Samstagskolumne Peter J. König 07.10.2017

Rechtsradikalismus darf man nie sich selbst überlassen, man muss ihm wehrhaft gegenüberstehen.

Die Bundestagswahl 2017 vom 24. September ist Vergangenheit, das Ergebnis Gegenwart und Zukunft für die nächsten vier Jahre. Noch steht in den Sternen, wie die nächste Regierung sich zusammensetzen wird, ja Jamaika ist möglich, aber noch lange nicht unter Dach und Fach. Doch schon bevor die erste konstituierende Sitzung des neuen Parlaments stattfindet, die Parteien haben sich wohl auf den 24. Oktober geeinigt, gibt es Ablehnung und Unstimmigkeiten mit der AfD, denn alle 5 anderen Parteien, also CDU, SPD, FDP, GRÜNE und Linke weigern sich, den von der "Alternative für Deutschland" vorgeschlagenen Kandidat Albrecht Glaser, einst 40 Jahre Mitglied der CDU und Kämmerer der Stadt Frankfurt und Gründungsmitglied der AfD, als Vize-Präsident des neuen Bundestags mit zu wählen. Grund ist Glasers Kommentar, dass der Islam nach seiner Ansicht keine Religionsfreiheit im Sinne unseres Grundgesetzes genieße, da der Islam keine Religion sei sondern eine Ideologie.

Einen solchen Gesinnungsgenossen wollen alle anderen Parteien als die AfD dann doch nicht auf dem Sessel des Bundestagspräsidenten sehen. Des Weiteren weigert sich die FDP unmittelbar neben der AfD auf der rechten Seite des Plenums Platz nehmen zu müssen, so wie es die Planung der Bundestagsverwaltung zunächst vorsieht. Eine erste Sitzung des "Vor-Ältestenrates" ist diesbezüglich deshalb ohne Ergebnis vertagt worden, ein neuer Anlauf soll am 13. Oktober gemacht werden. Damit sind wir schon mitten in der Aktualität des Geschehens und bevor überhaupt schon eine neue Regierung existiert, beginnt das Ringen mit und um die "Rechtsausleger". 

Die selbst haben auch schon mit dem Abschmelzungsprozess begonnen, denn nach Petry hat ein zweiter gewählter AfD-Abgeordneter erklärt, nicht der Fraktion angehören zu wollen, ein baldiger Parteiaustritt ist ziemlich wahrscheinlich. Damit wären es schon zwei, die partei- und fraktionslos im Parlament Platz nehmen würden, ob noch weitere aus den Reihen der AfD folgen werden, ist jetzt noch nicht abzusehen, ist aber ziemlich wahrscheinlich, wenn der Betrieb im Bundestag beginnt, und damit auch das große Gerangel um Posten, Disziplin und egomane Befindlichkeiten. Die Blaupause dazu stammt aus Baden-Württemberg, wo die AfD alsbald in zwei Lager gespalten war und man dort eine zweite Fraktion anstrebte. Im Bundestag ist dies nicht so einfach, denn immerhin müssen sich 36 Abgeordnete finden, um die notwendige Fraktionsstärke zu erfüllen. 

Das wird noch etwas dauern, zudem ist auch noch nicht klar, wer auf Grund bevorstehender Strafprozesse seine Immunität verlieren wird, um nach einer Verurteilung ganz auf den Sitz im Parlament verzichten zu müssen. Frauke Petry ist eine solche Kandidatin, denn die Staatsanwaltschaft Dresden untersucht zur Stunde, ob sie die ehemalige Vorsitzende der AfD wegen Meineides anklagen wird. Dies und andere Vorgänge rund um die Rechtsextremen wirft doch die Frage auf: Wie nun zukünftig umgehen mit der AfD, sowohl im Bundestag, in den Medien und ganz allgemein auf der politischen Bühne? 

Da sie nun einmal ins Parlament eingezogen sind, hat es keinen Zweck mehr sie einfach zu ignorieren, zu groß sind die Wirkung und der Schaden den sie bei der Bevölkerung hinterlassen hat. Wirkung insofern, dass die Menschen speziell in Ostdeutschland durch rechtsradikale und nationalistische Parolen sich in ihren Ängsten bestätigt fühlen, deren Ursachen nur marginal durch Flüchtlinge und Asylanten zustande gekommen sind. Ängste, die aber massiv durch die AfD bezüglich der vermeintlich mangelnden Sicherheit hervorgerufen wurden, da die Kriminalität durch Ausländer, speziell vom Balkan, dem Nahen Osten und dem Irak und Afghanistan geradezu unerträgliche Zustände produziert hätten, bei denen sich keine Frau mehr auf die Straße trauen könne und Kinder sowieso nicht. Diebstahl, Körperverletzung, ja Totschlag sei in einem Maße alltäglich, wie es zu DDR-Zeiten überhaupt nicht vorgekommen ist, nun aber die traurige Realität durch verfehlte Politik sei, so die AfD. 

Die Menschen in den neuen Bundesländern, aber nicht nur hier, sondern auch verstärkt in Bayern und Baden-Württemberg, dort immerhin bis zu 16%, in Sachsen bis zu 27% haben sich in diesen Gräuelmärchen verfangen, die offizielle Kriminalstatistik kennt da andere Zahlen, Zahlen die eindeutig belegen, dass es zwar bei Asylanten und Flüchtlingen eine leicht höhere Kriminalitätsrate als bei der heimischen Bevölkerung gibt, aber mit gefährlichem Chaos hat dies wirklich nichts zu tun, so wie die AfD versucht, es den verunsicherten Bürgern zu verkaufen. 

Hinzu kommt eine weitere Verunsicherung, indem der Bevölkerung suggeriert wird, dass die staatstragenden Eliten auf ganzer Linie versagt haben, sich ausschließlich nur noch um sich selbst kümmern, angefangen von der Bundeskanzlerin Angela Merkel, über die Abgeordneten in den Parlamenten in den Ländern bis runter in die Kommunen. Hier wird, so die AfD-Propaganda, alles Geld an Flüchtlinge und Asylanten verprasst und den einfachen Deutschen geht dies dann überall ab. Dies ist einfach die Unwahrheit, denn nirgendwo hat es durch die Flüchtlinge Kürzungen im Sozial-Bereich gegeben. So ist nicht zu verstehen, dass gerade auch in den reichsten südlichen Bundesländern der Stimmenanteil der AfD so hoch ausgefallen ist. 

Im ehemaligen Ostdeutschland kommt hinzu, dass man aus alten DDR-Zeiten gewohnt ist, die Führungskader machen zu lassen, ohne großartig aufzumucken. Jetzt in der Demokratie lässt sich ordentlich austeilen, wenn einem die Richtung nicht passt und wenn gar jemand daherkommt, der radikal Besserung verspricht. Da wird nicht hinterfragt, ob dies alles der Wahrheit entspricht, ob die vorgeschlagenen Lösungen überhaupt umsetzbar sind, da wird offen oder verdeckt mit dem Wahlzettel die "Alternative" präferiert, obwohl man doch schon längere Zeit nicht mehr wählen gegangen ist. 

In den neuen Bundesländern scheint dies ja irgendwie noch nachvollziehbar zu sein, obwohl es nicht gerechtfertigt ist, denn auch hier ist ein gewisser Wohlstand eingezogen, der nicht nur durch über 2 Billionen Euro an Transferleistungen sich entwickelt hat, sondern auch maßgeblich mit viel Eigeninitiative der Ostdeutschen zustande gekommen ist, so sie es denn wirklich wollten. Erstaunlich ist dabei, dass selbst gutbetuchte Handwerker und Selbstständige die AfD gewählt haben, obwohl es ihnen tatsächlich alles andere als schlecht geht. 

Angst vor Überfremdung kann es auch nicht sein, denn es gibt Regionen im ehemaligen Osten, da wurde noch nie ein Flüchtling gesehen und doch ist man den Rechtsradikalen hinterher gerannt. Asylanten im Fernsehen können doch nicht der Grund sein, um die AfD zu wählen, weil die von Islamisierung, Überfremdung und Ausplünderung durch Flüchtlinge reden. Da steckt wohl doch noch viel Propaganda-Gläubigkeit dahinter und mangelndes Interesse sich selbst ein objektives Bild zu machen. 

27 Jahre Deutsche Einheit sind vielleicht doch noch zu kurz für eine gewisse, meist ältere Gruppe, um selbstverantwortlich zu denken und zu handeln. Aber das wird, die jungen Menschen wurden anders sozialisiert, sie haben überwiegend gelernt jeglicher politischer Propaganda weitaus skeptischer gegenüber zu stehen. Bleibt doch die Frage, warum speziell in Bayern die AfD so überdurchschnittlich erfolgreich war? 

