Samstagskolumne Peter J. König, 5.11.2011, diesmal eingestellt am 6.11.2011

Alles auf Treibsand. Droht unser monetäres System zu zerfallen?

Wenn ich zum Abschluss meiner Kolumne vom letzten Samstag von einem diffusen Bild der Lage gesprochen habe, dass momentan keine klaren Konturen erkennen lässt, jedoch ausgelöst durch die hoffnungsschwangeren Äußerungen des Politduos Merkel/Sarkozy  einen vermeintlichen Silberstreifen der Rettung  vor der Heimsuchung des Staatsschuldenmonsters, die gestressten Gemüter der europäischen Bürger etwas  zu beruhigen schien, wurden die deutsch-französischen Krisenlenker  gleich zu Beginn der Woche kalt erwischt, als der griechische Ministerpräsident Papandreou, eine Volksbefragung über das erneute Sparpaket abhalten wollte, dass seinem Land abverlangt wurde und dass die Voraussetzung zur Auszahlung der nächsten Tranche vorsah.

Man kann sich nur vage vorstellen, wie in Berlin und Paris die Telefondrähte geglüht haben müssen, wie die nach außen ansonsten so staatsmännisch auftretenden Staatslenker Deutschlands und Frankreichs im Kreise ihrer Mitarbeiter und Berater ihre  Contenance verloren haben, um „Tod und Teufel“ in Richtung Athen zu beschwören. Dabei kann ich mir gut vorstellen, dass sowohl im „Elysee“ als auch im Bundeskanzleramt des Öfteren das Wort von “Verarschung“ die Runde gemacht hat, nachdem man in der Woche zuvor mühsam ein Rettungspaket für Griechenland geschnürt hatte, den Banken und Versicherungen einen Schuldenschnitt von 50%  bei den Staatsanleihen aufs Auge gedrückt hat, die Hebelung des Rettungsschirmes vom Bundestag hat absegnen lassen und jetzt alles „für die Katz“ sein sollte, denn wer glaubt wirklich daran, dass  die griechische Bevölkerung  den rigiden Einsparungsmaßnahmen zustimmen würde, die sie persönlich noch härter treffen, wie bislang schon geschehen und außerdem auch noch die Wirtschaftsleistung des griechischen Staates weiter schmälert.

Merkel und Sarkozy jedenfalls glaubten nicht daran, und um auf die Zustandsbeschreibung  der Lage  vom Anfang der Kolumne zu kommen, können wir nicht mehr von einem diffusen konturlosen Bild sprechen, nein hier herrscht nur noch Chaos, das reinste Tohuwabohu und ein gefährliches dazu, denn die Euro-Zone läuft Gefahr zu zerbrechen, aufgrund der Zwangsmechanismen, die ich in den letzten Wochen schon beschrieben habe.  Sie werden auftreten, wenn Griechenland ungeordnet bankrottgehen sollte.

Also, welch ein Tiefschlag durch die Ankündigung der Volksbefragung seitens Papandreou, der so scheint mir, sich nicht mehr wohl in seiner Haut fühlt, wenn er als amtierender Ministerpräsident für alles allein verantwortlich sein soll, was die Griechen zu ertragen haben, jedenfalls will er nicht als alleiniger Sündenbock für die Entbehrungen der Menschen stehen. Deshalb sucht er die Bestätigung des Volkes, normalerweise ein gebotener Akt demokratischen Handelns, hier jedoch eher eine politische Finte, denn gleichgültig wie entschieden wird, er kommt immer ungeschoren davon: Bei Ablehnung war es das Volk, bei Zustimmung war es seine kluge politische Führung. Dass er dabei jedoch einen Totalabsturz riskiert, ficht ihn wenig an.

Bei allen politischen Winkelzügen hat Herr Papandreou allerdings vergessen, dass er sich den Zorn von Frau Dr. Merkel zuziehen würde, denn wenn unsere Bundeskanzlerin „etwas kann“, dann ist es Beharrlichkeit, Ausdauer und Durchsetzungsvermögen. So wurde der griechische Ministerpräsident im Zuge des G 20 Gipfels in Cannes, eine  durch und durch "verregnete Veranstaltung", wie man nicht nur im Fernsehen verfolgen konnte, sondern auch durchgehend von den politischen Kommentatoren vor Ort übermittelt bekam, Sarkozys Gesicht sprach Bände, wunderbar diese romanische Mimik, also Papandreou   wurde am Vorabend des Gipfels Mittwoch abends, nach Cannes zitiert und hinter verschlossenen Türen wurden die Messer gezückt und Tacheles gesprochen. Ob Frau Merkel ihm dargelegt hat, sein durchaus anspruchsvolles, aber perfides Gedankenspiel durchschaut zu haben, nämlich eine Art Erpressungsversuch mit der Insolvenz Griechenlands zu veranstalten, um so an die Auszahlung weiterer Milliarden und weiterer Hilfspakete zu gelangen, ist nicht publik gemacht worden.

