Samstagskolumne Peter J. König 02.06.2012

Selbst die  Fußball Europameisterschaft ist nicht nur reine europäische Freude.


Frankreich hat  wieder einmal  gezeigt, welches ausgeprägte Demokratieverständnis  in diesem Land, bei seinen Bürgern und besonders nach dem Wechsel von Sarkozy zu Hollande, in der Regierung vorherrscht. Die französische Administration hat eindeutig ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass sie mit dem Mangel an Demokratie und fehlender Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine nicht einverstanden ist. Deshalb hat sie Janokowitsch,  dem ukrainischen Machthaber und seinen Spießgesellen klar ins Gesicht gesagt, dass sie bei seiner Propagandashow, im Zuge der Fußball Europameisterschaft  nicht gewillt ist, ihm auch noch den Jubelperser zu spielen, dies will man anderen "lupenreinen"  Staatsmännern und Frauen überlassen. 

Hier hat die französische Regierung eine klare Haltung eingenommen, wenn sie ankündigt, dass kein Minister des Kabinetts Hollande zu diesem sportlichen Groß Ereignis in die Ukraine fahren wird, nach Polen jedoch sehr gerne, da es nicht um die Herabwürdigung des Fußballs  geht, dafür sind die Franzosen viel zu leidenschaftliche Anhänger dieses Spiels, und in der Vergangenheit auch oftmals sehr erfolgreich mit Europameister- und Weltmeistertitel nach Hause zurückgekehrt. Nein, es geht ihnen darum nicht nur Lippenbekenntnisse bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte abzulegen, sondern eindeutig zu zeigen, wie ernst es ihnen damit ist, selbst wenn diese Maßnahmen  ansonsten auf wenig Gegenliebe bei den anderen europäischen Kollegen stößt.

Meines Erachtens muss man diese Entscheidung auch im Zusammenhang mit der Erklärung des UEFA-Präsidenten dem Franzosen Michel Platini sehen, einem der ganz Großen in diesem Sport, in einem Atemzug mit Pele oder auch Beckenbauer zu nennen, der in seiner Stellung als oberster Funktionär des europäischen Fußballverbandes sinngemäß gesagt hat, dass der Verband sich um die sportlichen Belange kümmert, und die Politik den Politikern überlässt. Selbstverständlich ist dieses Statement diskussionswürdig,  denn Spitzensport in seiner heutigen Form, und besonders bei solchen Großereignissen hat auch immer etwas mit Politik zu tun, da können sich weder Verbände noch die Sportler selbst nicht einfach so schleichen.

 In diesem Zusammenhang muss ich jetzt einmal Philipp Lahm, den Kapitän unserer aktuellen Nationalmannschaft loben, der eindeutig Stellung zu diesen Menschenrechtsverletzungen bezogen hat, indem er sie öffentlich anprangerte, und selbst die UEFA aufforderte das Gleiche zu tun. Platini hat ihm darauf geantwortet, er brauche Lahms Kommentierung nicht, um seine Haltung einzunehmen.  Diese Art von kleinkarierter  Wadelbeißerei zeugt nicht von Führungsstärke, und so musste die französische Regierung  schon deshalb ihre klare Haltung zum Ausdruck bringen, natürlich um die Rechtsstaatlichkeit einzufordern, aber auch um die Äußerungen von Platini in ein akzeptables Licht  zu rücken, um so eine Strategie erkennen zu lassen, nach dem Motto, da der Präsident ja  klar politisch voran marschiert ist, bleibt mir nur noch das sportliche Terrain für Erklärungen.   
Sei  es drum, jedenfalls hat Wolfgang  Niersbach, der neue Präsident des Deutschen Fußball Bundes mehr Rückgrat bewiesen, seine Haltung ist da eindeutig, kein Rumgerede bei dem Verhalten der Regierung Janokowitsch, klare Trennung zwischen dem Ereignis und der Clique, die momentan die Ukraine beherrscht.
Wünschenswert wäre es gewesen, wenn die demokratischen Regierungen Europas  sich schon nicht zu einer Verlegung der Spiele aus der Ukraine in ein anderes Land entscheiden können, doch zumindest sich mit einer gemeinsamen Haltung a la Frankreich gezeigt hätten, nach dem Motto, in diesem Fall zeigen wir gemeinsam Flagge. Wenn es Janokowitsch ernst meint, mit einer Annäherung an das restliche Europa, dann muss er zuerst die demokratischen Spielregeln dieses Verbundes akzeptieren.  Aber vielleicht geht es gar nicht diesem Despoten um die Eingliederung nach Europa, vielleicht glaubt er unter dem Schutz Putins das Land besser ausrauben zu können. Da sei er aber dringlich gewarnt, denn wie man in der Vergangenheit gesehen hat, war so mancher Freund Putins sehr bald sein ärgster Feind, mit lebenslanger Einweisung in den Gulag, ohne auch nur einen Rubel seiner Beute sicher zu haben.

