Samstagskolumne Peter J. König vom 07.04.2012

Was hat Günter Grass mit  Ahmadinedschad zu tun?
Was hat den Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass  geritten, einen derartigen Text, und besonders zu dem jetzigen Zeitpunkt in die Welt zu setzen?  Ist es eine letzte Provokation, die Deutschlands einziger Staatsschriftsteller, wie man vermuten könnte, noch einmal zurück in die Aufmerksamkeit der öffentlichen Wahrnehmung bringen soll, oder sind es doch die Geister seiner frühen Jugend, die jetzt im hohen Alter,  sich noch einmal den Weg bahnen, um sich ein letztes Mal Gehör zu verschaffen. Hat seine Zugehörigkeit zur  "SS"  in jungen Jahren doch eine solche Hartnäckigkeit hinterlassen, Jahrzehnte lang verdrängt,  letztendlich aber nie intellektuell verarbeitet, dass  jetzt, da die Wahrnehmung dämmert, die reine Lehre des SS-Judenhasses noch einmal offen zu Tage tritt? 
Bekanntlich erinnert sich der Mensch im Zuge der Vergreisung am besten an die Thesen, die er im Alter des Heranwachsens eingebläut bekam.  Während neuerliche Erfahrungen und Reflexionen wie  flüchtige Nebel entschwinden, nimmt  das Erlernte der Jugend wieder einen immer breiteren Raum ein. Wehe wenn es vergiften war. So findet die "letzte Tinte",  wie Grass anmerkt, doch noch einen Weg  seine lange Zeit verdrängte  antisemitische Haltung  in die Öffentlichkeit,  zwar verklausuliert,  wenn er von seinen Gefühlen für die Juden und ihr durch uns verbrochenes Schicksal spricht. Aber wie weit ist es um die ehrlichen Gefühle dieses Mannes  eigentlich bestellt, wenn er öffentlich Tatsachen verdreht, indem er die Israelis der militärischen  Aggression  durch einen Atomerstschlag  bezichtigt oder sie als akute Bedrohung das Weltfriedens bezeichnet,  ohne klar die Haltung  der iranischen Führung  darzulegen?
Grass kann doch nicht wirklich unbemerkt geblieben sein, dass Ahmadinedschad den Staat Israel am Liebsten lieber heute als  morgen auslöschen würde und als Leugner des Holocaust setzt er alles daran, eine  funktionsfähige   Atombombe zu bekommen.  Internationale Kontrollen  verweigert er, aber Aggressionen werden offen und verdeckt geschürt. Die Existenz Israels steht auf dem Spiel, nicht mehr, aber  auch nicht weniger. Dies hätte Grass bedenken müssen. Dieses Israel  braucht natürlich eine Drohkulisse, allein aus Gründen der Abschreckung,  aber  zu einem  militärischen Erstschlag  haben die Amerikaner noch ein gewichtiges Wörtchen mit zu reden. Wer jedoch bremst den Größenwahn  eines Ahmadinedschad, wenn er erst einmal die Bombe hat?  Darüber hätten Sie einmal öffentlich reflektieren müssen, lieber Herr Grass, oder war der ganze Wirbel vielleicht doch nur darauf angelegt, noch einmal Ihre Wirkung in der Öffentlichkeit zu testen, bevor sie letztendlich als historische Figur in den Olymp der Dichter aufsteigen, in diesem Fall wäre es  jedoch ein schändlicher Versuch gewesen.

In Anbetracht dieses  sehr bedrückenden Themas  ist es nicht so einfach, wieder in die Niederungen der bundesdeutschen Parteipolitik zu steigen, oder wäre es vielleicht besser über  das Verhältnis der beiden Nachbarstaaten Deutschland und der Schweiz zu sprechen. Hier hat sich in der vergangenen Woche eine ganz besondere Episode abgespielt. Die Schweiz hat die drei  nordrhein-westfälischen Finanzbeamten, die eine  CD  mit vermutlichen, deutschen Steuerhinterziehern aufgekauft haben, zur Fahndung ausgeschrieben, da sie nach Schweizer Recht  mitschuldig  wurden. Dieses muss man sich erst einmal langsam auf der Zunge zergehen lassen. Beamte einer deutschen Steuerbehörde werden bei der Ausübung  ihrer Amtspflicht in unserem eng  befreundeten Nachbarstaat straffällig,  wie skurril ist das denn? 

