Samstagskolumne Peter J. König 27.04.2013

Steht der Massenmord in Syrien bevor?

Es ist jetzt soweit. Das was viele Experten befürchtet haben, ist mit ziemlicher Sicherheit eingetreten. Das syrische Militär hat Giftgas gegen die Aufständischen eingesetzt. Vermutlich sind an zwei Orten, einmal in der Stadt Khan al Asal in der Nähe von Aleppo und in einem Vorort von Damaskus chemische Kampfstoffe zum Einsatz gebracht worden. Bei der Untersuchung von Erd- und Gewebeproben in einem britischen Labor wurden eindeutige Rückstände von dem Giftgas Sarin nachgewiesen. Zudem wurden Verletzte in Krankenhäuser eingeliefert, die die typischen Symptome nach der Berührung mit diesem chemischen Kampfstoff aufwiesen, nämlich schäumender Speichel, verkleinerte Pupillen und akute Atemnot. Alle diese Anzeichen wurden auch bei den Kurden im Nordirak festgestellt, als Saddam diese Menschen ebenfalls mit Sarin angegriffen hat und viele Tausend von ihnen qualvoll starben. Jetzt also die gleichen Anzeichen in Syrien. Dies bedeutet, dass wir es hier mit einer gesteigerten Eskalation in diesem Bürgerkrieg zu tun haben.

Dabei darf nicht vergessen werden, wie viele chemische und vielleicht auch biologische Kampfstoffe das Regime Assad noch besitzt. Die konventionelle Kriegsführung in Syrien hat mittlerweile über 70.000 Menschenleben gefordert. Wie viele werden es erst jetzt werden, wenn in größerem Maße solche Chemiewaffen eingesetzt werden? Offensichtlich ist die Truppe des Blutsaugers Assad so geschwächt, dass sie zu diesen Mitteln greifen muss, um ihr Überleben zu sichern, trotz der Warnung Obamas, dass im Falle eines solchen Einsatzes eine „rote Linie“ überschritten ist und dies die Amerikaner keinesfalls hinnehmen werden. Welche militärischen Maßnahmen aber jetzt tatsächlich von den USA und anderen westlichen Staaten unternommen werden, ist bislang nicht ersichtlich. Alle halten sich sehr zurück. Neue, eindeutige Beweise werden gefordert, obwohl die unterschiedlichsten Geheimdienste weitere Beweise geliefert haben. Alles deutet daraufhin, dass eine gemeinsame, eindeutige, taktische Vorgehensweise gegen Syrien nicht vorliegt. Die Russen halten sich komplett zurück, obwohl es auch ihnen nicht gelegen sein kann, dass ihr Verbündeter Assad dieses Arsenal zum Einsatz bringt. 

Was soll jetzt geschehen? Was steht den Menschen in Syrien bevor? 

Ein weiter so kann und darf nicht es nicht geben. Es wird allerhöchste Zeit, dass sich die Großmächte endlich einigen, wie sie dem Mörder in Damaskus das Handwerk legen. Sollte allerdings Russland sich nicht bereit erklären, sich an geeigneten militärischen Maßnahmen zu beteiligen oder sie wenigstens zu akzeptieren, muss die internationale Staatengemeinschaft, soweit sie bereit ist  bei militärischen Aktionen mitzumachen, unter der Führung der Vereinigten Staaten jetzt eingreifen. Mit jedem weiteren Tag und bei der Tatsache, dass die syrische Armee gegenüber den Aufständischen an Boden verliert, wird die Gefahr steigen, dass Giftgas in größeren Mengen eingesetzt wird. Wer will das noch akzeptieren? Wie will der Sicherheitsrat in New York dies noch verantworten, wenn hier keine militärischen Sanktionen beschlossen werden? Die Hemmschwelle bei der Entscheidung zum militärischen Einsatz im Libyenkonflikt war weitaus geringer. Jetzt müssen die Vereinten Nationen handeln, ansonsten muss eine Koalition der Willigen das Heft in die Hand nehmen und Verantwortung zeigen. Dabei ist dem Schreiber dieser Zeilen durchaus bewusst, dass die Risiken nicht gering sind, zu oft wurden diese auch hier in früheren Kolumnen immer wieder dargestellt. Deshalb muss neben den diplomatischen Anstrengungen, die augenscheinlich keinen Erfolg gebracht haben, die militärische Option jetzt unternommen werden. 


