Samstagskolumne Peter J. König 02.03.2013

Politik ist zu wichtig, als dass wir sie alleine den Politikern überlassen können.

Kaum ist Papst Benedikt zurück getreten und wieder zum "einfachen Pilger Ratzinger" geworden, beginnt im Vatikan die geschichtliche Aufarbeitung seines Pontifikats. Dabei wird, für den Heiligen Stuhl völlig ungewöhnlich, eine Unmenge von Informationen aus den dunkelsten Kapiteln der neuzeitlichen Kirchengeschichte bekannt gegeben, nämlich die Existenz von Tausenden von Missbrauchsfällen, die bis vor nicht allzu langer Zeit sämtlich vertuscht worden sind. 

Wenn Papst Benedikt in den Augen vieler, mehr als der Bewahrer als der Reformer der Katholischen Kirche angesehen wird und dies war nach seiner Intension, als Glaubenswissenschaftler und akademischer Kirchenlehrer auch am ehesten zu erwarten, so hat er doch fast Revolutionäres angestoßen, indem er Untersuchungen gegen diesen vielfältigen Missbrauch einleiten ließ. Dazu war es notwendig die Zuständigkeit innerhalb der Kirche durch Veränderung des Kirchenrechts herbei zu führen. Fielen solche Missbrauchsfälle zuvor in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bischöfe und damit in der Regel, unbemerkt von der Öffentlichkeit in das Verschwiegenheitsgebot der Amtskirche, so hat Ratzinger das Kirchenrecht dahin gehend verändert, dass er die Meldung solchen Missbrauchs umgehend an den Vatikan durchgesetzt hat und dementsprechend auch die Konsequenzen, die für diese gestrauchelnden Kleriker ausgesprochen werden, nicht in der Anonymität eines Bistums verschwinden, sondern durch eine Rechtskommission am Sitz des Heiligen Stuhls verfolgt werden. 

Papst Benedikt war es, der als erster Pontifex sich bei den Opfern entschuldigt und damit eine neue Qualität mit dem Umgang des Missbrauchs innerhalb der Katholischen Kirche begonnen hat. Ein Abtauchen, jahrhundertelang praktiziert, ist jetzt nicht mehr möglich. Die Kirche muss Stellung beziehen, massive Kritik einstecken und  den Gläubigen, aber auch allen anderen Menschen gegenüber Rechenschaft ablegen. Es geht um ihre Glaubwürdigkeit, das höchste Gut das eine Glaubensgemeinschaft zu vertreten hat. Dies hat Ratzinger erkannt und entsprechend gehandelt. Bei seiner Einstellung zum Glauben und der Religion der Katholischen Kirche, aber auch in der Verwurzelung zu Jesus Christus ist ihm die Erkenntnis der Missstände innerhalb seiner Kirche bestimmt nicht leicht gefallen. Und doch war ihm als Papst sofort klar, dass er handeln musste. So ist auch zu vermuten, dass sein Rücktritt, immerhin ein fast einmaliges Ereignis in der Kirche, das letzte Mal vor über siebenhundert Jahren praktiziert, genau mit diesem Missbrauch zu tun hat. 

Mehr als viertausend Fälle sind zuletzt dem Vatikan gemeldet worden, von allen Erdteilen, bevorzugt aus Nordamerika und Europa. Benedikt hat zwar noch die Kraft gehabt, die Aufarbeitung anzustoßen, ihm war aber auch klar, dass er durch sein hohes Alter und seine angeschlagene Gesundheit, das einmal Begonnene nicht zu Ende bringen würde. Jetzt ist er überzeugt, dass der nächste Papst diese Belastung der gesamten Kirche aufarbeiten wird, denn es gilt die angeschlagene Glaubwürdigkeit wieder herzustellen und dies ist gerade in den moderneren Gesellschaften alles andere als einfach. 

Wie die Katholische Kirche sich auch entwickeln wird, es wird immer der Verdienst von Papst Benedikt bleiben, den Missbrauch aus seiner Anonymität herausgeholt und sich den Problemen gestellt zu haben. Dass dabei nicht für alle Opfer und Kirchenmitglieder eine angemessene Aufarbeitung stattgefunden hat ist Realität, hier muss die Katholische Kirche noch Erhebliches leisten. 

Nachdem ich vor wenigen Tagen das Buch des Autors und Journalisten Harald Schumann „Die Hungermacher“, Wie Deutsche Bank, Allianz und Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmittel spekulieren, rezensiert habe, wird es im Vorfeld der Bundestagswahlen allerhöchste Zeit, auf diese Missstände aufmerksam zu machen, zumal auf europäischer Ebene ernsthaft darüber nach gedacht wird das Grundrecht Wasser zu einer Spekulationsware verkommen zu lassen. Weltkonzerne wie Nestle stehen mit ihren Lobbyisten in Brüssel bereit, um mit dem Grundnahrungsmittel und dem lebensspendenden Stoff, nicht nur riesige Gewinne sondern auch mächtige Abhängigkeitsverhältnisse zu schaffen, sollte es ihnen gelingen, Wasser aus staatlicher Obhut in unternehmerische Zugehörigkeit zu übertragen. Was dann auf uns zukommt, ist exakt an den Rohstoffbörsen zu besichtigen. 