Natürlich hat jeder Staat seine eigenen hoheitlichen Rechte und dazu gehört  selbstverständlich   das jeweils  geltende Strafrecht,  das bei dem vorliegenden Sachverhalt   in den beiden Ländern unterschiedlich ausfällt.  Auslöser ist die Tatsache, dass die Schweiz das Bankgeheimnis höher bewertet, als wir in Deutschland, wo das Finanzamt und andere Behörden problemlos den Zugriff auf unsere Bankdaten haben.  Es kann aber doch nicht sein, dass diese beiden Länder  in den letzten Jahrzehnten keinen Weg gefunden haben, diese unterschiedliche strafrechtliche Auslegung  gemeinsam  so zu novellieren, dass nicht  eine  solche Witzblattnummer entsteht, zumal  der  Transfer von hinterzogenen  Steuermilliarden in die Schweiz  nicht erst eine Tatsache der letzten Dekade  ist.

Finanzminister Schäuble sah sich plötzlich in heikler Mission. Irgendwie fand er sich zwischen zwei Stühlen wieder und er fing an verbal herum zu eiern, zum Missfallen der nordrhein-westfälischen Steuerbehörden, denn die Schweizer wollte er auf keinen Fall  vergällen, da ein Steuerabkommen,  just zu diesem  Sachverhalt unmittelbar vor der Unterzeichnung  stand.  Nachdem sich beide Seiten einig waren, hatte man das Abkommen als historisch eingestuft, und es als entscheidend völkerverbindend  gewürdigt. Jetzt aber dieser Flopp. Schäuble hat dann  doch noch die Kurve bekommen. Er lobte die tüchtige Arbeit der Düsseldorfer Steuerfahnder und unterstrich die Souveränität der Schweizer Justiz, und im Übrigen, so Schäuble, würde  dieses visionäre Steuerabkommen zukünftig einen solchen Eklat ausschließen. Am letzten Donnerstag  sollte der deutsche Botschafter das Dokument in Zürich unterschrieben haben. Ende gut, alles gut. Mitnichten, denn jetzt geht es erst ans Eingemachte.

Zum großen Ärger  der  Bundesregierung hat die SPD schon angekündigt, dass sie den Vertrag nicht mittragen würde, und ihn mit der Mehrheit im Bundesrat abschmettert. In ihren Augen wird durch das Abkommen nachträglich Steuerhinterziehung  legalisiert, den Reichen besondere Privilegien eingeräumt, inklusive  Straffreiheit, und außerdem der   deutsche  Fiskus  um Milliarden geprellt, der eigentliche Skandal. Also, was wird jetzt aus dem historischen Ereignis?  Minister Schäuble ist die Sache aktuell zu heiß. Deshalb hat er  den deutschen Botschafter mit der Unterzeichnung betraut. Momentan gibt es bei dieser Sachlage für ihn noch keine Lorbeeren zu ernten.

Aber was wird mit dem geplanten Osterurlaub dieser  fleißigen Beamten, der dieses Jahr, wie immer, in der Schweiz stattfinden sollte?  Muss  ausfallen, oder sie dürften die Arbeit ihrer fleißigen Schweizer Kriminalkollegen kennen lernen, was auch nicht im Sinne einer fruchtbaren Zusammenarbeit  dieser beider Länder sein kann. Vielleicht hätte man im Vorfeld dieses CD-Ankaufs grundsätzlich alle Aspekte dieser Causa beleuchten sollen, und man wäre dann vielleicht zu dem Ergebnis gekommen, erst mit der Schweiz das Steuerabkommen zu schließen, ein Ankauf nebst aller Folgen wäre dann überflüssig gewesen. Die Milliarden hätten langfristig ihren Weg wieder in den deutschen Steuertopf gefunden, die SPD wäre wahrscheinlich auf die Idee einer Bundesratsblockade nicht gekommen und unser Finanzminister hätte sich einmal mehr als kluger Kopf feiern lassen können. So aber hat die schnelle Gier erst einmal nur für eine große Konfusion gesorgt. 
 Damit allen Beteiligten und natürlich meinen treuen Lesern ein schönes Osterfest, selbst  wenn es  in diesem Jahr nicht in der Schweiz stattfindet.
Peter J. König








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