Samstagskolumne Peter J. König 28.07.2012

Olympia eine friedliche Illusion?

Eigentlich sollten alle Waffen ruhen, alle militärischen Konfrontationen zurzeit eingestellt sein. Seit 0.12 Uhr am heutigen 28igsten Juli sind die dreißigsten Olympischen Spiele der Neuzeit von Ihrer Majestät Königin Elisabeth von England eröffnet worden. Leider  aber hat es der heutige Mensch   nicht geschafft, was unsere Vorfahren in der Antike durchweg zustande gebracht haben. Mit dem Entzünden der olympischen Flamme bei der Olympiade in Griechenland wurden alle Kriegshandlungen der teilnehmenden Völker untereinander eingestellt, zumindest für die Dauer der Spiele. So war gewährleistet, dass über viele Monate Ruhe zwischen verfeindeten, in Kriege verstrickten Parteien eintrat.


 Der größte, sportliche Wettstreit der Antike war allen heilig. Zuwiderhandlungen zogen den Zorn der Götter nach sich. Dieses wollte keiner riskieren. Heutzutage kommt die Vorstellung einer friedlichen Zeit, zumindest für die Dauer der zweiwöchigen Olympischen Spiele einer Illusion gleich. Zwar sind gestern Abend die Athleten von über zweihundert Staaten in das Olympiastadion von London hereinspaziert, friedlich, fröhlich, bunt und teilweise sehr enthusiastisch, aber dass an irgend einem Punkt auf dieser Erde weniger gekämpft, getötet oder gefoltert wird, ist nachweislich nicht erkennbar. Genau das Gegenteil ist zu vermuten. 


Weil der Focus der Menschheit zur Zeit hauptsächlich auf London ruht, glauben die Diktatoren dieser Welt, sie könnten ihr schmutziges Geschäft weitgehend unbemerkt von der großen Öffentlichkeit betreiben. Dies steigert die Gier und die Brutalität mit der sie ihren brachialen Machtwillen durchsetzen wollen. Deshalb ist jetzt höchste Aufmerksamkeit geboten, seitens der Völkergemeinschaft, diese Schlächter und Blutsauger zu überwachen. Aber es sind nicht diese Menschenschinder allein, die diese vermeintlich entspannte Zeit nutzen, um ihr Süppchen zu kochen. Führende Politiker aller Länder versuchen ebenfalls jetzt gerne unbequeme, politische Entscheidungen ihrem Wahlvolk unterzujubeln. Also aufgepasst und nicht nur Medaillen gezählt, die Versuchung dieser Machtmenschen ist zu groß. 


Vor unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel scheinen wir ja momentan etwas Ruhe zu haben. Noch ist sie seit Freitag berauscht von dem Pathos des „grünen Hügels“ in Bayreuth. Wagners monumentale Opernklänge werden bei ihr noch einige Tage im Ohr nachhallen und ihre Wirkung nicht verfehlen. Da ist es gut, dass sie sich erst einmal die frische Höhenluft der Südtiroler Berge um den Kopf blasen lässt. Nicht auszuhalten wäre es, wenn sie gleich nach dem kraftstrotzenden Dopingakt in der Bayreuther Psycho-Klinik nach Berlin zurückgekehrt wäre, um dann europäische Krisenbewältigung zu betreiben. Jetzt hat sie die Gelegenheit bei gutem Südtiroler Roten und kräftigem Speck einmal inne zu halten und in Ruhe über die Fülle der nationalen und internationalen Probleme nachzudenken. In der Hektik des Berliner Tagesgeschäfts bleibt dazu ja kaum Zeit. 


