Samstagskolumne Peter J. König 09.06.2012

Die Fußball Europameisterschaft, vielleicht bald ein  nationales  Ereignis  der "Vereinigten Staaten von Europa" ?


Weil am gestrigen Freitag die Fußball Europameisterschaft begonnen hat, die politischen Aspekte, speziell der Ukraine wurden hier ja schon eindeutig im Vorfeld beleuchtet, wird der Fokus der großen Mehrheit der Bevölkerungen  sich auf die Spiele konzentrieren. Dies ist auch durchaus  begrüßenswert, denn ein solches Kräftemessen der Länder untereinander  ist immer wieder spannend, und wenn es dabei friedlich bleibt, ist es auch eine gute Gelegenheit, dass sich Land und Leute näher kennen lernen, und da die aktuellen Ausrichter  zwei Nationen sind, die noch bis  vor nicht allzu langer Zeit hinter dem "Eisernen Vorhang" nur begrenzt die Aufmerksamkeit des gemeinen Urlaubers geweckt hat, ist dies die beste Gelegenheit  von Mensch zu Mensch auf einander zuzugehen, um gesteigertes Interesse  für unsere Nachbarn zu zeigen.  

Gerade für Polen und die Ukraine sollten wir Deutsche eine besondere Aufmerksamkeit entwickeln, denn da haben wir noch etwas gut zu machen, da gilt es die  besonders perfiden Geschehnisse aus unserer, nicht allzu fernen Geschichte  durch Verständnis und Mitgefühl  zu ersetzen, um den Menschen in diesen Ländern zu zeigen, dass das Bild des hässlichen Deutschen der Vergangenheit angehört, dass die heutige Bundesrepublik von Menschen getragen wird, die ein aufgeschlossenes, wirtschaftlich starkes, gemeinsames Europa präferieren, die die jeweiligen kulturellen Wurzeln als Bereicherung empfinden, die aber auch gerne nach fairem, sportlichem Wettkampf mit einer besonders guten Platzierung  die Nationen der Gastgeber  verlassen wollen, vielleicht  sogar  diesmal mit dem Siegespot. Jedenfalls sind mehr als 50% aller Deutschen von dieser Möglichkeit überzeugt. So etwas bringt in besonderem Maße die nötige Spannung hervor, die ein solches Großereignis  erst so richtig emotional auflädt.  Dies ist der Grund warum die Menschen den Fußball so lieben.

Bei aller Euphorie  sollten wir aber die Aufmerksamkeit für die aktuellen politischen Geschehnisse, die um uns herum passieren, nicht aus den Augen verlieren.  Bevor ich auf die einzelnen Punkte zu sprechen komme, möchte ich eine Anmerkung machen, eine Beobachtung,  die mir oftmals bei solchen Ereignissen wie Fußball Welt- oder Europameisterschaften,  aber auch besonders bei Olympischen Spielen, die ja auch bald in London stattfinden werden, aufgefallen sind. Im Zuge solcher Mammutveranstaltungen sind die führenden Politiker  aller Staaten gerne geneigt, schnell einmal unpopuläre Entscheidungen ihrem Volk aufs Auge zu drücken, in der Hoffnung, dass die Menschen paralysiert sind, ihre ganze Aufmerksamkeit dem sportlichen Ereignis gilt, und die bitteren Pillen, die sie zu schlucken haben, gar nicht erst zur Kenntnis nehmen. Diese Suppe gilt es den Mächtigen  zu versalzen, Begeisterung ja, aber kein besoffenes Dahintaumeln, sollte unsere Mannschaft auch noch so überzeugend spielen.

Vor allem anderen muss die andauernde Tragödie in Syrien aufs Korn genommen werden. Schon wieder Massaker an der syrischen Zivilbevölkerung, mit vielen grausam getöteten Kindern, und die Weltgemeinschaft ist nicht in der Lage, dem Schlächter Assad das Handwerk zu legen. Natürlich ist zu konstatieren, dass die Interessenslage in dieser Region sehr diffizil ist, da die Begehrlichkeiten der Großmächte aufeinander prallen. Wie immer sind es die Rohstoffe, die diese Gier auslösen. Öl, Erdgas, aber auch die geostrategische Lage wecken das außerordentliche Interesse der Kontrahenten, denn ohne diese Punkte würde man vielleicht überhaupt keine Kenntnisse von diesen Mordaktionen erlangen, wie es schon so oft in afrikanischen Ländern passiert ist, ohne das Interesse der Weltöffentlichkeit  auch nur im Geringsten wachzurufen. Trotzdem muss jetzt schnellstens  alles unternommen werden, um den Menschen vor Ort zu helfen, gerade weil wir hier in der Lage sind, Ursache und Wirkung zu erkennen. Empörend finde ich, dass in Berlin die bezahlten Claqueure des Assad-Regimes auf die Straße gehen können,  blutige  Parolen dieser Menschenschinder lauthals herausschreien, ohne dass sie von einem vieltausend stimmigen Chor vom Asphalt gefegt werden, einem Chor der Mitmenschlichkeit , der nach dem Ende dieser Diktatur ruft. Vielleicht würde ein solcher Sturm der Entrüstung weltweit Mitstreiter finden und endlich menschliche Vernunft bei den politischen Akteuren auslösen, ein Versuch ist es allemal wert.

