Samstagskolumne Peter J. König 06.12.2014


"Kultureller Pluralismus ist kein Hindernis, sondern Voraussetzung für eine demokratische Lebenswelt in Europa."  ( Zitat Prof. Dr. Claus Leggewie)

Seit einigen Wochen finden, erst in Dresden und mittlerweile in einigen weiteren deutschen Städten, ja selbst in Ostfriesland Montagsdemon- strationen statt, die von einer Bewegung Pegida initiiert werden und wobei sich mehrere tausend Bürger auf der Straße versammeln. 

Montagsdemonstrationen sind uns alle ein Begriff, haben sie doch den Anfang vom Ende der DDR eingeläutet, speziell in Leipzig und waren damit der Beginn der einzigen friedlichen Revolution, die jemals auf deutschem Boden stattgefunden hat. Deshalb ist der Begriff "Montagsdemonstration" ideell besetzt, assoziiert er doch automatisch damit die Geschehnisse von 1989 und damit das Aufbegehren gegen den Überwachungs- und Unterdrückungsstaat. 

Jetzt hat sich eine selbsternannte Bewegung namens Pegida-Bündnis, der Name leitet sich von der Abkürzung des hochtrabenden Mottos: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes her, die Begrifflichkeit zu Eigen gemacht, um gegen Überfremdung und fortschreitende Islameinflüsse zu demonstrieren. Dabei bezeichnen sich diese Herrschaften als aus der Mitte der Gesellschaft kommend und verwahren sich strikt gegen die Vermutung rechtsradikal und nationalistisch zu sein. 

Dies mag ja in Bezug auf ihr äußeres Erscheinungsbild stimmen, was allerdings ihre Gesinnung an betrifft, also ideologisch, unterscheiden sie sich nicht von dem Gedankengut rechtsradikaler und neonazistischer Gruppierungen. Dabei werden hier ebenso die bekannten Vorurteile und Tatsachenfälschungen propagiert, die seit jeher von Rechtsaußen kommen: Ausländerschwemme, illegale Einwanderung zum Zweck die Sozialsysteme auszuhöhlen, Kriminalität, Anpassungsverweigerung und Unterwanderung der urdeutschen Bevölkerung bis hin zu der irren Vorstellung in Deutschland einen islamischen Staat errichten zu wollen. 

Abgesehen von der Tatsache, dass diese Unterstellungen keine reale Basis darstellen, zumindest auf die gesamte Bundesrepublik bezogen, einzelne Brennpunkte, wie in Berlin, Mannheim und dem Ruhrgebiet bilden da die Ausnahme und sind überhaupt nicht relevant für unseren Staat, zeigt die Bewegung, übrigens ein sehr belastetes Wort, bezeichneten sich einst die Nazis und ihre NSDAP ebenfalls als Bewegung, wessen Geistes Kind dahintersteckt. 

Intoleranz, das Schüren von Hass auf alles Andersartige, mangelnde Offenheit allem Fremden gegenüber und nicht zuletzt die Abkehr von Religionsfreiheit und Rassenhass, einem Übel dem 6 Millionen Juden allein in Europa während der Nazizeit zum Opfer gefallen sind. Natürlich stellt sich deshalb die Frage, warum gehen diese Bürger, die von sich behaupten, zur Mitte der Gesellschaft zu gehören, zu diesen Demonstrationen, von denen bisher nicht genau klar ist, wer dahinter steckt? 

Dass in Deutschland etwa 20-bis 25% der Bevölkerung latent rechtsradikal sind, ist durch viele Untersuchungen und Gutachten belegt worden. Meistens wird dieses öffentlich nicht wahrgenommen, da solche Personen in der Regel zu dem großen Heer der Nichtwähler gehören. Auch wird vermieden sich diesbezüglich zu erklären, da zumindest außerhalb des Freundeskreises man sich gerne verdeckt gibt. Weshalb also gerade jetzt und weshalb so offen? 

Einerseits sind es die kriegerischen Ereignisse im Nahen Osten, das Erstarken des IS mit seinen unmenschlichen Gräueltaten und seiner brutalen Präsenz in den digitalen Medien, aber ebenso das mediale Ausschlachten der jungen Salafisten, die von Deutschland aus in den syrischen Bürgerkrieg gezogen sind, die den Anlass geben, sich solchen fragwürdigen, populistischen Treffen anzuschließen. Des Weiteren ist es die permanente unterschwellige Angst, die Menschen, die nach Deutschland kommen, und wenn auch nur als Flüchtlinge, könnten den Wohlstand unseres Landes gefährden, die Arbeitsplätze wegnehmen und die sozialen Errungenschaften torpedieren. 

