Was hat Günter Grass mit Ahmadinedschad zu tun?
Was hat den Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass geritten, einen derartigen Text, und besonders zu dem jetzigen Zeitpunkt in die Welt zu setzen? Ist es eine letzte Provokation, die Deutschlands einziger Staatsschriftsteller, wie man vermuten könnte, noch einmal zurück in die Aufmerksamkeit der öffentlichen Wahrnehmung bringen soll, oder sind es doch die Geister seiner frühen Jugend, die jetzt im hohen Alter, sich noch einmal den Weg bahnen, um sich ein letztes Mal Gehör zu verschaffen. Hat seine Zugehörigkeit zur "SS" in jungen Jahren doch eine solche Hartnäckigkeit hinterlassen, Jahrzehnte lang verdrängt, letztendlich aber nie intellektuell verarbeitet, dass jetzt, da die Wahrnehmung dämmert, die reine Lehre des SS-Judenhasses noch einmal offen zu Tage tritt?
Bekanntlich erinnert sich der Mensch im Zuge der Vergreisung am besten an die Thesen, die er im Alter des Heranwachsens eingebläut bekam. Während neuerliche Erfahrungen und Reflexionen wie flüchtige Nebel entschwinden, nimmt das Erlernte der Jugend wieder einen immer breiteren Raum ein. Wehe wenn es vergiften war. So findet die "letzte Tinte", wie Grass anmerkt, doch noch einen Weg seine lange Zeit verdrängte antisemitische Haltung in die Öffentlichkeit, zwar verklausuliert, wenn er von seinen Gefühlen für die Juden und ihr durch uns verbrochenes Schicksal spricht. Aber wie weit ist es um die ehrlichen Gefühle dieses Mannes eigentlich bestellt, wenn er öffentlich Tatsachen verdreht, indem er die Israelis der militärischen Aggression durch einen Atomerstschlag bezichtigt oder sie als akute Bedrohung das Weltfriedens bezeichnet, ohne klar die Haltung der iranischen Führung darzulegen?
Grass kann doch nicht wirklich unbemerkt geblieben sein, dass Ahmadinedschad den Staat Israel am Liebsten lieber heute als morgen auslöschen würde und als Leugner des Holocaust setzt er alles daran, eine funktionsfähige Atombombe zu bekommen. Internationale Kontrollen verweigert er, aber Aggressionen werden offen und verdeckt geschürt. Die Existenz Israels steht auf dem Spiel, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dies hätte Grass bedenken müssen. Dieses Israel braucht natürlich eine Drohkulisse, allein aus Gründen der Abschreckung, aber zu einem militärischen Erstschlag haben die Amerikaner noch ein gewichtiges Wörtchen mit zu reden. Wer jedoch bremst den Größenwahn eines Ahmadinedschad, wenn er erst einmal die Bombe hat? Darüber hätten Sie einmal öffentlich reflektieren müssen, lieber Herr Grass, oder war der ganze Wirbel vielleicht doch nur darauf angelegt, noch einmal Ihre Wirkung in der Öffentlichkeit zu testen, bevor sie letztendlich als historische Figur in den Olymp der Dichter aufsteigen, in diesem Fall wäre es jedoch ein schändlicher Versuch gewesen.
In Anbetracht dieses sehr bedrückenden Themas ist es nicht so einfach, wieder in die Niederungen der bundesdeutschen Parteipolitik zu steigen, oder wäre es vielleicht besser über das Verhältnis der beiden Nachbarstaaten Deutschland und der Schweiz zu sprechen. Hier hat sich in der vergangenen Woche eine ganz besondere Episode abgespielt. Die Schweiz hat die drei nordrhein-westfälischen Finanzbeamten, die eine CD mit vermutlichen, deutschen Steuerhinterziehern aufgekauft haben, zur Fahndung ausgeschrieben, da sie nach Schweizer Recht mitschuldig wurden. Dieses muss man sich erst einmal langsam auf der Zunge zergehen lassen. Beamte einer deutschen Steuerbehörde werden bei der Ausübung ihrer Amtspflicht in unserem eng befreundeten Nachbarstaat straffällig, wie skurril ist das denn?
