Samstagskolumne Peter J. König 28.07.2012

Olympia eine friedliche Illusion?

Eigentlich sollten alle Waffen ruhen, alle militärischen Konfrontationen zurzeit eingestellt sein. Seit 0.12 Uhr am heutigen 28igsten Juli sind die dreißigsten Olympischen Spiele der Neuzeit von Ihrer Majestät Königin Elisabeth von England eröffnet worden. Leider  aber hat es der heutige Mensch   nicht geschafft, was unsere Vorfahren in der Antike durchweg zustande gebracht haben. Mit dem Entzünden der olympischen Flamme bei der Olympiade in Griechenland wurden alle Kriegshandlungen der teilnehmenden Völker untereinander eingestellt, zumindest für die Dauer der Spiele. So war gewährleistet, dass über viele Monate Ruhe zwischen verfeindeten, in Kriege verstrickten Parteien eintrat.


 Der größte, sportliche Wettstreit der Antike war allen heilig. Zuwiderhandlungen zogen den Zorn der Götter nach sich. Dieses wollte keiner riskieren. Heutzutage kommt die Vorstellung einer friedlichen Zeit, zumindest für die Dauer der zweiwöchigen Olympischen Spiele einer Illusion gleich. Zwar sind gestern Abend die Athleten von über zweihundert Staaten in das Olympiastadion von London hereinspaziert, friedlich, fröhlich, bunt und teilweise sehr enthusiastisch, aber dass an irgend einem Punkt auf dieser Erde weniger gekämpft, getötet oder gefoltert wird, ist nachweislich nicht erkennbar. Genau das Gegenteil ist zu vermuten. 


Weil der Focus der Menschheit zur Zeit hauptsächlich auf London ruht, glauben die Diktatoren dieser Welt, sie könnten ihr schmutziges Geschäft weitgehend unbemerkt von der großen Öffentlichkeit betreiben. Dies steigert die Gier und die Brutalität mit der sie ihren brachialen Machtwillen durchsetzen wollen. Deshalb ist jetzt höchste Aufmerksamkeit geboten, seitens der Völkergemeinschaft, diese Schlächter und Blutsauger zu überwachen. Aber es sind nicht diese Menschenschinder allein, die diese vermeintlich entspannte Zeit nutzen, um ihr Süppchen zu kochen. Führende Politiker aller Länder versuchen ebenfalls jetzt gerne unbequeme, politische Entscheidungen ihrem Wahlvolk unterzujubeln. Also aufgepasst und nicht nur Medaillen gezählt, die Versuchung dieser Machtmenschen ist zu groß. 


Vor unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel scheinen wir ja momentan etwas Ruhe zu haben. Noch ist sie seit Freitag berauscht von dem Pathos des „grünen Hügels“ in Bayreuth. Wagners monumentale Opernklänge werden bei ihr noch einige Tage im Ohr nachhallen und ihre Wirkung nicht verfehlen. Da ist es gut, dass sie sich erst einmal die frische Höhenluft der Südtiroler Berge um den Kopf blasen lässt. Nicht auszuhalten wäre es, wenn sie gleich nach dem kraftstrotzenden Dopingakt in der Bayreuther Psycho-Klinik nach Berlin zurückgekehrt wäre, um dann europäische Krisenbewältigung zu betreiben. Jetzt hat sie die Gelegenheit bei gutem Südtiroler Roten und kräftigem Speck einmal inne zu halten und in Ruhe über die Fülle der nationalen und internationalen Probleme nachzudenken. In der Hektik des Berliner Tagesgeschäfts bleibt dazu ja kaum Zeit. 


Zur Entspannung geht’s dann noch zwischendurch nach London zu den Spielen, wo sie zusehen kann, wie andere Spitzenkräfte Höchstleitungen erbringen. Dieses sollte durchaus motivierend wirken, denn Frau Merkel kann es gebrauchen, bei der Vielzahl von neuen Problemfeldern die nach ihrem Sommerurlaub auf sie, aber auch auf uns alle warten. Noch erleben wir die sommerliche Ruhe, da die meisten Akteure auf den großen Bühnen dieser Welt und ihre Berichterstatter sich für wenige Wochen zurückgezogen haben, um Kraft zu tanken. Doch es verdunkelt sich der Konjunkturhimmel spürbar. 


