Samstagskolumne Peter J. König 16.11.2013

Wird die altehrwürdige SPD die Koalitionsverhandlungen überleben oder wird ihr aktueller Vorstand dran zerbrechen? 

Wenn man die großen Koalitionsrunden sieht, die alle paar Tage zusammenkommen, um zwischen CDU, SPD und CSU zu beraten, ob man gewillt ist, gemeinsam die Regierungsverantwortung zu übernehmen, kann man schon verwundert ins Grübeln kommen, wie so etwas überhaupt funktionieren soll. Da wandern ganze Busladungen von gewichtigen Politikern der drei Koalitionswilligen hin zum Verhandlungsort, und haben sie alle erst einmal Platz genommen, dann erkennt man das Gegenüber in dieser weitläufigen Halle nur noch schemenhaft. Wie muss man sich das vorstellen, wenn eine bestimmte Thematik diskutiert wird? Werden da alle Anwesenden gehört, einzeln oder alle gleichzeitig oder reden da nur die Parteivorsitzenden und alle anderen nicken geflissentlich? Weshalb aber diese Armada der anderen Parteioberen, die einem Rudel gleich, ihren Anführern Rückendeckung signalisieren. Dabei ist der Einmarsch der Gladiatoren signifikant für jede einzelne Delegation. 

Die Kanzlerin schreitet oder besser gesagt trippelt ihrem Parteigefolge selbstbewusst voran, hier ist ganz klar zu erkennen, wer die Hosen an hat. Bei der CSU wirkt das Ganze fast imperial, wenn Seehofer nahezu in der Attitude eines Alleinherrschers, gemessenen Schrittes einher schreitet, immer das gesetzte Ziel des eigenen Machtanspruches vor Augen, während die Staffage, seine auserkorenen Günstlinge sich eher als Dekoration ausmachen. Ja, im Land der Bayern hat die Hierarchie noch seine traditionelle Bedeutung. Wie verstört kommt dagegen die alte Tante SPD daher. Alles ähnelt eher einem unkoordinierten Haufen. Um es vorweg zu nehmen, in der nächsten Woche wird dieses Bild des Aufmarsches ein noch viel kläglicheres, nach den Erfahrungen auf dem Parteitag in Leipzig am letzten Donnerstag und Freitag. Fast wäre es hier schon zu einem Eklat gekommen, als bei den Vorstandswahlen, die Landesvorsitzenden bei der Wiederwahl zum Parteivorstand der Bundespartei diese reihenweise beim ersten Wahlgang von der Basis ab gewatscht worden sind und die nötigen Stimmenzahlen verfehlt haben. 

Erst nachdem der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel die Delegierten um Geschlossenheit gebeten hatte, um so die Handlungsfähigkeit sicher zu stellen, wurden die Landesfürsten mit Ach und Krach soeben in ihre Ämter zurück gehievt. Was ist da los mit den Sozialdemokraten, die jetzt immerhin auf eine 150jährige Geschichte zurück blicken können? Klar ist, dass die Kluft zwischen Parteibasis und Parteiführung noch nie so groß war wie zurzeit. Damit ist aber auch klar, dass für viele in den Orts- und Kreisverbänden eine Große Koalition, so wie es die Granden propagieren, nahezu unvorstellbar ist. Sie alle haben noch den enormen Stimmenverlust von weit mehr als 10% nach der letzten Großen Koalition im Hinterkopf, als Angela Merkel, nachdem sich Schröder notgedrungen zurückziehen musste, mit Walter Steinmeier eine gemeinsame Regierung zustande gebracht hatte. Trotz einer vernünftigen gemeinsamen Arbeit in dieser Koalition, war es die Kanzlerin, die bei der anschließenden Bundestagswahl die Lorbeeren für die Bewältigung der Banken- und Finanzkrise einheimsen konnte.

Anstatt Anerkennung haben die Sozialdemokraten eine krachende Niederlage hinnehmen müssen, das Ende als Volkspartei schien nicht mehr weit zu sein. So etwas steckt bei vielen noch in den Knochen, sie befürchten das Schlimmste nach einer erneuten Regierung mit Merkel. Nach der darauf folgenden miserablen schwarz-gelben Koalition hatten sie gehofft, mit Steinbrück jetzt endlich wieder einmal den Kanzler zu stellen, aber erneut ging der Schuss nach hinten los, mit dem Ergebnis von weiteren Stimmenverlusten. Während all dieser Zeit hat Angela Merkel an Zustimmung bei den Deutschen gewonnen, der Stimmenzuwachs für die CDU auf über 40% geht allein auf ihr Konto. Ähnlich wie bei der vorletzten Wahl es die SPD getroffen hatte, wurde im September die F.D.P. gerupft, nur dass die Gelben danach von der Bildfläche verschwunden sind, kein Wiedereinzug in den Bundestag und in Hessen soeben knappe 5%, welcher Reibungsverlust an der Teflon-Kanzlerin. 