Geheimdienstliche Aktivitäten sind wohl bisher auch nicht zum Zug gekommen, sonst wären schon einige Geheimbunker mit Waffenlagern in die Luft gesprengt oder Kommunikationswege und Internetverbindungen lahm gelegt worden. Nicht nur Obama sondern auch andere westliche Staatsführer haben den Einsatz von Giftgas als den Punkt bezeichnet, dass wenn er überschritten wird, unausweichlich eine militärische Antwort folgt. Wie diese aussehen wird und ob sie überhaupt erfolgt, ist mit Spannung aber auch einer berechtigten Skepsis zu verfolgen. Die USA und andere Staaten werden sich an ihren Worten messen lassen müssen, die syrische Zivilbevölkerung erwartet, dass sie von dem skrupellosen Verbrecher und seinen Mordbuben befreit wird, bevor sie alle durch Massenvernichtung mit Gas verenden. So lange sind die Bilder aus dem Nordirak noch nicht Vergangenheit, dass man sich nicht an Menschen erinnert, die flächendeckend durch Giftgas auf grausame Weise getötet worden sind. Die kurdischen Dörfer, voller entstellter Männer, Frauen und Kinder legen Zeugnis dafür ab, dass diejenigen, die solche Verbrechen an der Menschheit begangen haben, ihre eigene Existenzberechtigung verwirkt haben. Deshalb ist es unbedingt an der Zeit, dass sich solche Bilder wie im Kurdengebiet im Nordirak sich in Syrien nicht wiederholen können. Demgemäß muss jetzt gehandelt werden, auch militärisch.

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 13.04.2013

Braucht unsere Gesellschaft neue Werte?  

Ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beschert uns die Anklage der Staatsanwaltschaft Hannover am gestrigen Freitag gegen den ehemaligen Bundespräsident Christian Wulff wegen Bestechlichkeit im Amt. Der angeschuldigte Wulff soll nach der Staatsanwaltschaft bei einem Besuch des Münchner Oktoberfests im Jahre 2008 Hotelkosten im "Bayrischen Hof" und Bewirtungskosten auf der „Wiesn“ in Höhe von über 700 Euro von dem Filmproduzent Groenewold erhalten haben. Dies soll in der Absicht geschehen sein, den damaligen Ministerpräsident von Niedersachsen zu bewegen, in dienstlicher Eigenschaft bei der Firma Siemens in München um finanzielle Hilfe für die Vermarktung seines Filmprojektes „John Rabe“ zu bitten. 

Wulff soll einen entsprechenden Brief wenige Wochen nach dem München- Besuch an den Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG geschrieben haben, allerdings ohne Erfolg. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Bittschreiben „in Kenntnis und mit Billigung der Kostenübernahme“ erstellt worden ist. Wulff bestreitet diesen Sachverhalt. Groenewold soll schon am folgenden Tag nach dem Aufenthalt in München um einen entsprechenden Brief an Siemens bei dem Ministerpräsident vorstellig geworden sein. Er wurde ebenfalls am Freitag wegen Bestechung angeklagt, zudem soll er gegenüber dem Landgericht Köln eine falsche Versicherung an Eides statt abgelegt haben. Jetzt ist es die Aufgabe des Landgerichts Hannover zu prüfen, ob ein Hauptverfahren eingeleitet wird. Erfahrungsgemäß wird dies einige Zeit in Anspruch nehmen. Soweit der aktuelle Sachstand. 