Zur Entspannung geht’s dann noch zwischendurch nach London zu den Spielen, wo sie zusehen kann, wie andere Spitzenkräfte Höchstleitungen erbringen. Dieses sollte durchaus motivierend wirken, denn Frau Merkel kann es gebrauchen, bei der Vielzahl von neuen Problemfeldern die nach ihrem Sommerurlaub auf sie, aber auch auf uns alle warten. Noch erleben wir die sommerliche Ruhe, da die meisten Akteure auf den großen Bühnen dieser Welt und ihre Berichterstatter sich für wenige Wochen zurückgezogen haben, um Kraft zu tanken. Doch es verdunkelt sich der Konjunkturhimmel spürbar. 


Deutschland wird jetzt mit der Entwicklung konfrontiert, die den anderen europäischen Staaten schon seit einiger Zeit das Leben schwer macht oder sie an den Rand der Pleite oder hinein getrieben hat. Bei Griechenland sind keinerlei Fortschritte zu sehen, eher das Gegenteil ist festzustellen. Spanien befindet sich quasi in freiem Fall, denn neben den Banken gehen jetzt auch schon die einzelnen Provinzen Pleite und schreien nach der Zentralregierung. Diese wiederrum brüllt geradezu nach den Deutschen, respektive nach deren massiver Unterstützung. 

Natürlich geht es immer noch oder in  verstärktem Maße um die alten Probleme, die da  sind: Bankenpleite, Konjunktureinbruch, steigende Arbeitslosigkeit, besonders bei jungen Menschen( über 50%), massive staatliche Ausgabenkürzungen wegen schwindenden Staatseinnahmen, Generalstreiks und eine ratlose, verbitterte Bevölkerung. Schon habe ich letzte Woche gewichtige, ausländische Stimmen gehört, die danach gefragt haben, wann es in Spanien zu einem Militärputsch kommt? 

Es wird allerhöchste Zeit, dass wir uns nicht mehr verbieten, mit solchen furchtbaren Thesen grundsätzlich uns auseinander zu setzen. Den Kopf in den Sand zu stecken, hilft überhaupt nicht. 


Der einzige Lichtblick kam in der letzten Woche aus Irland. Seit vielen Monaten haben die Iren wieder Geld vom freien Kapitalmarkt akquirieren können. Zuletzt waren sie nur durch den sogenannten Rettungsschirm finanziell überlebensfähig. Die Tatsache, dass internationale Anleger dort wieder investieren, zeigt, Irland hat die Wende geschafft. Ihre Anstrengungen bei den Reformen bringen erste Früchte. Wenn jetzt keine massiven Rückschläge kommen, sollte es den Iren gelingen diese tiefe wirtschaftliche Krise zu überwinden. Gut für Irland, aber auch gut für die europäische Währungsunion. Zum ersten Mal wäre dann bewiesen, dass die Vereinigung in der Lage ist zu helfen, wenn Not am Mann ist, bei einem ihrer Miglieder. Hält dieses Land dann auch noch strikt den Reformkurs ein, zeigt sich Erfolg. Andere neue Erkenntnisse sind außerdem noch durch die Staatsschuldenkrise gewonnen worden. 

Die Währungsunion ist ein unzureichendes Rumpfgebilde, das auf Dauer keinen Bestand haben wird, wenn nicht schnellstens eine politische Union entsteht. Erst dann kann Europa seine ganze Kraft entfalten, sowohl wirtschaftlich, als auch kulturell. Schon in wenigen Wochen wird sich zeigen, wie wichtig diese gesteigerte Potenz ist, wenn sich in Deutschland die Folgen der Krise massiv auswirken werden. Die Alarmglocken läuten schon heute sehr vernehmlich. In der Automobilindustrie, im Maschinenbau, im Transportwesen, überall wo wir noch zuletzt uns gegen den europäischen Trend wehren konnten, fehlen jetzt die Auftragseingänge. Dies ist die Folge auch der rückläufigen Entwicklungen unserer großen, internationalen Wirtschaftspartner. Ergo, die Ausfuhren gehen zurück, der Export bricht ein. 


