Samstagskolumne Peter Jakob König, 10. September 2011

Mal wieder das liebe Geld!
In dieser Woche fand die Aussprache über den Bundeshaushalt 2012 im Bundestag statt. Finanzminister Schäuble hat nicht ohne einen gewissen Stolz dargelegt, dass die Neuverschuldung geringer ausfällt, die Mastricht-Kriterien eingehalten werden und die Regierung die Lage im Griff habe, der Euro stabil sei und die überschuldeten Länder  in der Eurozone, speziell Griechenland, mit der härtesten Maßnahme rechnen müssen, die die Regierungen der Euroländer durchführen können, die nächste Auszahlungstranche aus dem Rettungsschirm, sie soll Ende September kommen, zu verweigern. Die Folge allerdings wäre, dass Griechenland pleite ist, aus dem gemeinsamen Währungsverbund aussteigen müsste, mit unübersehbaren Folgen für Griechenland selbst, aber auch für alle anderen Länder der Eurozone.
Der Minister gab sich überzeugt, Einwürfe der Opposition begegnete er scharfzüngig, wobei er Peer Steinbrück, dem ehemaligen Finanzminister der großen  Koalition, führendes SPD-Mitglied und bestimmt ein ausgewiesener Kenner dieser schwierigen Materie, ungebührendes Benehmen vorwarf, wo dieser doch als Kanzlerkandidat der SPD bei der nächsten Bundestagswahl antreten würde.
Es war einmal wieder, wie immer, eine schöne Politshow, mit den entsprechenden Protagonisten, nicht zu vergessen Greogor Gysi , brillant als Redner, stimmig in seiner Argumentation, volksnah, da einfach und verständlich, aber leider nur sehr vordergründig, da nur parolenhaft und selten praktikabel. Alles klingt so einfach und plausibel, leider aber nur in der Theorie. In der Praxis sieht der Gysische Königsweg allerdings anders aus. Da bestimmen Sachzwänge, längerfristige Überzeugungen, interstaatliche Abhängigkeit, sei es durch bi- oder multilaterale Verträge oder wirtschaftliche Notwendigkeiten, den Lauf der Realpolitik. Doch ich muss zugeben, ich höre Herrn Gysi immer gerne zu. Er ist ein kurzweiliger Redner. Seine Rhetorikschule wäre für so manchen Minister oder Abgeordneten eine Bereicherung, aber letztendlich kommt es auf die Inhalte an.
Dazu gibt es allerdings einige wesentliche Fakten, die bei solch einer Debatte nicht erwähnt werden, weder von der Regierung und von den Parteien, die sie bilden, noch von der Opposition.
Fakt ist nämlich, dass der Schuldenstand pro Kopf in Deutschland momentan 24.500 Euro beträgt, soll heißen, ob Säugling, Greis oder jeder andere Bürger, wir sind alle in dieser Höhe mit Staatsschulden belastet. Dazu kommt noch einmal ein Bürgschaftsvolumen von 3.600 Euro, ebenfalls pro Einwohner der Bundesrepublik Deutschland. Es sind astronomische Summen, die da zusammenkommen. Wie soll das jemals zurückgezahlt werden, zumal die Zinsen, die dafür anfallen, mittlerweile den zweitgrößten Posten im Bundeshaushalt ausmachen.
Wir stecken quasi in der Zinsfalle. Nach den Sozialausgaben, größter Posten im Haushalt, werden etwa 80 Milliarden allein  an Zinsen für die Verschuldung veranschlagt. Natürlich taucht dabei die Frage auf: Wer verdient denn durch diese Zinsen oder durch den Rettungsschirm, mit dessen Einbehaltung Minister Schäuble so medienwirksam in Richtung Griechenland wedelte. Antwort:  Die Banken, nicht zuletzt die Deutsche Bank, die durch eine Tochtergesellschaft bei der Immobilienkrise in den USA kräftig mit gemischt haben soll,  jedenfalls ist sie  in dieser Woche von den amerikanischen Aufsichtsbehörden zu einer Milliardenklage vor Gericht gezogen worden.
Es ist undurchsichtig, das Geschäft mit den Finanzen. Die Finanzindustrie verdient Unsummen, die Allgemeinheit zahlt, der Bürger staunt, aber allmählich kommt Unruhe auf, bei diesen schwindelerregenden Zahlen. Dazu  gesellt sich die fehlende Transparenz für den finanzpolitischen Laien, ja selbst für den engagierten Beobachter gibt es kein Durchblicken mehr.
