Samstagskolumne Peter J. König 02.08.2014

Friedlich ist anders. 

Mittlerweile sind einige Wochen vergangen, seitdem ich in meiner letzten Kolumne auf die verschiedenen Brandherde rund um den Globus aufmerksam gemacht habe, damit das Leid der dort betroffenen Menschen bei aller Hektik und Brutalität der heutigen Machtpolitik nicht restlos untergeht. 

Aber wie uns die letzten Tage zeigen, geht es noch schlimmer. Ausgelöst wurde der Angriff auf Gaza durch die Ermordung von drei israelischen Jugendlichen durch die Hamas. Diese militant-terroristische Gruppierung der Palästinenser verfügt über die Macht im Gazastreifen, einem Gebiet, begrenzt durch das Mittelmeer im Westen, durch ägyptisches Hoheitsgebiet im Süden und ansonsten eingemauert durch einen Demakationsstreifen von Israel. Auf diese Bluttat reagierten die Israelis nach einigen Tagen mit Luftangriffen, Mobilmachung und Einmarsch von Truppen mit schwerem Kriegsgerät. 

Dass daraufhin jüdische Siedler einen palästinensischen Jungen in einem Auto lebendig verbrannt haben, zeigt wieviel Hass sich mittlerweile auf beiden Seiten breit gemacht hat. Dies alles erinnert doch sehr an die letzten arabisch-israelischen Kriege. Um etwas mehr über die Hintergründe dieses nunmehr fast hundertjährigen Konflikts zu verstehen, muss man ein wenig in der Geschichte wühlen. Fast zeitgleich mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges, der exakt am 1. August 1914 begann, wurde unter britischem Protektorat in Palästina eine Sicherheitszone errichtet, um den über die ganze Welt verstreuten Juden eine neue Heimat zu bieten und zwar dort wo sie schon zu Zeiten des Alten Testaments zuhause waren, nachdem sie Ägypten verlassen hatten, wie in alten Schriften zu lesen ist. 

Noch zu Zeiten der römischen Besatzung im Altertum war Palästina jüdisches Kernland mit Jerusalem und seinem Tempel als Zentrum des religiösen Bewusstseins. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches übernahmen arabische Herrscher die Macht in Palästina, deshalb bauten sie auch die Moscheen in Jerusalem unmittelbar neben den jüdischen Gebetsstätten. Und da dies alles noch zu wenig Konfliktpotential gebracht hat, wurden in der Zeit der Kreuzzüge auch noch christliche Kirchen und Klöster dort errichtet.

Alle drei großen Weltreligionen haben hier bedeutende Wurzeln, die sie niemals aufgeben würden. Tatsache ist aber auch, dass schon immer Menschen dieser drei Religionen in Palästina zusammen gelebt haben, mehr oder weniger friedlich. Bis zur Errichtung des britischen Protektorats hatten jedenfalls die Araber das Sagen. Mit der Zuwanderung der Juden aus aller Welt wurde die Situation zunehmend brisanter, zumal die Araber mehr und mehr verdrängt wurden und die Juden begannen, ihr Ziel einen jüdischen Staat zu errichten, mit aller Macht zu verfolgen und dabei durchaus militante Mittel einsetzten. 

1948 war es dann soweit, der Staat Israel wurde gegründet, seine internationale Anerkennung wurde von den westlichen Staaten befürwortet, wobei die USA mit ihrem bedeutenden Anteil an seiner jüdischen Bevölkerung über Jahrzehnte für die Existenz Israels Sorge getragen hat. Seit 1948 hat es immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn gegeben. Für die Israelis ging es dabei auch immer um die Existenz ihres Staates, den die Araber zu gerne von der Landkarte gelöscht hätten. 

Dies ist das Trauma, das die israelische Politik und die Mehrheit der Bevölkerung seitdem umtreibt. Um die Vorgänge in Palästina zu verstehen, ist es unumgänglich dieses Bewusstsein bei allen Handlungen der israelischen Staats- und Militärführung mit ein zu beziehen. Da hat sich seit 1948 nichts geändert, obwohl es mittlerweile mit Staaten wie Jordanien und Ägypten, unmittelbare Nachbarn, durchaus eine friedliche Koexistenz gibt. Bei anderen Staaten in der Region ist dies nicht der Fall, wie z. B. Syrien, Iran und einige Golfpotentaten, die Israel lieber heute als morgen gerne ausradieren würden und dementsprechend Terrororganisationen wie die Hamas etwa mit Geld und militärischem Gerät, besonders aber mit Raketen ausrüsten. 

Doch zurück zur Gegenwart und damit zur Frage, warum die Israelis eine solche massive Offensive gegen Gaza-Stadt und den Gaza-Streifen eingeleitet haben, deren Auswirkung sich besonders auf die Zivilbevölkerung so verheerend niederschlägt. Israel erlebt seit Wochen einen Dauerbeschuss mit Raketen aus dem Gaza-Streifen und dabei geht es nicht mehr nur um Geschosse, die das Grenzgebiet berühren. Mittlerweile werden auch die Zentren in Jerusalem und Tel Aviv erreicht, mit der Folge, dass ständig Luftalarm herrscht und die Menschen in kürzester Zeit die Luftschutzräume aufsuchen müssen, wollen sie sich nicht tödlichen Gefahren aussetzen. 

