine Erneuerung und Weiterentwicklung der europäischen Idee, wobei durchaus auch falsche Verkrustungen in Form von Überbürokratie aufgebrochen werden müssen, oder es folgt ein Zurück in das Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, das geprägt von nationalistischer Egomanie, letztendlich zwei verheerende Weltkriege hervorgebracht hat. Und glauben Sie nicht, dass dies alles nicht mehr möglich ist. Die Menschen vergessen schnell, zudem sind sie immer wieder bereit, die gleichen Fehler zu machen, besonders wenn sie glauben, es sei zu ihrem Vorteil.
Zunächst gilt es ein stabiles politisches Fundament zu organisieren und dies mit Hilfe der SPD und den beiden christlichen Parteien. Dass dies alles andere als einfach wird, dürfte hier hinreichend erklärt worden sein. Doch es führt kein Weg daran vorbei, und man kann nur hoffen, dass die Vernunft in der SPD die Oberhand gewinnt. Und eins ist dabei doch auch klar, sowohl Merkel als auch Seehofer sind ebenfalls angezählt, denn auch sie benötigen die große Koalition und nicht nur wegen des Erfolgs der Politik der Mitte, sondern auch wegen ihrer persönlichen Erfolgsbilanz nach so vielen Jahren, wenn jetzt schon abzusehen ist, dass sich ihre politischen Karrieren dem Ende zuneigen. Da möchten sie nicht wie geprügelte Hunde vom Hof gehen sondern mit Würde und einem letzten Erfolg. Und genau da liegt die Chance der SPD und ihrem sozialen Programm.
Wenn die Menschen spüren, dass es die SPD war, die mit Augenmaß und auch dem geeigneten wirtschaftlichen Verständnis, gemeinsam mit CDU und CSU die Probleme hierzulande angepackt hat und Europa mit Macron auf einen neuen, zukunftsträchtigen Weg führt, dann wird es auch bei der langen, oft schmerzvollen Erfahrung mit Angela Merkel nicht mehr so schwer sein, den Menschen deutlich zu zeigen, dass es die SPD war, die in der Stunde der Herausforderung Verantwortung gezeigt hat und dabei für die Menschen im Land bereit war zu kämpfen und zu wegweisenden Lösungen ihrer Probleme mit beizutragen. Dann klappt es auch wieder mit steigenden Wahlergebnissen, denn eine Vielzahl von Wählern der linken und rechten Ränder erkennen zwangsläufig, dass für sie doch die beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD die beste politische Lösung sind und wer zweifelt dann noch daran, dass die SPD auch immer ein verlässlicher Garant für die Demokratie und die Balance in unserem Land ist.
Peter J. König
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