Samstagskolumne Peter J. König 16.09.2017

Wie lange bleibt es  noch bei den Drohungen, bevor der  atomare Schlag erfolgt?

Kim Jong-Un hat nicht viel Zeit vergeudet, um nach der unterirdischen Explosion einer Wasserstoffbombe nun erneut sein Raketenprogramm voran zu treiben. Dazu hat er am frühen Freitagmorgen Ortszeit auf der koreanischen Halbinsel in der Nähe von Pjöngjang, der nordkoreanischen Hauptstadt, eine Mittelstrecke abgefeuert, die wiederum über Japan hinweg geflogen ist, um nach über 3000 Kilometer im Pazifischen Ozean niederzugehen. 

Erst drei Tage zuvor, am Montag, hatte der Weltsicherheitsrat in New York nochmals verstärkte Sanktionen beschlossen, die einstimmig von allen Staaten, auch von China und Russland verabschiedet wurden. Zwar musste der ursprüngliche Antrag der USA auf ein vollständiges Embargo der Öllieferungen seitens Chinas und die Beendigung von nordkoreanischen Gastarbeitern in Russland abgemildert werden, man hat dies für zukünftige Maßnahmen vorgesehen und die Öllieferungen sollen gedeckelt werden und neue Verträge für Nordkoreaner die in Russland arbeiten wollen, soll es zukünftig nicht mehr geben, aber die Tatsache, dass China und Russland dem abgeschwächten Antrag der USA zugestimmt haben, zeigt, dass das Vorgehen Kim Jong-Un´s auch von diesen Regierungen als gefährlich und nicht akzeptabel angesehen wird.

Dennoch hat den Diktator in Pjöngjang diese verschärften Sanktionen absolut nicht beeindruckt, ganz im Gegenteil. Er hat nicht nur durch seine Medien wüste Drohungen gegen Japan und die USA aussprechen lassen, Japan will er mit seinen Atombomben ganz von der Landkarte verschwinden lassen und die USA würden im Herzen zerstört, dass nur noch Kälte und Dunkelheit herrscht, all dieses war die Reaktion auf die neuesten Sanktionen des Weltsicherheitsrates. 

Und nun ein erneuter Start einer Mittelstrecken-Rakete, und falls die mit Atomsprengköpfen bestückt wäre, tatsächlich zumindest Japan treffen und ausradieren könnte. Auch ist anzunehmen, dass der amerikanische Militär-Stützpunkt auf Guam, der etwa in ähnlich weiter Entfernung liegt, wie die Reichweite der jetzt abgeschossenen Rakete, tatsächlich hochgradig gefährdet ist. Bevor jetzt über die Reaktionen in allen betroffenen Staaten gesprochen wird und dazu gehören sowohl China als auch Russland, den Machthabern dort dürfte klar sein, welcher Psychopath in Nordkorea am Werk ist, soll zunächst hinterfragt werden, ob die Sanktionen von letzten Montag tatsächlich Kim Jong-Un bewegen könnte, sein nukleares Raketenangriffsprogramm zu beenden, einfach weil es ihm an den technischen und monetären Mitteln fehlt, weiterhin aufzurüsten. 

Fakt ist, dass die Raketentechnik und auch die Weiterentwicklung der Atom- und Wasserstoffbomben nicht ausschließlich durch Korea selbst möglich ist. Die Raketen stammen aus dem großen Arsenal der ehemaligen UDSSR und wurden wahrscheinlich über die Ukraine bezogen, wo zu Sowjet-Zeiten ein großer Teil der Raketen-Industrie etabliert war. Nach dem Zerfall der UDSSR haben geldgeile ehemalige Industriebosse, die sich nun die Firmen unter den Nagel gerissen haben, die veralteten Raketen für viel Geld an Nordkorea verscherbelt und so Kim-Jong-Un die Chance gegeben, einen eigenen Raketen-Betrieb aufzubauen. 

Dabei werden russische Fachleute mit von der Partie und dort noch heute federführend beschäftigt sein, gegen harte Dollars natürlich und davon nicht zu knapp. Ähnlich ist es mit der Weiterentwicklung des Atomprogramms. Auch hier werden russische Wissenschaftler, nachdem sie in Russland nach dem Ende der Sowjet-Union auf der Straße gestanden haben, sich mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen seitens Nordkorea gegen harte Devisen haben anheuern lassen, um die Träume von einer Atommacht der Familien-Diktatoren Kim zu erfüllen. 