Deutschland wird jetzt mit der Entwicklung konfrontiert, die den anderen europäischen Staaten schon seit einiger Zeit das Leben schwer macht oder sie an den Rand der Pleite oder hinein getrieben hat. Bei Griechenland sind keinerlei Fortschritte zu sehen, eher das Gegenteil ist festzustellen. Spanien befindet sich quasi in freiem Fall, denn neben den Banken gehen jetzt auch schon die einzelnen Provinzen Pleite und schreien nach der Zentralregierung. Diese wiederrum brüllt geradezu nach den Deutschen, respektive nach deren massiver Unterstützung. 

Natürlich geht es immer noch oder in  verstärktem Maße um die alten Probleme, die da  sind: Bankenpleite, Konjunktureinbruch, steigende Arbeitslosigkeit, besonders bei jungen Menschen( über 50%), massive staatliche Ausgabenkürzungen wegen schwindenden Staatseinnahmen, Generalstreiks und eine ratlose, verbitterte Bevölkerung. Schon habe ich letzte Woche gewichtige, ausländische Stimmen gehört, die danach gefragt haben, wann es in Spanien zu einem Militärputsch kommt? 

Es wird allerhöchste Zeit, dass wir uns nicht mehr verbieten, mit solchen furchtbaren Thesen grundsätzlich uns auseinander zu setzen. Den Kopf in den Sand zu stecken, hilft überhaupt nicht. 


Der einzige Lichtblick kam in der letzten Woche aus Irland. Seit vielen Monaten haben die Iren wieder Geld vom freien Kapitalmarkt akquirieren können. Zuletzt waren sie nur durch den sogenannten Rettungsschirm finanziell überlebensfähig. Die Tatsache, dass internationale Anleger dort wieder investieren, zeigt, Irland hat die Wende geschafft. Ihre Anstrengungen bei den Reformen bringen erste Früchte. Wenn jetzt keine massiven Rückschläge kommen, sollte es den Iren gelingen diese tiefe wirtschaftliche Krise zu überwinden. Gut für Irland, aber auch gut für die europäische Währungsunion. Zum ersten Mal wäre dann bewiesen, dass die Vereinigung in der Lage ist zu helfen, wenn Not am Mann ist, bei einem ihrer Miglieder. Hält dieses Land dann auch noch strikt den Reformkurs ein, zeigt sich Erfolg. Andere neue Erkenntnisse sind außerdem noch durch die Staatsschuldenkrise gewonnen worden. 

Die Währungsunion ist ein unzureichendes Rumpfgebilde, das auf Dauer keinen Bestand haben wird, wenn nicht schnellstens eine politische Union entsteht. Erst dann kann Europa seine ganze Kraft entfalten, sowohl wirtschaftlich, als auch kulturell. Schon in wenigen Wochen wird sich zeigen, wie wichtig diese gesteigerte Potenz ist, wenn sich in Deutschland die Folgen der Krise massiv auswirken werden. Die Alarmglocken läuten schon heute sehr vernehmlich. In der Automobilindustrie, im Maschinenbau, im Transportwesen, überall wo wir noch zuletzt uns gegen den europäischen Trend wehren konnten, fehlen jetzt die Auftragseingänge. Dies ist die Folge auch der rückläufigen Entwicklungen unserer großen, internationalen Wirtschaftspartner. Ergo, die Ausfuhren gehen zurück, der Export bricht ein. 


Jetzt erst wird sich zeigen, wie labil diese Währungsunion wirklich ist, wenn Deutschland als größte Binnenwirtschaft schwächelt, wenn die Bundesrepublik nur noch bedingt in der Lage ist, an der Spitze der Gemeinschaft die gesamteuropäischen, wirtschaftlichen Probleme zu schultern. Also gönnen wir der Bundeskanzlerin, aber auch allen anderen politischen Verantwortlichen, die Sommerpause. Frische Energien und neu gewonnene Erkenntnisse können bei der zu erwartenden Problemlage nicht schaden. 