Die nächste Baustelle finden wir unmittelbar vor unserer Haustüre. Zwar werden hier keine Menschen getötet, aber das Leid, das sich daraus entwickelt, trifft die Menschen auch sehr hart. Spanien steht, wie man hört, unmittelbar vor der Entscheidung,  sich des europäischen Rettungsschirms zu bedienen, um vielleicht  bis zu 100 Milliarden Euro für ihre maroden Banken auszuleihen, wahrlich kein Pappenstiel. Was wird daraus folgen?  Auflagen der europäischen Geldgeber, um die Sparzwänge noch weiter zu verstärken, mit den sichtbaren Folgen wie in Griechenland, aber vielleicht auch mit den gleichen Ereignissen, wie sie uns nach der dortigen Wahl nach dem 17. Juni erwarten?  Dann kommt das europäische Schiff schon mächtig ins Schlingern,  Spanien ist  ein anderes Kaliber wie Griechenland.  Aber damit wäre es bei weitem noch nicht getan, denn weitere Länder können folgen: Portugal, Irland, Italien vielleicht auch Frankreich. Alle könnten potentielle Kandidaten für den Rettungsschirm werden, doch wer rettet dann den Rettungsschirm?

Sagen sie bitte nicht, dass dieses als "Worst case Szenario"  eine rein theoretische Fiktion darstellt. Fakt ist, dass in Brüssel eine hektische Betriebsamkeit herrscht, um genau diesem Fall entgegen zu wirken. Mit Hochdruck wird nun daran gearbeitet, was man Jahrzehnte lang versäumt hat, nämlich eine politische Union auf die Beine zu stellen, eine Union, die allen monetären Aktivitäten der Vergangenheit einen vernünftigen Sinn geben soll.  Plötzlich und unerwartet ist man in Berlin in der Lage parteiübergreifend eine Steuer auf alle Finanzgeschäfte zu beschließen. Frau Merkel hat sich weiterer Denkverbote entledigt, indem sie schon einmal über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten philosophiert, was so viel heißen soll : die starken Partner in Europa schließen sich  auf bestimmten Sachfeldern politisch zusammen, wie z.B. in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, mit einem gemeinsamen europäischen Minister. Diese Gruppe bildet den inneren Kern der Gemeinschaft, quasi ein erster europäischer Bundesstaat, dem sich sukzessive die anderen Europäer  anschließen. Bevor die USA zu dem Staatsgebilde wurden, das sie heute sind, haben sie sich auf gleiche Weise zusammen gefunden, auch ein langer, oftmals  blutiger Prozess.  Auf den blutigen Prozess wollen und müssen wir verzichten, auf den gemeinsamen europäischen Staat aber nicht, und seine Notwendigkeit zeigt sich besonders  in solchen Krisen immer deutlicher. Also packen wir es an.

Wenn sie jetzt voller Entsetzen fragen, aber was wird dann aus unseren nationalen Fußballmannschaften?  Wird zukünftig nur noch eine europäische Equipe aufgestellt, die dann gegen Australien, die USA oder vielleicht  gegen Kuweit kickt, für sie eine entsetzliche Vorstellung, dann kann ich sie beruhigen. In Großbritannien, dem Mutterland des Fußballs  gibt es, obwohl eine Nation, auch drei Nationalmannschaften, nämlich die englische,  die schottische und die walisische, und wenn es bei denen um die Qualifikation zur WM oder EM geht, wird sich weiß Gott nichts geschenkt. Also kann die Devise der Zukunft durchaus lauten:  Gemeinsam für eine bessere und sichere Zukunft für uns alle in Europa, aber auf dem Fußballplatz  wollen wir doch wissen, wessen Mentalität und Spielwitz sich letztendlich durchsetzt, eine durchaus spannende Angelegenheit.
Peter J. König
P.S. Ähnlich wie bei der deutschen Einheit ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo wir Europäer handeln müssen. Auch bei dem Beitritt der DDR  zur Bundesrepublik Deutschland war das Zeitfenster zu diesem Akt nur eine kurze Zeitspanne geöffnet, und es musste gehandelt werden, was Kohl dann auch tat, sein wichtigster Beitrag für dieses geschichtliche Ereignis. Einen ähnlichen Moment erleben wir jetzt, unter dem Druck der Krise öffnet sich  ein begrenztes Zeitfenster, das uns ermöglicht, die Weichen für einen gemeinsamen, europäischen Staat zu stellen, einer  Notwendigkeit, von der ich nimmermüde proklamiere, dass  es unsere einzige  Chance ist, unsere Bedeutung, unsere Sicherheit, unseren Wohlstand und unsere Vielfalt auf Dauer zu behalten.









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