Samstagskolumne Peter J. König 28.04.2012

Hat Madame Bruni unserer Kanzlerin bei einem Abendessen den Kopf verdreht oder weshalb hat Frau Merkel so einseitig in den  Wahlkampf eingegriffen?

Anstatt, dass man die Schuldenkrise in Europa nutzt, um zu lernen, wie die europäischen Staaten einen gemeinsamen Weg entwickeln können, um endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die zwar langfristig, aber zielgerichtet diese Krise überwinden, steht mit der  vermutlichen Wahl von Hollande  zum französischen Staatspräsidenten ein erheblicher Dissens zwischen Deutschland und Frankreich ins Haus. Auslöser dieser verfahrenen Situation sind in erster Linie Merkel und Sarkozy, die im Wahlkampf das Neutralitätsgebot verletzt haben, das besagt, dass ein Regierungsmitglied eines europäischen Staates sich nicht in den Wahlkampf eines anderen EU-Landes einmischt, um gegebenen falls für einen bestimmten Wahlkämpfer  einseitig  Partei zu ergreifen.

Dies ist nicht nur anmaßend, sondern auch nicht besonders klug, wie das aktuelle Beispiel zeigt. Merkels Wahlauftritte in Frankreich waren auf der ganzen Linie ein Schuss der nach hinten losging.  Anstatt Sarkozy nach vorne zu puschen, waren die Franzosen über die Aktion der beiden Politfreunde nur verärgert, zumal der französische Präsident nicht müde wurde,  seine  „Freundin Angela“ über den grünen Klee als Erfolgsgarant für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik zu loben, die Frankreich nur 1 zu 1 umsetzen müsse, um unumkehrbar in die Erfolgsspur zurück zu finden.
 Sarkozy glaubte damit, seine Wiederwahl in der Tasche zu haben.  Abgesehen davon, dass diese These reiner Nonsens war, da die wirtschaftlichen Rahmendaten zwischen Frankreich und Deutschland  völlig unterschiedlich sind, hätte der Präsident seine Franzosen besser kennen müssen. Die "Grande Nation"  als Pudel, der auf Weisung von Frau Merkel Stöckchen holt oder Männchen macht, dieses konnte nicht gut gehen. Sarkozy hat diese falsche Strategie zu spät bemerkt. Da half es auch nicht,  dass er die Bundeskanzlerin demonstrativ für weitere Veranstaltungen wieder auslud. Mehrheitlich waren die französischen Wähler verprellt, was sich dann auch in der ersten Wahl am letzten Sonntag zeigte. Hollande konnte die meisten Stimmen für sich gewinnen, zwar knapp mit etwa 1.8 Prozentpunkten vor Sarkozy, aber mit einer sehr guten Ausgangslage für die entscheidende Stichwahl am 6. Mai.