Ablehnung allem Fremden gegenüber spielt natürlich dabei auch eine große Rolle und es ist schon interessant, dass dort,  wo die wenigsten Menschen aus anderen Kulturen zu finden sind, diese Angst und Ablehnung am größten ist. Des Weiteren spielt eine Veränderung in der politischen Anschauung in vielen Ländern der EU eine Rolle, die Tendenz zu rechten, nationalistischen Parteien ist ganz offensichtlich. In Frankreich, in England, in Ungarn und einigen anderen EU-Ländern, auch in Deutschland haben rechtsgerichtete Parteien zurzeit Hochkonjunktur, man denke nur an die AfD hierzulande oder den "Front national" bei unseren Nachbarn in Frankreich. 

Der rechte Block im Europäischen Parlament war noch nie so stark, wie aktuell. Dies ist kein gutes Zeichen, weder für Europa noch für die Demokratie. Um noch einmal auf dieses obskure Bündnis von Pegida zurück zukommen, ist es notwendig sich den Anspruch vor Augen zu führen, der hinter diesem Sammelname steht. "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Hochtrabender kann sich ein Haufen nationalistischer, fremdenfeindlicher Populisten nicht mehr bezeichnen, von denen Innenminister de Maizière sagt, dass sie von dubioser Herkunft und polizeilich im äußerst rechten Milieu aktenbekannt sind. 

Dies hat alles nichts mit Patriotismus, Europa oder gar mit einer Islamisierung des Abendlandes zu tun, wobei sich zwangsläufig die Frage stellt: Was ist eigentlich das Abendland? Staatspolitisch ist dieser Begriff der reinste Humbug. Selbst umgangssprachlich ist das Wort Abendland nicht geläufig, zumindest nicht klar definiert. In der geschichtlichen Literatur hat der Begriff Anwendung gefunden, um damit die Abgrenzung zum Morgenland hervorzuheben. Gerade jetzt zu Weihnachten kennen wir die Geschichte von den Heiligen Drei Königen, die aus dem Morgenland kamen um dem Christuskind zu huldigen. Gemeint sind die Regionen des Vorderen Orients und Nordafrikas, weil dort aus römischer Sicht im Osten die Sonne aufgegangen ist, während sie im Westen unterging, dementsprechend es dort Abend wurde, also sich das Abendland befand. 

Politisch gibt dieser Begriff überhaupt nichts her, er macht sich aber besonders gut, um enormen Eindruck zu schinden, ähnlich wie die Floskel vom Untergang des Abendlandes, worauf auch bewusst gezielt wird. Genauso verhält es sich mit dem Wort "Patriotische Europäer". 

Selbstverständlich gibt es Bürger in allen europäischen Staaten, die sich als überzeugte Befürworter der europäischen Einheit engagieren, der Schreiber dieser Zeilen zählt selbst dazu. Derartige Bekenntnisse sucht man aber bei den rechten Parteien in ganz Europa vergebens, ganz im Gegenteil, sie versuchen im Europäischen Parlament in Straßburg alles, um einen weiteren Zusammenschluss zu verhindern. Bei den Parteiversammlungen im eigenen Land wird unisono erklärt, dass ein gemeinsames Europa ja nur den Verlust der Existenz des eigenen Landes und der eigenen Kultur bedeuten würde, was mit aller Macht unterbunden werden muss. So viel zu patriotischen Europäern aus den ultra-rechten Lagern. 

Über die Islamisierung von Europa wurde bereits gesprochen. Dies ist nicht nur ein rechtsradikales Hirngespinst, sondern muss auch als Hetze gegen Andersgläubige, hier gegen den Islam gesehen werden, in der Hoffnung Menschen zu mobilisieren, die weder mit einem veränderten Weltbild, der Globalisierung noch mit einer wirtschaftlichen Veränderung klar kommen. Sie sehen tatsächlich den Untergang des Abendlandes, auch eine Floskel aus dem Nazivokabular, als man die "Rote" und die "Gelbe" Gefahr herauf beschwor. Gemeint aber ist der Verlust von wirtschaftlichem Wohlstand und sozialen Privilegien. 

Hier sollte man doch besser gegen die globalen Großkonzerne auf die Straße gehen, damit diese ihre Steuern in dem Land entrichten, in dem sie riesige Gewinne gemacht haben, um sie anschließend, leider legal in steuergünstige Oasen zu transferieren. Hier ist Protest tatsächlich angebracht. 

Peter J. König

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