Morgen ist es soweit, denn am morgigen Sonntag wird bei der
Wahl in Griechenland entschieden, ob die
Griechen im Euroverbund bleiben werden, und welche Konsequenzen sich durch einen
eventuellen Austritt aus der gemeinsamen
Währung für das gesamte Währungssystem auftun. Hier gibt es die unterschiedlichsten Prognosen
seitens der Fachleute. Die einen sehen
den Euro schon untergehen, und damit auch die Europäische Union am Ende, andere
glauben, dass die gemeinsamen Institutionen stark genug sind, um die Rückkehr
Griechenlands zur Drachme unbeschadet zu
überstehen.
Tatsache ist, dass sowohl die Länder des gemeinsamen Euro, als auch
die flüchtenden Griechen mit extremen
wirtschaftlichen und monetären Folgen rechnen müssen. Die griechische
Wirtschaft wird noch weitaus stärker einbrechen wie bisher. Dazu kommt noch bei
der Umstellung vom Euro auf die Drachme ein enormer Wertverfall aller
Sparguthaben, aller Unternehmen und
Immobilien, bis hin zu allen Vermögenswerten, die der einzelne Bürger als
Rücklage zur Seite gelegt hat. Auslöser dieses Verfalls wird die starke
Abwertung der Drachme gegenüber dem Euro sein.
Griechenland wird einen Staatsbankrott erleben, denn bisher
haben sie die letzte Zeit nur noch mit den Subventionsgeldern aus der EU diesen
Bankrott verhindern können. Daraus folgt eine weitere, rasch zunehmende
Verelendung des Landes, mit der Gefahr, dass die Menschen sich radikalisieren.
Dieses ist der Nährboden für alle extremistischen Kräfte, von denen es in
Griechenland reichlich genug gibt. Es wird zu einem Machtkampf zwischen der extremen
Rechten und der extremen Linken kommen, der natürlich auf der Straße
ausgetragen wird, mit der Folge, dass das Chaos das Land auf eine Zerreißprobe
stellen wird.
Dies ist dann die Stunde des Militärs. Sie werden die Macht übernehmen, wie schon einmal in den 1970er
Jahren, und dahin ist es mit der Demokratie
in Griechenland wohl für einen
längeren Zeitraum. Außerdem werden die reichen Familien weiterhin ihre Pfründe
steigern können, dafür werden die Generäle schon sorgen, für sie fällt ja auch
genug dabei ab. Dass das Volk noch mehr
leiden wird, ist keine Frage, aber wie kommen die anderen Europäer damit klar,
dass im Herzen unseres Kontinents sich erneut eine Militärdiktatur etabliert
hat?
Da die Griechen auch ihre Schulden von astronomischer Höhe
nicht mehr zurückzahlen werden, sind jetzt die Bürgschaften gefordert, mit den
entsprechenden Belastungen der einzelnen Haushalte der Geberländer. Wird dieses
alles überhaupt noch tragbar sein, oder werden
auch die starken Volkswirtschaften dadurch in die Knie gehen?
Fragen über
Fragen und keine definitiven Antworten. Fakt ist jedenfalls, dass eine der weltgrößten Handelsketten, nämlich
die französische Gesellschaft Carrefour ihr Engagement in Griechenland just in
dieser Woche beendet hat. Sie hat ihre Einkaufszentren an eine griechische
Unternehmers Familie verkauft, die
wiederum als Franchisenehmer die Märkte weiterführen wird. Für Carrefour
scheint das unternehmerische Risiko zu groß geworden zu sein. Immerhin wurden
etwa 3% ihres Gesamtumsatzes also über zwei Milliarden Euro in diesem Land
generiert und trotz eines Verlustes von zweihundert Millionen durch diesen
Rückzug scheint ihnen dieser Schritt dringend geboten. Andere ausländische
Großunternehmen planen ähnliches. Dieses sind nur die ersten Schritte, aber man
sieht schon deutlich um welche enormen Summen es sich hier handeln wird.
Offiziell sind sowohl die Politik, als auch die Notenbanken
der wichtigsten Industrienationen für alle Eventualitäten gerüstet, heißt es
rund um den Globus. Aber überall ist Nervosität zu spüren. Angela Merkel fliegt
erst mit Verspätung zum ab morgen stattfindenden G20-Gipfel nach Mexiko. Sie
möchte Deutschland wohl erst verlassen, wenn absehbar ist, wie die Griechen
sich entscheiden werden. Im Falle eines griechischen Dilemmas will sie wohl
lieber von Berlin aus die Notmaßnahmen dirigieren. Dies macht mehr Sinn, als
fernab in Mittelamerika zuzusehen, wie unser europäisches System angeschossen
wird.