Jede weitere Klärung ist jetzt dem Gericht in Hannover überlassen, irgendwelche Vermutungen über den Verlauf verbieten sich entsprechend. Allerdings verbietet es sich nicht, darüber nachzudenken, womit wir es bei diesen Vorgängen grundsätzlich zu tun haben, in Anbetracht der Tatsache, dass Wulff nicht irgendeine Privatperson war sondern damals Regierungschef in Hannover und anschließend Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Es muss doch ausgeschlossen werden dürfen, dass eine solche politische Persönlichkeit per se niemals mit solchen strafrechtlichen Vorwürfen allein im Ansatz konfrontiert werden kann. Diese Gewähr darf doch der Bürger in unserem Land haben, ansonsten müssen gravierende Mängel bei der Auswahl der Person zu diesen hohen Ämtern vorliegen.

Auffällig ist, dass die Personalie Wulff kein fehlgelaufener Zufall ist, sie steht für den Wandel der Zeit, für den Wandel der Demokratie und hauptsächlich für den Wandel in unserer Gesellschaft. Unumstößliche Werte, wie Ehrlichkeit, Redlichkeit, Verantwortung, Gemeinsinn, Gesetzestreue und der unbedingte Wille ein gerechtes Staatswesen anzustreben, ja auch dem Staat zu dienen, wenn man in politische Ämter, zumal in hohe und höchste berufen worden ist, hat seine Wertigkeit in den letzten Jahrzehnten eingebüßt. An diese Stelle sind Egoismus, Machtstreben, Privilegien- Sucht und Selbstdarstellung getreten. Wobei sich die Frage stellt, wer wen infiltriert hat, die Politik die Gesellschaft oder die Gesellschaft die Politik?

 Wahrscheinlich wird es ein Mix von beidem sein, denn noch nie war Politik so abhängig von den Interessen großer Wirtschaftsvereinigungen, wie an dem ausufernden Lobbyismus zu sehen ist, der in unserer Bundeshauptstadt am Sitz der Regierung und der Ministerien festzustellen ist. So wie in der Gesellschaft durch die alles dominierende Werbung immer neue Begehrlichkeiten geweckt werden, die weg führen von Gemeinschaftsinteressen, hin zum konkurrierenden Ellenbogenindividualismus: mein Haus, mein Auto, mein Schiff und meine egoistische Gier, ist dies auch nicht anders im politischen Bereich. Heutzutage gehen junge Menschen in die Politik, sie schließen sich den Jugendorganisationen der Parteien an, nicht weil sie die Welt verändern wollen, wie es Jugend zu allen Zeiten so an sich hatte, nein immer mehr wird nur noch das politische Geschäft als Sprungbrett für die eigene Karriere gesehen und da kann man nicht früh genug anfangen, denn die Konkurrenz ist ja sehr groß. Aus der politischen Vision ist das politische Geschäft geworden. Und wie es beim Geschäftemachen so üblich ist, werden Deals eingefädelt, Geschenke gemacht, Gefälligkeiten übernommen und Absprachen getroffen, die jenseits der politischen Karriere zum Tragen kommen. 

Dies klingt alles wie die Versorgungsmentalität von raffgierigen Managern aus der Wirtschaft und nicht wie das Anforderungsprofil eines mit Macht ausgestatteten Volksvertreters, der dem Allgemeinwohl verpflichtet ist. Oberstes Gebot scheint der Machterhalt zu sein, denn nur so kommt der Segen der Privilegien zum Tragen. Dies alles wird auf Dauer unsere politische Gestaltungsfähigkeit ad absurdum führen. Interessensverbände werden immer mehr die Politik bestimmen und das Allgemeininteresse bleibt dabei auf der Strecke. Bestes Beispiel für diese Entwicklung ist die europäische Bankenkrise, die nur mit Hunderten von Milliarden an Steuergeldern vielleicht in den Griff zu bekommen ist. Wo bleibt da das Interesse am Gemeinwohl? Wie weit dies alles mit dem Fall Wulff zu tun haben wird, werden wir am Ende dieser „Causa“ sehen. Bisher gilt für ihn die Unschuldsvermutung, dies ist sein Recht. 

