Wissen Sie was Zynismus ist?
Zynismus ist, wenn die Vorstandsvorsitzenden der größten deutschen Automobil-Firmen zu einem Diesel-Gipfel nach Berlin geladen werden, um mit gespielter heuchlerischer Reue in Sachen Diesel-Abgas-Skandal, oder um wahrheitsgetreuer zu argumentieren, Abgas-Betrug, Besserung geloben, um im gleichen Atemzug zu verkünden, größere technische Veränderungen werden nicht vorgenommen, ein paar Software Updates ist das höchste der Gefühle, was den Automobilfirmen zuzumuten ist. Gleichzeitig verkünden die führenden Fabriken Mercedes und BMW Gewinne in Milliardenhöhe, bei den bayrischen Autobauern aus München allein 3 Milliarden Euro. Und diese Gewinne haben sie mit über 60% verkaufter Dieselfahrzeugen gemacht, alle mit manipulierten Abgaswerten.
Der VW-Vorstandsvorsitzende Müller erdreistet sich auf der Pressekonferenz noch zu behaupten, dem Vorwurf, dass krasse Management-Fehler und eine verfehlte Industriepolitik gemacht wurde, dies könne er aber überhaupt nicht nachvollziehen und kündigt gleichzeitig an, größere milliardenschwere Motorenumbauten kämen überhaupt nicht in Frage, ein bisschen Update müsse schon ausreichen. Dabei muss man wissen, dass die Veränderung der Motorsteuerung lediglich eine Ausstoßverringerung von unter 30% bringt, notwendig sind aber mindestens 50%, damit die Feinstaubwerte in den großen Ballungszentren die höchsten Grenzwerte nicht überschreiten.
Insgesamt gibt es über 25 solcher gefährdeten Ballungsgebiete in der Bundesrepublik, wobei Stuttgart die absolute Spitze bildet. Hier werden die Werte regelmäßig um das Vier- und Fünffache überschritten. Deshalb droht demnächst ein gerichtliches Fahrverbot für alle Diesel-Fahrzeuge im Zentrum von Stuttgart, mit nicht überschaubaren Folgen. Fahrverbote drohen auch in vielen anderen Städten. Und was dies für die Autobesitzer heißt, kann man sich leicht ausmalen, wenn man weiß, dass z.B. in Frankfurt a.M. über 600.000 Pendler täglich mit dem eigenen Fahrzeug zur Arbeit kommen und dies fast ausschließlich mit Diesel-PKW, weil die Kosten des Diesel-Sprits die Geldbeutel der pendelnden Bevölkerung geringer belasten.
Mit diesem Argument haben VW&Co. den Menschen die Diesel-Technik angedreht, wohl wissend, dass die Abgaswerte manipuliert wurden, damit die geforderten Umwelt-Normen eingehalten werden. Hier hat flächendeckender Betrug stattgefunden. Des Weiteren weisen diese Produkte eindeutige Mängel auf, deren Beseitigung allein die Hersteller tragen müssen. Nachbesserung oder Wandlung sind in diesem Fall die einschlägigen BGB-Gesetzlichkeiten. Wenn nun aber lediglich die Software verändert wird durch ein verändertes Programm, kommt es zu größeren Belastungen der Motoren, die sich wiederum auf Leistungsfähigkeit, Anfälligkeit und Lebensdauer auswirken. Zusätzlich neben den technischen Problemen entwickeln sich noch monetäre hinzu, etwa durch einen weitaus geringeren Wiederverkaufswert, denn wer möchte ein solches anfälliges Auto als Gebrauchten kaufen?
Hier zeigen sich allmählich die Problemfelder auf, die für die Autoindustrie und den Standort Deutschland unter Umständen mehr als problematisch werden. Deshalb auch wehren sich die Herren mit Millionen-Gehälter auch vehement gegen staatliche Regulierungen, die sie strangulieren könnten. Die Politik ist dabei mehr als nachsichtig, sodass 70% der Bevölkerung glaubt, die Politiker gehen nicht konsequent mit der Mafia der Autoindustrie um, die vermutlich schon seit den 1990er Jahren kartellartige Absprachen vereinbart haben, um wettbewerbswidrig höhere Preise miteinander zu erzielen. Dabei wird immer wieder auf die Arbeitsplätze in der Automobil-Industrie verwiesen und den weltweit führenden Standard dieser Schlüssel-Techniken. Und hier auch liegt der Zynismus, wenn Betrug legitimiert und straflos hingenommen werden soll, weil angeblich Arbeitsplätze gefährdet sind. Werden Arbeitsplätze nicht weitaus mehr gefährdet, wenn mit Betrug verhindert wird, innovative Entwicklungen zu unternehmen, und wenn mit veralteter Technik lieber satte Milliardengewinne eingefahren werden?
Gleichzeitig werden technische Innovationen verschlafen oder zumindest hinausgezögert, die aber sowieso unumgänglich sind, will man den Klimawandel noch halbwegs im Griff behalten und die Umwelt überhaupt noch erträglich machen. Wie die schlimmen Folgen dieser hausgemachten Katastrophe aussehen, kann man in Peking erleben, wo durch Abgasbelastungen von Industrie und Verkehr die Sonne an vielen Tagen das dunkle Einheitsgrau gar nicht mehr durchdringen kann und die Bevölkerung nicht mehr auf die Straße darf und wenn notwendig nur noch mit Mund- und Atemschutz. Hier hätte die führende Nation in Automobil-Technik ihre Aufgabe sehen müssen, viel früher neue Wege zu gehen, Elektromobilität zu entwickeln oder die Wasserstoff-Technik, mit der Folge nicht nur erneut führend zu sein, sondern auch langfristig sichere Arbeitsplätze zu erhalten. Aber dies hätte Geld gekostet, viel Geld und da haben sich die Herren Manager lieber für die Variante "Betrügen und Kasse machen" entschieden.
Wenn das nicht Zynismus ist?
Aber warum ist das so? Und weiter, handelt es sich vielleicht nur um Einzelbeispiele, eingefädelt von Narzissten, die sich in einer bestimmten Branche tummeln?
Weit gefehlt, mittlerweile gilt das Prinzip des rigorosen schnellen Gewinns weltweit und fast ohne Ausnahme, zumindest bei den großen Dax-Unternehmen. Hier zählt allein die Rendite und je größer, umso erfolgreicher die Performance an den Börsen. Die Börsenzunahmen entscheiden über das Gehalt und die Boni und die Abfindungen und Alters- und Ruhe Margen, die die leitenden Manager erhalten und da ist ihnen jedes Mittel recht, um spitzenmäßig dar zustehen. Beispiele gibt es diesbezüglich genug in den letzten Jahrzehnten. Bankenkrise, Immobilienkrise, Fleischskandal, Weinpanscherei und, und, und.
Dies sind alles Betrugsszenarien in ganz großem Stil und selten sind die Verantwortlichen notwendigerweise zur Verantwortung gezogen worden. Die Dummen sind immer nur die "Normalos" in der Bevölkerung, die die Milliarden-Schäden tragen müssen, während sich die Verursacher mit Millionen-Abfindungen aus dem Staub machen.
Warum gibt es in den Verträgen von Spitzen-Managern keine Klauseln, die zum Schadensersatz aus eigener Tasche verpflichten, wenn nachgewiesen wird, dass offensichtlich und sogar vorsätzlich "Scheiße gebaut" worden ist, wenn sie Entscheidungen getroffen haben, die nachweislich in erster Linie ihrem Profit gegolten haben und nicht das langfristige Wohl des Unternehmens und ihrer Mitarbeiter im Auge hatten?
Der Grund liegt zum einen darin, dass in dieser geschlossenen Kaste keine Krähe der anderen ein Auge aushackt, zumal sie alle auch jeweils selbst betroffen sein könnten. Des Weiteren spielt die Ausbildung der Betriebswirte und Juristen eine weitere Rolle. Es fehlt an ethischen Grundsätzen, die den zukünftigen Managern nicht beigebracht werden. Es fehlt an entsprechenden Seminaren zu denen die Studierenden verpflichtet werden. Das Gegenteil ist der Fall, in solchen Kaderschmieden wie an der Hochschule St. Gallen in der Schweiz, vielleicht die renommierteste Ausbildungsstätte für Betriebswirte weltweit, wird gelehrt, wie man maximalen wirtschaftlichen Erfolg in einem Unternehmen generieren kann. Und alles hat sich diesem Erfolg unterzuordnen, ausnahmslos, selbst mit den fragwürdigsten Mitteln. Da stellt sich natürlich auch ein Kasten-Denken ein.