Ob er noch in der Lage war, das zu dieser Sitzung gereichte Kalbsfilet, begleitet von Pommery  Jahrgang 1999 zu genießen, ist ebenfalls nicht übermittelt. Die Konsequenzen, die diese Volksbefragung, sollte sie negativ ausfallen, diese Konsequenzen wurden den Hundertschaften von Journalisten jedoch sofort nach der Sitzung mitgeteilt: Keine Zahlung weiterer Gelder, kein Rettungspaket, auch möglicherweise kein weiterer Verbleib in der Eurozone für Griechenland, so eine entschlossene Kanzlerin bei der Pressekonferenz, und weiter: sofortige Maßnahmen, um einer Ansteckungsgefahr auf andere hochverschuldete Länder der Eurozone vorzubeugen, sogenannte „ monetäre Brandmauern“, auf Deutsch noch viele weitere Milliarden in Rettungsschirme, um so die anderen Mitglieder und man denkt da speziell an Italien, zu stabilisieren.

Papandreou  wurde wie ein geprügelter Hund aus Cannes fortgeschickt. Sarkozy  als Gastgeber hat ihm noch nicht einmal die Ehre eines öffentlichen Abschiedes gewährt, Monsieur war zutiefst gekränkt und kann dann aus seinem Herzen keine Mördergrube machen.

Der griechische Ministerpräsident hatte es dann auch sehr eilig, sodass er der wartenden Presse nicht viel zu sagen hatte. Welch` ein Wandel innerhalb einer Woche, als er in Brüssel noch freudestrahlend den neuen Aufbruch für Griechenland verkündet hatte.

Jetzt waren die Bemühungen den Euro zu retten, und wie Angela Merkel auf Ihrer Pressekonferenz zum wiederholten Male betont hat, der Euro sei Europa, und wenn wir den Euro retten, dann retten wir damit auch Europa. Diese wochenlangen intensiven Bemühungen waren an ihrem Tiefpunkt angelangt und keiner der führenden Politiker Europas  konnte sagen, wie es nun tatsächlich weitergeht.  Dies alles klingt irgendwie bedrückend und führungslos und am Donnerstagmorgen sollte der so wichtige Gipfel der 20 Länder mit den größten Volkswirtschaften beginnen, wo man doch wieder die politische Führung über die Finanzmärkte vereinbaren  wollte, wo man Strategien zur Schuldeneindämmung international koordinieren wollte und wo man sich endlich wieder handlungsfähig zeigen wollte.

Ziemliche Ratlosigkeit muss sich  zu Beginn der Verhandlungen breit gemacht haben, denn was würde mit Europa und dem Euro passieren?

Griechenland als Thema hat alles überschattet, dabei waren Länder wie China, Indien und Brasilien gekommen, um globale Wirtschafts-und Finanzprobleme zu lösen. Das man überhaupt noch in die vereinbarte Tagesordnung dieses Gipfels einsteigen konnte,  ist der Tatsache geschuldet, dass Papandreou  offensichtlich zu  genüge „gequetscht“ worden ist.

Am Donnerstagmittag  erklärte er in Athen, dass die Volksbefragung nicht stattfinden würde, sondern, dass eine neue breite Regierungsmehrheit, unter Mithilfe der Opposition, gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen sollten. Um die erforderlichen Voraussetzungen für das Rettungspaket zu erfüllen, sei er bereit zurückzutreten, um so Neuwahlen zu ermöglichen, die dann eine große Koalition   zur Folge haben müsse.

Es würde hier zu weit führen, wenn ich näher auf diese erneuten Winkelzüge des Herrn Papandreou eingehen würde. Nur so viel:  Schlau ausgedacht von dem Herren, denn Neuwahlen würde alles weiter hinauszögern, sich gefügig anhören, um so vorab schon einmal die dringend notwendigen Milliarden zu kassieren. Ein richtiger Fuchs, dieser Papandreou, denn außerdem würde seine Popularität beim Volk steigen, die nächsten Wahlen wären gesichert und er würde seinen Vorfahren auch keine Schande machen, denn immerhin waren ja schon sein Vater und Großvater gewählte politische Führer in Griechenland, da darf der Enkel nicht scheitern.

Kaum hatte die Ankündigung aus Griechenland Cannes und den Gipfel erreicht, da schöpfte Sarkozy  wieder Hoffnung, doch noch ein erfolgreicher Gastgeber zu sein. Unablässig, so hörte man aus Gipfelkreisen, wurde er nicht müde, seine Freundin Angela zu loben, sie als wichtigste Politikerin Europas zu benennen, sie für ihr exzellentes Verhandlungsgeschick in allen Krisen zu preisen  und zu betonen, wie glücklich er sich schätze, gerade in dieser schweren Zeit für Europa und die Welt, eine solche kluge Beraterin als wahren Freund an seiner Seite zu haben.