Was tatsächlich nach dem Zerfall der UDSSR in Sachen nuklearer Technik, sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich gelaufen ist, weiß sowieso keiner. Es ist aber zu vermuten, dass viel Schindluder damit getrieben wurde und jeder der einen Verkäufer für diese Techniken gesucht hat, wurde auch in Russland fündig, auch die Despoten in Nordkorea. Die Frage ist nur: Haben die nordkoreanischen Raketen das Potential Atom- oder Wasserstoffbomben zu transportieren und sie auch noch zielgenau etwa bis nach Guam oder gar auf das Territorium des US-Festlandes zu schießen? 

Hier sind sich die Experten vorerst ziemlich sicher, dass dies noch nicht der Fall ist. Aber den praktischen Versuch will natürlich keiner erleben. Tatsache ist, dass die Mittelstrecken-Rakete vom Freitag etwa eine Distanz von 3700 Kilometer zurückgelegt hat, dabei in einer Höhe von etwa 700 km Japan überquerte, um dann in den Pazifik zu stürzen. Über eine Zielgenauigkeit ist dabei nichts in Erfahrung zu bringen gewesen und auch die Tatsache, wie eine solche Rakete funktioniert, wenn sie tatsächlich einen atomaren Sprengkopf befördert, darüber lässt sich aktuell auch noch nichts sagen. Sagen lässt sich allerdings etwas über die Reaktion in der restlichen Welt, zumal es am Freitagabend eine Dringlichkeits-Sitzung bei der UN in New York gab. 

Aber wieder einmal kam es zu keinem Ergebnis, etwa, dass die massiven Forderungen der USA auf ein totales Embargo von allen im Weltsicherheitsrat vertretenen Staaten einstimmig angenommen werden. Bevor es wieder einmal zu einem Veto seitens Russland oder China gekommen wäre, hat man es vorgezogen zu vertagen, damit wenigstens der Anschein gewahrt bleibt, man wolle Kim Jong-Un nun doch massiv in die Knie zwingen und ihn zur Beendigung seines atomaren Raketenprogramms nötigen. Bleibt die Frage: Funktioniert dies überhaupt und wen würden die Sanktionen eigentlich wirklich treffen. 

Der nordkoreanische Machthaber hat dann auch noch am Freitag, bevor es in New York zur Dringlichkeits-Sitzung kam, erklären lassen, dass Nordkorea sowohl genügend Kapital, als auch Technik-Reserven habe, um auch unter einem absoluten Embargo das atomare Raketenprogramm erfolgreich zum Abschluss zu bringen."Ziel sei es die kriegslüsternen Amerikaner, die sein Land bedrohen, davon abzuhalten, die Demokratie in Nordkorea zu stürzen. Dies sei nur möglich zu unterbinden, wenn Nordkorea seinerseits die USA atomar in Schutt und Asche legen könne", so der große Führer Kim Jong-Un in einer Botschaft an die Welt. 

Tatsächlich geht es dem Enkel des Staatsgründers Kim Il-sung um den reinen Machterhalt seiner Nomenklatura und zwar um jeden Preis. Der letzte stalinistische Staat auf der Welt soll erhalten bleiben, obwohl die Bevölkerung unter massiven Repressalien leidet, das Land sehr rückständig ist und die politischen und militärischen Eliten sich abgekoppelt im Bereich der Hauptstadt Pjöngjang allen westlichen Luxus leisten. Für die Seinen ist dem ehemaligen Schüler eines Schweizer Nobel-Internats in der Nähe von Bern nichts zu teuer. Er festigt seine Macht durch eine Armee, die zahlenmäßig zu den stärksten in der Welt zählt. 

Für den Fall, dass der Weltsicherheitsrat tatsächlich die von den USA geforderten Boykott-Maßnahmen annehmen würde, etwa ein totaler Liefer-Stopp seitens China an Öl, Gas und Kohle, keinerlei Lieferung von technischen Geräten, woher auch immer, kein Verkauf an Lebensmittel, Getreide und sonstigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, das Ergebnis wäre verheerend für die Normal-Bevölkerung, eine Hungersnot wäre unausweichlich, denn das Land kann in diesem Zustand seine Bevölkerung nicht ernähren. Wie immer trifft es die einfachen Menschen, denn die Eliten haben für diesen Fall schon lange vorgesorgt und sich Fluchtrefugien organisiert, etwa in Russland, China oder sonst irgendwo auf der Welt, wo sie es sich gutgehen lassen können. 

