Samstagskolumne Peter J. König 04.10.2014

"Der verdorbene Charakter verdirbt auch die unverdorbene Politik." (Dr. phil. Manfred Hinrich,  deutscher Philosoph)
Bei allen Krisen rund um den Globus muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Geschehnisse hierzulande nicht unter den Mantel des Schweigens und des Vergessens geraten. Fast scheint es, dass unter der Glocke des Umfragehochs von Angela Merkel das Land in einen dauerhaften Schlummerzustand gelullt wird. Millionen von Bürgern haben ihr politisches Bewußtsein an die Kanzlerin abgetreten, die überwiegende Mehrzahl der Älteren sowieso, während die Jüngeren mit ihrem neuesten i-phone beschäftigt sind oder versuchen an den in-places eine "bella figura" zu machen.

Es regt sich kaum etwas gegen die zunehmende ganzheitliche Überwachung der Bürger, weil ja alle nichts zu verbergen haben, so der gleichlautende Tenor. Seitdem die große Koalition am Ruder ist, findet Opposition faktisch nicht mehr statt, es sei denn Gregor Gysi möchte noch einmal ins Fernsehen, um medienwirksam Lösungsvorschläge zu verkünden, die alles andere als realpolitisch umsetzbar sind.

Bei den Grünen versucht Claudia Roth verzweifelt,  die Deutschen auf das Schicksal der Kurden aufmerksam zu machen, selbst auf die Gefahr hin, ihre Akzeptanz bei der herrschenden türkischen Regierung vollständig zu verlieren. Aber konstruktive Regierungspolitik findet ebenfalls nicht statt. Zwar bemüht sich Frank-Walter Steinmeier den Flugrekord von Altaußenminister Dietrich Genscher zu brechen, die entsprechenden Resultate kann er aber leider nicht vorweisen. Weder in der Ostukraine noch in Syrien und im Irak sind Lösungsansätze zur Bewältigung der Krisen zu sehen. 

Dabei ist es schon sehr eigenartig, dass die Terrormiliz ISIS dabei ist, die kurdische Grenzstadt Kobane einzunehmen, obwohl die Amerikaner und Briten Luftangriffe gegen die Terroristen fliegen. In Libyen hat die amerikanische Air-Force gezeigt, dass sie in der Lage ist ganze Bataillone aus der Luft zu vernichten und zwar mit einer Präzision, die ihrem taktischen Geschick den Namen Nadelstichtaktik einbrachte und die sie stolz sein ließ. In Syrien hingegen werden seit über vier Wochen angeblich Angriffe geflogen. Und doch marschiert der IS unaufhaltsam weiter, bis an die türkisch-syrische Grenze und hinterlässt dabei ein grausames Blutbad bei der Zivilbevölkerung, das Ausmaße eines Genozid annimmt. 

Der letzte Widerstand wird von Frauen und Mütter organisiert, die sich nicht anders helfen können, als mit den Mitteln der Guerillataktik und der Selbsttötung durch Sprengstoffattacken zu versuchen, sich zu verteidigen. Während die Amerikaner Aufklärungsflüge betreiben, hat die Türkei ihre Panzer auf türkischer Seite auf den Anhöhen postiert, um seelenruhig zuzuschauen, wie die Kurden abgeschlachtet werden. Damit es noch einmal in Erinnerung gerufen wird, die Türkei ist unser Nato-Partner und seit Jahren bemüht, EU-Mitglied zu werden. 

Da muss es doch möglich sein Erdogan zu bewegen, seine Haltung gegenüber den Kurden zu überdenken und ihnen jetzt Hilfe zukommen zu lassen, auch mit militärischen Gütern, wenn dies der einzige Weg ist den IS zurück zu drängen. Auch ist es angebracht die Amerikaner zu fragen, warum sie Scheinangriffe auf die ISIS fliegen und dabei gelegentlich mal ein Panzer oder ein Lafetten-Fahrzeug getroffen wird? 

Mit Verlaub, da sind andere Interessen im Spiel, mit einem Einsatz zur Rettung der kurdischen Bevölkerung hat dies überhaut nichts zu tun. Hier ist die Bundesregierung gefragt, ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen, um endlich etwas zu bewegen. Des Weiteren steht die Frage im Raum, warum werden die Kurden im Irak mittlerweile mit Waffen und Gerät gegen den IS unterstützt, während man die Kurden in Syrien der Abschlachtung anheim fallen lässt? 

Es ist zu befürchten, dass die Antwort in der Türkei zu suchen ist. Aber wieder zurück zur Innenpolitik. Auch hier geht es um Absurditäten aus dem militärischen Bereich. Wenn man die Entwicklung der Bundeswehr im letzten Jahrzehnt verfolgt, darf festgestellt werden, dass nicht nur das Material größte Verschleißerscheinungen aufzuweisen hat, die Ausfallquote war auf der politischen Ebene mindestens genau so groß. Ein Verteidigungsminister nach dem anderen musste seinen Hut nehmen, pardon bekam den letzten Zapfenstreich geblasen, freiwillig oder unfreiwillig und fast immer hat es mit der Bundeswehr und der Beschaffung von Waffen oder Waffensysteme zu tun. Nur einer muss davon ausgenommen werden, Baron zu Guttenberg, er hatte es verabsäumt seine Doktorarbeit generalstabsmäßig schreiben zu lassen, ein schweres taktisches Versäumnis. 