Unübersehbar stehen wir am Vorabend einer wichtigen Entscheidung. Nicht umsonst kommen
aus allen Ländern der EU dringende Appelle an die griechische Bevölkerung, sich
für den Verbleib im Euroverbund zu
entscheiden, und diese Parteien zu
wählen, die sich dafür ausgesprochen haben. Selbst Brüssel
und der IWF signalisieren, dass im Falle des Verbleibs, die Griechen mit
weiteren großzügigen Hilfen rechnen können, damit das Land wieder auf die Beine
kommt. Allerdings muss man hierbei hinterfragen, welche Gedanken diese Institutionen
umtreiben? Wovor haben diese internationalen Geldgeber
mehr Angst? Sind es wirklich die
Menschen und ihr Schicksal, die im Focus dieser Technokraten stehen, oder
trauern sie nicht vielmehr dem riesigen Geldhaufen nach, der bei dem Austritt
den Bach hinuntergeht , mit den unabsehbaren Folgen, selbst für diese Herrschaften.
Interessant finde ich
ein Interview in der heutigen Ausgabe der FAZ mit einem der bedeutendsten Ökonomen
der Welt, der ebenso wie ich in meiner letzten Kolumne, nachgeführt in einem
besonderen "PS", zu dem Ergebnis kommt , dass der Moment eines politischen Zusammenschlusses in Europa jetzt
sehr günstig ist. Bedingt durch die Staatsschuldenkrise sind die europäischen
Staaten mehr denn je bereit, ureigene Kompetenzen an übergeordnete Gremien, die
natürlich demokratisch gewählt worden sind, abzugeben.
Dies ist der wirklich
erste entscheidende Schritt hin zu der notwendigen politischen Einigung. Die
Menschen in Europa müssen es wollen, erst dann kann man sinnvollerweise über das Procedere verhandeln. Dabei spielt es
keine so entscheidende Rolle, bis ins kleinste Detail festzulegen, ob die
Schulden der Länder jetzt auf alle verteilt werden, oder ob sie weiterhin bei den einzelnen Ländern verbleiben.
Entscheidend ist, dass das gesamte gemeinsame Gebilde vernünftige
Aufstiegschancen entwickeln kann.
Dazu ist es natürlich notwendig, dass die
Schwachen entsprechende Hilfen von den Starken erhalten. Solche
volkswirtschaftlichen Verwerfungen wie in Griechenland, aber auch in anderen assoziierten
Ländern, sind dann viel besser in den Griff zu bekommen, damit nicht einige
wenige reiche Familien mit den Ressourcen des Landes umgehen können, wie es für
ihren Geldbeutel am besten ist, und die Steuerzahler anderer Länder die Defizite
ausgleichen müssen, während die Reichen dieser Länder, so geschehen jetzt im
Zuge der griechischen Tragödie, sich eine teure Immobilie nach der anderen in Deutschland, in London oder in der Schweiz
zulegten, häufig noch von den in Griechenland nicht bezahlten Steuergeldern
finanziert.
Dies ist dann alles nicht mehr möglich, ein gemeinsames effizientes
europäisches Finanzamt wacht darüber. Wenn dann noch starke politische,
demokratische Institutionen darauf schauen, dass mit den gemeinsamen Steuergeldern
kein Schindluder getrieben wird, ganz im Gegenteil, sie sehr effizient und sparsam
eingesetzt werden, wird vielleicht sogar das Märchen von der Steuersenkung
wahr, zumindest ein bisschen. Allmählich
komme ich ins Schwärmen, bei solch wunderbaren Gedanken, und ich könnte immer
weiter machen. Aber nein, die Lage ist zu ernst. Ab Montag wird sich zeigen, ob
die politischen Anstrengungen der letzten Jahrzehnte um die europäische
Einigung zu einem festen Fundament
geführt haben, oder ob alles mit einem großen Knall, ähnlich wie ein
zerstochener Luftballon zerplatzen wird.
Wie ich auch schon in meiner letzten Kolumne geschrieben
habe, werden viele Menschen in unserem Land von dieser schicksalshaften
Entscheidung gar nichts mitbekommen, da
sie durch das bisherige Abschneiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei
der EM positiv traumatisiert sind und nur noch vom Titel träumen. Dieser Traum
sei ihnen gegönnt, denn viele von ihnen sind diejenigen die als erste darunter
leiden müssen, wenn sie durch einen politischen Knall aus ihrem Fußballtraum jäh geweckt, in einen wirtschaftlichen
Alptraum versetzt werden.
Peter J. König
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