Samstagskolumne Peter J. König 23.08.2014

Warum gerade jetzt diese Anhäufung von Krisen und Gewalt und weshalb alles mit dieser extremen Brutalität?

Zur Zeit ist es kaum möglich in einer wöchentlich verfassten Kolumne dem Gang der weltpolitischen Ereignisse folgen zu können, so schnell schreiten die Ereignisse fort, so schnell werden Verhandlungsergebnisse über Bord geworfen, sozusagen nicht eingehalten oder verlogene Propaganda dazu benutzt, die Weltöffentlichkeit zu täuschen. Auch muss festgestellt werden, dass die Fülle von Krisen weltweit aktuell ein Ausmaß angenommen hat, das weit über das hinausgeht, was man eigentlich als den normalen Wahnsinn bezeichnet. Kriege, Aufstände, Putschs und Katastrophen gibt es immer auf der Welt. Die derzeitige ausufernde Fülle macht jedoch nachdenklich und führt zwangsläufig zu der Frage: Warum gerade jetzt diese Anhäufung von Krisen und Gewalt und weshalb alles mit dieser extremen Brutalität?

Damit man in etwa einen groben Überblick bekommt, was an Horror-Szenarien momentan auf unserem Planeten läuft, hier ein bestimmt nicht vollständiger Überblick. Im Licht der Öffentlichkeit stehen natürlich die besonderen Krisen, die nicht deshalb besonders sind, weil hier die größten kriegerischen Ereignisse, der größte Völkermord und Vertreibung stattfinden, nein, es ist der Tatsache geschuldet, dass die weltweiten Medien sich der Ereignisse annehmen und dadurch die Geschehnisse in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit rücken. Dass die mediale Zunft in der Regel auch gleichzeitig dazu benutzt wird, direkt oder indirekt Propaganda für die jeweiligen kriegerischen Parteien zu verbreiten, wird besonders bei dem Krieg in der Ostukraine sichtbar. Dazu braucht man nur die Berichte im russischen Fernsehen mit den Nachrichten in den westlichen Medien zu vergleichen.

Als halbwegs neutraler Beobachter ist es immens schwer, sich aus den unterschiedlichen Quellen ein einigermaßen objektives Bild zu machen. Letztendlich rückt keine Seite wirklich mit den Tatsachen heraus. Man sollte sich hüten, ohne berechtigte Zweifel der Berichterstattung nur einer Seite zu folgen, zumal oftmals noch viele nicht erwähnte Faktoren in jedem Konflikt eine große Rolle spielen. Eines muss dabei aber klar sein und dies ist schon seit Menschen-Gedenken so, Macht, Einfluss und Reichtum spielen dabei immer eine entscheidende Rolle. Da gibt es keine Ausnahme in der Geschichte der Menschheit, weder bei Landnahme, in Religionskriegen, bei der weltweiten Kolonialisierung durch einige wenige europäische Staaten oder aber bei den Auseinandersetzungen, die dem Wirtschaftsimperialismus in der heutigen Zeit dienen.

Aber nicht die Auseinandersetzungen im Licht der Öffentlichkeit sind die blutigsten, brutalsten und mörderischsten. Allein in Afrika finden zurzeit etwa ein Dutzend Kriege, Pogrome oder Genozide statt, von denen wir nichts oder kaum etwas erfahren. Dabei werden ganze Stämme, Volksgruppen und Glaubensvereinigungen ausgerottet. Das brutale Abschlachten der IS-Kämpfer im Nordirak ist nur deshalb in unser Bewusstsein gerückt, weil der Nahe Osten per se ein Pulverfass darstellt und seit mehreren Jahrzehnten blutigste Auseinandersetzungen dort stattfinden, die immer wieder Schlagzeilen machen. Dabei denke man an den Irak-Iran-Krieg, wo selbst Giftgas eingesetzt worden ist, die Kriege zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten, momentan scheint es sich auf den wieder aufgeflammten Krieg mit den Palästinensern zu beschränken, der jederzeit aber sich zu einem größeren Konflikt ausweiteten kann, besonders dann, wenn die islamistischen Gotteskrieger der IS weiter an territorialer Macht gewinnen. Schon heute sind sie die Terrorgruppe mit den größten finanziellen Möglichkeiten, ihr Kapital wird auf über eine Milliarde Dollar geschätzt und ihre Quellen sprudeln reichlich. 400 Millionen Dollar an Bargeld haben sie alleine durch die Eroberung der Staatsbank von Mosul im Nordirak erbeutet. Des Weiteren kommen Lösegeldzahlungen von westlichen Staatsbürgern hinzu, die ebenfalls in Millionenhöhe stattfinden. Hier reift ein islamistisches Terrorgebilde heran, das es in diesen Ausmaßen bisher nicht gegeben hat. 

