Samstagskolumne Peter J. König 16.06.2012

Die Stunde der Wahrheit naht.


Morgen ist es soweit, denn am morgigen Sonntag wird bei der Wahl in Griechenland entschieden,  ob die Griechen im Euroverbund bleiben werden, und welche Konsequenzen sich durch einen eventuellen  Austritt aus der gemeinsamen Währung   für das gesamte Währungssystem auftun.  Hier gibt es die unterschiedlichsten Prognosen seitens der Fachleute.  Die einen sehen den Euro schon untergehen, und damit auch die Europäische Union am Ende, andere glauben, dass die gemeinsamen Institutionen stark genug sind, um die Rückkehr Griechenlands  zur Drachme unbeschadet zu überstehen.


Tatsache ist, dass sowohl die Länder des gemeinsamen Euro, als auch die  flüchtenden Griechen mit extremen wirtschaftlichen und monetären Folgen rechnen müssen. Die griechische Wirtschaft wird noch weitaus stärker einbrechen wie bisher. Dazu kommt noch bei der Umstellung vom Euro auf die Drachme ein enormer Wertverfall aller Sparguthaben, aller  Unternehmen und Immobilien, bis hin zu allen Vermögenswerten, die der einzelne Bürger als Rücklage zur Seite gelegt hat. Auslöser dieses Verfalls wird die starke Abwertung der Drachme gegenüber dem Euro sein.

Griechenland wird einen Staatsbankrott erleben, denn bisher haben sie die letzte Zeit nur noch mit den Subventionsgeldern aus der EU diesen Bankrott verhindern können. Daraus folgt eine weitere, rasch zunehmende Verelendung des Landes, mit der Gefahr, dass die Menschen sich radikalisieren. Dieses ist der Nährboden für alle extremistischen Kräfte, von denen es in Griechenland reichlich genug gibt. Es wird zu einem Machtkampf zwischen der extremen Rechten und der extremen Linken kommen, der natürlich auf der Straße ausgetragen wird, mit der Folge, dass das Chaos das Land auf eine Zerreißprobe stellen wird.

Dies ist dann die Stunde des Militärs. Sie werden die Macht  übernehmen, wie schon einmal in den 1970er Jahren, und dahin ist es mit der Demokratie  in Griechenland  wohl für einen längeren Zeitraum. Außerdem werden die reichen Familien weiterhin ihre Pfründe steigern können, dafür werden die Generäle schon sorgen, für sie fällt ja auch genug dabei ab. Dass das Volk  noch mehr leiden wird, ist keine Frage, aber wie kommen die anderen Europäer damit klar, dass im Herzen unseres Kontinents sich erneut eine Militärdiktatur etabliert hat?

Da die Griechen auch ihre Schulden von astronomischer Höhe nicht mehr zurückzahlen werden, sind jetzt die Bürgschaften gefordert, mit den entsprechenden Belastungen der einzelnen Haushalte der Geberländer. Wird dieses alles überhaupt noch tragbar sein, oder  werden auch die starken Volkswirtschaften dadurch in die Knie gehen?

Fragen über Fragen und keine definitiven Antworten. Fakt ist jedenfalls, dass  eine der weltgrößten Handelsketten, nämlich die französische Gesellschaft Carrefour ihr Engagement in Griechenland just in dieser Woche beendet hat. Sie hat ihre Einkaufszentren an eine   griechische Unternehmers Familie  verkauft, die wiederum als Franchisenehmer   die Märkte weiterführen wird. Für Carrefour scheint das unternehmerische Risiko zu groß geworden zu sein. Immerhin wurden etwa 3% ihres Gesamtumsatzes also über zwei Milliarden Euro in diesem Land generiert und trotz eines Verlustes von zweihundert Millionen durch diesen Rückzug scheint ihnen dieser Schritt dringend geboten. Andere ausländische Großunternehmen planen ähnliches. Dieses sind nur die ersten Schritte, aber man sieht schon deutlich um welche enormen Summen es sich hier handeln wird.

Offiziell sind sowohl die Politik, als auch die Notenbanken der wichtigsten Industrienationen für alle Eventualitäten gerüstet, heißt es rund um den Globus. Aber überall ist Nervosität zu spüren. Angela Merkel fliegt erst mit Verspätung zum ab morgen stattfindenden G20-Gipfel nach Mexiko. Sie möchte Deutschland wohl erst verlassen, wenn absehbar ist, wie die Griechen sich entscheiden werden. Im Falle eines griechischen Dilemmas will sie wohl lieber von Berlin aus die Notmaßnahmen dirigieren. Dies macht mehr Sinn, als fernab in Mittelamerika zuzusehen, wie unser europäisches System angeschossen wird.