Trotzdem sollte überlegt werden, ob nicht grundsätzlich ein Umdenken beginnen muss, wie man die Unabhängigkeit unserer Mandatsträger steigern kann, sowohl in finanzieller Hinsicht, in der Abhängigkeit von Parteien, aber hauptsächlich in einer gereiften Persönlichkeit außerhalb der Politik, zumal das erworbene Wissen und die gemachten Erfahrungen sich dann positiv auf die politische Gestaltung auswirken werden.

Und damit zur realen Politik, zurück in den Kampf um die Macht, zurück in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs, die mit dem Bundesparteitag der SPD am morgigen Sonntag in Augsburg beginnen wird. Ursprünglich hat ja diese entscheidende Wahlkampfzeit für die Sozies schon seit der Nominierung ihres Kanzlerkandidaten begonnen, doch dies wollte überhaupt nicht glücken. Peer Steinbrück hat es bisher prächtig geschafft, sich bei den Wählern nicht besonders beliebt zu machen. Honorar- Affäre, das Lächerlichmachen von italienischen Politikern und andere verunglückte Äußerungen haben seine Prognosen- Werte gegenüber der Kanzlerin derart in den Keller rauschen lassen, dass momentan keiner einen Euro auf seinen Sieg im September verwetten würde. 

Auch die Umfragen für die SPD scheinen darunter zu leiden, sie dümpeln bei 25% plus minus herum, ein Wahlsieg zusammen mit den Grünen scheint in weiter Ferne, zumal Schwarz-Gelb aktuell nach langer Zeit wieder eine Mehrheit zum Wahlsieg prognostiziert bekommen hat. Deshalb soll der Augsburger Parteitag die Wende bringen. Die Themen, wie die Gerechtigkeitskarte oder das große Wir-Gefühl sollen den Zuspruch zur SPD mehren, da dies weit größere Wählerschichten anspricht, als Steinbrücks Attacken gegen die Banken, die Finanzindustrie oder gegen Merkel und Schäuble. Nun soll die Partei den Kandidaten nach vorne bringen und nicht wie heutzutage bei Wahlen üblich, der profilierte Kandidat die Partei, im Sinne einer Personenwahl a la Schröder. Dessen Wahl- Rhetorik trauert so mancher Genosse wehmütig nach, als Wahlkämpfer kann Steinbrück mit ihm nicht mithalten. Aber die SPD-Granden sind schon zufrieden, wenn ihr Kandidat glaubwürdiger als bisher ihre programmatischen Thesen an die Wähler herüber bringt, was bisher auch nicht immer gelungen ist. 

Jetzt heißt es fest zusammenstehen und hoffen, dass Peer Steinbrück jedes weitere Fettnäpfchen meidet. Ansonsten sagt man sich in den Reihen der SPD, nicht zu Unrecht, dass noch mehr als fünf Monate Zeit bleiben bis zur Bundestagswahl und aus Erfahrung weiß man, dass ein so frühes Hoch eines Kandidaten in der Vergangenheit oftmals mit einer kalten Dusche geendet hat, zumal Fettnäpfchen nicht allein das Privileg des SPD-Kandidaten sind. 

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 07.04.2013

Was erwartet die koreanische Halbinsel nach dem 10. April?

Während über die Ostertage in Mitteleuropa noch tiefer Winter herrschte, auf ein paar wärmende Sonnenstrahlen und die ersten lauen Lüftchen wartete man vergebens, wurde im Fernen Osten auf der koreanischen Halbinsel mit heißen Provokationen die atomare Kriegsgefahr durch den Staatsführer Nordkoreas, Kim Jong-un angeheizt. Dabei drohte er den USA mit einem Atomangriff, Südkorea gegenüber wurde das Waffenstillstandsabkommen aufgekündigt und die Wirtschaftssonderzone auf der nordkoreanischen Seite geschlossen. 