Wasser wird wie Weizen, Mais oder Raps Spekulationsobjekt, es werden Wetten auf zukünftige Preise eingegangen, auf Verknappung gesetzt und die Folgen werden noch verheerender sein, wie Klaus Kleber sie in seinem Buch „Spielball Erde“ beschrieben hat. Die arme Bevölkerung in den Andenstaaten wird überhaupt keine ausreichende Wasserversorgung mehr haben, schon heute ist nach dem Abschmelzen der Gletscher, Wasser zu einem teuren Gut geworden, da es mit Tankwagen in die Armenviertel transportiert werden muss, zu für die Menschen fast unbezahlbaren Preisen. Wer sehen möchte, wie sich die Zukunft diesbezüglich auch bei uns entwickeln kann, wenn wir solch ein elementares Gut in die Hände von gierigen Spekulanten geben, sollte sich einmal näher mit dieser Problematik beschäftigen. Dabei wird ihm das Wort Liberalisierung im Hals stecken bleiben, denn es umschreibt nichts anders als praktizierte Gier, die auch noch staatlich sanktioniert ist. 

Dies ist am Beispiel der Rohstoffbörsen sehr wirklichkeitstreu nachzuvollziehen, was die Analysten der Großbanken, Versicherungen und Hedge-Fonds natürlich kategorisch ablehnen. Mit immer neuen selbsterstellten Studien versuchen sie die Folge von Spekulation und Hunger in den unterentwickelten Ländern zu negieren. Untersuchungen von internationalen Organisationen und neutralen Beobachtern sprechen da eine ganz andere Sprache, sie stellen schlichtweg fest, dass die explosionsartige Verteuerung der Lebensmittel hauptursächlich auf die Spekulation an den Rohstoffbörsen zurückzuführen ist. Wie lange wollen wir als betroffene Bürger uns das noch gefallen lassen? 

Gerade bei den laufenden Diskussionen um die Ressource Wasser in Brüssel können wir beginnen, uns unserer demokratischen Macht bewusst zu werden, indem wir unseren Volksvertretern eindeutig klar machen, dass die Zeit der uneingeschränkten Gier einer kleinen Minderheit vorbei ist. Es ist die Aufgabe der Parlamentarier den Interessen der Bürger zu dienen und nicht einige Großkonzerne noch reicher zu machen, als sie ohnehin schon sind. Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, haben sie keine Vertretungsberechtigung mehr und müssen ihren Hut nehmen. 

Wie ich die Kaste der Politiker kenne, sind sie enorm flexibel, wenn es darum geht, auch weiterhin ihrer „Fettlebe“ in Berlin zu frönen. (Mein Schreibprogramm kennt dieses Wort nicht und gibt mir dafür Fettleber aus, vielleicht auch nicht ganz unpassend). Entscheidend ist, dass wir Bürger unmissverständlich sagen was wir wollen und uns permanent in die politische Diskussion einmischen. Die Zeiten der geruhsamen Fernsehverblödung müssen endgültig vorbei sein, zumal dieses Medium erschreckend wenig Vielfalt zu bieten hat und ihm nichts Neues mehr einfällt. 

Erfreulicherweise ist eine Veränderung in der Gesellschaft festzustellen. Nicht alles was von „oben“ aufoktuiert wird, wird klaglos hingenommen. Mittlerweile kommt Protest auf, wenn der betroffene Bürger den Sinn von staatlichen Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen kann. Dies ist gelebte Demokratie und wenn wir dann noch in aller Offenheit nachvollziehbare Gründe erklärt bekommen, wird der Diskurs zwischen Bürger und Politik dazu führen, gemeinsam das Ende der Ära der unendlichen Gier einzuläuten. 

Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass diese niedrige menschliche Eigenschaft nur dann eine Chance hat, wenn wir sie zulassen. Veränderung kann nur aus der Mitte unserer Gesellschaft kommen, Piratenspielchen helfen da überhaupt nicht, solange die Herrschaften nicht das Stadium des Kindergartens hinter sich gelassen haben. Und doch zeigt der spontane Zuspruch, ähnlich wie in Italien, wo ein ehemaliger Komiker auf Anhieb die stärkste Partei bei den letzten Parlamentswahlen wurde, dass die Menschen eine andere politische Kultur  wollen. Die Politik kann diese neue Kultur nicht schaffen, das können wir nur selbst. Dies gilt es den Menschen bewusst zu machen, über Rohstoffbörsen und dem Spekulationsgut Wasser brauchen wir dann nicht mehr zu reden. 

Peter J. König

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