Finanziell stark, besonders gefährlich durch den Zulauf im Westen aufgewachsener, gut ausgebildeter junger Männer, die durchaus Karriere in den Führungsstrukturen der IS machen, können sie mit der terroristischen Ausbildung bei den sogenannten Gotteskriegern wieder in ihre westlichen Länder zurückkehren, um dort Terrorakte zu verüben. Experten sind sich einig, dass diese Gefahr ganz andere Dimensionen erreichen können, wie zu Zeiten von 9/11. Die USA rechnen mit neuen Anschlägen und die Europäer müssen jetzt auch davon ausgehen, nicht mehr glimpflich davon zu kommen. Nicht umsonst plant die Bundesrepublik Waffen an die Kurden zu liefern, denn man sieht die Gefahr, in der sich das autonome Kurdengebiet befindet, wo zusätzlich sich eine Million Flüchtlinge aufhalten. Welche Folgen die Waffenlieferungen haben werden, ist jetzt noch nicht abzusehen. Natürlich kann dieses Gerät später auch dazu benutzt werden, um damit einen unabhängigen Kurdenstaat im Nordirak zu erkämpfen. Natürlich können diese Waffen auch in die Hände von IS-Kämpfern gelangen, wenn sie die kurdischen Truppen besiegen sollten. Dies ist alles möglich, gewiss ist aber, wenn die Kurden nicht in etwa gleichwertig wie die IS ausgerüstet werden, sie verfügen über modernstes amerikanisches Gerät, dann wird es ein Blutbad nie gekannten Ausmaßes geben, das in erster Linie die Zivilbevölkerung trifft. Welcher westliche Politiker möchte hierfür die Verantwortung übernehmen?

Islamistische Terrorgruppen sind mittlerweile über einen großen Teil der Welt verstreut. Überall dort wo die islamische Religion zu finden ist, gibt es solche mörderische Aktivitäten: Dabei muss man sich hüten, beides in einen Topf zu werfen. 1,5 Milliarden Muslime auf dieser Welt haben nichts mit islamistischem Terror zu tun, obwohl in diesen Ländern in Ostasien, Afrika, Zentralasien und im Vorderen Orient die Keimzellen dieser Terrorgruppen zu finden sind. Explizit muss gesagt werden, dass der Islam diese Gewalt ablehnt und dies auch immer wieder durch ihre Kirchenführer verkündet wird. Die islamistische Auslegung des Korans wird von ihnen als nicht dem Glauben entsprechend verurteilt. Die Mordzüge des IS werden sowohl von Schiiten als Sunniten als das angeprangert, was es eigentlich ist, Eroberung von Macht und Reichtum unter dem Tarnmantel des islamischen Glaubens in pervertierter Form. Also wieder alles wie gehabt, und die Triebfedern sind wieder einmal die Gier und die Machtgelüste bestimmter Gruppierungen. Es scheint so, als würde die Menschheit in Jahrtausenden nichts dazulernen. 

Das eigentliche Problem ist dabei die Vernetzung dieser Terrorgruppen, die auf Grund der modernen Kommunikation ganz andere Möglichkeiten wie in früheren Jahrhunderten haben. Schon lange reicht der Arm der IS bis weit nach Afrika hinein. In Libyen sind sie auf dem Vormarsch ähnlich wie im Nordirak oder in Syrien. Gerade ist der internationale Flughafen von Tripolis in ihre Hände gefallen. Auch im Nordirak wurde von ihnen der größte Militärflughafen erobert mit einem enormen Potential an Kriegsgerät bis hin zu modernsten Kampfflugzeugen. Da werden ein paar Panzerfäuste und Flugabwehrraketen nicht mehr reichen, um die Gotteskrieger aufzuhalten. 