„Quel flateur“, kam ich nicht umhin zu denken, als ich diese Worte von „Freund Nicolas“ hörte und  mir fuhren sofort die Gedanken des großen französischen Poeten "Jean de la Fontaine" in den Sinn, der meisterhaft das Phänomen des Schmeichelns in seinen Fabeln persifliert, wenn er resümiert: „Jeder Schmeichler lebt auf Kosten der Zuhörer“.  Nicht umsonst haben  Aristokraten vor der französischen Revolution die Kunst des Schmeichelns zur Höchstform entwickelt, sie verstanden es meisterlich, ihre Ziele damit zu erreichen.
Ich finde Sarkozy würde diesen hochwohlgeborenen Herrschaften alle Ehre machen, denn er beherrscht dieses Metier vollendet. Allerdings bin ich sehr gespannt darauf zu sehen, welche Wirkung diese Art der Courtoisie bei einer Dame aus Mecklenburg –Vorpommern hinterlässt.

Wir wollen bei aller Schmeichelei nicht vergessen, dass Frankreich auch extrem hoch verschuldet ist; bei den Ratingagenturen denkt man über ein Abstufen der Bonität von Triple A der höchsten Bonitätsstufe, nach. Außerdem stehen bald wieder französische Präsidentschaftswahlen an, Sarkozys Umfragewerte gehen kontinuierlich zurück, da kann man eine weltweit anerkannte Krisenmanagerin, die australische Ministerpräsidentin hat sie in den höchsten Tönen in Cannes gelobt,  und  sie zu einem Staatsbesuch nach Australien eingeladen, eine strahlende Persönlichkeit als enge Freundin gut gebrauchen.

Der Gipfel in Cannes ist seit Freitagabend beendet. Viel soll nicht dabei herausgekommen sein, sagen die medialen Gipfelveteranen. Allerdings gibt es neue Aufregung in den Gazetten, denn von einer Attacke auf die Goldreserven, die bei der Bundesbank schlummern ist die Rede. Klammheimlich will die Bundesregierung, so die Berichte, die Einlagen bei der Bundesbank nutzen, um die Deckung des Internationalen Währungsfonds  zu erhöhen und zwar ohne sich die Genehmigung des Bundestages einzuholen.

Diese wäre nötig, da diese Rücklagen den Bundesbürgern gehören, folglich wären die Repräsentanten des Volkes also die Bundestagsabgeordneten zustimmungspflichtig. Da aber  die Abgeordneten nur unter Bauchschmerzen den Rettungsschirm und dessen Hebelung bewilligt haben, käme das Begehren auf die Goldreserven ganz schlecht an. Übrigens was die Hebelung anbelangt, hat man sich wohl gründlich verkalkuliert, denn  kein Staat, keine Pensionskasse oder Träger von anderen großen Geldreserven sind bereit, dieses monetäre Wagnis einzugehen, zumindest nicht, wenn das Risiko nicht komplett, etwa durch den IWF abgesichert ist.

Aber wie schon erwähnt, es müssen Billionen schwere Brandmauern aufgebaut werden, um das System zu stabilisieren. Na klar, dass man auf die Reserven bei der Bundesbank schielt. Leider, oder Gott sei Dank ist die Bundesbank die einzige Staatsbank in Europa, die über solche Rücklagen verfügt, über Rücklagen, die noch nicht belastet sind. Wenn die Bundesregierung  diese Reserven dem IWF zu Deckungszwecken überlassen würde, ohne dass das Parlament seine Zustimmung gegeben hat, würde sie rechtsbrüchig handeln. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wäre unausweichlich.  

Deshalb hat man schon an ein europäisches Gesetzgebungsverfahren gedacht, um an die Verfügbarkeit der Währungsreserven zu kommen, nationales Recht könnte sich gegebenenfalls unterordnen müssen. In Anbetracht dieser Tatsachen hat man diesen Fragenkomplex in Cannes zurückgestellt und wieder von der Tagesordnung genommen. Allerdings bin ich überzeugt, dass ab Montag eine lautstarke Diskussion in den Massenmedien beginnen wird. Ich sehe schon die Schlagzeile in der Bildzeitung: Merkel raubt Goldschatz!

Dann hat das Volk wieder etwas, worüber es sich das Maul zerreißen kann, wobei doch unbemerkt hinter den Kulissen ganz andere Szenarien ablaufen,  wo die Verschuldung über das europäische Zahlungsverkehrssystem, genannt  Target, einige südeuropäische Länder nebst Irland bei den Notenbanken von Deutschland, den Niederlanden und Finnland mittlerweile eine Höhe von über 600 Milliarden Euro betragen soll, ein weiteres enormes Kreditrisiko, das in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht wahrgenommen wird: Alles nur schwindelerregend.

Wie immer zum Schluss nun ein  vermeintliches Bonbon für die sorgengeplagte Bevölkerung: die EZB hat die Leitzinsen in dieser Woche gesenkt, um ¼ Prozentpunkt von 1,5 auf 1,25 Prozent. Dieses liest sich gut, jedoch haben leider nur die Banken einen Vorteil von dieser Zinssenkung, denn diese bekommen zwar jetzt billigeres Geld, aber leider spürt der Bankkunde davon so gut wie nichts, denn nur selten werden diese Vorteile  am Bankschalter weitergereicht.
Peter J. König

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