Rechthaberei liegt mir nicht, trotzdem darf ich auf Grund der aktuellen Entwicklung in der Causa Schavan auf eine meiner letzten Kolumnen hinweisen. Darin habe ich gemutmaßt, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel ein zweites Politspektakel wie bei Freiherr von Guttenberg nicht zulassen würde. Und genau so ist es gekommen, kaum waren beide Politikerinnen von ihren Auslandsmissionen wieder in Berlin und zu einem klärenden Gespräch zusammen gekommen, war Schavan als Bildungsministerin Vergangenheit.
Aus Parteidisziplin und Loyalität zur Kanzlerin, ihrer engsten Verbündeten im Kabinett, hat sie ihren Rücktritt erklärt. Ihre Demission im Bundeskanzleramt nahm zum Teil skurrile, wenn nicht gar peinliche Züge an. Wenn man nicht gewusst hätte, dass es sich hier um den Rücktritt einer Ministerin gehandelt hätte, wäre schnell der Eindruck entstanden, Frau Schavan solle in ihr neues Ministeramt eingeführt werden, derart lobesschwangere Beteuerungen waren aus dem Mund der Kanzlerin zu vernehmen, allein ihr deprimierter Gesichtsausdruck wollte zu den überschwänglichen Belobigungen nicht passen.
Natürlich hat Frau Merkel eine ihrer engsten Verbündeten im Kabinett, gar einer guten Freundin den Laufpass geben müssen, die machtstrategische Option zur Bundestagswahl ließ ihr keine andere Wahl, da Frau Schavan ein permanentes Angriffsziel der Opposition dargestellt hätte. Diese gab sich gelassen, ja irgendwie entspannt, als könne keinerlei Anfechtungen ihr irgendetwas anhaben, selbst die Entscheidung der Universität Düsseldorf nicht. Eher schien sie die zwiespältige Rolle der Kanzlerin zu genießen, soviel öffentliches Lob sollte ihre Laune beflügeln. Ihre persönliche Erklärung zum Rücktritt zeigt dann aber wie falsch sie ihre Rolle in dieser Affäre eingeschätzt hat, wenn sie ihre Klage als die der Bundesbildungsministerin gegen die Universität Düsseldorf sieht und jetzt einer Beschädigung des Amtes zuvor kommen will.
Was hat das Ministerinnenamt mit ihrer Doktorarbeit zu tun? Diese hat sie als Privatperson geschrieben und entzogen bekommen und ihre Klage führt sie auch als Privatperson gegen die Universität. Es wäre ja noch absurder, wenn sie auf Grund ihres Amtes den Prozess dem Ministerium aufhalsen könnte. Vielleicht verschwimmen nach einer längeren Amtszeit im Bewusstsein solcher hohen Staatsdiener die einzelnen Ebenen etwas. Dann verwechselt man schon einmal Amtsperson mit Privatperson. Vielleicht ist Frau Schavan nicht klar geworden, dass ihre vermutlich getürkte Doktorarbeit überhaupt nichts mit dem Bundesbildungsministerium zu tun hat, schon gar nicht mit der Reputation, sondern es ist der eigenen Verantwortung geschuldet, bei solch einem Votum der Universität Düsseldorf, Aberkennung des Doktorgrades auf Grund massiver, vermeintlicher Täuschungshandlungen sofort zurückzutreten, weil eine Person dann in diesem Amt nichts mehr zu suchen hat. Dies gebietet der persönliche Anstand, ohne Wenn und Aber.
Ihre Aussage: erst das Land, dann die Partei und zuletzt die Person hört sich zwar sehr staatstragend an, ist hier aber völlig fehl am Platz. Hier gilt nur die eigene Person, die nach einer solchen Entscheidung wie in Düsseldorf, die einzig angemessene Konsequenz trägt: Rücktritt aus vermutlich eigenem Fehlverhalten, nur das kann die Devise sein. Wenigstens hat Schavan der Kanzlerin durch den eigenen Rücktritt den Rauswurf erspart, dann erst hätte ich Merkels Gesicht sehen mögen. So bleibt die Freundschaft der beiden Politdamen weiterhin intakt, die langjährige Seilschaft hat ihre schwerste Belastungsprobe bestanden.
Auch diese Woche müssen wir uns wieder mit Tunesien befassen, dem Land, wo vor etwa zwei Jahren die Arabellion begann, als ein einfacher junger Straßenhändler von der Polizei erschossen worden ist und binnen Tagen sich das Land gegen den Diktator Ben Ali erhoben hat, um ihn und seine korrupte Regierung außer Landes zu treiben, nicht ohne dass die Frau des Diktators mit einem Flugzeug voller Gold aus der tunesischen Staatsbank nach Dubai flüchtete. Die ersten freien Wahlen wurden zu Gunsten der Islamisten entschieden, einem Bündnis streng orthodoxer und weniger streng gläubiger Islamanhänger. Die Opposition wird von aufgeklärten, liberalen, westlich orientierten Bevölkerungsteilen gestellt, ebenso von Gewerkschaftlern. Schon nach den Wahlen ist es immer wieder zu Unruhen gekommen, zu unterschiedlich war die Vorstellung der beiden Lager, in welche Richtung sich das Land entwickeln sollte, islamistischer Gottesstaat oder zu einer Demokratie nach dem Vorbild der Franzosen.