Hier hatten sich über hundert Firmen aus dem Süden angesiedelt, die mit Arbeitskräften aus dem Norden ihre Produktionen mit weitaus geringeren Lohnkosten als in Südkorea gestalten konnten. Für die Nordkoreaner ist dies die einzige bedeutende Deviseneinnahmequelle, zudem sind diese Arbeitsplätze heiß begehrt, denn sie entsprechen internationalen Standards, was ansonsten im Land des Steinzeitkommunismus nicht der Fall ist. Nordkorea ist eines der meist isolierten Länder weltweit. Während die Bevölkerung an großer Mangelversorgung leidet, bis hin zu Hungerkatastrophen, basiert die Macht der Führerfamilie Kim seit dem Ende des Koreakrieges 1953, mittlerweile in der dritten Generation, auf dem alles beherrschenden Militär, die Nomenklatura, die die politische und militärische Ausrichtung des Landes bestimmt.

Die Privilegien dieser herrschenden Kaste sind von der Durchschnittsbevölkerung extrem abgehoben, zugleich werden aber dadurch die Machtansprüche der Staatsführung gesichert. Wie in allen totalitären Staaten wird jeglicher Widerspruch im Keim mit brachialen Mitteln erstickt, mit riesigen Volksaufmärschen soll die Loyalität zu ihrem Führer dokumentiert werden. Dabei kommt es zu den absurdesten Treuebekundungen, wie zu den Trauerfeierlichkeiten des Vaters Kim Jong-il, der nach seinem Tod in einem kollektiven Beweinungsritual von Hunderttausenden tagelang eine nachträgliche Huldigung nachgesandt bekam. Solche Aktionen sind einmalig auf der Welt, sie zeigen jedoch welchem Grad an Manipulation die Menschen dort unterworfen sind. 

Das Land hat sich weitestgehend nach außen abgeschottet, ausländische Medien sind bei Androhung drastischer Strafen verboten. Somit ist die Bevölkerung völlig unaufgeklärt bezüglich demokratischen Staatshandelns. China ist nicht nur der einzige Verbündete von Nordkorea sondern garantiert auch die Existenz des Staates, aber vielmehr noch sein Überleben in wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht, durch großzügige Waffen- und Hilfslieferungen aller Art. Ohne die Chinesen wäre das Staatsgebilde Nordkorea nie zustande gekommen. Während des Koreakrieges hatten die Amerikaner die gesamte koreanische Halbinsel besetzt und nur durch den Einsatz von hunderttausend chinesischen Soldaten wurde das Land bis zum 38igsten Breitengrad zurück erobert. Diese Demarkationslinie bildete fortan die Grenze zwischen dem kommunistischen Norden und dem westlich orientierten Süden. 

Während Südkorea seinen wirtschaftlichen Aufschwung konsequent auch international betrieb, versank Nordkorea immer mehr in Armut. Planwirtschaft und Despotie zeigten ihre Folgen. Heute gehört das Land zu den ärmsten der Welt, das Prokopfeinkommen rangiert ganz unten auf der weltweiten Skala. Nur das Militär kennt keine Budjetkürzungen. Über eine Million Soldaten steht unter Waffen, eine enorme Zahl für ein so kleines Land, zudem ein gefährlicher Machtfaktor. Atomwaffen sind zu Zeiten des Vaters des jetzigen Machthabers entwickelt worden, womit Nordkorea in ein anderes militärisches Zeitalter eingetreten ist, sehr zum Schrecken der Nachbarländer in Südostasien, wo nur noch die Volksrepublik China über Atomwaffen verfügt. 

Wie sehr die militärische Balance in der Region durch die nordkoreanischen Atombomben ins Wanken geraten ist, wird durch die Provokationen des 30jährigen Führers Kim Jong-un erschreckend deutlich. Die Amerikaner als enge Verbündete sowohl von Südkorea als auch von Japan haben militärisch reagiert und Zerstörer und Tarnkappenbomber nach Südkorea verlegt. Weiterhin werden Raketenabwehrsysteme in Stellung gebracht, zudem eine lückenlose Luftüberwachung des gesamten nordkoreanischen Luftraumes durchgeführt. Die getesteten Mittelstreckenraketen der Nordkoreaner sollen neben Südkorea und Japan, auch die pazifische Insel Guam, also amerikanisches Hoheitsgebiet erreichen können. Hier liegt der größte Militärstützpunkt der USA im südostasiatischen Raum und im Pazifikgebiet. 