Trotz des heiteren Bildes gestern Abend im neuerbauten Olympiastadion in London, mit einer solchen Fülle von Staatsoberhäuptern aus der ganzen Welt oder vielleicht gerade deshalb, muss ich noch unbedingt auf die schlimme Lage in Syrien zu sprechen kommen. Bei dem Anblick des Einmarsches der syrischen Delegation musste ich sofort an die  Menschen in Aleppo, der Handelsmetropole dieses Landes denken. Hier findet zurzeit der wohl entscheidende Kampf zwischen Assad und den Auf ständigen statt. Vorort wird sich entscheiden, wie lange der Schlächter aus Damaskus noch sein blutiges Spiel treiben kann. Wie man hört, haben die Kurdengebiete in Syrien sich schon befreit, ganz zum Leidwesen des türkischen Präsidenten Erdogan, der Separations- Erscheinungen auch in seinem Land als Folge befürchtet. Dies macht die Lage im türkischen Kurdistan erneut extrem schwierig. Grundsätzlich kann der Untergang des Assad-Regimes zu einem gefährlichen Macht- Vakuum führen.


Die extremen Islamisten, gesteuert aus dem Iran, stehen in den Startlöchern, beziehungsweise sind im Land schon sehr aktiv. Dazu kommen Extremisten aus Afghanistan, die liebend gerne eine neue Machtbasis vor Ort aufbauen würden. Ihr Ziel ist der Sturz der Potentaten in den Ölstaaten. Wenn man aber weiß, dass die USA und Indien, nebst Japan und China, die Hauptabnehmer des schwarzen Goldes aus den arabischen Staaten sind, dann weiß man auch, wie brisant diese Machtveränderung in Syrien ist. Allein aus diesen Gründen schon ist es illusorisch jemals an eine Friedenspflicht während der Olympischen Spiele auch nur zu denken. Jedoch erinnere ich mich an einen entsprechenden Aufruf eines früheren Generalsekretärs der UNO, der es zumindest einmal versucht hat. Genutzt hat es nichts. 

Alle Konflikte der damaligen Zeit gingen unvermindert weiter. Mittlerweile hat man auch diesen Versuch aufgegeben. Zum Schluss will ich noch ein paar Worte über die wunderschöne, hochkulturelle Stadt Aleppo an der syrischen Mittelmeerküste schreiben. Beginnen möchte ich damit, dieser kulturellen Wiege des Vorderen Orients zu wünschen, dass sie nicht das Schicksal von der, ebenfalls am Mittelmeer liegenden Stadt Beirut, erleiden muss. Früher als das Paris des Ostens am Mittelmeer verehrt, hat sie sich von dem Bürgerkrieg im Libanon bis heute nicht erholt. Kenner schwärmten einst, Beirut verbinde den Flair von Paris mit der Leichtlebigkeit der Cote d“Azur. Machtgier und Brutalität haben alles zunichte gemacht. 


Aleppo, alte Universitätsstadt mit einem historischen Souk, in dem alles gehandelt wird was der Orient hervorbringt, gehört zum Weltkulturerbe. Die Altstadt ist ein Kleinod mit unwiederbringlichen Schätzen. Hier werden Gewürze aus aller Welt gehandelt, in einer Fülle, die nirgendwo sonst auf der Welt zu finden ist. Alle möglichen Ingredienzien zur Herstellung eines Parfums werden angeboten, so dass man sich direkt bei den Parfumeuren alle erdenklichen Duftwasser zusammenstellen lassen kann. Aleppo ist lebendige Geschichte. Die Völker Europas und Asiens sind hier durchgezogen, selten in friedlicher Absicht. Kreuzritter haben hier sich verwöhnen lassen, bevor sie ihr Leben bei den Kämpfen um Jerusalem hingeben mussten. Dieses alles ist massiv gefährdet, wenn jetzt der Entscheidungskampf um die Macht in Syrien dort brutal ausgetragen wird. 

Die Menschen erleben unendliches Leid. Russland und China scheint es nicht zu interessieren. Sie bestehen auf ihrer Vetohaltung im Sicherheitsrat. Ansonsten wollen sie in London beweisen, wer von ihnen die größere Sportnation ist. Zudem wird Russland demnächst auch noch die  olympischen Winterspiele ausrichten, völlig friedlich natürlich. Der Mensch ist schizophren, dies wird hier einmal wieder sehr deutlich. Über die wirtschaftlichen Hintergründe einer solchen Olympiade möchte ich gar nicht erst sprechen, sonst bleibt mir der olympische Gedanke:“ nur die Teilnahme zählt“ in den Hirnwindungen stecken und verursacht dort eine Explosion.

 Peter J. König

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