So etwas will die SPD-Basis auf keinen Fall erleben, bei diesem Gedanken befällt sie die schiere Panik. Dazu kommt der gesellschaftliche Umbruch durch die Globalisierung und die Wirtschaftskrise in einigen südlichen EU-Ländern mit Hunderten von Milliarden Staatshilfen, wobei nicht feststeht, wie weit Deutschland damit belastet wird. Und bei dieser Gemengelage soll die SPD noch den Mehrheitsbeschaffer für die Christsozialen geben. Dies scheint so manches überzeugte SPD-Mitglied einfach nicht mehr verkraften zu wollen. Und doch drängt die Parteispitze in die Regierungsverantwortung und versucht dies mit Kontrollfunktionen zu erläutern, nach dem Motto: wenn wir schon nicht die Führung in der Regierung stellen können, dann müssen wir wenigstens die Schwarzen überwachen und so dafür sorgen, dass möglichst viel von unserem Wahlprogramm in diese Koalition eingebracht werden kann. 

Als Drohkulisse hat man noch, zwecks Eigenstärkung, auf dem Parteitag beschlossen, zukünftig ein Bündnis mit den Linken grundsätzlich nicht mehr auszuschließen, so wie man dies bei der letzten Wahl noch kategorisch getan hatte. Um aber keinen Parteiaufstand mit selbstzerfleischenden Flügelkämpfen zu riskieren, sind Gabriel, Nahles und Co auf die Idee gekommen, das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen durch eine Mitgliederbefragung bestätigen zu lassen. Taktisch ist dies gegenüber den beiden anderen Parteien nicht unklug, denn mit dem Argument der Befragung lässt sich sowohl drohen, als auch locken. Trotzdem birgt diese Konstellation ein gewaltiges Risiko, doch dessen glaubte die Führungsspitze gewachsen zu sein. Man vertraute auf die Gefolgschaft der Basis und war sich sicher, ein positives Votum von ihnen zu bekommen. Dieser Traum endete jäh durch die Vorstandswahlen, denn mit den verpatzten Wahlen war blitzartig klar, dass diese Mitgliederbefragung kein Selbstläufer sein wird. Seitdem geht Angst und Verunsicherung durch die Reihen der Vorstände. Was kann passieren?

Anstatt schon staatstragend als Bundesminister am Tisch der Kanzlerin zu sitzen, kann es durchaus sein, dass sie nur noch ihren Rücktritt von ihren hohen Parteiämter erklären dürfen, wenn die Basis glaubt, ihre Zustimmung zu einem ausgehandelten Koalitionspapier verweigern zu müssen. Diese Brisanz ist mittlerweile allen in der SPD klar. Die da oben spüren, dass sie auf trügerischem Boden stehen und die da unten registrieren, dass sie plötzlich unverhoffte Macht, aber auch Verantwortung bekommen haben. Dabei schien der Winkelzug mit der Befragung so genial. Zusätzliche Verhandlungsmasse ohne großes Risiko glaubte man gewonnen zu haben, und nun das. Wie anfangs erwähnt, hat der Auftritt der SPD-Kader schon bisher nicht den Eindruck erweckt, außer einem Platz auf Augenhöhe gegenüber Angela Merkel steht überhaupt nichts zur Debatte. 

Nach diesem Wochenende wird neben der Ernüchterung auch noch eine gehörige Portion Selbstzweifel auf Seiten der SPD die Verhandlungen begleiten, nicht unbedingt eine Stärkung für das Selbstbewusstsein der Akteure. Es wird spannend sein zu beobachten, welchen Verlauf die Koalitionsgespräche nächste Woche nehmen werden und dies hängt nicht nur von den Roten ab. In erster Linie ist es Sache von Merkel und Seehofer, ob sie unbedingt diese große Koalition wollen. Dann werden sie Zugeständnisse machen müssen, damit die SPD-Basis die Kröten schlucken kann, die ihnen ihre Parteiführung vorsetzt. Sollten allerdings die Damen und Herren der Führungselite die Verhandlungen platzen lassen, auch nur um sicher zu gehen, nicht plötzlich ohne hohes Funktionärsamt dazustehen, dann brauchen sie über eine Regierungsbeteiligung nach einer sofortigen Neuwahl nicht mehr nachzudenken. Während sie einen weiteren Stimmenschwund betrauern, können sie zuschauen, wie Angela Merkel als absolute Herrscherin im politischen Berlin die Zügel führt oder wenn es dazu nicht gereicht hat, wie sie sich die Afd, die Alternative für Deutschland zu Recht stutzt, ihr neuer Kandidat, der für den Machterhalt herhalten muss. 

Peter J. König

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen