Samstagskolumne Peter J. König 14.10.2017

Wird Deutschland zukünftig nur noch eine Bildungswüste sein?

Es muss etwas passieren in Deutschland und die Gelegenheit ist günstig. Wenn die neueste Bildungsstudie Aufklärung darüber gibt, dass das Wissen von Viertklässlern in Rechtschreibung, Zuhören, welches Fach soll das eigentlich sein, und Rechnen noch einmal um fast 10% schlechter ausgefallen ist, als bei der letzten Erhebung 2011, dann ist dies geradezu ein Armutszeugnis für den Bildungsstaat Deutschland und eine mehr als bedrohliche Entwicklung. Die Bundesrepublik Deutschland und ihr Wohlstand beruht faktisch auf einer dominanten Ressource und das ist das sogenannte "Human Capital".

Es sind nicht die Bodenschätze und sonstige natürliche Voraussetzungen, die maßgeblich das Land zu einer der führenden Nationen in der Welt gemacht haben, es sind die Menschen und ihr hoher Bildungsstand, zumindest in der Vergangenheit und bis jetzt auch noch in der Gegenwart. Ob dies auch noch in der Zukunft so sein wird, da können durch die Studien, die ein ständig fallendes Bildungsniveau dokumentieren doch Zweifel kommen. Bildung und Wissen sind die nötigen Voraussetzungen, damit gut ausgebildete Menschen in allen Sparten unsere Wirtschaft, die Innovation, Entwicklung, Gestaltung und Präzision erbringen können. 

Deutschlands Kompetenz im Ingenieurwesen, in der Medizin, in der Biologie und Chemie hat die gute Grundausbildung in den Schulen als Voraussetzung, die an den Universitäten dann speziell fachlich perfektioniert wird. Gut ausgebildete Fachkräfte auf allen Ebenen haben für die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft gesorgt, die es dann verstanden hat, mit innovativen Produkten sich am Weltmarkt zu behaupten. Dabei spielte gerade der technische Vorsprung eine ganz bedeutende Rolle. Dieser beruhte aber zweifellos auf der fundierten Ausbildung, die die Menschen hierzulande schon von der Grundschule an erhalten hatten. 

Dies scheint mittlerweile nicht mehr der Fall zu sein, wenn man die Studien der letzten zwanzig Jahre verfolgt. Der Wissensstand der Schüler, ob an der Grundschule, der Mittelschule oder an den Oberschulen hat sich zu anderen Ländern derart verschlechtert, dass im Vergleich noch nicht einmal mehr ein mittelmäßiges Niveau vorhanden ist. Das Volk der Dichter und Denker war einmal, das Land der großen Erfinder und der Nobelpreisträger ebenso. Unser technischer Vorsprung im Maschinen- und Automobilbau steht auf der Kippe, da gibt es ganz andere Länder die dabei sind, uns den Rang abzulaufen. So etwa China und Indien, die ehemals großen Schwellenländer, aber auch das kleine Israel, sie alle sind dabei, in Sparten, die einst von deutschen Firmen beherrscht worden sind, uns zu überholen. 

Die USA sind zwar noch auf vielen technischen und anderen wissenschaftlichen Gebieten führend, doch deren Erfolge beruhen oftmals auf Wissenstransfer, der zustande kommt, wenn führende Wissenschaftler den Weg in die USA wählen, weil sie dort neben besseren Forschungsbedingungen auch weitaus besser dotiert werden. Ihre Erkenntnisse werden dann in den Staaten in die Produktion umgesetzt, wo diese Erzeugnisse als amerikanische Produkte auf den Weltmarkt gelangen. Nebenbei erhalten diese Wissenschaftler, die überwiegend die amerikanische Staatsangehörigkeit angenommen haben, für ihre innovativen Leistungen Nobelpreise, sodass sich die Liste der Preisträger von Stockholm eher wie das Professorenverzeichnis an einer amerikanischen Universität liest, nicht aber wie die Auszeichnung der "weltbesten" Köpfe.

Aber zurück nach Deutschland in die Niederungen des bundesdeutschen Bildungssystems. Hier stellt sich doch die Frage nach den Ursachen eines solchen Niedergangs. Zum einen hat dies sicher etwas mit unserem föderalen Bildungssystem zu tun, wo in allen Bundesländern jeder für sich dahin wurschtelt, mit dem Ergebnis, dass es eklatante Unterschiede in den Ergebnissen der Ausbildungen gibt. Dies reicht soweit, dass bei einem Umzug einer Familie von Bremen nach Bayern etwa die Kinder einen differierenden Leistungsunterschied besitzen, der zwei Schulklassen ausmacht. Des Weiteren spielt natürlich auch das Leistungsniveau eine Rolle, dass in allen Bundesländern gemeinsam in den letzten Jahrzehnten nach und nach abgesenkt worden ist. 

Haben zu der Zeit, als der Schreiber dieser Zeilen vor etwa einem halben Jahrhundert Abitur machte, gerade einmal 4% eines Jahrganges diesen Bildungsstand erreicht, so sind es heute mehr als 50%, die die Hochschulreife erlangen, zum Leidwesen aller Universitäten. Grund ist das Bildungsniveau, das natürlich gesenkt wurde, um eine solche Quote um 50% möglich zu machen. Hier hat die Politik die Finger im Spiel, denn man wollte bei den Abiturientenzahlen ähnliche Ergebnisse erreichen, wie die USA und andere europäische Staaten. Die Folge war ein Abrutschen des gesamten Niveaus. Im Hintergrund haben natürlich auch soziologische Fragen eine Rolle gespielt, glaubte man doch aus den bildungsentfernteren Schichten die Intelligenz und die Aufstiegsmöglichkeiten besser zu aktivieren. 

Im Grundsatz ist diese Überlegung richtig und gerecht, denn nach dem Grundgesetz soll jeder die gleichen Aufstiegschancen in unserem Land haben. In der Praxis ist aber der Weg, den man dorthin eingeschlagen hat, mit der Verringerung der Anforderungen zum Abitur ein kontraproduktiver. Gleichheit ja, aber auf gleich hohem Niveau wie in früheren Jahrzehnten und nicht gleich niedrig. Warum hat man nicht den Intelligenten aus weniger begüterten Familien durch Stipendien die Ausbildung an höheren Schulen ermöglicht, so wie dies auf vielen erstklassigen Internaten schon immer der Fall ist?

Seit Jahren wird das Schulwesen in Deutschland vernachlässigt. Zu wenig Lehrer in Schulen, die in katastrophalen Zuständen sind, die dann eine Vielzahl von überforderten Schülern ein reduziertes Wissensangebot offerieren, wobei diese noch entscheiden, ob sie heute Lust haben zur Schule zu gehen und wenn ja, um dort „Rambazamba“ zu machen, um dem Lehrpersonal ordentlich einzuheizen. Für die Oberschulen hat man sich dann noch die achtjährige Variante ausgedacht, mit dem Ergebnis, dass ein absolutes Bildungschaos entstanden ist. Mittlerweile wird in allen Bundesländern die Uhr zurückgedreht und der neunjährige Aufenthalt an den Gymnasien bis zum Abitur wieder eingeführt.

Die Zustände in den Grundschulen, und das belegen ja die Studien, sind mehr als besorgniserregend. Kinder von eingebürgerten Mitmenschen kommen ohne Deutschkenntnisse zur Einschulung. Oftmals ist nicht Wissensstoff das Lernziel, sondern Integration und das Miteinander der unterschiedlichen Ethnien zu erlernen. Wie soll da eine vernünftige Ausbildung in Rechnen, Schreiben und Lesen ermöglicht werden? Das Gefälle innerhalb der Klassen ist extrem und die Lernwilligkeit auch der befähigten Schüler lässt rapide nach. Nicht umsonst wachsen in Deutschland die Privatschulen wie Pilze aus der Erde, denn die Nachfrage nach geordneten, gehobenen Schulausbildungen, die an solchen Schulen sehr elitär angeboten werden, ist groß. Allerdings müssen die nötigen Finanzen bei den Eltern vorhanden sein, denn die Bildung in solchen Institutionen kostet richtig Geld. Und schon hat die Ungleichheit wieder Einzug gehalten.

Kinder aus vermögenden Familien haben eine ungleich bessere Aufstiegschance, als Kinder eher armer Familien. Grund ist allein das Versagen einer vernünftigen Schulpolitik, hier wird gespart und dies zu Lasten der Zukunft. Elite-Internate und Elite-Universitäten hat es schon immer gegeben, die den Kindern der Privilegierten optimale Startchancen in das Berufsleben bieten, wenn sie diese dann auch nutzen. Davon aber kann weder unser Staat, unsere Wirtschaft noch unsere Gesellschaft sich erfolgreich entwickeln. 

Wir brauchen wieder top-ausgebildete junge Menschen, breitgefächert auf allen Stufen, wenn dies auch gerade zurzeit durch die vielen Flüchtlinge nicht ganz einfach ist. Jedoch bieten diese auch Chancen, denn die jungen Menschen aus den vielen Ländern, die zu uns gekommen sind, sind bestimmt nicht dümmer als die Jungs und Mädchen hierzulande. Vielleicht ungebildeter, aber dies lässt sich mit einer fähigen Ausbildungspolitik ändern. Vergessen wir nicht, dass auch diese jungen Menschen zum erweiterten "Human Capital" gehören und bei der immer geringeren Geburtenrate in unserem Land ist ein Anstieg bei den Zahlen junger Menschen mehr als vonnöten, damit auch morgen noch genügend Fachkräfte für die Wirtschaft und Gesellschaft zur Verfügung stehen.

Voraussetzung allerdings ist ein starkes Bildungssystem, das in der Lage ist, auf breiter Ebene alle vernünftig auszubilden, auch wenn sie eine völlig andere Sozialisation bisher genossen haben.

Aber das kostet Geld, viel Geld und vielen guten Willen seitens der Politik und noch mehr seitens der hier lebenden Bevölkerung. Schon einmal hat Deutschland die Integration von Menschen, die in unser Land kamen, ob gerufen oder nicht, vergeigt. Ein zweites Mal wäre eine nicht wieder gut zu machende Katastrophe, die alles bisher Versäumte übersteigt. Nicht nur, dass weitere Parallel-Gesellschaften entstehen, die tragende Mehrheit würde wirtschaftlich massiv einknicken, denn unsere weltweiten Führungspositionen in allen Bereichen wären futsch, bedingt durch die mangelnden und schlechten Ausbildungen. Dies wäre ein Szenario das wir alle nicht haben wollen.

Abhilfe muss die nächste Regierung schaffen, wer diese auch stellen mag. Ein radikales Umdenken muss einsetzen, und das in vielen Bereichen. Schule, Bildung und Ausbildung muss auf der Zukunftsagenda wieder ganz oben stehen. Es ist doch ein Wahnsinn zu glauben, man könne zum Preis eines Kleinwagens eine Luxuslimousine erstehen. Top-ausgebildete junge Menschen sind der Luxus der unsere Gesellschaft sich einfach leisten muss. 

Und diese sind nicht mit kleinem Geld zu haben, hier muss sehr viel investiert werden, sonst verlieren wir den Anschluss. Endlich muss Schluss sein mit den Experimenten im Ausbildungsbereich, Schluss sein mit dem Einsparen und Knausern hinsichtlich bildungsmäßiger Zukunft, wozu natürlich auch die geeigneten Räumlichkeiten und Mittel zählen. 

Lassen Sie mich mit einer alten Bauernweisheit schließen, die besagt: "Damit eine Kuh genügend gute Milch gibt, muss man sie anständig füttern", soll heißen, damit unsere Zukunft in allen Bereichen auf dem jetzigen Niveau gut gesichert wird, müssen die Bildungssysteme Deutschlands bestens bestückt werden. Dann brauchen wir keine Angst vor der Globalisierung zu haben, die Digitalisierung beherrschen wir alle dann sowieso und das Armutsrisiko wird ebenfalls erheblich minimiert. Also stehen wir auf und sagen unseren Politikern, sie sollen sich endlich um ein gesichertes, zukunftsorientiertes Bildungswesen kümmern. Der Erfolg ist dann "Schwarz auf Weiß", pardon digital, in den entsprechenden Studien zu lesen.

Peter J. König

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