Dass bisher nur relativ wenige Israelis umgekommen sind, ist der Tatsache geschuldet, dass etwa 90% der Raketen von der israelischen Luftabwehr abgeschossen werden. Dieses sieht auf dem Gebiet von Gaza völlig anders aus. Um die Hamas zu bewegen ihren Raketenbeschuss einzustellen, der überwiegend aus bewohnten Gebieten staatfindet, in unmittelbarer Nachbarschaft zu der Zivilbevölkerung, greift die israelische Luftwaffe diese mobilen Abschussrampen an. Bei gezieltem Raketenbeschuss gibt es seitens der israelischen Armee zuvor Aufrufe an die Bevölkerung das Gebiet zu verlassen. Leider wird dies nicht von allen Bewohnern wahrgenommen, zudem gibt es im gesamten Gaza-Streifen keine Schutzbunker, um sich in Sicherheit zu bringen.

Die Folgen sind entsprechend: Weit über Tausend Tote sind auf Seiten der Palästinenser zu betrauern, oftmals auch kleine Kinder. Trotzdem geht der Beschuss der Hamas auf Israel weiter, ihnen kommt dieses Szenario sehr gelegen, denn es schürt den Hass der palästinensischen Zivilbevölkerung auf die Israelis und festigt zudem ihre Stellung in Gaza und bringt ihnen außerdem weiteren Zulauf, auch für Terrorkommandos, die dann auf israelischem Gebiet Selbstmordattacken verüben. Dazu wurden in den letzten Jahren unzählige Tunnel von Gaza unter dem hermetischen Grenzstreifen gegraben, die beste Möglichkeit, um auf israelisches Gebiet zu gelangen. 

Mit der Bodenoffensive hat die israelische Armee versucht das Tunnelnetz auszuschalten, dabei wurden auch zahlreiche Häuser gesprengt. Hierbei kam es ebenfalls immer wieder zu Toten. Diese Aktion dürfte bald abgeschlossen sein und danach verspricht sich die israelische Regierung einen besseren Schutz für ihre Bevölkerung. 

Solange die Hamas aber Raketen auf Israel abfeuert, wird die Antwort der Israelis nicht lange auf sich warten lassen. Leider ist dann auch immer wieder mit getöteten Zivilisten zu rechnen. Nicht nur aus humanitären Gründen ist die Situation vor Ort katastrophal, sowohl in Israel als auch in Gaza. Das Leiden der Menschen ist enorm, sie sind traumatisiert und besonders die Kinder sind den Belastungen nicht gewachsen. Gaza-Stadt gleicht einem Trümmerfeld, ähnlich wie Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Menschen haben ihre Existenzen verloren und damit ihre Zukunft. 

Schon vor der Offensive der Israelis waren die Verhältnisse dort nicht besonders einfach. Mangelnder Wohnraum, keine Arbeit, keine vernünftigen Schulen, mangelhafte Versorgung, keine Bewegungsfreiheit durch die abgeriegelten Grenzen und keinerlei Perspektive machen aus Gaza ein andauerndes, hochexplosives Pulverfass. Dass es sich hierbei weltweit um den am engsten besiedelten Raum handelt, macht die Perspektive nur schlimmer. Politisch stellt die Eskalation des Gaza-Konflikts ein unübersehbares Armutszeugnis der internationalen Diplomatie da. Wie viele Camp David Treffen haben es eigentlich schon gegeben? 

Friedensnobelpreisträger, die für ihre Bemühungen um den Frieden in Palästina geehrt worden sind, gibt es auch genügend. Hat es etwa geholfen? Nein, die Situation ist wie eh und je miserabel, Menschen sterben auf beiden Seiten und die Lage ist wie seit Jahrzehnten instabil. Wenn man dazu noch bedenkt, dass in unmittelbarer Nachbarschaft in Syrien und dem Irak islamistische Gotteskrieger namens Isis mit unvorstellbarer Brutalität versuchen ein Groß-Kalifat zu errichten, mit ständig wachsendem Geländegewinn, die nur allzu gerne der Hamas behilflich wären, Israel zu vernichten, dann versteht man auch warum die Israelis sehr nervös und sehr radikal agieren.

Momentan gibt es keine Macht auf dieser Welt, die den Staat Israel politisch wirksam schützen kann, folglich müssen sie es selbst tun. Die Amerikaner unter Obama ziehen sich aus der Region des Vorderen Orients zurück. Dies weckt Begehrlichkeiten bei den unterschiedlichsten Gruppierungen. Europa ist unfähig gemeinsam das machtpolitische Vakuum zu füllen, es gelingt ihnen noch nicht einmal einen stabilen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas zu verhandeln. Und doch muss schnellstens eine Lösung her, bevor die Entwicklung aus dem Irak und Syrien den ganzen Vorderen Orient mitreißt. Diese sollte eine Zwei-Staaten-Lösung sein, also neben Israel ein zweiter Staat Palästina. Grundsätzlich ist dies außerordentlich schwierig, denn nach internationalem Recht gilt es hier eine Menge von Problemen zu überwinden. Dies zu erläutern, bedürfte es einer weiteren Kolumne.

Vergessen wir nicht, dass Israel über Atomwaffen verfügt, die sie einsetzen werden, bevor der Staat Israel zugrunde geht. So weit darf es nicht kommen. Vielleicht aber gibt es zuvor eine Alternative, denn auch die Golfstaaten mit ihren Herrscherhäusern werden von den islamistischen Terroristen bedroht. Hier könnte es zu neuen Allianzen kommen. Eine Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet mit den Juden ist den Scheichs und Emire vom Persischen Golf vermutlich allemal lieber, als die Aussicht von islamistischen Gotteskriegern geköpft zu werden. 

Peter J. König

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