Samstagskolumne Peter J. König, den 14.1.2012

Nach der "causa Wulff " zurück zu den elementaren Problemen unserer Tage.

Hatten sich letzte Woche nur dunkle Wolken über dem Schloss Bellevue zusammengezogen, so scheint jetzt allmählich die Götterdämmerung anzubrechen. Es wird eng für den Bundespräsidenten Christian Wulff, die Stimmung kippt, sowohl im politischen Berlin als auch bei der Bevölkerung bundesweit.


War bisher ohnehin die Unterstützung seiner eigenen Partei und besonders deren Granden nur äußerst verhalten, auch die Opposition hatte explizit bislang nicht seinen Rücktritt gefordert, so werden mittlerweile immer mehr Stimmen aus den eigenen  Reihen  laut, die diesen postulieren.


Sehr aussagekräftig war das Bild beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten für das Bundeskabinett, als die Bundeskanzlerin vor den zahlreichen Journalisten und Fotografen schon demonstrativ von Wulff wegrückte, als ob dieser irgendetwas Ansteckendes habe.


Bilder sagen oftmals mehr als Worte. Wo doch Frau Merkel sich mit solchen die letzten Tage sehr zurückgehalten hat oder sich zumindest bedeutungsoffen bei ihren Erklärungen gab. Rückendeckung unter politischen Freunden sieht weiß Gott anders aus.


Dabei wird die Demontage des ersten Staatsdieners in unserem Lande weiter fortgesetzt. Erneut fragt die Bildzeitung nach dem Verhalten bei  Bonusmeilen seitens Christian Wulffs. Wird sich herausstellen, ob dieser als niedersächsischer Ministerpräsident Bonusmeilen, die durch beruflich bedingte Flugreisen bei Lufthansa gutgeschrieben wurden, anschließend von ihm privat abgeflogen worden sind? Dies ist ein Stolperstein, der einst Cem Özdemir sein Führungsamt bei den Grünen gekostet hat.


Auch Wulffs Beziehungen zu einem jungen erfolgreichen Filmproduzenten, der ihm die Nähe zu Stars und Sternchen der Filmbranche erlaubt hat, mit der Folge, dass Wulff für die Filmförderung im CDU-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2005 eintrat, übrigens dem einzigen kulturpolitischen Punkt in diesem Programm, lässt aufhorchen. Wenn man dann noch erfährt, dass dieser Filmproduzent einen Galaabend im Luxushotel Adlon in Berlin ausgerichtet hat, bei dem der ehemalige Ministerpräsident für sein Engagement von der Filmbranche gefeiert wurde, dann fällt doch auf, wie sehr er sich vom Glamourösen angezogen fühlt und die Nähe der „Bunten“ und artverwandter Blätter suchte.


Zu diesem Zeitpunkt hatte er auch längst entschieden, den Medienaufzug der BILD-Zeitung zu betreten, um mit ihm dank positiver Berichterstattung, inklusive sogenannter Home-Storys, ganz nach oben in den Olymp der Medienpräsenz zu fahren. Wie hat einst jedoch Herr Döpfner, der Vorstandvorsitzende des Springer-Konzerns sinngemäß gesagt: Wer mit der BILD-Zeitung im Aufzug nach oben gefahren ist, fährt auch mit ihr wieder nach unten, was so viel heißen soll, wer sich mit der Bildzeitung einlässt, um sein politisches Image positiv zu verbreiten, der muss auch damit rechnen, dass bei „bad-news“ die Bild die erste ist, die diese lautstark verkündet.

Dieses alles scheint Wulff nicht verstanden zu haben, wenn er glaubte, durch einen Anruf bei Herrn Döpfner, die bevorstehende Veröffentlichung des Bildartikels zur Finanzierung seines Hauses verhindern oder eventuell zeitlich verschieben zu können. Glaubte er wirklich an Freundschaft mit den Herren dieses Mediums, nur weil sie ihm einst positive Zeilen gegönnt haben?

Man selbst mag dieses gar nicht glauben, bei einem Politiker, der schon so lange im Geschäft ist, der harte Wahlkämpfe gegen seinen Erzrivalen Schröder geführt hat, und dieser war bekannt dafür bestimmt nicht besonders zimperlich zu sein.

Irgendwie ist das alles doch sehr merkwürdig.

Jedenfalls denke ich, dass die Tage für Wulff als Bundespräsident gezählt sind und es würde mich wundern, wenn er die nächsten 14 Tage im Amt übersteht. Ich gehe davon aus, dass er während dieses Zeitraumes das Handtuch wirft und seinen Rücktritt erklärt, da auch nicht auszuschließen ist, dass noch andere „Brandbeschleuniger“ ins lodernde Feuer gegossen werden.

Schon spricht man auf den Fluren des Bundestages und in den großen Zeitungsredaktionen von potentiellen Nachfolgern. Man hört von Verteidigungsminister Lothar de Maizière, dem Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag Walter Steinmeier oder auch dem ehemaligen CDU- Umweltminister Klaus Töpfer, der später als Direktor der UNO für Umweltfragen in Nairobi tätig war.