Folge: Angst vor der Zukunft, mangelndes Vertrauen in die Politik,  Politikverweigerung. Alles dieses ist nicht unproblematisch für die Demokratie. So passiert es auch, dass die Rechtsradikalen mit 6% in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einziehen und die Liberalen von der Bildfläche verschwinden. Dabei  möchte ich als ehemaliges FDP-Mitglied,  selbst einige Jahre in einem Kreisvorstand aktiv,  ganz offen sagen,  dass diese Partei in der jetzigen Form komplett abgewirtschaftet hat.
Liberalität, demokratische Grundrechte, individuelle Stärke zum Wohle der Gemeinschaft, alle diese Eigenschaften, die die FDP einmal vertreten hat,  außenpolitisches Gespür zum Erfolg unseres Landes, alles das ist auf der Strecke geblieben.
Zum Schluss bleiben nur noch Machtgezänk und die dumpfe Parole zur Steuersenkung. So kann sich eine ehemals wichtige Partei selbst zerlegen, so gehört sie nicht mehr zu dem, was in unserem Land wählbar ist. Die Gedanken und Ziele, die einst diese Partei ausmachten, sind jedoch  aktueller den je. Ein radikaler Neuanfang muss her.
Und nun noch ein paar Fakten und Zahlen, die mich diese Woche besonders alarmiert haben. Seit einiger Zeit gibt es in der Bevölkerung Menschen, die sich zur  Aufgabe gemacht haben, gegen das Vernichten von durchaus brauchbaren Lebensmitteln zu Felde zu ziehen. Dabei entstand eine mittlerweile immer größer werdenden Aktion “Watch the waste“. Sinn dieser Aktivität ist der Erhalt von Lebensmitteln, die nicht verbraucht oder nicht verkauft, einfach auf den Müll geworfen werden, anstelle sie einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Beachtliche  Erfolge zeigen sich dabei durch die Bewegung der „Tafeln“.
„Tafeln“ sind Einrichtungen, die von privaten Helfern organisiert, Menschen, die sich kein vernünftiges Essen mehr leisten können, ein solches zu ermöglichen. Die Lebensmittel stammen dabei oft von Supermärkten, Unternehmen der Lebensmittelindustrie, oder auch von Privatpersonen. Diese Produkte wurde nicht verkauft oder sie wurden überproduziert. Sinnvoll ist es, diese Nahrung den Bedürftigen zukommen zu lassen, anstatt sie einfach zu entsorgen. Mittlerweile gibt es viele Tafeln landauf, landab.
Ergänzend dazu folgende Informationen: Weltweit werden etwa 35%  aller produzierten Lebensmittel weggeworfen. In Deutschland sind  es über 50%. Man hat errechnet, dass der Hunger in der Welt besiegt werden könnte, wenn man diese Nahrungsmittel nicht einfach auf den Müll werfen würde, sondern sie den Hungernden dieser Welt zur Verfügung stellt. Ich weiß, dass dieses Unterfangen nicht so einfach ist, wie hier dargestellt, denn es gibt Bedingungen, die schwierig zu überwinden sind, um ein solches Vorhaben in die Praxis umzusetzen.
Wir erleben es momentan am Horn von Afrika in Somalia, wo etwa 800 000 Menschen vom Hungertod bedroht sind. Bringen wir also die Überproduktionen zu diesen armen Menschen. Leider ist dieses nicht so einfach möglich, denn die islamischen Rebellengruppen lassen dies nicht zu, es passt nicht in ihre Ideologie. So gibt es weltweit viele Sachzwänge, die einfache Hilfe nicht möglich macht, weil die Egoismen der Herrschenden, den elementaren Notwendigkeiten der Hungernden entgegenstehen.
Auch bei den internationalen Hilfsorganisationen sollen Konkurrenzdenken und andere Motive nicht humanistischer Natur gelegentlich hinderlich sein.
Trotz allem müssen wir umdenken, es ist unsere Pflicht, gegen die größten Widerstände alles zu unternehmen, um diesen Globus menschlicher zu machen. Letztendlich tun wir es ja für uns selbst.

Peter J. König 

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