Natürlich hat jeder Staat seine eigenen hoheitlichen Rechte und dazu gehört selbstverständlich das jeweils geltende Strafrecht, das bei dem vorliegenden Sachverhalt in den beiden Ländern unterschiedlich ausfällt. Auslöser ist die Tatsache, dass die Schweiz das Bankgeheimnis höher bewertet, als wir in Deutschland, wo das Finanzamt und andere Behörden problemlos den Zugriff auf unsere Bankdaten haben. Es kann aber doch nicht sein, dass diese beiden Länder in den letzten Jahrzehnten keinen Weg gefunden haben, diese unterschiedliche strafrechtliche Auslegung gemeinsam so zu novellieren, dass nicht eine solche Witzblattnummer entsteht, zumal der Transfer von hinterzogenen Steuermilliarden in die Schweiz nicht erst eine Tatsache der letzten Dekade ist.
Finanzminister Schäuble sah sich plötzlich in heikler Mission. Irgendwie fand er sich zwischen zwei Stühlen wieder und er fing an verbal herum zu eiern, zum Missfallen der nordrhein-westfälischen Steuerbehörden, denn die Schweizer wollte er auf keinen Fall vergällen, da ein Steuerabkommen, just zu diesem Sachverhalt unmittelbar vor der Unterzeichnung stand. Nachdem sich beide Seiten einig waren, hatte man das Abkommen als historisch eingestuft, und es als entscheidend völkerverbindend gewürdigt. Jetzt aber dieser Flopp. Schäuble hat dann doch noch die Kurve bekommen. Er lobte die tüchtige Arbeit der Düsseldorfer Steuerfahnder und unterstrich die Souveränität der Schweizer Justiz, und im Übrigen, so Schäuble, würde dieses visionäre Steuerabkommen zukünftig einen solchen Eklat ausschließen. Am letzten Donnerstag sollte der deutsche Botschafter das Dokument in Zürich unterschrieben haben. Ende gut, alles gut. Mitnichten, denn jetzt geht es erst ans Eingemachte.
Zum großen Ärger der Bundesregierung hat die SPD schon angekündigt, dass sie den Vertrag nicht mittragen würde, und ihn mit der Mehrheit im Bundesrat abschmettert. In ihren Augen wird durch das Abkommen nachträglich Steuerhinterziehung legalisiert, den Reichen besondere Privilegien eingeräumt, inklusive Straffreiheit, und außerdem der deutsche Fiskus um Milliarden geprellt, der eigentliche Skandal. Also, was wird jetzt aus dem historischen Ereignis? Minister Schäuble ist die Sache aktuell zu heiß. Deshalb hat er den deutschen Botschafter mit der Unterzeichnung betraut. Momentan gibt es bei dieser Sachlage für ihn noch keine Lorbeeren zu ernten.
Aber was wird mit dem geplanten Osterurlaub dieser fleißigen Beamten, der dieses Jahr, wie immer, in der Schweiz stattfinden sollte? Muss ausfallen, oder sie dürften die Arbeit ihrer fleißigen Schweizer Kriminalkollegen kennen lernen, was auch nicht im Sinne einer fruchtbaren Zusammenarbeit dieser beider Länder sein kann. Vielleicht hätte man im Vorfeld dieses CD-Ankaufs grundsätzlich alle Aspekte dieser Causa beleuchten sollen, und man wäre dann vielleicht zu dem Ergebnis gekommen, erst mit der Schweiz das Steuerabkommen zu schließen, ein Ankauf nebst aller Folgen wäre dann überflüssig gewesen. Die Milliarden hätten langfristig ihren Weg wieder in den deutschen Steuertopf gefunden, die SPD wäre wahrscheinlich auf die Idee einer Bundesratsblockade nicht gekommen und unser Finanzminister hätte sich einmal mehr als kluger Kopf feiern lassen können. So aber hat die schnelle Gier erst einmal nur für eine große Konfusion gesorgt.
Damit allen Beteiligten und natürlich meinen treuen Lesern ein schönes Osterfest, selbst wenn es in diesem Jahr nicht in der Schweiz stattfindet.
Peter J. König
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