Samstagskolumne Peter J. König 16.02.2013

Wie lange wollen wir uns noch rechtsradikale Machenschaften und mafiöse Strukturen antun?

Zwei Ereignisse im Laufe der letzten Woche haben den Autor dieser Zeilen sehr betroffen und sehr nachdenklich gemacht, dass er die Gelegenheit der heutigen Kolumne dazu nutzen möchte, sich einmal ausführlich und tiefgründiger mit den Vorfällen zu befassen. 

Da ist zum Einen der Fernsehbeitrag der ARD über die Machenschaften der Versandfirma Amazon, wie sie mit ihren Teilzeitkräften und insgesamt mit ihrem Personal umgeht, aber wie sie auch ihre steuerrechtliche Position gegenüber ihrem zweitgrößten Markt nach den USA, nämlich der Bundesrepublik Deutschland gestaltet hat. Dabei ist der ARD-Bericht beileibe nicht die erste Publikation, die im Zusammenhang mit dem amerikanischen Unternehmen in die Öffentlichkeit gebracht worden ist. Als aufmerksamer Beobachter der Wirtschaftsmedien, allen voran der FAZ, konnte ich feststellen, dass in der Vergangenheit immer wieder darüber Klage geführt wurde, dass Firma Amazon sowohl was die wirtschaftlichen Daten, als auch die strategische Ausrichtung anbelangt, eisernes Schweigen und nur minimale öffentliche Information an den Tag gelegt hat. 

Dies hatte zur Folge, dass gemutmaßt wurde, es könne sich bei der Firma Amazon um ein Unternehmen handeln, das den Scientologen nahe steht. Doch Vermutungen sind eine denkbar schlechte Ausgangsposition um Missstände anzuprangern, sollten sie tatsächlich vorhanden sein. Hier helfen nur Fakten weiter und die sind nachgewiesermaßen durch die Verstrickungen des Unternehmens mit rechtsradikalen Firmen vorhanden, sowohl was ihre Sicherheitsbedürfnisse, als auch den Vertrieb von nationalsozialistischem Gedankengut und NPD-Propagandaschriften anbetrifft. 

Um die Interessen der Firma Amazon bezüglich ihrer aus Südeuropa angeheuerten Arbeitskräfte wirksam zu vertreten, hat das Unternehmen sich einer Firma namens H.E.S.S. bedient, einer wirtschaftlichen Unternehmung, die ihre Mitarbeiter aus dem rechten Milieu rekrutiert hat, es ist gar zu vermuten, dass es sich hierbei um eine Gruppe von Neonazis handelt, die eine Sicherheitsfirma gegründet haben. Mit diesem Metier kennen sich derartig Gesinnte besonders gut aus, wie die Geschichte beweist. Ihr Auftreten gegenüber den ausländischen Arbeitnehmern war dann auch dementsprechend. Rechtswidrige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht und zutiefst diffamierender Umgang mit den verzweifelten Arbeitssuchenden aus Spanien und anderen südeuropäischen Ländern lässt nicht nur die Firma Amazon in denkbar schlechtem Licht erscheinen, sondern beschwört auch erneut die hässliche Fratze herauf, die wir Deutschen während des Naziregimes in diesen Ländern hinterlassen haben. 

Dies kann Amazon nicht gewollt haben. Wenn allerdings dahinter eine Strategie stehen sollte, vielleicht sogar eine beabsichtigte Nähe, dann wird es höchste Zeit, dass die Politik auf den Plan tritt und diesen Machenschaften Einhalt gebietet. Wie der Presse zu entnehmen ist, haben sich Politiker aller Parteien unisono diese Woche gegen den Vertrieb von NPD-Literatur und Propagandamaterial durch den Versender Amazon vehement ausgesprochen, gar mit Konsequenzen gedroht. 