Unübersehbar stehen wir am Vorabend einer  wichtigen Entscheidung. Nicht umsonst kommen aus allen Ländern der EU dringende Appelle an die griechische Bevölkerung, sich für den Verbleib im Euroverbund  zu entscheiden, und diese  Parteien zu wählen,  die  sich dafür ausgesprochen haben. Selbst Brüssel und der IWF signalisieren, dass im Falle des Verbleibs, die Griechen mit weiteren großzügigen Hilfen rechnen können, damit das Land wieder auf die Beine kommt. Allerdings muss man hierbei hinterfragen, welche Gedanken diese Institutionen  umtreiben?  Wovor haben diese internationalen Geldgeber mehr Angst?  Sind es wirklich die Menschen und ihr Schicksal, die im Focus dieser Technokraten stehen, oder trauern sie nicht vielmehr dem riesigen Geldhaufen nach, der bei dem Austritt den Bach hinuntergeht , mit den unabsehbaren Folgen, selbst für diese Herrschaften.

Interessant  finde ich ein Interview in der heutigen Ausgabe der FAZ mit einem der bedeutendsten Ökonomen der Welt, der ebenso wie ich in meiner letzten Kolumne, nachgeführt in einem besonderen "PS", zu dem Ergebnis kommt , dass der Moment eines  politischen Zusammenschlusses in Europa jetzt sehr günstig ist. Bedingt durch die Staatsschuldenkrise sind die europäischen Staaten mehr denn je bereit, ureigene Kompetenzen an übergeordnete Gremien, die natürlich demokratisch gewählt worden sind, abzugeben.

Dies ist der wirklich erste entscheidende Schritt hin zu der notwendigen politischen Einigung. Die Menschen in Europa müssen es wollen, erst dann kann man sinnvollerweise  über das Procedere verhandeln. Dabei spielt es keine so entscheidende Rolle, bis ins kleinste Detail festzulegen, ob die Schulden der Länder jetzt auf alle verteilt werden, oder ob sie weiterhin  bei den einzelnen Ländern verbleiben. Entscheidend ist, dass das gesamte gemeinsame Gebilde vernünftige Aufstiegschancen entwickeln kann.

Dazu ist es natürlich notwendig, dass die Schwachen entsprechende Hilfen von den Starken erhalten. Solche volkswirtschaftlichen Verwerfungen wie in Griechenland, aber auch in anderen assoziierten Ländern, sind dann viel besser in den Griff zu bekommen, damit nicht einige wenige reiche Familien mit den Ressourcen des Landes umgehen können, wie es für ihren Geldbeutel am besten ist, und die Steuerzahler anderer Länder die Defizite ausgleichen müssen, während die Reichen dieser Länder, so geschehen jetzt im Zuge der griechischen Tragödie,  sich eine teure Immobilie nach der anderen in Deutschland, in London oder in der Schweiz zulegten, häufig noch von den in Griechenland nicht bezahlten Steuergeldern finanziert.

Dies ist dann alles nicht mehr möglich, ein gemeinsames effizientes europäisches Finanzamt wacht darüber. Wenn dann noch starke politische, demokratische Institutionen darauf schauen, dass mit den gemeinsamen Steuergeldern kein Schindluder getrieben wird, ganz im Gegenteil, sie sehr effizient und sparsam eingesetzt werden, wird vielleicht sogar das Märchen von der Steuersenkung wahr, zumindest  ein bisschen. Allmählich komme ich ins Schwärmen, bei solch wunderbaren Gedanken, und ich könnte immer weiter machen. Aber nein, die Lage ist zu ernst. Ab Montag wird sich zeigen, ob die politischen Anstrengungen der letzten Jahrzehnte um die europäische Einigung  zu einem festen Fundament geführt haben, oder ob alles mit einem großen Knall, ähnlich wie ein zerstochener Luftballon zerplatzen wird.    
Wie ich auch schon in meiner letzten Kolumne geschrieben habe, werden viele Menschen in unserem Land von dieser schicksalshaften Entscheidung  gar nichts mitbekommen, da sie durch das bisherige Abschneiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der EM positiv traumatisiert sind und nur noch vom Titel träumen. Dieser Traum sei ihnen gegönnt, denn viele von ihnen sind diejenigen die als erste darunter leiden müssen, wenn sie durch einen politischen Knall aus ihrem Fußballtraum  jäh geweckt,  in einen wirtschaftlichen Alptraum versetzt werden.

Peter J. König

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