Auch hier möchte ich mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg halten. Die ersten beiden genannten Personen sind viel zu wichtig und zu erfahren für die aktuelle Politik, als dass wir auf sie im Tagesgeschäft des Parlamentarismus verzichten könnten. Zudem besitzen sie die notwendige Kraft und den makellosen Charakter, um jeweils durch ihre Parteien Positives für das Land zu bewirken. Um es kurz zu machen, beide sind befähigt, einmal das Amt des Bundeskanzlers auszuüben. Solche Köpfe gibt es nicht allzu viele in den Parteien, deshalb benötigt man sie als Gestalter in der aktiven Politik und nicht als repräsentative Würdenträger.

Dies kann ich mir aber sehr wohl bei Herrn Töpfer vorstellen, zumal er als hoher Repräsentant bei der UNO international grosses Ansehen erworben hat, er hervorragend mit Menschen umgehen kann und er über das entsprechende Alter verfügt, das dem Amt auch äußerlich die Würde verleiht, die es verdient.

Patchwork war gestern und birgt außerdem die Gefahr, dass gute Freunde mit Geschenken kommen, um bei eventuellen Engpässen helfend zu überbrücken.

Wir sind jedoch noch nicht so weit und warten insofern einen Schritt nach dem anderen ab.

Jetzt will ich all jenen recht geben, die meinen, es sei genug um die „causa Wulff“ , dass es wirklich große Herausforderungen für unser Gemeinwesen gibt, die es verdienen, breit in der Presse und in der Öffentlichkeit diskutiert zu werden.

Wer glaubt, wir seien in Europa mit der Krise der Staatsfinanzen über den Berg, weil gestern sowohl Italien als auch Spanien am internationalen Geldmarkt hohe Milliardenkredite für relativ günstige Zinsen, etwa die Hälfte wie noch zu Ende des letzten Jahres, erworben haben, der wurde heute eines Besseren belehrt.

Vor wenigen Stunden hat die erste Rating-Agentur von den drei marktbeherrschenden angekündigt, dass sie die Bonität der meisten südeuropäischen Staaten also auch von Spanien, Portugal und Italien aber auch von Frankreich, der zweitgrößten Volkswirtschaft im EURO-Raum herabsetzen wird. Erneut ein Dilemma für die Finanzierung durch Staatsanleihen. Über Griechenland brauchen wir in Bezug auf monetäre Fortschritte überhaupt nicht zu reden, denn der Schuldenschnitt seitens der privaten Gläubiger lässt auf sich warten. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass 50 % zum Schuldenerlass bei Weitem nicht ausreicht. Zeit jedoch hat Griechenland nicht mehr, die Wirtschaft schrumpft und die geliehenen Milliarden sind bald aufgebraucht. Eine Pleite des Landes ist in greifbarer Nähe. Offen wird mittlerweile über den Austritt von Griechenland aus dem Euroverbund gesprochen.

Der Weg führt unweigerlich zurück zur Drachme, ein Weg mit allen negativen Folgen, die schon im letzten Jahr sehr eindringlich geschildert wurden.


Ein kurzes Wort noch zur wirtschaftlichen Lage bei uns, in Europa und in der Welt. Klar ist, dass wir auf eine Rezession hinsteuern, weltweit, aber mit unterschiedlichen Wirkungsgraden in den einzelnen Ländern. Die Fachleute gehen davon aus, dass Deutschland nur kurz davon betroffen sein wird, etwa die nächsten zwei Quartale und es anschließend wieder wirtschaftliche Zuwächse geben wird.

In vielen Ländern Europas sieht dies jedoch anders aus, da sie schon seit einigen Monaten in der Rezession stecken. Eine Rezession besteht dann nach der Definition der Wirtschaftswissenschaftler, wenn über zwei Quartale und mehr kein wirtschaftliches Wachstum mehr stattfindet, insofern würden wir nur eine kurze Rezession erleben, viele andere Europäer jedoch eine langanhaltende und damit in der Regel auch eine tiefergehende. Weltweit sieht es auch nicht besser aus. Da gibt es auch nur ein geringes wirtschaftliches Wachstum, wenn überhaupt.

Also konzentrieren wir uns wieder auf diese elementaren Fragen, nehmen den Rücktritt von Herrn Wulff gelassen hin und schauen gespannt in die Zukunft, da die Weichen für die Bundestagswahl 2013 ja schon jetzt gestellt werden. Zudem stehen die USA am Anfang eines Präsidentenwahlkampfes, was auch nicht unerheblich für die weltweite politische Entwicklung ist und mit dem Auftritt der Tea-Party versucht eine ultraorthodoxe Gruppierung das Rad der Geschichte in den Vereinigten Staaten zurückzudrehen. Wenn man sich damit befasst, bleibt aus europäischer Sicht nur ein verständnisloses Kopfschütteln und ein gutes Glas Rotwein, um dieses alles zu reflektieren.

Peter J. König

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