Wie das amerikanische Unternehmen geführt wird, liegt in der Hand der Unternehmensleitung, solange alle Gesetze des Arbeits- und des Zivilrechts beachtet werden. Auch ist die Tatsache, dass sie Luxemburg als Basis ihrer steuerlichen Abrechnung gewählt hat und damit dem deutschen Fiskus hohe Steuereinnahmen verloren gehen, ihnen nicht anzukreiden, solange innerhalb der EU eine solche unterschiedliche Steuergesetzgebung vorhanden ist und die multinationalen Unternehmen sich die günstigste Position heraussuchen können. Hier muss schleunigst eine europäische Anpassung stattfinden, hier ist dringender Handlungsbedarf. 

In Sachen Nähe zu irgendwelchen neonazistischen Aktivitäten muss die Firma Amazon aber auf Herz und Nieren geprüft werden. Hier darf es keinerlei Kompromisse geben, es geht nicht an, dass Ethik und die Menschenrechte, aber auch unser Geschichtsbewusstsein auf dem Altar der Gier und des Profits geopfert werden. Und unser eh schon ramponiertes Ansehen in den südlichen Ländern muss nicht dadurch noch verschlechtert werden, dass Amazon mit fragwürdigen Praktiken über zwischengeschaltete Personalfirmen die arbeitssuchenden Menschen von Neonazis in heruntergekommenen Absteigen überwachen lässt und bei ihnen der Eindruck verstärkt wird, in Deutschland ist alles möglich, Hauptsache die Kasse klingelt. 

Kommen wir zu dem zweiten Ereignis, dessen Ausmaß bisher wohl erst im Ansatz zu erfassen ist. Los ging es in Großbritannien, als dort festgestellt wurde, dass in einer Tiefkühllasagne anstatt wie deklariert Rindfleisch, Pferdefleisch verarbeitet wurde. Das hat die britische Seele schwer getroffen. Dort werden Pferde geliebt, aber nicht aufgegessen. Der Sturm der Entrüstung war dementsprechend groß und schnell war das Übel ausgemacht, denn immer wenn es für die Engländer um unverständliche Essensrituale geht, müssen die Franzosen auf die Anklagebank. Tatsächlich hat eine französische Firma auch mitgemischt, wie erste Untersuchungen der europäischen Aufsichtsbehörden ergeben haben. Mittlerweile sind viele Länder und Firmen in Europa betroffen, bei uns Aldi Süd, Real, Tengelmann und einige andere mehr. Auch hat sich die Palette der Produkte erweitert, wie zum Beispiel Gulasch oder andere Tiefkühlkost. Der Betrug auf dem Lebensmittelsektor hat bisher enorme Ausmaße angenommen und es ist zu befürchten, dass dies nur die Spitze des Eisberges ist. Dabei spielt die Frage, ob Pferdefleisch ein „no go“ ist oder vielleicht eine Spezialität, wie in Köln, in Belgien oder in Frankreich überhaupt keine Rolle. 

Dies muss jeder Verbraucher für sich entscheiden, ihm es auf nicht deklarierte Weise unterzujubeln ist nicht nur Betrug sondern auch eine eklatante Verletzung der Persönlichkeit, wie die Briten zurecht betonen. Wenn man die Ermittlungen um diesen Pferdefleischskandal verfolgt hat, kommen doch berechtigte Zweifel, ob die Abläufe in der Lebensmittelindustrie in Zukunft noch in der bestehenden Art erlaubt sein dürfen. Man kommt nicht umhin von mafiaähnlichen Strukturen zu sprechen, wenn man sieht, über wie viele Länder und unterschiedliche Firmen die Produktion von solcher Tiefkühlkost zustande kommt. Zum Schluss blickt keiner mehr durch, Kontrollen gibt es dank der ständigen Verschiebungen überhaupt nicht mehr und die Verarbeitung kann ungehindert manipuliert werden. 

