Es war eine lange Nacht und eine spannende dazu. Nach anfänglichen Verunsicherungen hat sich Barack Obama doch recht deutlich von seinem Herausforderer Mitt Romney absetzen können. Ein kurzer Blick ins Net und jetzt um 16:36 Ortszeit Frankfurt/M. liegt die Stimmenverteilung der Wahlmänner wie folgt:
Obama 303
Romney 206
271 Stimmen waren notwendig um die Wahl zu gewinnen, wobei es bei den meisten Bundesstaaten schon im Voraus ziemlich klar ist, wie sie sich entscheiden werden, da es gewisse Hochburgen für die beiden Lager gibt, auf Grund langer Traditionen, wo innerhalb der Familien die politische Überzeugung von einer Generation auf die nächste übertragen wird. Hier einen Wechsel zu schaffen, kommt schon einer Sensation gleich.
Daneben gibt es die sogenannten „Swing-States“, Bundesstaaten, von denen man im Voraus nie sagen kann, welcher Partei mit seinem Kandidaten die Stimmen zufallen werden. Hier ist entscheidend, wie sich die Bewerber präsentiert haben, wie sie bei den Wählern angekommen sind. Zu diesen Staaten gehören z.B. Ohio, Florida, North Carolina und einige andere mehr, etwa 7 bis 8 an der Zahl. Hierher fließt das mit Abstand meiste Geld, das in den Wahlkampf von beiden Seiten gepumpt wird. Viele Millionen Dollar werden in Fernsehspots, Wahlmannschaften und spektakuläre Wahlauftritte der Bewerber investiert, ganze Werbeschlachten werden in diesen “Swing-States“ geschlagen.
Von Ohio sagt man, dass der Wahlkampf von Obama sich ohne Unterbrechung seit seiner ersten Wahl fortgesetzt hat. Gott sei Dank bleibt dies uns in Deutschland bisher erspart, ansonsten müsste man ernsthaft über Auswanderung nachdenken müssen.
Jedenfalls hat es Barack Obama geschafft, ein zweites Mal zum Präsident gewählt worden zu sein. Für ihn persönlich ist das besonders wichtig, aber auch für die Vereinigten Staaten, denn er hat jetzt die Chance endlich doch noch seine großen Reformvorhaben, die das Land dringend braucht, umzusetzen. Ein entscheidender Grund, warum es mit seiner Wiederwahl so schwierig geworden ist, hat genau damit zu tun, dass er viele seiner Wahlversprechen nicht wahr gemacht hat. Er konnte nicht die Wirtschaft so maßgeblich wieder in Schwung bringen, dass sich die Arbeitslosigkeit entscheidend verringert hat, bei Präsidentschaftswahlen immer mit der wichtigste Faktor. Dass er verheerende Verhältnisse von seinem Vorgänger George W. Bush übernommen hat, zählt für die meisten Amerikaner nach vier Jahren nicht mehr, deshalb auch der Schlachtruf der Republikaner zu dieser Wahl in Anlehnung zu Obamas Slogan bei seiner ersten " yes, we can" , nun die Antwort " he cannot". Zudem war seine farbige Anhängerschaft, vier Jahre zuvor seine glühendsten Verehrer und die Basis seines Wahlerfolges maßlos enttäuscht, sie hatten große Chancen durch Obama erwartet, aber es hat sich nichts für sie verändert. Wie sich das bei der gestrigen Wahl auswirken würde, war zuvor unklar.
Die große Euphorie ist bei dieser Bevölkerungsgruppe zwar dieses Mal nicht mehr ausgebrochen, aber sie haben Obama nicht im Stich gelassen. Sie haben ihm geglaubt, dass weitere vier Jahre notwendig sind, um die alten Versprechen einzulösen. Hier nun liegt der Punkt, ob Obama später als nur durchschnittlich bewertet wird oder ob er als großer Präsident in die Geschichte eingeht. Dieses hängt jetzt aber nicht allein von ihm ab. Wichtig ist, wie er sich gegen das Abgeordnetenhaus positionieren kann, da dort wohl die Republikaner weiterhin die Mehrheit haben werden und sie bei den meisten Gesetzesvorhaben mit eingebunden sind. Im Senat kann sich Barack Obama in der Regel auf seine Parteifreunde verlassen, da sie dort die Mehrheit repräsentieren. Im Gegensatz zu seiner ersten Amtszeit, er braucht nicht mehr auf seine Wiederwahl zu schielen, denn nach der zweiten Amtszeit ist gemäß der Verfassung Schluss, wird er jetzt kompromissbereiter verhandeln, er kann sich ganz auf seine großen Vorhaben konzentrieren. Gelingt es ihm allerdings nicht, sich mit den republikanischen Abgeordneten zu einigen, sollten also seine Reformvorhaben an diesem Haus scheitern, wird er als "lame duck", als lahme Ente seine zweite Amtszeit hinter sich bringen müssen, mit verheerenden Folgen für sein Image.