Ein Raketenangriff käme einer militärischen Bedrohung der gesamten Vereinigten Staaten gleich und würde eine sofortige Intervention der amerikanischen Streitkräfte zur Folge haben, was so viel heißt wie Krieg auf der koreanischen Halbinsel. Die Folgen wären sowohl für Nord- als auch für Südkorea verheerend. Seoul, die Hauptstadt und Wirtschaftsmetropole des Südens liegt nur wenige Kilometer von der Grenze nach Norden entfernt, im Schussbereich der Artillerie der Nordkoreaner, also bei Kriegshandlungen unmittelbar gefährdet. 

Über den Einsatz von Atombomben möchte ich hier gar nicht erst spekulieren, zu schrecklich sind diese Vorstellungen, wenn man an Hiroshima und Nagasaki denkt. Wie die Chinesen in einer solchen kriegerischen Auseinandersetzung sich positionieren, ist überhaupt noch nicht klar. Und wäre dies alles noch nicht genug, erklärt die nordkoreanische Staatsführung, dass nach dem 10. April die Botschaften in Pjöngjang nicht mehr sicher seien und forderte die entsprechenden Staaten auf ihr Personal abzuziehen. Dies gilt auch für Russen und Chinesen, was diese besonders verärgert hat. 

Insgesamt hat die internationale Staatengemeinschaft bisher recht besonnen reagiert, da man auch den Nordkoreanern eine Mittelstreckenrakete mit einem atomaren Sprengkopf technisch noch nicht zutraut. Trotzdem wird mit einem Raketenabschuss gerechnet, zu Testzwecken und um die Stärke des Raketenprogramms zu demonstrieren. Dies alles soll zum Geburtstag des Staatsgründers und Großvaters des jetzigen Machthabers nach dem 10. April stattfinden. Wie die Amerikaner in diesem Fall reagieren werden, bleibt spannend abzuwarten. Die Chinesen werden genau beobachten, wie die USA zu ihren Bündnisverpflichtungen stehen und es ist für sie von höchstem Interesse, welche Stärke die Amerikaner im ostasiatischen und pazifischen Raum aufbauen werden, zumal Obama hier seine zukünftigen Machtoptionen sieht. Stellt sich zum Schluss die Frage, warum ein so junger und weltpolitisch unerfahrener Machtinhaber, wie Kim Jong-un ein solches Wagnis eingeht, nicht nur die USA zu brüskieren sondern ihre einzige Schutzmacht, die Volksrepublik China vor den Kopf zu stoßen. 

Grundsätzlich ist diese Frage nur unter Vorbehalt zu beantworten, da Informationen über die inneren Strukturen der Machtführung nur sehr schwer und unvollständig nach außen dringen. Es wird gemutmaßt, dass Kim Jong-un wirtschaftliche Reformen in seinem Land einleiten will. Dies stößt bei den alles beherrschenden Militärs auf größte Skepsis, sie wollen ihre Privilegien unangetastet wissen. Zu ihrer Beruhigung gilt seitens Kim Jong-un die ganze Aufmerksamkeit und das provozierende Muskelspiel, denn hier soll die herausragende Rolle des Militärs noch einmal demonstriert werden. Deshalb müssen die Vorgänge in Nordkorea in erster Linie als innenpolitische Handlungen gesehen werden. Der junge Führer will sich durch sein Machtgebaren, wie sein Großvater und Vater als uneingeschränkter Herrscher von Nordkorea etablieren, seine militärischen Gefolgsleute sollen ihm bedingungslos folgen, gleichgültig welche politischen Veränderungen er auch durchsetzen will. Sich tatsächlich auf einen Krieg mit Südkorea und den USA einzulassen, kann nicht in seinem Sinne sein, denn er ist ja bestrebt seine Herrschaft noch möglichst lange aufrecht zu erhalten. Ob dies nach einer militärischen Auseinandersetzung noch tatsächlich der Fall sein würde, scheint mir doch mehr als zweifelhaft.

 Peter J. König