Minister kamen und gingen, der desolate Zustand in der Truppe änderte sich nicht. Dies wird nun der Allzweckwaffe von Angela Merkel, der aktuellen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu einem Mühlstein, der ihr bleischwer um den Hals hängt. Schafft sie es die Bewältigung einigermaßen zu überstehen, trägt sie damit den Stab im Tornister, der ihr die höchste Befehlsgewalt einbringen kann, das Amt zur Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und Nachfolgerin von Angela Merkel. Allmählich wird klar, welcher Dilettantismus und welche Schlampereien, ja man muss sogar sagen, welche Verfehlungen im Amt für Verteidigung über Jahrzehnte gelaufen sind. Nicht erst die jüngsten Vorkommnisse in der Truppe haben aufgedeckt, was Arges in der Bundeswehr gelaufen ist. Hier ein kurzer Überblick: neue Gewehre, die nicht zielgenau waren, gepanzerte Fahrzeuge ungeeignet für ihren Einsatz, Hubschrauber, die für ihre Aufgabenstellung nicht einsatzbereit waren, dazu nahezu flugunfähig, Euro-Fighter, deren Entwicklung dreimal soviel Geld gekostet hat wie geplant und dazu noch ein Drittel mehr Bestellungen über den errechneten Bedarf hinaus, damit man bei der Konzeption gegenüber den Nato-Partnern das Sagen hatte und abschließend hier, aber noch lange nicht auf der anstehenden Problemliste ein Transportflugzeug, dessen Auslieferung seit Jahren überfällig ist und von dem man nicht weiß, ob es jemals zum Einsatz kommt, im Schlepptau mit dem System der Flugdrohnen, das niemals im europäischen Luftraum eine Zulassung bekommen wird. Damit wurden Milliarden in den Sand gesetzt, über die Verteidigungsbereitschaft oder Auslandseinsätze gar nicht zu reden.

Dies sind nur die Schlagzeilen, die fast täglich aus dem Verteidigungsministerium nach außen dringen, bei der Kenntnis des ministeriellen Handelns stehen jedem Steuerzahler die Haare zu Berge. Die Juristen im Verteidigungsministerium waren bei den Abschlüssen mit den Rüstungsunternehmen in einer geradezu unverantwortlichen Weise zu Werke gegangen, wenn sie vorgefertigte Verträge aus dem Internet heruntergeladen haben, ohne dabei die Spezifika zu integrieren, die nun einmal bei einem solchen komplexen Geschäft notwendig und juristisch erforderlich sind. Die Fragen von Verzug, Nachbesserung, Teuerung bei der Entwicklung und schließlich Regressansprüche wurden entweder überhaupt nicht oder sehr mangelhaft fixiert. Wenn man berücksichtigt, wieviel Juristen das Ministerium selbst bevölkern, dazu noch eine Armada von Kanzleien, die ständig teurere Gutachten produzieren, die im Archiv verschwinden, damit dann anschließend die Vertragsformen aus dem Internet heruntergeladen werden, so als wollte man einen Gebrauchtwagen kaufen, dann versteht man die Welt nicht mehr, besonders nicht die bürokratische Welt dieses Ministeriums.

Auf der anderen Seite bei der Industrie sind hochprofessionelle Juristenstäbe am Werk. Man möchte ihr Feixen nicht hören, als sie den Sack zu diesen Verträgen zugemacht haben. Größer kann ein Schildbürgerstreich eigentlich nicht sein, wäre es nicht so fatal für den gemeinen Steuerbürger. Es wäre dringend notwendig alle diese Vorgänge der Öffentlichkeit zu Gehör zu bringen, denn wie weit hier Korruption im Spiel ist, sollte unbedingt geklärt werden. Da reicht kein Untersuchungsausschuss, da hilft nur die investigative Arbeit einer unabhängigen Staatsanwaltschaft, notfalls der Gang zum Richter. Hier kann Frau von der Leyen ihre Bewerbung für das mächtigste Staatsamt unserer Republik abgeben. Sollte sie es schaffen, diesen Sumpf aus Jahrzehnten trocken zu legen, ist ihr auch zuzutrauen, dass sie die Geschicke unseres Landes vernünftig meistert. Jedenfalls kann ihr dann keiner nachsagen, sie habe als frische Ministerin nicht mit Messer und Gabel essen können, so wie es Helmut Kohl einmal in einem Interview von seinem "Mädchen" Angela Merkel behauptet hat. 

Das solche und ähnliche Geschichten die Gemüter in Berlin mehr bewegen, als das politische Tagesgeschäft, zeigt deutlich den Verfall der politischen Klasse, wobei Herr Kohl schon lange sein Verfallsdatum überschritten hat, als Politiker schon seit Jahren und als Mensch, als er begann,  sich politisch zu betätigen. Zum Verfall der Sitten und der Glaubwürdigkeit hat er immer wieder einen nicht unerheblichen Teil dazu beigetragen. Die Interviewaufnahmen mit Kohl, die jetzt von Heribert Schwan, einem in Ungnade gefallenen Medienvertrauten in einem Buch veröffentlicht worden sind, zeigen nur allzu deutlich, wie Kohl als Mensch einzuschätzen ist. Deshalb wird es höchste Zeit, dass er medial verschwindet, denn mit seinen Veröffentlichungen wird dem Bürger nur noch deutlicher gemacht, politischer Anstand und Sitten waren die Sache des Kanzlers der Deutschen Einheit nicht.

Peter J. König

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