Jetzt erst wird sich zeigen, wie labil diese Währungsunion wirklich ist, wenn Deutschland als größte Binnenwirtschaft schwächelt, wenn die Bundesrepublik nur noch bedingt in der Lage ist, an der Spitze der Gemeinschaft die gesamteuropäischen, wirtschaftlichen Probleme zu schultern. Also gönnen wir der Bundeskanzlerin, aber auch allen anderen politischen Verantwortlichen, die Sommerpause. Frische Energien und neu gewonnene Erkenntnisse können bei der zu erwartenden Problemlage nicht schaden. 


Trotz des heiteren Bildes gestern Abend im neuerbauten Olympiastadion in London, mit einer solchen Fülle von Staatsoberhäuptern aus der ganzen Welt oder vielleicht gerade deshalb, muss ich noch unbedingt auf die schlimme Lage in Syrien zu sprechen kommen. Bei dem Anblick des Einmarsches der syrischen Delegation musste ich sofort an die  Menschen in Aleppo, der Handelsmetropole dieses Landes denken. Hier findet zurzeit der wohl entscheidende Kampf zwischen Assad und den Auf ständigen statt. Vorort wird sich entscheiden, wie lange der Schlächter aus Damaskus noch sein blutiges Spiel treiben kann. Wie man hört, haben die Kurdengebiete in Syrien sich schon befreit, ganz zum Leidwesen des türkischen Präsidenten Erdogan, der Separations- Erscheinungen auch in seinem Land als Folge befürchtet. Dies macht die Lage im türkischen Kurdistan erneut extrem schwierig. Grundsätzlich kann der Untergang des Assad-Regimes zu einem gefährlichen Macht- Vakuum führen.


Die extremen Islamisten, gesteuert aus dem Iran, stehen in den Startlöchern, beziehungsweise sind im Land schon sehr aktiv. Dazu kommen Extremisten aus Afghanistan, die liebend gerne eine neue Machtbasis vor Ort aufbauen würden. Ihr Ziel ist der Sturz der Potentaten in den Ölstaaten. Wenn man aber weiß, dass die USA und Indien, nebst Japan und China, die Hauptabnehmer des schwarzen Goldes aus den arabischen Staaten sind, dann weiß man auch, wie brisant diese Machtveränderung in Syrien ist. Allein aus diesen Gründen schon ist es illusorisch jemals an eine Friedenspflicht während der Olympischen Spiele auch nur zu denken. Jedoch erinnere ich mich an einen entsprechenden Aufruf eines früheren Generalsekretärs der UNO, der es zumindest einmal versucht hat. Genutzt hat es nichts. 

Alle Konflikte der damaligen Zeit gingen unvermindert weiter. Mittlerweile hat man auch diesen Versuch aufgegeben. Zum Schluss will ich noch ein paar Worte über die wunderschöne, hochkulturelle Stadt Aleppo an der syrischen Mittelmeerküste schreiben. Beginnen möchte ich damit, dieser kulturellen Wiege des Vorderen Orients zu wünschen, dass sie nicht das Schicksal von der, ebenfalls am Mittelmeer liegenden Stadt Beirut, erleiden muss. Früher als das Paris des Ostens am Mittelmeer verehrt, hat sie sich von dem Bürgerkrieg im Libanon bis heute nicht erholt. Kenner schwärmten einst, Beirut verbinde den Flair von Paris mit der Leichtlebigkeit der Cote d“Azur. Machtgier und Brutalität haben alles zunichte gemacht. 


Aleppo, alte Universitätsstadt mit einem historischen Souk, in dem alles gehandelt wird was der Orient hervorbringt, gehört zum Weltkulturerbe. Die Altstadt ist ein Kleinod mit unwiederbringlichen Schätzen. Hier werden Gewürze aus aller Welt gehandelt, in einer Fülle, die nirgendwo sonst auf der Welt zu finden ist. Alle möglichen Ingredienzien zur Herstellung eines Parfums werden angeboten, so dass man sich direkt bei den Parfumeuren alle erdenklichen Duftwasser zusammenstellen lassen kann. Aleppo ist lebendige Geschichte. Die Völker Europas und Asiens sind hier durchgezogen, selten in friedlicher Absicht. Kreuzritter haben hier sich verwöhnen lassen, bevor sie ihr Leben bei den Kämpfen um Jerusalem hingeben mussten. Dieses alles ist massiv gefährdet, wenn jetzt der Entscheidungskampf um die Macht in Syrien dort brutal ausgetragen wird. 