Zum Schluss sollte noch die Frage beantwortet werden, die anfangs gestellt worden ist: Warum dieser Anstieg an Konflikten und weshalb diese ungeheurere Brutalität dabei?

Der rapide Zuwachs der Kriege hat bestimmt etwas mit der veränderten Machtbalance auf der Welt zu tun. Vor dem Zerfall der UdSSR war die Welt in zwei Machtblöcke aufgeteilt, nämlich West und Ost. Dies hat sich zunächst nach 1989 verschoben, da mit den USA die einzige Weltmacht übrig geblieben ist. Zwar gab es auch danach Konflikte, die aber mehr in den Ländern stattfanden, die stark sozialistisch geprägt waren und wo die Amerikaner USA-freundliche Regierungen etablieren wollten, so in Chile oder auch in einigen Staaten in Mittelamerika. 

In der zerfallenen Sowjet-Union fanden sich besonders in den Republiken Zentralasien starke Bestrebungen, den Islam in die Führungen, der nunmehr selbstständigen Staaten einzubinden. Zu Sowjet-Zeiten wurde dies mit eiserner Härte bekämpft, obwohl es auch da schon islamistische Aufstände gab, die durchaus kriegsähnlichen Charakter besaßen. Mit dem Fall des Schah von Persien begann eine neue Zeitrechnung. Zum ersten Mal wurde ein Staat von Mullahs beherrscht, der Islam diktierte die Staatsführung. Dies blieb nicht ohne Wirkung und ist bis heute nicht zu unterschätzen. Gerade China das Riesenreich im Osten, das sich anschickt zweite Supermacht zu werden, hat immer wieder mit islam-religiösen Aufständen in ihren Provinzen zu kämpfen. Der Machtwechsel im Iran hat aber auch gezeigt, dass Amerikas Gewicht und Einfluss weltweit geschwunden ist, denn ansonsten wäre der Schah nicht gefallen.

Dies hat zunächst den gemäßigten islamischen Kräften neuen Auftrieb gegeben und die Potentaten am Golf konnten mit massiver Militärhilfe seitens der Amerikaner rechnen, einen zweiten Iran sollte es nicht geben. Letztendlich dienen die Waffen, geliefert an die Scheichs und Emire nur einem Zweck, die eigene Bevölkerung in Schach zu halten, sollten sie mal auf die Idee kommen, nach ihrem Konsumrausch nach demokratischem Wandel zu fragen. Ansonsten haben die Menschen auf der ganzen Welt, gerade durch die modernen Kommunikationsmittel erfahren müssen, wie ungleich der Reichtum und die Lebensverhältnisse verteilt sind. Dass sie in den Entwicklungsländer von einigen Wenigen unterdrückt und ausgebeutet werden, mittlerweile von ihren eigenen Leuten, ist ihnen ebenfalls bewusst geworden. Die Folgen sind Aufruhr und Gewalt, wobei diese schon immer äußerst brachial und menschenverachtend war, wenn die Gier sich mit einer bestimmten Ideologie vereint hat. 

Hinzu kam in Afghanistan ein besonderer Steinzeit-Islamismus, der fortan Schule machen sollte und sich in der ganzen Islamischen Welt ausgebreitet hat, sehr zum Nachteil und dem Ansehen dieser Religion. Die Methoden, die dabei angewandt werden sind bekannt und angeblich durch die Scharia, der islamischen Gesetzgebung gedeckt. Steinigung und Handabhacken soll genauso dazu gehören, wie Köpfen oder sonstige Strafmaßnahmen. Selbst wenn solche Strafen, die uns an das finstere Mittelalter erinnern, Teil der Scharia sind, so ist das doch noch weit entfernt von den Methoden des willkürlichen Abschlachtens, des öffentlichen Köpfens eines amerikanischen Journalisten, allein zum Zweck der Propaganda und der Abschreckung. All dies geschieht im Namen Allahs, um wie schon so oft in der Geschichte der Menschheit so etwas Fragwürdiges wie erneut ein weltumspannendes Machtgefüge zu errichten. Davon hat die Welt aber ganz gehörig die Nase voll. 

Peter J. König

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