Wer hätte schon gedacht, dass mit Pferdefleisch, das nur ein Drittel von Rindfleisch kostet, solche enormen Gewinne sich machen lassen, Voraussetzung man kann es der Industrie unterschieben. Das ist Mafia pur und es würde mich nicht wundern, wenn auch staatliche Behörden die Finger mit im Spiel hätten. Hier gilt es die Strukturen aufzubrechen, ein solches Verwirrspiel muss per Gesetz auf der gesamten europäischen Bühne verboten werden, ein weiteres Feld auf dem einheitliche Standards durchgesetzt werden müssen. Zudem wird es Zeit, dass wir als Verbraucher anfangen umzudenken. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es gutes, schmackhaftes Essen nicht zum Billigtarif gibt. Das wird zwar nicht verhindern, dass geldgierige Kriminelle immer wieder versuchen werden, durch Betrügereien Millionen oder gar Milliarden zu scheffeln, doch bin ich überzeugt, mit einer strikteren europäischen Gesetzgebung und einer veränderten Mentalität, was den Wert unserer Lebensmittel anbetrifft, würden solche Skandale, die sich ständig wiederholen, weit weniger oft stattfinden. 

Die Hersteller selbst würden ihre Produkte kritischer unter die Lupe nehmen. Zudem würde der mörderische Wettbewerb in diesem Maße nicht mehr stattfinden, wenn die oberste Maxime nicht mehr auf Teufel komm raus der Preis der Lebensmittel wäre, sondern sein Geschmack und sein Wertgehalt. Wenn man weiß, wie vermeintlich hochwertige Lebensmittel hergestellt werden, die von den großen Lebensmittelketten vertrieben werden, ich nenne nur Lachs und Shrimps, dann wird klar warum die Pharmaindustrie solch prächtige Gewinne auf diesem Sektor macht. 

Wir sollten wie bei vielen Dingen unseres täglichen Lebens anfangen umzudenken, ja wir müssen es sogar um auf Dauer in dieser globalisierten Welt mit den enorm ansteigenden Bevölkerungszahlen überleben zu können. Ungebremstes Wachstum ohne jegliche Rücksicht auf die Natur, sinnloses Verpulvern der Ressourcen unseres Planeten wird sehr bald die Endlichkeit der Menschheit zeigen. 

Zum Schluss möchte ich noch einmal, wie in meiner letzten Kolumne auf das Buch des heute-journal Moderators, hervorragenden Journalisten und Kollegen Klaus Kleber und seiner Co-Autorin Cleo Paskal mit dem Titel „ Spielball Erde“ hinweisen. Selten habe ich ein Sachbuch gelesen, dessen Inhalt von so elementarer Bedeutung für die gesamte Menschheit ist, wie in dem hier vorgelegten Buch. Wenn man liest, wie die immer schneller fortschreitende Wasserknappheit das strategische Denken von Großmächten beeinflusst, auf der anderen Seite der menschenverursachte Klimawandel mit dem Abschmelzen der Polkappen einen Anstieg der Weltmeere mit unübersehbaren Folgen nach sich zieht, dann kommt man nicht umhin in aller Demut festzustellen, dass auf Dauer weniger mehr ist.

 Peter J. König

1 Kommentar:

  1. Auf den Punkt gebracht! Wichtig wäre noch zu erwähnen, dass es ein mafiöses Gebahren von superreichen Hintermännern zu sein scheint, zunächst mit viel Geld, mit Milliarden die Konkurrenz der seriösen Einzelhändler zu zerstören, durch ruinösen Wettbewerb, danach wenn der Einzelhandel zerstört ist, die Preise sukzessive anzuheben in nie geahnte höhen und Erträge zu schöpfen über tausenderlei Unrecht, weil dann die schiere Größe des Unternehmens die Politik erpressen kann mit Argumenten wie Arbeitsplätzen oder vorgeblicher Systemrelevanz. Solcherlei Systemrelevanzgeplärre können nicht mal Marktfundamentalisten als gerechtfertigt mit Belegen unterlegen!

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