Samstagskolumne Peter J. König 22.12.2012

Haben die unruhige Zeiten in Ägypten eine entscheidende Auswirkung auf den gesamten Nahen Osten?

Nachdem mehr als eine Woche nun vergangen ist und die Menschen weltweit sich aus der geistigen Schockstarre des furchtbaren Massakers in der Grundschule von Newtown im Bundesstaat Connecticut in den USA zu befreien suchen, wird jetzt ernsthaft begonnen über eine Verschärfung der amerikanischen Waffengesetze nachzudenken. Präsident Obama hat schon auf der Gedenkveranstaltung für die zwanzig getöteten Kinder und sechs Erwachsenen vor Ort darauf sehr eindringlich und bewegend hingewiesen, dass er alles in seiner Macht Stehende unternehmen wird, um endlich gegen den Waffenwahn in den Vereinigten Staaten wirksam etwas zu unternehmen. Zu oft hat er in seiner bisherigen Amtszeit an solchen niederschmetternden Veranstaltungen teilnehmen müssen. Dabei steht der Präsident vor einer Herkulesaufgabe, denn es reicht nicht, dass viele Amerikaner den Waffenbesitz als eine Art persönliches Grundrecht ansehen, das seit den Zeiten der Gründungsväter der Neuen Welt existiert, nein zudem ist die Lobby der Waffenindustrie mit die mächtigste in diesem Land. 

Wie unverfroren und dumm ignorant diese Interessensvertreter auftreten, haben sie durch ein Interview bewiesen, das der Vizepräsident des Verbandes am letzten Freitag, also eine Woche nach dem Amoklauf gegeben hat. Darin erdreistete sich dieser Lobbyist zu behaupten, der Schutz der Kinder sei nicht durch weniger Waffen sondern nur durch eine massive Aufstockung des Waffenpotentials an Schulen zu gewährleisten. Alle Lehrer seien mit Schusswaffen auszustatten und seien so im Bedarfsfall verteidigungsfähig. Zum Beweis zog er das mutige und selbstlose Verhalten der Direktorin dieser Schule heran, die sich schützend vor ihre Kinder stellte und dabei erschossen wurde. Daraus folgerte dieser Ignorant, dass im Falle einer Bewaffnung die Schulleiterin den Attentäter hätte niederstrecken können. Welche absurde Vorstellung und wenn der Vorschlag wirklich ernsthaft gemacht sein sollte, welche unrealistische Einschätzung. 

Häuserkampf in amerikanischen Schulen mit militärisch ausgebildetem Lehrercorps, perfider können Gedankenspiele von geldgierigen Verkaufsstrategen gar nicht mehr werden. Auf die Idee, den Waffenbesitz zu unterbinden oder ihn stärkstens zu reglementieren, um so die tödliche Bedrohung zu bekämpfen, kommt den Herren von der Waffenmafia nicht in den Sinn. Trotzdem sind sie durch die Ankündigung von Präsident Obama aufgeschreckt, denn ein großer Hedgefonds hat schon in der letzten Woche erklärt, seine nicht unwesentliche Beteiligung an einem der führenden Waffenunternehmen zu veräußern, da sie wirtschaftliche Einbußen durch ein verändertes Waffengesetz befürchten. 

Tatsächlich hat Barack Obama in seiner zweiten Amtszeit eine realistische Chance den Waffenfanatismus in den USA einzudämmen. Um seine Wiederwahl muss sich der Präsident keine Sorgen mehr machen, so dass er die Mehrheitsfähigkeit eher vernachlässigen kann. Dies gilt sowohl für diesen politischen Komplex, wie auch für einige andere, die er zwar vor seiner ersten Wahl angekündigt hatte, aber in der ersten Amtsperiode nicht umsetzen konnte, da er ansonsten um seine Wiederwahl fürchten musste. Dies ist jetzt vorbei, die zweite Amtszeit dient in der Regel amerikanischen Präsidenten dazu, mit wichtigen Gesetzesentscheidungen als bedeutend in die Annalen der amerikanischen Geschichtsschreibung einzugehen. Das wird auch bei Obama so sein und wenn es ihm gelingt durch neue drastische Waffengesetze, die immer häufiger auftretenden Massaker in der amerikanischen Gesellschaft einzudämmen, speziell an Schulen, wird er dafür von der Bevölkerung geliebt und verehrt werden. 

Noch nie war eine überwiegende Anzahl von Amerikanern bereit,  auf ihr vermeintlich unverrückbares Recht auf Waffenbesitz zu verzichten, wie jetzt nach den Ereignissen in Newtown, zu sehr haben die Bilder der getöteten Kinder sich in die Herzen der Menschen gebrannt. Die Frage wird nur sein, wie lange dieser Eindruck anhalten wird, oder ob sich alles wieder bis auf das nächste Massaker verschiebt? Dass die unbelehrbaren Waffennarren eine Beschränkung in naher Zukunft vermuten, zeigt sich auch in der Tatsache, dass noch nie so viele Waffen in den USA verkauft worden sind, wie in der letzten Woche, wo schon einmal auf Vorrat eingekauft worden ist, speziell Sturmgewehre, die Tatwaffe des Amokläufers. 