Bayern ist das Bundesland mit der besten Schulausbildung, der größten Sicherheit, mit dem höchsten Prokopf-Einkommen, der besten Infrastruktur, der niedrigsten Arbeitslosen-Quote, den qualifiziertesten Arbeitsplätzen, und trotzdem so viele Stimmen für die AfD. Und dabei kann man ja wirklich nicht sagen, dass das Bundesland ein Eldorado für die SPD und die Linke ist, die jetzt einen Denkzettel verpasst bekommen haben. Nein, es ist die CSU, die mit 37% gerupft wurde, wo man in der Regel immer über 50% Stimmenanteil gewohnt ist. Hier ist die Analyse sehr schwer, da bei den bestehenden Konditionen in Bayern der Rechtsrutsch über die CSU hinaus kaum erklärbar ist. Natürlich hat auch dieses mit der einen Million Flüchtlinge zu tun, die besonders über Bayern und München ins Land gekommen sind. Es hat etwas zu tun mit der mangelnden Kontrolle dieser Menschen und der Gefahr, dass auch Terroristen mit eingeschleust worden sind. Bestimmt hat es aber auch etwas zu tun mit dem Gerangel zwischen Seehofer und Merkel über die Obergrenze, ein sinnloser Streit der speziell nicht nur die einfachen Menschen verunsichert hat, sondern auch so manchen bayrischen Hardliner, der früher die CSU wählte, nun es aber in die Arme der AfD trieb, weil er glaubt, dass Seehofer sich in dieser Frage gegen Merkel nicht durchsetzen kann. 

Da spielt die soziale Frage überhaupt keine Rolle, da ist „Law and Order" und "mir san mir" angesagt, nach dem Motto: "Dem Seehofer werden wir es schon zeigen, der braucht jetzt mehr rechten Wind um die Nase". 

Und das hat Wirkung gezeigt, zumal im nächsten Jahr Landtagswahlen in Bayern sind und "da muss die offene rechte Flanke geschlossen werden", so Seehofer unmittelbar nach der Bundestagswahl im Original. Stellt sich doch die Frage, wie wird der bayerische Ministerpräsident, wenn er dann noch ein solcher sein sollte, mit der Herausforderung der AfD im Wahlkampf umgehen, rechts überholen geht ja wohl nicht. Da müssen andere Strategien her, als sich anbiedern oder mit der AfD auf rechter Augenhöhe zu konkurrieren.   

Dies gilt ebenso für die zukünftige Auseinandersetzung im Bundestag, ja überall in unserem Land. Zu hören sind da die unterschiedlichsten Stimmen. Es gibt welche die meinen, man müsse die AfD sich selbst überlassen, dann seien sie sehr bald wieder von der Bildfläche verschwunden. Mit Verlaub, dies ist nicht nur blauäugig, sondern auch gefährlich. Rechtsradikalismus darf man nie sich selbst überlassen, man muss ihm wehrhaft gegenüberstehen. 

Da hilft weder Dämonisierung noch Anbiederung, weder Beschimpfung und Beleidigung noch Isolierung. Das Ergebnis wäre eine gewisse Märtyrerrolle in bestimmten Kreisen, mit der Folge, dass die Partei weiter an Zulauf gewinnt. Dies ist ein absolutes "no go". Der richtige Weg ist, sich mit den Vertretern der AfD und ihren Thesen intellektuell auseinander zu setzen, dort wo dies zivilisiert möglich ist, durchaus dann mit dem nötigen Respekt, denn es hilft nicht die Protagonisten nur zu verunglimpfen, die Klinge muss in der Sache gekreuzt werden. 

Und hier gibt es eine Fülle von Ansätzen, denn die Argumente der Rechten sind dünn, durchsichtig und widerlegbar. Der beste Rahmen dazu ist der Bundestag. Hier kann weder gepöbelt, noch können Naziparolen als Gegenreden benutzt werden. Hier muss das stichhaltige Argument den Unterschied aufzeigen, zwischen durchsichtigem Rechtsradikalismus und demokratischer Festigkeit. 

Gelassenheit und Klugheit sind die Waffen, mit denen im Bundestag die AfD zu entzaubern und zu entlarven ist. Und wenn die neue Regierung den Beinamen Jamaika trägt und sich noch an die aufgedeckten Defizite erinnert, die im Wahlkampf immer mehr offen wurden und sich dieser annimmt, dann sollte es doch gelingen die Rechtsradikalen zurück zu drängen und die verunsicherten Wähler für das demokratische Gedankengut zurück zu gewinnen. Dann würden die ewig gestrigen Nationalisten wieder in ihren Löchern verschwinden, aber ganz ausmerzen lässt sich eine solche Nazi-Ideologie sowieso nicht. Aber man kann sie im Zaum halten und genau beobachten, jederzeit gewiss, dass neues Unheil und Leid sich entwickeln, wenn wir nicht ständig auf der Hut sind und die Geschichte aus unseren Köpfen ausblenden

Peter J. König

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