Dies ist weder ihm noch dem amerikanischen Volk zu wünschen, zumal die Menschen das parteipolitische Geschachere Leid sind, sie wollen, dass gemeinsam die längste Wirtschaftskrise der letzten hundert Jahre in den USA überwunden wird. Nach dem erbitterten Wahlkampf, und hier wird mit ganz anderen Bandagen gekämpft wie bei uns, da Verleugnungen und falsche Anschuldigungen an der Tagesordnung sind (bei Obama etwa 30% und bei Romney etwa 40% aller TV-Spots), ist es schwer genug für die Parteien wieder aufeinander zuzugehen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Republikaner zunehmend von Tea-Party-Anhängern unterwandert worden sind, Leute, die keinen Realsinn für Politik entwickeln, sondern Eigenbrötler, die Fundamentalisten gleich, auf ihrer verqueren Meinung beharren.
In diesem Punkt hat sich die amerikanische Politik entscheidend verändert, mit der Folge, dass Kompromisse kaum mehr zustande kommen, obwohl das Wohl der Menschen davon abhängt, zumal die Bürger sich nichts sehnlicher wünschen. Kritische Beobachter in den USA sehen in dieser Entwicklung eine bedeutende Krise, die es dringend zu lösen gilt.
Dies in etwa ist die Situation, in der Barack Obama seine zweite Amtszeit in Angriff nehmen wird. Zwar hat Mitt Romney versprochen, und das tun alle Wahlverlierer unmittelbar nach dem Votum des amerikanischen Volkes, sie würden alles für den Zusammenhalt der Nation unternehmen und sich geschlossen hinter den Präsidenten stellen, aber erfahrungsgemäß sind diese Versprechen nicht von großer Dauer, denn die nächste Wahl wirft schon wieder ihre Schatten voraus, siehe Ohio, dem Bundesstaat wo der Wahlkampf niemals schläft.
Wenn Obama trotz all dieser Widrigkeiten doch die wesentlichen Reformvorhaben in der kommenden Legislatur durchboxen wird, dann hat er bewiesen, dass er ein bedeutender Präsident ist, die überwiegende Mehrheit der Amerikaner wird ihn dafür lieben. Er wird zwar nie solche Zustimmungszahlen wie in unserem Land erreichen, wo nach Umfragen über 90% der Deutschen ihn zum amerikanischen Präsident haben möchten, doch da spielen politische Überlegungen eher eine untergeordnete Rolle, hier kommt zweifellos seine charismatische Persönlichkeit voll auf ihre Kosten. Die Erwartungen an Obama sind weiter enorm, es ist ihm zu wünschen, dass er das nötige „Fortune“ entwickelt, denn noch immer verkörpert er den amerikanischen Traum, aus einfachen, ja schwierigen Verhältnissen als erster Afroamerikaner an die Spitze der Vereinigten Staaten zu gelangen, eh ein historisches Moment.
Amerika braucht mehr denn je einen solchen charismatischen Führer, zumal die weltpolitische Bedeutung und die wirtschaftliche Überlegenheit ins Wanken geraten sind, nicht unbedingt eine Stärkung des nationalen Bewusstseins. Wie Henry Kissinger, der frühere amerikanische Außenminister in einem Fernsehinterview im Zuge der gestrigen Wahlnacht zu bedenken gab: eine lange Periode amerikanischer Dominanz ist im Abflauen begriffen, Amerika kann im Alleingang nicht mehr sämtliche Probleme der Weltpolitik lösen, jetzt heißt es weitere Partnerschaften einzugehen, aber Amerika ist immer noch eine sehr bedeutende Weltmacht und dies wird sich auch nicht ändern, so Kissinger.
Obama wird allen Ehrgeiz aufbieten seine hochgesteckten Ziele zu erreichen. Dabei wird er sehr tatkräftig von seiner Ehefrau Michelle unterstützt, wie man während seiner ganzen politischen Karriere feststellen konnte. Seine ehemalige Konkurrentin und spätere Weggefährtin als Außenministerin, Hillary Clinton wird eine zweite Amtszeit nicht mehr mit ihm gehen, sie wird aus dem Amt ausscheiden. Gerade diese beiden Persönlichkeiten, Hillary und Barack haben nach der Wahl vor vier Jahren gezeigt, dass man nach einem harten Wahlkampf doch wieder gemeinsam sich für das Land einsetzen kann, dies werden ihnen die Amerikaner nicht vergessen. Ebenfalls nicht vergessen haben die Bürger, dass Hillary Clintons Mann Bill erst in seiner zweiten Amtszeit als Präsident, die notwendigen Reformen durchsetzen konnte, die zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung geführt, damit der Haushalt saniert wurde und die Amerikaner, aber auch die Weltwirtschaft insgesamt sehr gute Zeiten erlebt haben. Auch Barack Obama wird sich sehr genau daran erinnern und versuchen es Bill Clinton gleich zu tun.
Peter J. König
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