Grass und Sarrazin eine sonderbare Konstellation.
Günter Grass kann es nicht lassen. Ähnlich wie Sarrazin
zieht es ihn in die Öffentlichkeit. Beide sind beseelt von dem Gedanken,
aufklärend, ja messianisch die Menschen wach zu rütteln, um sie dazu zu bewegen,
sich politisch von vermeintlichen Fehlentwicklungen abzuwenden, vielmehr noch
gegen die herrschende Praxis in der deutschen und europäischen Politik
anzukämpfen, die Akteure bei den nächsten Wahlen abzustrafen, um so wieder Recht und Ordnung zum Durchbruch zu verhelfen.
Während
Grass die europäischen Völker, allen voran die Deutschen als schäbige Lumpen
sieht, die nur darauf aus sind die Griechen, einst die Väter des demokratischen
Wertedenkens, auszurauben, und sie dank ihrer wirtschaftlichen Potenz zu
unmündigen Befehlsempfänger zu degradieren, vielmehr noch wie nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf
Griechenland, sie wie ein besiegtes, unterworfenes Volk zu behandeln, das zu
einem funktionierenden Staatswesen erzogen werden muss, wenn man sich als Teil
eines gemeinsamen Europa begreift, will
Sarrazin genau das Gegenteil ausgemacht haben, einen griechischen Staat, der
nur darauf aus ist, viele Milliarden Euro auf betrügerische Weise von
Resteuropa zu erschleichen, ohne jemals die Möglichkeit zu haben, eine
realistische Rückzahlung einzuleiten, ganz im Gegenteil, eine solche sei von
Anfang an nie geplant gewesen.
Was soll man von diesen beiden Theorien halten, wie sind
diese Denkansätze in Bezug auf die
realen Abläufe zu bewerten?
So unterschiedlich die Thesen der beiden Herren daherkommen,
jeder von ihnen sieht den Schuldigen auf der anderen Seite. Eines eint sie
doch, nämlich der Versuch auf populistische Weise wieder einmal Gesprächsthema Nummer eins in den deutschen und
darüber hinaus auch internationalen Medien zu sein, siehe Grass durch sein letztes
Gedicht in USA und in Israel, wo
Bundespräsident Gauck bei seinem ersten Besuch in diesem Land an Pfingstmontag
bestimmt für die empfindlichen Gastgeber noch einiges klarstellen wird. Bei
Sarrazin kommt noch hinzu, dass sich trefflich Geld mit solchen
wissenschaftlich verbrämten Plattitüden verdienen lässt, denn welcher
nationalbewusste Bürger möchte nicht gerne hören, wie man ausländische Schmarotzer
aus der Eurozone sich am besten vom Leib
hält, wie man als fleißiger Deutscher, sich des räuberischen Gesindels aus dem
Süden Europas entledigt.
Tatsache ist, dass wir Deutschen die eigentlichen Profiteure
des gemeinsamen Währungsverbundes sind. Wir exportieren in einem viel größeren
Maße Waren in die Eurozone, als wir aus diesen Ländern importieren und auch das
frühere Währungsrisiko besteht nicht mehr. Im Falle Griechenlands sind es noch ausgerechnet Waffenexporte die ein Großteil
des Handels ausmachen, bestimmt keine
Waren, die der griechische Normalbürger unbedingt
braucht. Bezahlt werden diese Militaria
mit den Krediten aus dem Euro Topf, aber nicht nur
diese Verpflichtungen werden so bedient, natürlich auch die Zinssätze der privaten Gläubigerbanken von
sechs bis sieben Prozent, die diese für
ein Prozent in Billionenhöhe von der
Europäischen Zentralbank zur Verfügung gestellt bekommen haben.
In der letzten
Woche hat die Bundesrepublik mehrere
Milliarden am internationalen Kreditmarkt aufgenommen zu dem sagenhaften
Zinssatz von null Prozent, ein Traum für jeden Häuslebauer. Wenn man das weiß,
versteht man auch, warum Frau Merkel sich so vehement gegen Eurobonds stemmt. Diese würden für einen gemeinsamen,
durchschnittlichen Zinssatz für alle Eurostaaten sorgen, ein gravierender
Vorteil für die Hochzinszahler, ein entscheidender Nachteil für die starken, “gesunden“ Volkswirtschaften, also in erster Linie für Deutschland, da man nicht
unerheblich auch noch für die Sicherung der Eurobonds verantwortlich wäre. Ein
bekannter Banker hat zu diesem gemeinsamen Finanzierungsinstrument letztens gesagt: man gibt ja auch seinem Nachbarn
nicht seine Kreditkarte ohne nicht
bestimmen zu können, was er mit ihr letztendlich macht. In diesem Fall sind die
Herren Banker mit einem Urteil schnell bei der Hand, genauso wie sie davon
überzeugt waren, dass ihre milliardenhaften Spekulationsverluste schnell zu
Lasten der Allgemeinbevölkerung umgebucht werden mussten, zwecks der Stabilität
unseres Bankenwesens.