Von den USA wendet sich der Blick nach Ägypten, wo heute die abschließende Wahl zum Verfassungsreferendum für den zweiten Teil der Bevölkerung stattgefunden hat. Wurden vor einer Woche zunächst die Wahlberechtigten in den Zentren der Großstädte Kairo und Alexandria zur Wahl aufgefordert, so kam heute die ländliche Bevölkerung entlang des Nils mit Luxor und den Außenbezirken von den beiden eben genannten Metropolen zum Zuge. Das Ende dieser Wahlfortsetzung ist für den Ausgang unerheblich, da es nur eine deutliche Verstärkung des bisherigen Wahlergebnisses sein wird. Die Moslembruderschaft und die militanten Salafisten werden als eindeutiger Gewinner aus diesen Wahlen hervorgehen. Dies bedeutet das Ägypten zukünftig eine islamische Verfassung haben wird, die auf die Scharia, der islamischen Gesetzgebung fußt. Damit ist einer demokratischen Verfassung eine klare Absage verpasst worden. 

Dies war das erklärte Ziel der Moslembrüder und ihres obersten Repräsentanten, dem gewählten Präsident Mursi. Er stützt sich auf die Islamisten und die breiten Massen der Landbevölkerung und einfachen Menschen, die bildungslos den islamischen Religionsführern im Land folgen. Hier wird die zukünftige Politik für Ägypten gemacht. Das Parlament in Kairo ist zusammen mit Mursi nur das ausführende Organ. Wie bereits klar zu erleben war, geht es den Islamisten um eine uneingeschränkte Herrschaft, ohne Kontrolle durch Parlamente, oberste Verfassungsgerichte oder frei gewählte Richter. Das Ziel ist ein autoritärer Gottesstaat, der sich von dem Beispiel des Iran in nichts unterscheidet. Allein die ausgebildeten Menschen der großen Städte Ägyptens wollen diesen Rückfall in die Despotie nicht mitmachen. Deshalb gibt es seit Beginn der Auseinandersetzungen um das Referendum täglich Straßenschlachten zwischen den Anhängern der Moslembruderschaft und den, für die Demokratie kämpfenden Menschen, die endlich ein rechtsstaatliches Ägypten haben wollen. Die innerstaatliche Lage ist sehr angespannt, ja geradezu explosiv.

Erfahrende Beobachter halten sogar einen Bürgerkrieg für möglich. Für diesen Fall hat das Militär sein Eingreifen schon einmal angekündigt, was einem Rückfall in Mubaraks Zeiten gleichkäme. Um jedoch vorzubeugen, soll Mursi den Militärs die weitreichenden Privilegien aus vorrevolutionärer Zeit weiterhin eingeräumt haben, sie könnten sich wie früher die Taschen vollstopfen. Was dies für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Landes bedeutet, ist schnell gesagt, nämlich grassierende Armut und Elend für den größten Teil der Bevölkerung, totalitäre Herrschaft der Islamisten, einhergehend mit persönlicher Bereicherung und einem Militär, das weiterhin seine Stärke ausbaut.

Dabei haben diese einen mächtigen Verbündeten, denn es sind die USA, die auf diese Karte setzen. Das ägyptische Militär wird weiterhin großzügig mit Waffenlieferungen unterstützt, sie sollen letztendlich die Sicherheit Israels in der Region garantieren, so die Kalkulation der amerikanischen Administration. Zudem würde es mich nicht wundern, wenn durch geheime Absprachen die Generäle das Vorgehen der islamistischen Regierung überwachen, im Interesse der Amerikaner. Ein zweites Staatsgebilde wie den Iran wollen sie nicht wirklich zulassen. Es wird spannend sein zu beobachten, ob die Lage sich im Sinne der Vereinigten Staaten entwickeln wird. Schon des Öfteren haben sie sich verspekuliert, speziell in der Region des Nahen Ostens. 

Für Ägypten wird es dadurch nicht einfacher einen Weg zu finden, der dem Land Ruhe, Sicherheit und Wohlstand bringen wird. Nach der Revolution hatten viele Menschen gehofft, endlich die Despotie überwunden zu haben, um jetzt einen grundsätzlichen Wandel zu schaffen, so auch die Ärmsten der Armen in der ländlichen Bevölkerung. Mit der bedingungslosen Unterstützung der Moslembruderschaft hatten sie sich einen Wandel ihrer ökonomischen Verhältnisse versprochen. Doch am Ende werden sie auch wieder mit leeren Händen dastehen. Nichts wird sich für sie verändert haben, nicht ihre Bildungssituation, nicht ihre rechtlichen Möglichkeiten gegenüber der Obrigkeit und vor allem keinerlei Verbesserung in ihrer täglichen Versorgung. Sie sind einmal wieder den Heilsversprechen der Religionsführer auf den Leim gegangen, wie seit Jahrhunderten. Ihre Hoffnungen können sich nicht erfüllen.

 Peter J. König

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