Ähnlich wäre es bei einem militärischen Angriff, vielleicht sogar noch atomar durch die Amerikaner, was der Himmel verhindern möge. Auch in diesem Fall würde es die Durchschnitts-Bevölkerung tödlich treffen, während Kim Jong-Un mit seinen Kadern aus Politik und Militär in den atomsicheren Bunkern ausharren würden, bis sie irgendwann evakuiert werden würden. Aber auch bei einem konventionellen Angriff zahlen die armen Menschen den extrem hohen Blutzoll für einen Psychopaten, dem nichts heilig ist, als seine ererbte Macht. 

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, hat allein mit der Tatsache zu tun, dass die Chinesen mit allen Mitteln einen westlichen Einfluss auf dem Territorium von Nordkorea zu verhindern suchen, damit nicht unmittelbar an der Ostgrenze des chinesischen Landes die USA militärisch Fuß fassen können, wie etwa in Südkorea. Dieses Trauma hat die chinesische Führung mit Hilfe der Despoten-Familie Kim bisher zu verhindern gewusst. Aber es gibt einen weiteren Grund, warum China solange wie möglich den Machtapparat in Pjöngjang erhalten möchte. 

Im Falle eines Zusammenbruchs würden Millionen verarmter Nordkoreaner ins benachbarte östliche China einströmen und es wären blutige Auseinandersetzungen mit der chinesischen Bevölkerung dort zu erwarten, wie sie es zuletzt zu Zeiten Maos in vielen Landesteilen Chinas gegeben hat, wo verelendete Heerscharen in andere Provinzen geflüchtet sind, um dem Hungertod zu entkommen. Vor einer solchen Entwicklung hat die kommunistische Partei Chinas eine höllische Angst, denn die Aufstände, die sich in den östlichen Grenzprovinzen entwickeln könnten, würden dann sehr schnell sich über das ganze Land verbreiten, mit der Folge, dass die Vorherrschaft der Partei endgültig zu Ende wäre und die Chinesen sich für eine freie Gesellschaft entschieden. 

Wie man sieht, steht sehr viel auf dem Spiel für die chinesischen Polit-Kader, ein Ende ihrer Macht ist dann mehr als wahrscheinlich. Deshalb auch hält China Kim Jong-Un solange an der Macht, wie es irgendwie geht. An einem Atomkrieg sind die Kommunisten in Peking allerdings überhaupt nicht interessiert. Und hier liegt die Zwickmühle, lassen sie den „Großen Führer“ in Nordkorea fallen, droht der Verlust des Einflusses auf der koreanischen Halbinsel und vielleicht noch mehr, wie eben dargelegt. Lassen sie allerdings diesen unberechenbaren kleinen Machtprotz weiter mit Atomwaffen spielen, dann droht ein noch viel größeres Dilemma.

Im Fall eines atomaren Angriffs auf Japan, Guam oder gar des amerikanischen Festlandes, ist zu erwarten, dass nicht nur große Teile Nordkoreas seitens der Amerikaner ausradiert werden, das östliche China wäre wie auch das südöstliche Russland ebenfalls betroffen und dann bestimmt durch den atomaren Fall-out, wie wir ihn von Hiroshima her kennen, nur weitaus schlimmer. Um den schlimmsten Fall zu verhindern, gibt es letztendlich nur eine Lösung: Wenn der „böse Bube“ nicht von sich aus sein atomares Handwerk beendet, dann müssen unter der Führung der UNO, Chinesen, Russen und Amerikaner das Ende der Kim-Diktatur in Nordkorea organisieren, mit der Garantie aller drei Weltmächte, dass es bei einer Befriedung in der ganzen Region bleibt. Dann wäre es auch möglich Atomwaffen generell von der koreanischen Halbinsel zu verbannen, was ganz Ostasien viel militärische Brisanz nehmen würde, denn weder Südkorea noch Japan wären nun nicht mehr unmittelbar bedroht. 

Zudem würden diese führenden Staaten endlich zeigen, dass es miteinander viel besser auf unserem kleinen Planeten zugehen kann, und wer weiß, vielleicht kommt man dann auch endgültig überein, dass es andere globale Probleme gibt, die es schnell gemeinsam zu lösen gilt, wie etwa die Erwärmung des Klimas oder der Hunger von über hundert Millionen Menschen, deren Zahl nach den neuesten Erhebungen der Vereinten Nationen wieder alarmierend zugenommen hat. 

 Peter J. König

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