Bei allen finanztechnischen Problemen, die diese
Währungsunion mit sich gebracht hat, der Fehler liegt im Konstrukt, da man
verabsäumt hat, gleichzeitig eine politische Union zu schaffen, muss doch klar
sein, dass die Zukunft nur in einem gemeinsamen Europa liegen kann, alleine
schon wegen des Friedens der europäischen Völker untereinander. Von der einzigen, gemeinsamen wirtschaftlichen
Möglichkeit uns am Weltmarkt zu behaupten, habe ich schon vielmals gesprochen,
nur ein Ignorant anerkennt diese Notwendigkeit nicht. Wenn aber klar ist, dass
dieses vereinte Europa existenziell ist, muss man sich fragen, wie die
Gewichtung der einzelnen Staaten untereinander sein muss?
Wir als dauerhafte
Profiteure, während speziell die Südeuropäer dahin krebsen, dieses geht bestimmt nicht gut , zumal sie als Abnehmer
sehr schnell ausfallen würden. Bleibt der Weltmarkt, der aber auch so eine
Sache ist, da die Einflussmöglichkeiten weitaus geringer sind. Wer weiß schon,
wie die politischen Verhältnisse in der weiteren Zukunft sich entwickeln
werden, wer weiß schon, was mit den Produktionsstätten der deutschen Weltfirmen
in den aufstrebenden Regionen dieser Erde
passieren wird? Venezuela war auch vor Chavez ein lukrativer Standort für ausländische, wirtschaftliche
Investitionen, ich selbst hatte mehrmals die Möglichkeit mich in diesem
interessanten Land mit phantastischen Naturschauspielen umzusehen. Der
politische Machtwechsel hat die
Eigentumsverhältnisse sehr schnell verändert, die Verstaatlichung der Industrie ging auf Kosten der global
agierenden Konzerne.
Für solche ungewollten Eventualitäten brauchen wir einen großen
europäischen Binnenmarkt, den wir auch uneingeschränkt gemeinsam lenken können,
ähnlich wie die USA, die ihre Wirtschaftskraft zu einem erheblichen Teil ihrem
großen Binnenmarkt verdanken, weshalb auch alle Präsidenten ein besonderes
Augenmerk auf seine Entwicklung haben.
Soweit die Anmerkungen zu den Ideen des Herrn Sarrazin, der
alle diese Fakten nicht sehen will, da sie sich nicht besonders gut verkaufen
lassen, das Volk will anderes hören.
Herr Grass betreibt eine andere Verklärung, ihm ist das Volk egal. Er schwebt in
mythologischer Sphäre, inspiriert von Sokrates und anderen vorsokratischen
Philosophen, durchaus die große europäische Wiegenkultur untrennbar mit einer
europäischen Zukunft verbunden sehend. Seine Einschätzung zwischen dem heutigen
Griechenland und seiner wirtschaftlichen Verflechtung zum Rest von Europa ist absurd, wenn er nicht
sehen will, dass die Griechen, oder zumindest deren politischen Führer maßgeblich die
jetzige Situation mit zu verantworten haben. Sie haben die falschen Daten
geliefert, um in den Euroverbund zu kommen, um an die billigen, europäischen Subventionen
zu gelangen, und das treuere Kriegsgerät haben sie selbst bestellt, weil sie
sich mit ihren türkischen Nachbarn nicht vertragen, obwohl beide sich zu Europa
zugehörig fühlen.
Ihr Mitgefühl für die
griechische Kultur in allen Ehren, lieber Herr Grass, aber sie sollten dabei
nicht die Realität aus den Augen verlieren, und wenn ihr Gedicht der Versuch
gewesen sein sollte sich bei der griechischen Bevölkerung einzuschmeicheln,
dann war dies wohl ein untauglicher Versuch, denn auch in Griechenland kennt
man ihre so lange verschwiegene Zugehörigkeit zur „SS“, und in Anbetracht der
bestialischen Gräueltaten, die gerade diese Mordbuben dort verübt haben, wird
man auf ihr Lobhudeln gerne verzichten.
Peter J. König