Ein Absolvent von St.Gallen bevorzugt selbstverständlich zunächst immer einen anderen Absolventen, die alten protegieren die neuen in den Unternehmen, man versteht sich, man vertraut sich und niemand wundert sich über die perfiden Methoden, wenn sie nur zum schnellen Erfolg führen. Solches Logen-Denken ist gefährlich, da es keine Transparenz mehr gibt, keine gegenseitige oder übergeordnete Kontrolle, jeglichen Machenschaften steht nichts mehr im Weg. Deshalb auch kommen Krisen, Skandale und Großbetrügereien zustande, es fehlt an Kontroll-Instanzen und der Staat mit seinen Politikern sind willfährige Marionetten, die etwas „Diesel-Gate“ spielen, harmlos, Konsequenz-los und geradezu hilflos, den Bossen die Stirn zu bieten.
Gewählt wurden sie um die Interessen des Volkes zu schützen, sie erwecken aber den Eindruck sie wollten primär ihre eigenen Interessen nicht gefährden, um problemlos später aus der Politik in die Wirtschaft zu wechseln. Auch hier hat es auf dem "Diesel-Gipfel" ein leuchtendes Beispiel gegeben, wenn mit Herrn Matthias Wissmann, der als ehemaliger Bundesverkehrsminister und langjähriges CDU-Mitglied, einst auch Vorsitzender der Jungen Union, nahtlos in den Verband der Automobilindustrie wechselte und dort seit 2007 als Präsident fungiert. Er vertritt die Interessen der großen deutschen Automobilfirmen und ist gleichzeitig bestens in der CDU vernetzt.
Mit Wissmann und Dobrindt saßen sich zwei Kollegen gegenüber, die als Verkehrsminister die Belange von Industrie und Bevölkerung gedeihlich koordinieren sollen. Wenn das nicht auch zynisch ist? Selbst die Ministerpräsidenten der Länder mit den Zentralen von VW, Mercedes und BMW sind auf das Wohl und Weh der Automobilfirmen angewiesen, sind sie doch Miteigentümer wie das Land Niedersachsen bei VW oder aber es handelt sich um mit die wichtigsten Arbeitgeber wie bei Mercedes in Stuttgart oder BMW in München. Da haben Seehofer, Weil und Kretschmann kaum die Möglichkeit bei den Autoherstellern massiv durchzugreifen und sie für ihr betrügerisches Handeln zur Rechenschaft zu ziehen, so wie es für das Wohl der Bevölkerung notwendig wäre.
Noch immer droht ein Fahrverbot seitens der Gerichte, aber noch immer wird mit den Verursachern glimpflich umgegangen. Es ist kaum zu verstehen, wie dieses Dilemma aufgelöst werden soll. Mit einem Software-Update jedenfalls nicht.
Und auf die alternativen Antriebsformen zu warten, ist den Kopf in den Sand gesteckt, zumal flächendeckende Konzepte in den nächsten 20 Jahren gar nicht vorhanden sein können und die Elektromobilität von Strom abhängt, der auch mit "dreckiger" Braunkohle erzeugt wird. Letztendlich muss es doch darauf hinauslaufen, dass die Automobilfirmen zur Kasse gebeten werden.
Sie müssen verpflichtet werden die Motor-Technik neu zu konstruieren, damit die Abgase mindestens um 50% reduziert werden, die technischen Möglichkeiten sind durchaus vorhanden, ihr Einbau ist allerdings um einiges teurer. Es hilft aber ansonsten nichts und außerdem ist es eine gute Gelegenheit die automobile Industrieelite darüber nachdenken zu lassen, ob es nicht sinnvoller, effektiver und außerdem schließlich billiger ist, wenn man gleich die technischen Möglichkeiten ansetzt, die gesetzlich notwendig, langfristig fair und hilfreich für den Käufer, und zudem weitaus besser für die Umwelt sind, wenn dadurch auch die Profite der Unternehmen etwas geringer ausfallen.
Die leitenden Vorstände wird es nicht treffen. Dank ihrer Positionen schwimmen sie immer oben. Und wenn nicht mehr in den Becken ihrer firmeneigenen Vorstandsvillen, dann in den Pools ihrer privaten Häuser an der Côte d´Azur oder irgendwo sonst an den mondänen Orten dieser Welt. Dort sind die Umwelt intakt, der Himmel blau, die Luft clean und Stuttgart weit weg.
Peter J. König
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