Wie er sich die zukünftige Zusammenarbeit im Falle seines Wahlsieges  vorstellt, hat er schon einmal am letzten Donnerstag eindrucksvoll verlauten lassen. Neuverhandlung des europäischen Sparpaktes, Investitionspolitik durch höhere Verschuldung und vor allem, neues Selbstbewusstsein gegenüber der selbst ernannten Zuchtmeisterin Europas Angela Merkel, ein dringend notwendiger Akt, um den Franzosen ihre Würde und Unabhängigkeit zurück zu geben, wie Hollande  kämpferisch betont hat.  Das war Balsam für die malträtierte französische Seele, zumal Frankreichs Wirtschaft schwächelt, während die deutschen Nachbarn wirtschaftlich sich achtbar in der Krise schlagen. Zu allem Überfluss dann noch diese einseitige Parteinahme, dass wird Hollande trotz aller realpolitischen Notwendigkeiten bei einer späteren Zusammenarbeit nicht vergessen. Welch ein törichter Akt. Natürlich  hat Sarkozy die Mecklenburgerin heftig  umworben, selbst mit Hilfe seiner glamourösen Frau Carla Bruni bei einem sehr privaten Abendessen in Paris, aber das durfte doch nicht die politische Weitsicht der Bundeskanzlerin so entscheidend trüben, dass sie die gebotene Neutralität in Hinblick auf die Entscheidung des französischen Volkes verletzt hat. Gepaart mit den Attitüden ihres oberlehrerhaften Verhaltens kommt mir Beklemmendes in den Sinn, nach dem unseligen Motto der Vergangenheit: "Am deutschen Wesen soll diesmal Europa genesen."
So geht es nicht, so werden wir kein vernünftiges und wünschenswertes Vereintes Europa bekommen. Gerade in der aktuellen Krise, deren Ende nicht abzusehen ist, ganz im Gegenteil, wenn man an Spanien und Italien denkt, gerade jetzt ist es so dringend notwendig,  dass Deutschland als stärkste Wirtschaftskraft in Europa und mit den größten Vorteilen dieser Vereinigung, sehr behutsam und sehr respektvoll mit unseren Freunden und Partnern umgeht. Hauruck-Methoden und Machtdemonstrationen sind hier völlig fehl am Platz. Hier hilft nur Geduld und intellektuelle Weitsicht, gemeinsam mit dem unerschütterlichen Willen, trotz aller Widrigkeiten einen  großen, gemeinsamen europäischen Staat zu schaffen, in dem sich alle Völker Europas  angemessen wiederfinden und sich wohl fühlen. Eine Herkulesaufgabe unbedingt notwendig, aber  machbar.
Zu allem Überfluss beginnen noch weitere Staaten in Europa zu schwächeln, die bisher wirtschaftlich stabil waren, wie z. B. die Niederlande oder Belgien. Zum Schluss bleiben nur noch Deutschland und Luxemburg  als solide Staatswirtschaften übrig, letzte Garanten für eine sichere Währungsunion. Ob dies dann noch gelingt, ist doch mehr als zweifelhaft. Deshalb ist es so wichtig, möglichst schnell eine gemeinsame europäische Finanz-und Fiskalpolitik zu entwickeln, gepaart mit einer gemeinsam gesteuerten Wirtschaftspolitik, um so alle Kräfte zu bündeln, um der Globalisierung mit all ihren Attacken begegnen zu können.
Nicht nur die Franzosen gehen am 6. Mai zur Wahl, nein die Schleswig-Holsteiner sind ebenfalls aufgerufen, an die Wahlurnen zu treten, eine  durchaus spannende Veranstaltung. Nichts ist bisher eindeutig. Wer wird stärkste Kraft im Land, CDU oder SPD, nichts genaues weiß man. Dass die Piraten in den Landtag einziehen werden, steht außer Frage, nur mit über 10 Prozent oder mit etwas weniger, und werden sie die Grünen vom dritten Platz verdrängen?
Kubicki, der Spitzenkandidat der F.D.P. hat einen grandiosen Wahlkampf  hingelegt, selbst der führende Grünen-Politiker  Robert  Habeck  hat ihm Respekt gezollt, indem er sagte, dass Kubicki der einzige Politiker in diesem Wahlkampf gewesen sei, mit dem man vernünftig  politisch habe diskutieren können. Die Prognosen zeigen Wirkung, ob dieses unermüdlichen Engagements. Immerhin sagen 7% aus, dass sich Kubicki berechtigte Hoffnung machen darf, wieder in den Landtag ein zu ziehen. Ob dies  die lang ersehnte Wende für die Gelben sein wird, wage ich doch zu bezweifeln. Ein Einzug in das Kieler Parlament ist allein ein Kubicki-Effekt.
Allerdings  könnte ein Erfolg Kubickis ein wichtiger Anstoß für den Wahlkämpfer in Nordrhein-Westfalen, F.D.P.-Kollege Lindner sein, der ebenfalls  ansteigende Werte zu verzeichnen hat. Sollte er auch den Sprung ins Parlament schaffen, könnte man allenfalls von ersten erfolgreichen Wiederbelebungsversuchen der Liberalen sprechen, von mehr aber nicht. Bis zu einem gesicherten Einzug in den nächsten Bundestag ist es noch ein steiniger Weg, und ein schmerzhafter dazu, denn dann müssen Köpfe rollen in Berlin in der Parteizentrale.  Westerwelle  sofort weg, weit weg, Rösler zurück ins Glied zwecks Nachreifezeit, später wieder verwendbar. Frau Leutheusser  übernimmt den Vorsitz, dieses schafft neues Vertrauen für die liberalen Werte in Deutschland und für die Partei, die einmal angetreten ist, für diese Werte zu kämpfen, und außerdem wird deutlich, dass starke Frauen in diesem „Verein“ jetzt wirklich eine Chance haben. Ach ja, und Rainer Brüderle bleibt, wo er ist. Er macht  als Fraktionsvorsitzender einen vernünftigen Job, er verschafft der Partei das notwendige Gehör und ist mit allen Wassern gewaschen, riecht  jede politische Intrige, nicht nur aus der eigenen Partei, ebenso von politischer  Freundes- und Feindesseite.
Selbst wenn die Liberalen den Einzug in den nächsten Bundestag schaffen sollten, die politische Landschaft ist nicht mehr, wie sie einmal war, da die Piraten die Kräfteverhältnisse verschieben werden. Das Schlimmste, das uns passieren könnte, ist die Zementierung von großen Koalitionen im Bund und in den Ländern, so wie in Saarbrücken geschehen. Dann wird die Politikverdrossenheit  zu instabilen Verhältnissen führen, deren Folgen bisher nicht abzusehen sind, denn an eine Erneuerung der beiden Volksparteien glaubt ernsthaft niemand.  Dies wird die spannende Frage der Zukunft sein, aber auch die politische Herausforderung, die nur dann nicht mehr akut ist, wenn wir eine europäische Regierung direkt wählen, und nicht zu vergessen, unseren europäischen Staatspräsidenten, natürlich auf direktem Wege.   
Peter J. König

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