Die Menschen erleben unendliches Leid. Russland und China scheint es nicht zu interessieren. Sie bestehen auf ihrer Vetohaltung im Sicherheitsrat. Ansonsten wollen sie in London beweisen, wer von ihnen die größere Sportnation ist. Zudem wird Russland demnächst auch noch die  olympischen Winterspiele ausrichten, völlig friedlich natürlich. Der Mensch ist schizophren, dies wird hier einmal wieder sehr deutlich. Über die wirtschaftlichen Hintergründe einer solchen Olympiade möchte ich gar nicht erst sprechen, sonst bleibt mir der olympische Gedanke:“ nur die Teilnahme zählt“ in den Hirnwindungen stecken und verursacht dort eine Explosion.

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 14.07.2012

Syrien, immer wieder Syrien, aber auch ein anerkennender Blick hinüber nach Frankreich. 

Während die Franzosen heute ihren Nationalfeiertag  mit der  für uns Deutsche immer wieder erstaunlichen Hingabe und Ausgelassenheit feiern, müssen in Syrien unschuldige Menschen ihr Leben lassen, weil sie gewillt  sind, die grausame Diktatur, unter der sie schon seit Jahrzehnten leiden, endgültig  abzuschütteln. Das Massaker, das am letzten Donnerstag in dem Dorf  Tremseh nahe der syrischen Stadt Hama, einer der Hochburgen der Aufständischen,  eventuell bis zu 250 Menschenleben gefordert hat, ist seit Beginn der blutigen Unruhen die schlimmste Gräueltat,  die das syrische Volk  bisher erleiden musste. Diese  Aktionen haben  mittlerweile einen Grad der Verrohung erreicht,  der mitnichten den Massenmorden auf dem Balkan nachsteht. Bei dem Zerfall Jugoslawiens eskalierten die Tötungshandlungen derart, und dabei sind bei den einzelnen Mordaktionen oftmals  mehrere tausend Menschen hingeschlachtet worden, dass UNO-Truppen der einzige  Ausweg war, um diesem menschenverachtenden Treiben Einhalt zu gebieten. Leider hat der Einsatz der Blauhelme dort auch nicht immer das weitere Morden verhindern können. Zumindest scheint heute die Situation einigermaßen befriedet zu sein. Einige Scharmützel  flammen zwar immer noch   auf,  so dass man von einem friedlichen Balkan noch lange nicht sprechen kann.
In Syrien ist man noch weit davon entfernt eine solche UNO-Friedensmission auf die Beine zu stellen. Zumindest beginnt die Front der beiden Vetomächte im Sicherheitsrat zu bröckeln,  die bisher ein aktives Handeln, um welche Maßnahme es sich dabei auch immer handeln möge,  verhindert haben. Während China nach den Geschehnissen  am Donnerstag,  es soll wohl schwere Artillerie seitens der Regierungsmiliz gegen zivile Dorfbewohner eingesetzt worden sein, erklärt hat, sie würden sich den Maßnahmen Katalog einiger westlicher UNO-Mitglieder sehr genau anschauen und  sich vielleicht daran beteiligen, bleibt Russland als Vetomacht stur. Sie sehen keine aktive Handlungsmöglichkeit seitens der Weltgemeinschaft.  Allenfalls eine größere Zahl an UN-Beobachter und  Verhandlungen zwischen Assad und  den Aufständischen unter der Vermittlung von Kofi Annan ist für die russische Führung der Schlüssel zur Beendigung des Bürgerkrieges in diesem Land.
Alles dieses ist aber bereits gescheitert, wie selbst der immer positiv motivierte ehemalige Generalsekretär der UNO bedauernd zugeben musste. Bisher hat es Annan nicht geschafft, die Russen mit ins Boot zu holen.  Allzu groß  sind die strategischen Interessen dieser Supermacht hier im Vorderen Orient, zumal sie an Einfluss in den letzten Jahren deutlich verloren haben. Außerdem wollen sie verhindern, dass die USA in Syrien massiv Fuß fassen. Dies würde das Ende der russischen Flottenpräsenz im östlichen Mittelmeer bedeuten, da ihr jetziger Stützpunkt in einem solchen Fall sehr bald geräumt werden müsste. So etwas passt Putin überhaupt nicht in den Plan.  Er will demnächst machtstrategisch wieder mit den Amerikanern gleichziehen.  Also gibt es überhaupt keine militärische Intervention seitens der UNO.  Andere  Sanktionen, wie man sie bei Libyen beschlossen hatte, bevor man die militärische Karte zog,  stehen ebenfalls nicht zur Debatte.