Zudem hat die Ukraine genug von der Bevormundung durch Russland, eine Sowjet-Union reicht ihnen für allemal. Da es um die Menschen in der Ukraine geht, und nicht um ein paar verbrecherische Halsabschneider, muss Europa mit seinem ganzen Gewicht auftreten, da sollten auch die Parteizugehörigkeiten der einzelnen Regierungen  keine Rolle spielen, besonders nicht zwischen Frankreich und Deutschland, hier geht es um Fundamentales, hier ist eine gemeinsame Haltung gefordert, die auch in eine gemeinsame Aktion mündet. Wie einfach wäre es doch, auch in diesem Fall, ein gemeinsames europäisches  Staatengebilde  zu haben, mit einem Außenminister, der für uns alle spricht, und der dann hundertprozentig nicht mehr Westerwelle heißt.
Wenn wir von der gemeinsamen, nicht vorhandenen Außenpolitik uns auf das nicht vorhandene Feld der gemeinsamen Wirtschaftspolitik bewegen, überwinden wir eine beträchtliche Fallhöhe, und zwar nach unten. Hier steht der Europäischen Union, und speziell dem Währungsverbund eine unmittelbare Bedrohung bevor. Griechenland wählt am 17. Juni eine neue Regierung, von der man nicht weiß, ob sie nicht  sofort aus der Währungsunion austritt, mit unkalkulierbaren Folgen für die verbleibenden Euroländer mit dem enormen Schuldenberg, mit der Krise der spanischen Banken, die händeringend um frische Milliarden betteln, und das möglichst direkt von der EZB, zu einem Zinssatz von 1%, ohne dass sich die spanische Zentralbank dazwischen schaltet  und auch noch einmal üppige Zinsen kassiert.

In den letzten Tagen wurde bekannt, dass Anleger in großem Stil ihre Investitionen aus Spanien abgezogen haben, man spricht von der gewaltigen Summe von über 100 Milliarden, welcher Aderlass für die spanische Wirtschaft.  Da drängt sich doch die Frage auf: wann wird Spanien die Eurozone verlassen wollen, oder sogar müssen, um wieder am internationalen Wirtschaftsmarkt wettbewerbsfähig zu sein, aber mit welchen Produkten? Der Bauboom in Spanien hat nicht nur hässliche  Bauruinen an der Küste und in den Randgebieten der spanischen Städte hinterlassen, nachdem die Blase geplatzt war, nein, sie hinterlässt auch eine tiefe Verunsicherung bei den Menschen, besonders bei den jungen Menschen, die gut ausgebildet, keine Zukunft für sich sehen, zumindest nicht in ihrem Heimatland.
Und weiter geht es, wie sieht es mit Portugal aus, wie mit Italien?  Dies sind Fragen, die heute noch keiner beantworten kann. Momentan können wir nur eine Frage beantworten, und diese lautet: wie geht es Deutschland zurzeit? Antwort: Prächtig, zumindest wirtschaftspolitisch gesehen, da zwar unsere Exporte in die südeuropäischen Länder  im ersten Quartal um 7 bis 8% rückläufig waren, unsere Ausfuhr aber nach Asien und Amerika  zwischen 10 und 20% zugelegt hat. Um ein Fazit aus europäischer Sicht vorzunehmen,  vergrößert sich das Gefälle zwischen Deutschland und den meisten anderen europäischen Staaten zusehends, mit der Folge eines immer stärker werdenden Ungleichgewichts im Euroverbund. Was ist zu tun?
Leider komme ich nicht umhin zu sagen, dass wir diese Gemengelage nur auf Dauer überwinden können, indem wir, ähnlich wie in der Bundesrepublik, Ausgleichszahlungen zwischen den einzelnen Ländern in der EU vereinbaren, was natürlich in einer politischen Union viel sinnvoller  wäre, und den Menschen in den unterschiedlichen Regionen auch dann viel besser zu vermitteln ist, denn wie will man einem Geberland plausibel machen, dass es zwar ungeheure Summen abdrücken  muss, ohne jedoch einen direkten Einfluss auf die Nehmerländer zu besitzen, ein Zustand, der sich ja aktuell in der Griechenland-Krise darstellt, mit bekanntem, unsicherem Ausgang.  
Trotzdem sind wir gezwungen, entsprechende Transferleistungen zu tätigen, unsere gemeinsame Zukunft in Europa und in der Welt hängt davon ab. Also, stellen wir uns jetzt darauf ein, wenn es auch anfänglich weh tut. Langfristig dient es unserer eigenen Sicherheit und unserer zu bewältigenden Zukunft, und wenn die, zugegebenermaßen, großen Anlaufschwierigkeiten erst einmal überwunden sind, wenn die Vorurteile den Menschen gegenüber aus anderen Regionen Europas, dem Bewusstsein  gewichen ist, welche Fülle an humanem Reichtum  wir alle in diesem Projekt "Vereinigte Staaten von Europa" eingesammelt haben, dann wird auch der letzte Euromuffel sagen, es war gut so, dass wir es gemacht haben.

Peter J. König

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen