Samstagskolumne Peter J. König 25.11.2017

Die Zukunft wird zeigen, welchen Bärendienst Lindner der FDP und Deutschland erwiesen hat.

Knapp eine Woche nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche von CDU, CSU, FDP und Grüne ist zwar das Procedere jedem in Deutschland bewusst, bekanntlich hat sich ja Lindner mit seiner FDP bevor es ernst wurde und Farbe bekannt werden sollte "vom Acker gemacht". Die wahren Gründe liegen trotz vielfacher Erklärungen der Neo-Liberalen jedoch total im Dunkeln. 

Grundsätzlich muss gesagt werden, dass die Verhandlungen, die ja zunächst der Sondierung dienen sollten, von politischen Beobachtern mehr als konfus wahrgenommen wurden. Neben der fast fünfwöchigen Dauer war es die mediale Begleitmusik, die für Verwirrungen und Spekulationen sorgte. Man hat den Eindruck gewonnen, dass es sich um zwei parallel verlaufende Verhandlungsmuster gehandelt hat, einmal hinter verschlossenen Türen in der Parlamentarischen Gesellschaft mit den scheinbar konsensualen Bildern auf dem Balkon, daneben die verbalen Attacken in der Presse oder auch bei einzelnen Interviews im Fernsehen. 

Hier haben sich die verhandelnden Politiker nichts geschenkt, hier wurde ausgeteilt ohne Rücksicht auf die nächste Verhandlungsrunde. Ein konstruktiver Wille eine Koalition zustande zu bringen sieht wahrlich anders aus. Neben allen taktischen Spielchen, die bei solchen Gesprächen üblich sind, jede Partei möchte ja ihren Wählern zeigen, dass sie durchsetzungsfähig und möglichst viel von ihnen im Koalitionspapier wiederzufinden ist, scheint aber dieses Mal besonders viel Störfeuer verbreitet zu sein, allein schon um zu zeigen, dass man mit diesem oder jenem Politiker der anderen Parteien außer einer Zigarette auf dem Balkon nichts gemeinsam hat. 

Und doch wurde bei den Fernsehauftritten der vier Generalsekretäre nach jeder Runde der Eindruck vermittelt, man nähere sich Schritt für Schritt Jamaika an, wenn auch mit gelegentlichem Bauchgrummeln. Und nur noch einmal zur Erinnerung, wir hatten es hier nicht mit abschließenden Koalitionsverhandlungen zu tun, es ging zunächst darum, festzustellen, ob die Vier überhaupt miteinander können, oder ob die jeweiligen politischen Vorstellungen so weit voneinander entfernt sind, dass eine gemeinsame Regierung ausgeschlossen ist. 

Warum hat man nicht zunächst einmal versucht zu ergründen, ob neben allen politischen Unterschieden die verantwortlichen Akteure überhaupt miteinander kompatibel sind und eine gemeinsame Vertrauensbasis aufbauen können, ohne die ein solches Bündnis weder zustande kommen kann, noch eine Zukunft hat? Dazu wären wirklich keine 5 Wochen notwendig gewesen und den detaillierten Verhandlungsmarathon hätte man sich sparen können. 

So hat man verhandelt und verhandelt, ohne dass ein tragendes Fundament vorhanden war, auf dem man anschließend erfolgreiche Koalitionsverhandlungen hätte aufgebaut. Außenstehenden wurde der Eindruck vermittelt, dass trotz zahlreicher Klammern in den Verhandlungspapieren, diese sollten die strittigen Punkte markieren, die Sondierung langsam aber stetig zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden würde. Und da, wo die Unterhändler der einzelnen Parteien keinen Kompromiss hinbekommen haben, schien dann jeweils die Runde der Verhandlungsführer für einen Fortgang der Gespräche zu sorgen. So jedenfalls der öffentliche Eindruck, trotz aller verbalen Attacken in den Medien. 

Der Paukenschlag kam dann am letzten Sonntagabend, als Lindner völlig überraschend mit seiner Delegation vor die Mikrofone an der Baden-Württembergischen Landesvertretung, dem aktuellen Verhandlungsort, hintrat und der versammelten Journalistenschar erklärte, die Sondierungsgespräche seien ihrerseits erfolglos beendet, sprach´s, indem er ein vorbereitetes Papier vorlas und dann mit Kubicki in eine vorgefahrene Limousine einstieg, während seine Delegationsmitglieder frierend auf einzelne Taxis warteten. 

Die gesamte Presse hat zu diesem Zeitpunkt auf die Nachricht spekuliert, die die meisten deutschen Wähler präferiert haben, nämlich das Zustandekommen einer wegweisenden Koalition von CDU, CSU, FDP und Grünen. Aber Lindner hat nach verschiedenen Aussagen anderer Koalitionswilligen im letzten Moment, wo eine Einigung unmittelbar vorzustehen schien, die Sache platzen lassen. 

Ratlosigkeit und Verärgerung waren das Ergebnis bei den restlichen Beteiligten, zumal sie alle erkennbar einen Erfolg der Sondierung mit anschließenden Koalitionsgesprächen haben wollten. Allen ist klar, auch der FDP, dass sich die Regierungsbildung fast unmöglich gestaltet, wenn sowohl die SPD, als auch die Liberalen sich einem Bündnis verweigern. Schulz hatte ja schon am Abend des 24.Septembers unmittelbar nach der Wahl mit dem schlechtesten Ergebnis jemals für seine Partei kategorisch ein erneutes Bündnis mit der CDU abgelehnt. So ist es zu dem Versuch von Jamaika gekommen, zumal auch die beteiligten vier Parteien grundsätzlich sich eine solche Regierung vorstellen konnten. Dass die Verhandlungen nicht leicht werden würden, war allen klar. Klar war auch allen, dass mit dem Einzug der AfD ins Parlament andere Zeiten angebrochen waren, in denen es gilt den Rechtsradikalen entschlossen entgegen zu treten.

Dies ist in erster Linie nur mit einer stabilen Regierung möglich, wo aufrechte Demokraten sich der nationalistischen Gefahr entgegenstellen. Und nun dieses: "Lindner macht die Biege", und keiner weiß so recht weshalb überhaupt. Zwar haben er und Kubicki bis heute sehr wortreich erklärt, warum sie ein solches abruptes Ende der Sondierung beschlossen haben, geglaubt hat dies so recht eigentlich niemand. . Da war von mangelndem Vertrauen die Rede, von nicht erkennbaren FDP-Politikfeldern und fehlendem Respekt ihm und seinen Mitstreitern gegenüber. Natürlich konnte Lindner nicht davon ausgehen, dass seine Positionen zu 100% von den anderen Koalitionären akzeptiert werden würden. Dies wäre geradezu blauäugig und vermittelt doch eher den Eindruck, dass es dem FDP-Vorsitzenden an Realismus fehlt. 

Viel schlimmer wäre es allerdings, wenn er in Anbetracht der neuen Lage im Bundestag allen möglichen taktischen Spielchen dem Verantwortungsbewusstsein den Vorrang gegeben hätte und ihm nicht klar gewesen ist, worum es bei den Verhandlungen eigentlich ging, nämlich zuerst dem Land und seinen Menschen zu dienen, im Anbetracht der prekären Lage durch die Gefahr des Rechtsradikalismus und des weiter keimenden Nationalismus hierzulande. Da ist es nicht möglich, allein die Interessen der eigenen Klientel im Auge zu haben. Hier ist Staatsräson gefordert, zumal wenn man liberal sein will und die Augen vor der rechten Gefahr nicht verschließt. 

Was von der AfD zu erwarten ist, haben jüngst die beiden ersten Sitzungstage im Parlament gezeigt. Ihr Redner hat sich gebärdet wie einst die NSDAP im alten Reichstag, mit Einschüchterungsversuchen und verbalen Attacken gegenüber Rednern anderer Parteien, wobei zum Entsetzen aller die Parlamentsmitglieder der AfD sich feixend und grölend hinter ihren rechtsradikalen Schreier gestellt haben. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sah sich daraufhin gezwungen den Ältestenrat des Bundestags einzuberufen, um zukünftig solche antidemokratischen Vorkommnisse grundsätzlich unterbinden zu können. 

Lindner scheint von alldem unbeeindruckt zu sein, ihm geht es darum seine verkappten, neoliberalen Ideen umzusetzen. Schon bei der Wahl hat er sich nicht gescheut, die Themen wie Bildung und Digitalisierung auf seine politische Agenda zu setzen, damit er nicht wie bei der letzten Wahl 2013 allein mit seinen neoliberalen Wählern Schiffbruch erleidet an der 5% Hürde. 

Deshalb mussten die eher allgemein verdaulichen Themen her, mit denen man auch im Teich der CDU ordentlich fischen kann. Dann zusätzlich noch ein gehöriges Maß an Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik und schon hat man dank rechter CDU-Wähler, die sich nun bei der FDP besser aufgehoben fühlen, genügend Stimmen zusammen, um wie Phoenix aus der Asche mit 10,7% viertstärkste Kraft nach CDU, SPD und AfD zu sein. So etwas macht einen Herrn Lindner stark. Da außer Kubicki ohnehin sonst keiner in der Partei viel zu sagen hat, musste es so kommen wie es gekommen ist. 

Mögen Lindner und Kubicki auch unzufrieden mit dem Umsetzen ihres Parteiprogramms bei den Sondierungen gewesen sein, den Ausschlag zum Abbruch der Verhandlungen gab ganz banal, doch sehr bezeichnend das Interview, das Trittin letzten Sonntag in der Bild-Zeitung gegeben hatte. Wie immer hat er Lindner attackiert, nicht genügend ernst genommen und durchblicken lassen, was er von ihm hält. Schon morgens stürmte Lindner mit der Bild unter dem Arm in die Baden-Württembergische Landesvertretung, wortlos und sichtbar sauer an allen Journalisten vorbei, denen er doch zuvor doch immer gerne seine neuesten Erkenntnisse in Sachen Sondierung mitgeteilt hat. 

Hier scheint der Knackpunkt zu liegen, denn anstatt sich wie geplant an diesem Sonntag zu einigen, gab es Irritationen, Gewürge und zeitweise Ablehnung seitens Lindners bei den Verhandlungen und erst durch Zugehen der Kanzlerin auf den Schmollenden, indem sie ihn wieder an den Verhandlungstisch zurückbrachte, war es überhaupt möglich den Gesprächen noch eine Chance zu geben. Als Lindners Positionen dann auch noch zu gering gewürdigt wurden, immerhin ist man ihm in Sachen Soli schrittweise entgegen gekommen, da stand für den FDP-Vorsitzenden das Scheitern der Verhandlungen fest. Der Rest ist Geschichte, die Geschichte vom erfolglosen, holperhaften Bemühen eine Jamaika- Koalition zustande zu bringen. Doch was kommt jetzt? 

Eines jedenfalls scheint ganz bestimmt zu sein. Lindner hat der FDP und Deutschland einen gewaltigen Bärendienst geleistet, wenn dies einige Medien auch nicht so sehen und ihm Weitblick bescheinigt wird. Abgesehen davon, dass er das Parteiinteresse über das Interesse unseres Landes gestellt hat, ist doch auch klar erkenntlich, dass es ihm um seine persönliche Befindlichkeit gegangen ist, auch wenn darin die Angst vor Angela Merkel und ihre fürsorgliche Umarmung bis hin zur politischen Unkenntlichkeit eine Rolle gespielt hat. 

Der Wähler wird die "Fahnenflucht" nicht honorieren, ganz im Gegenteil. Die FDP kann froh sein, wenn es nicht zu Neuwahlen kommt, nicht nur weil dann die AfD mit über 20% im Bundestag sein wird, wo dann weit und breit kein FDP-Abgeordneter mehr zu sehen ist, die 5% Hürde lässt grüssen. Ob dies so eintritt, hängt jetzt ganz allein von der SPD ab. Eine Minderheitsregierung durch CDU und Grüne ist zwar ein schönes intellektuelles Gedankenspiel von einigen Professoren der Politologie, real aber nicht wirklich durchführbar. 

Wie soll sich eine Minderheitsregierung bei der Fülle von Entscheidungen, die aus dem Inland, aus Europa und der Welt auf sie zukommt, jeweils Mehrheiten im Parlament suchen? Dies ist schon praktisch ein Unding. So schwer es auch Martin Schulz fällt, seine SPD muss nochmals in der ungeliebten "Groko" ran. Unterm Strich ist dies aber für die Sozialdemokraten gar nicht so schlecht. Sie zeigen Verantwortung für das Land, Flexibilität und können aus dieser Position heraus Angela Merkel einiges abfordern, um linke Positionen diesmal viel deutlicher zu machen, als in der letzten Regierung. Und wie so etwas richtig zu kommunizieren ist, dürften sie mittlerweile auch gelernt haben. Warum nicht regenerieren in Regierungsverantwortung? Ist doch weitaus besser, als ständig in der Opposition frustriert zu werden, zumal Angela Merkel auch nicht mehr die stärkste ist und ebenfalls Federn hat lassen müssen und der Gegenwind ihr immer stärker ins Gesicht bläst. Hier liegt die Chance der altehrwürdigen SPD auch in Hinblick auf eine zukünftige Regierung, denn wer weiß schon was nach Angela Merkel kommt. 

Gleichzeitig könnte man geballt gegen die Rechten antreten und wäre nicht von einem Leichtmatrosen namens Christian Lindner abhängig. 

Also liebe SPD, springt über euren Schatten, es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass ihr für Deutschland politisch kämpft, um das abzuwehren, was immer nur Unheil bringt, überbordender Nationalismus gepaart mit Radikalität.

Noch ist Zeit dazu, und diese muss jetzt genutzt werden! 

 Peter J. König 

1 Kommentar:

  1. Wir werden sehen wie die nächsten Wahlen aussehen. Ist bestimmt nicht lange hin. Wir könnten eine lieberale Partei brauchen, aber nicht die Lindner-Partei

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