In der Zwischenzeit geht das Morden des Diktators an der Zivilbevölkerung weiter. In westlichen Medien spricht er dreist von Terroristen, die von den Amerikanern gesteuert, sein Land destabilisieren sollen.   Mit solchen Massakern will man angeblich  seine Regierung international an den Pranger stellen.  Zynischer kann man die Vorgänge in Syrien nicht darstellen, wie es Assad vor einigen Tagen bei einem Interview mit  Jürgen Todenhöfer  für das deutsche Fernsehen gemacht hat. Die Beobachter der UN berichten nach der Rückkehr  von ganz anderen Vorgängen. Sowohl das syrische Militär, als auch Assad nahestehende Milizen, die von dem Regime mit schweren Waffen versorgt werden, massakrieren die Bevölkerung. Dabei legen sie durchaus auch persönlich Hand an, wenn gefoltert wird.  Kinder werden dabei nicht verschont.  Glaubt man einen vermeintlich Aufständischen erwischt zu haben, wird ihm die Kehle durchgeschnitten.  Dies alles ist durch glaubwürdige, internationale  Quellen belegt. Es handelt sich hierbei um keine Gräuelpropaganda der Regierungsgegner.  Die Feinde Assads werden mittlerweile waffentechnisch in großem Umfang von einigen arabischen Staaten unterstützt.  Dadurch wird der bürgerkriegsähnliche Charakter dieses Konflikts mächtig ausgeweitet.   
Bis vor wenigen Tagen war sich Assad der Gefolgschaft seiner Leute sicher. Er saß durch das Militär innenpolitisch fest im Sattel.  Mit Hilfe von Russland und China wurde bisher  zudem  die Macht nach außen gesichert.
Jetzt aber werden erste Risse deutlich. Der ranghöchste Diplomat Syriens, der Botschafter im Iran, hat sich in der letzten Woche von Assad losgesagt und sich der Exilopposition angeschlossen. Des Weiteren forderte er die  syrischen Streitkräfte auf,  gegen Assad zu kämpfen und seine Herrschaft zu beenden. Dies sind  völlig neue Töne in diesem Konflikt.  Nicht spurlos muss an diesem Blutsauger die Tatsache  vorbeigegangen sein, dass  der Diplomat auch noch ein langjähriger Freund der Familie Assad war.
Der Despot müsste eigentlich ein gesteigertes Interesse an den Abläufen der zuletzt stattgefundenen Revolutionen in der arabischen Welt haben. Allein schon aus dem Grund, um nicht den Absprung zu verpassen. Wenn es nämlich  heißt, rette sich wer kann,  wenn Assad also  mit seiner schönen Frau und seinen herzigen Kindern die Zeiten heil überstehen will, dann muss ihm klar sein, dass der Absprung des Botschaftspersonal immer der Anfang vom Ende war.  Die Herren Botschafter wissen genau, wenn es Zeit wird die Seiten zu wechseln, da besitzen sie eine untrügliche Witterung.
Also Assad, die Zeit ist reif, die Milliarden, die Du Deinem Volk geklaut hast, sicher auf den einschlägigen Depots weltweit  zu verbunkern. Es gibt ja noch genügend  Plätze auf dieser Welt, wo dies problemlos möglich ist. Je früher Du den Abgang machst, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Menschen  ihr Leben behalten,  die durch Dein Klammern an die Despotie unschuldig  zu Tode kommen. Deshalb wiederhole ich hier, was ich schon in einer früheren Kolumne gesagt habe. Denk an Gaddafi, den libyschen Schicksalsgenossen.  Er hat auch nicht damit gerechnet, dass die Zeit gegen ihn war und er am Ende durch die Pfählung mit einer Eisenstange grausam zu Tode kam. Noch hast Du die Gelegenheit  Dir und Deiner Familie dieses Schicksal zu ersparen. Ob es allerdings gerecht ist, muss ich der Beurteilung des syrischen Volks überlassen. Ich persönlich plädiere für den Internationalen Gerichtshof in Den Haag.
Während ich mich mit diesen Zeilen  abmühe, wird bei unseren Freunden und Nachbarn jenseits   des Rheins just zu dieser Stunde diniert, getanzt und gelacht. Sie erfreuen sich der demokratischen Rechte, die sie anno 1789, beginnend mit dem Sturm auf die Bastille,  erkämpft haben. Dazu von dieser Stelle: Herzlichen Glückwunsch. Natürlich weiß ich, dass die Franzosen zu Hause  in ihrem Land und überall auf der Welt, wo sie sich gerade aufhalten, es prächtig verstehen diesen wichtigsten Feiertag, den das Land kennt, großartig zu feiern.
Den Syrern ist zu wünschen, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft, die gleiche Freude haben werden, wenn sie den Tag der Befreiung von Unterdrückung und Tod begehen.  Vielleicht hilft  jetzt  ja  ein Blick nach Frankreich, um sie in ihrem Mut und in ihrer Überzeugung zu bestärken,  dass es sich lohnt,  sein Leben für die Freiheit zu riskieren. 
Peter J. König
   

Samstagskolumne Peter J. König 07.07.2012

Wie konfus ist die Europapolitik der europäischen Regierungen und verstehen die Bürger überhaupt noch worum es geht? 

Das Bild, das sich dem politischen Beobachter momentan zeigt, wenn er die Medien, national wie international, aufmerksam verfolgt, aber auch wenn er sich unter der Bevölkerung im In- und Ausland umhört, ist verheerend. Ein solches Desaster, in Bezug auf die Europäische Union, ihre Institutionen, ihre Handlungen, den Zustand ihrer Mitglieder und die Bereitschaft an einem Strang zu ziehen, hat es seit den Gründungstagen noch nie gegeben. Selten waren die politisch handelnden so uneins über den künftigen Kurs der Gemeinschaft.  Eine Lösung der europäischen Banken- und Staatsverschuldungskrise ist nicht in Sicht. Hat man sich  früher  lediglich über verschiedene Lösungswege  gestritten, so ist man heute überhaupt nicht mehr in der Lage einen erfolgsversprechenden Ansatz zum Überwinden der bedrohlichen Probleme zu konzipieren.  Alle stochern im dichten Nebel der monetären Bedrohung herum, mit der Folge, dass die Vernunft immer mehr schwindet und Platz macht für Polemik  jeglicher Art.  Hauptsache sie nützt den Interessen des jeweiligen Landes, dessen politische Führung diese Parolen in die Welt  gesetzt hat. Das alles gleicht mehr einem gackernden Hühnerhaufen, als einem intellektuellen Gremium von Politprofis, die sich einmal auf den Weg gemacht haben ein vereinigtes Europa auf die Beine zu stellen.

Die Folgen sind verheerend. Schon jetzt ist  bei  den europäischen Bevölkerungen die bisher vorhandene Skepsis zu diesem  gemeinsamen  Staatsgebilde gewichen und wird durch neu aufflammende  Ressentiments    ersetzt. Dabei steht Deutschland, als stärkste europäische Wirtschaftsmacht im Focus. Die Antipartie bündelt sich in der Person der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel. Doch je mehr die anderen Europäer, speziell aus den südlichen Regionen unseres Kontinents, über Madame "No" herfallen, umso größer werden ihre Akzeptanzwerte in der deutschen Bevölkerung. Dies ist jedoch ein sehr zweischneidiges  Schwert. Natürlich steigen dadurch ihre Chancen bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr, denn sie kann sich als Hüterin eines stabilen Euro verkaufen. Zudem hat sie sich bis zum EU-Gipfel in der vorletzten Woche geradezu martialisch als Verteidigerin gegen Gemeinschaftsschulden positioniert. Dabei sollen angeblich  solche Worte gefallen sein: Solange ich lebe, wird es mit mir keine gemeinsamen Schuldenvereinbarungen geben. Nicht nur, dass diese Art der Argumentation politisch unklug ist, nein, einen Tag später hat sie ihre vermeintliche Aussage ad absurdum geführt, indem sie ihren Kollegen in Brüssel doch gemeinsame Schuldeninstrumente in Aussicht gestellt hat. Zwar soll dieses alles unter strengen europäischen Auflagen stattfinden, wenn überhaupt, so wird betont, aber Fakt ist, dass  die Krals Hüterin ihre Position im Handumdrehen aufgegeben hat. Der Druck der angeschlagenen Mittelmeerländer war  wohl doch zu groß.

Doch wie geht der deutsche Bürger damit um?

So wie die  Wirtschaftswissenschaftler damit umgehen. Diese haben in großer Zahl mit einer Anzeige in der FAZ in der letzten Woche gewarnt. Etwa einhundertsiebzig  Professoren und andere Fachleute haben sich gegen derartige Beschlüsse in der EU ausgesprochen, weil sie die Stabilität unseres Staates und unserer Finanzen gefährdet sehen, so die Wissenschaftler. Prompt kam aus dem politischen Berlin ein lauter Aufschrei, so heftig wie selten. Hier zeigt sich, was ich zu Beginn meiner Kolumne gemeint habe. Wir sind uns schon in Deutschland völlig uneins, wie man die europäische  Staatsschuldenproblematik lösen soll, wie soll dies  dann  auf europäischer Ebene funktionieren? Hierbei handelt es sich beileibe aber nicht um ein akademisches Problem, das man mit wissenschaftlicher Akribie über Monate  untersuchen kann. Die Zeit drängt. Es droht der Staatsbankrott für Länder wie Griechenland, Spanien, Portugal. Italien und Frankreich sind angeschlagen, und wenn keine tragfähige Lösung sehr bald zustande kommt, werden auch diese beiden Länder auf den internationalen Finanzmärkten sich nicht mehr wirtschaftlich vernünftig refinanzieren können. Dann helfen auch die größten Rettungsschirme nichts  mehr, der Kollaps der Weltwirtschaft droht. Nicht umsonst sind auch die USA, China und alle anderen aufstrebenden Weltwirtschaftsmächte sehr besorgt und drängen auf eine schnelle Lösung in Europa.

Was bedeutet das aber alles für uns, und wie wirken sich die angestrebten Lösungen auf die Menschen in den einzelnen Ländern  der Gemeinschaft aus?

Finnland hat schon einmal in den letzten Tagen verlauten lassen, dass der Verbleib im EURO-Währungsverbund  kein zwingendes Muss ist, wenn man alle Schulden in einen gemeinsamen Topf wirft.  Ähnliches ist von der holländischen Regierung zu hören. Diese Länder sind aber mit Österreich und Deutschland die starken, finanztechnisch gesunden Volkswirtschaften, die die Finanzmärkte bewegen könnten bei gemeinsamer Haftung Geld  zu moderaten, sprich niedrigen Zinssätzen anzubieten.

Eine wirklich verteufelte Situation, denn ohne die Starken kommt das Aus für die Schwachen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dies ist wirklich kein akademisches Spiel, denn hinter allem stehen die Menschen in ganz Europa. Ich bin überzeugt ein Scheitern würde uns alle in ein Chaos stürzen. Dabei ist überhaupt nicht sicher, dass die starken Länder nach dem Zerfall der Währungsgemeinschaft auch weiterhin stark bleiben. Isoliert von dem restlichen dahinsiechenden Europa würde auch diesen Ländern schnell die Luft ausgehen. Dabei möchte ich von kriegerischen Auseinandersetzungen gar nicht erst sprechen, obwohl auch diese im Falle einer gescheiterten Einigung durchaus stattfinden könnten. Dies lehrt uns die Geschichte eindeutig.

Natürlich wird es den Deutschen nicht leicht fallen, zu akzeptieren, was als einzige, wirklich tragfähige Lösung aus dieser vertrackten Situation unumgänglich ist. Es gibt kein Zurück mehr in die isolierte Einzelstaaterei des letzten Jahrhunderts. Langfristig kann nur ein gemeinsamer europäischer Staat überleben. Dies bedeutet aber, die meisten hoheitlichen Rechte in den gemeinsamen Topf zu werfen. Dieses fällt vielen in Deutschland nicht leicht, genau so wenig wie anderen Völkern in Europa, man denke nur an die eigensinnigen Engländer, die stolzen Südländer, die unabhängigen Skandinavier oder die liberalen Holländer. Alle müssen sie über ihren Schatten springen. Alle müssen sie sich von eigenen politischen Traditionen trennen. Ihre Identitäten bleiben dabei aber überhaupt nicht auf der Strecke, so wie in der Schweiz, nur etwas mehr Toleranz gilt es zu üben. Gemeinsam müssen sie alle aber auf die Einhaltung strikter demokratischer Regeln achten. Das ist für das eine oder andere Land in Europa durchaus eine Bereicherung, auch für uns Deutsche. Wenn man Europa erst einmal als das eigene Land begriffen hat, dann ist das Wichtigste für den neuen gemeinsamen Staat geschafft. Dann gilt es die sich bietenden Chancen zu nutzen, der Rest der globalisierten Welt wird uns sowieso Beine machen.

Wir müssen den Menschen vermitteln, dass ein gemeinsames  Europa überhaupt keine Bedrohung ist, genau das Gegenteil ist der Fall. Bedroht werden wir, wenn überhaupt, von einer ausufernden Bürokratie in der Gemeinschaft. Da gilt es wachsam zu sein. Wenn ich die deutsche Steuergesetzgebung betrachte, dann kommen mir bei dem Gedanken an ein zukünftiges Europa wunderbare Neuerungen in den Sinn. Hier wie bei vielen anderen veralteten und verstaubten Gesetzen ist jetzt die beste Gelegenheit aufzuräumen, Platz zu schaffen für effiziente Strukturen, unfaire Privilegien verschwinden zu lassen, also einen modernen, gut funktionierenden Staat aufzubauen. Ein wesentlicher Grund, warum es gerade in vielen südeuropäischen Ländern so schlecht funktioniert, ist das Fehlen  einer solchen Verwaltung.  Es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn nach diesem historischen Umbruch aus dem alten zerrissenen Europa nicht ein wirtschaftlich und kulturell starkes geeintes Europa hervorgehen würde, dessen größte Stärke die Menschen sind, die diesem Kontinent den Platz in der Weltgemeinschaft geben, der  eine sichere Zukunft garantiert.

Peter J. König