In der vergangenen Woche wurde dann der charismatische Oppositionsführer und einer der beliebtesten Politiker des Landes auf offener Straße erschossen. Die Opposition sieht darin ein Komplott der amtierenden Islamisten, der Versuch massiv unterdrückt zu werden. Tunesien bebt seit dieser Zeit, es folgte ein Generalstreik. Die Beerdigung des Oppositionspolitikers wurde zu einer Massendemonstration mit massiven Ausschreitungen und Kämpfen gegen die Polizei. Am nächsten Tag haben die Regierungsanhänger ihre Massen mobilisiert und niemand konnte voraussagen, ob es jetzt schon zu bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen kommen würde. Fakt ist, dass die Situation hochexplosiv aufgeheizt ist und keiner weiß wann sich die Aggressionen entladen.
Der amtierende Präsident, ein gemäßigter Moslem, versucht durch eine Kabinettsumbildung die Opposition zu beruhigen, er will seine islamistischen Minister durch fachkundige Spezialisten ersetzen, zumal die Glaubensbrüder in der Regierung kein einziges Problem des Landes gelöst haben, im Gegenteil, die wirtschaftliche Lage hat sich seit der Revolution massiv verschlechtert. Hier sind die gleichen Probleme wie in Ägypten sichtbar, beide islamistischen Regierungen sind nicht in der Lage, volkswirtschaftliche Probleme zu lösen, beiden Regierungen geht es in erster Linie nur um die Macht. Dabei halten die Völker nicht mehr still, zu groß ist ihre wirtschaftliche Not. In Tunesien wird der Versuch der Deeskalation durch den Ministerpräsidenten mit aller Wahrscheinlichkeit scheitern, seine Partei lehnt ein solches Vorgehen ab. Darauf hat er für diesen Fall seinen Rücktritt angekündigt, damit wäre das Chaos perfekt, zumal er auch noch Neuwahlen für den Sommer versprochen hatte, die seine islamistische Partei per se ablehnt. Es ist nicht zu leugnen, Tunesien steuert auf einen Bürgerkrieg zu, es wird spannend sein zu beobachten, wie Frankreich sich in diesem Fall verhält, da es doch traditionell besonders viele Beziehungen zwischen Frankreich und Tunesien gibt, auf allen Ebenen, besonders aber im wirtschaftlichen Bereich.
Nicht nur den Franzosen sondern allen Europäern kann es nicht egal sein, was in den Ländern im Maghreb passiert, es sind unsere Nachbarn an der südlichen Seite unseres Kontinents, jede politische Veränderung und ganz besonders, wenn sie in Unruhen oder gar Bürgerkriege ausarten, treffen uns Europäer unmittelbar. Da die Amerikaner dabei sind ihr Hauptaugenmerk von dieser Region in den Pazifischen Raum zu verlagern, wird erwartet, dass Europa hier weitaus mehr Verantwortung übernimmt, als in der Vergangenheit. Dies ist mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden, denn schon aus der Geschichte ist in den arabischen und nordafrikanischen Ländern eine große Skepsis gegenüber den Ländern in Europa erwachsen. Diese gilt es mühsam abzubauen, bevor man neue Partnerschaften zwischen der Region und Europa aufbaut, unendlich schwierig, da nicht feststeht, wohin sich diese Länder entwickeln werden.
Ich möchte das an einem kleinen Beispiel verdeutlichen: Nachdem die deutschen Patriot-Abwehrraketen in einem türkischen Hafen ausgeladen worden sind, sie sollen als Nato-Beistand an der türkisch-syrischen Grenze stationiert werden, gab es massive Proteste seitens einiger politischen Gruppen gegen die Stationierung, einige deutsche Soldaten wurden sogar in einem Supermarkt angegriffen, obwohl sie von der türkischen Regierung als Hilfe erbeten worden sind. Heute liefern wir Waffen an die Potentaten am Persischen Golf, mit denen sie jeden Widerstand im eigenen Land ersticken. Aber was werden die Regierungen in diesen Ländern einst dazu sagen, wenn sie ihre Könige, Scheichs und Emire in die Wüste geschickt haben. Alles vermintes Gelände, politisch gesehen und doch muss seitens Europas jegliches unternommen werden, um unseren Einfluss in der Region zu verbessern. Es wird noch viel Zeit und Geduld erfordern hier brauchbare Lösungen für eine gefestigte arabisch-europäische Kooperation zu schaffen.
Vergessen wir nicht, wir sind nicht die Einzigen, die um die Gunst dieser Menschen buhlen. Wenn sie in dem neuesten Buch von Klaus Kleber, dem Moderator des heute-journals gelesen haben, wie die Chinesen überall auf der Welt mit aller Energie und sehr viel Geld versuchen diplomatisch und wirtschaftlich Fuß zu fassen, wenn man erlebt, wie Russland machtstrategisch sich erneut auf der Weltbühne ganz vorne versucht zu etablieren, dann haben wir überhaupt keine Zeit mehr unsere Interessen nicht klar zu definieren und sie partnerschaftlich und weitsichtig mit den Ländern rund um das Mittelmeer und den Persischen Golf zu verhandeln. Europa darf sich nicht mehr nur mit sich selbst befassen, es muss jetzt weltpolitisch erwachsen werden, mit einer gemeinsamen Außenpolitik, die nur dann von den anderen Großmächten akzeptiert wird.
Peter J. König
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