Samstagskolumne Peter J. König 27.01.2018

Die Zeichen stehen auf Umbruch, die digitale Revolution erfordert Antworten. 

Die Zeit der totalen Veränderung unserer Gesellschaften, unserer Arbeitswelt, unserer globalen Herausforderungen und weltweiten Konflikte ist weiter vorangeschritten, als wir das direkt wahrnehmen. Wahrnehmbar ist auch kaum das persönliche Schicksal von einigen Gruppen in der Gesellschaft, die durch die neoliberale Politik der letzten zwanzig Jahre an den Rand ihrer Existenzen gedrängt wurden, so dass sie nicht mehr in der Lage sind, durch eigene Arbeit sich und ihre Familien zu ernähren, anständig zu wohnen, ihnen eine menschenwürdige Versorgung im Alter nicht mehr möglich ist und ihre Kinder keine Bildung erhalten, die zukunftsorientiert, auch im digitalen Zeitalter ein sicheres Einkommen garantiert. 

Tatsächlich stehen wir an der Schwelle eines neuen Zeitalters, das allenfalls mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts zu vergleichen ist, der Beginn des Zeitalters der Maschine, entstanden in Großbritannien, als durch mechanische Webstühle die Produktion von Tuch enorm ausgeweitet wurde und dazu Arbeiter in den Fabriken notwendig waren, die diese Maschinen in Gang setzen. Früher haben diese Menschen in der Landwirtschaft gearbeitet, nun sind sie vom Land in die industriellen Ballungszentren von Mittelengland gezogen, um dort als Arbeiter in miserablen Verhältnissen ihr Brot zu verdienen. Dabei scheuten sich die Fabrikbesitzer nicht, Kinder quasi zu versklaven, da diese noch weniger für ihre Arbeit entlohnt wurden, als Erwachsene, die ja auch schon ein geringes Entgelt erhielten. 

Wenn diese unwürdigen Bedingungen auch heutzutage in der Form nicht mehr möglich sind, so ist doch die Veränderung vergleichbar, denen unsere Gesellschaften gegenüberstehen werden. Und dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern für die meisten Länder in Europa, denn die Digitalisierung ist grenzenlos und die dadurch folgende Globalisierung nicht mehr aufzuhalten. Es sind gerade die klassischen Industrieländer, die am meisten mit den Folgen zu kämpfen haben, denen es besonders schwer fällt, angemessen auf die digitale Revolution zu reagieren. 

Facebook und Twitter und die anderen sozialen Medien sind da keine geeignete, erfolgsversprechende Antwort, eher Spielerei und allenfalls eine Möglichkeit alles weitaus öffentlicher zu machen, als dies im analogen Zeitalter möglich war. Interessant ist dabei, dass Staaten, die eher entwicklungsmäßig in Europa abgehängt waren, durch die frühe Digitalisierung ihrer Wirtschaft, Gesellschaft und in der Verwaltung, eine Quantensprung absolviert haben, wie etwa Estland, wo ohne die weltweite Vernetzung überhaupt nichts mehr geht, wo aber durch eine große Zahl von Internet-Firmen der Handel global ausgerichtet wurde, europaweit sowieso, und wo das kleine baltische Land eine sprunghafte Wirtschaftsentwicklung genommen hat, die anders gar nicht möglich gewesen wäre. Die staatliche Verwaltung wird per Internet organisiert, schnell, effizient und wirtschaftsfördernd. Da können sich die anderen europäischen Staaten ein Beispiel nehmen, denn hier wird sichtbar, was in naher Zukunft auf sie zukommt. Wer dann mit vorne dabei ist, hat die besten Chancen das Land wirtschaftlich und sozial sicher in die Zukunft zu führen. 

Diese Länder brauchen die Globalisierung nicht zu fürchten, ganz im Gegenteil, die globale Wirtschaft steht ihnen offen. Wer das Weltwirtschafts-Forum in Davos aufmerksam verfolgt hat, spürt geradezu wie dringend notwendig es ist, mit der Entwicklung der weltweiten Digitalisierung Schritt zu halten. 

Sowohl Angela Merkel als auch Emmanuel Macron, aber auch viele weitere Staatslenker aus Europa und Übersee haben eindringlich auf diese weltweite Revolution hingewiesen, zumal diese Entwicklung durchaus auch große soziale Verwerfungen mit sich bringen kann, wenn nicht schnellstens darauf reagiert wird. Die Bundeskanzlerin in Wartestellung hat dann auch freimütig zugeben, dass es höchste Zeit wird, unsere Gesellschaft darauf einzustellen, angefangen durch eine effiziente, zukunftsorientierte Bildungspolitik, damit die jungen Menschen, ähnlich wie in Estland, im digitalen Zeitalter zurechtkommen, aber dass sich auch die Menschen ganz allgemein mit den neuen Techniken befassen und sie verstehen und beherrschen lernen. 

Hier hat die Politik in der Vergangenheit geschlafen, wie auch in einigen anderen Bereichen, etwa Wohnungsbau, adäquate Entlohnung in den sozialen Berufen und, und, und. Überhaupt wurde in unserem Land mit dem Wichtigsten was es besitzt besonders fahrlässig umgegangen. Und damit sind die jungen Menschen gemeint, denn in keinem Land Europas ist so wenig darauf geachtet worden, dass junge Familien Nachwuchs bekommen, ohne dass dies wie hierzulande keinen Nachteil und wirtschaftliche Einbußen hervorrufen, sondern dass der Staat dies großzügig honoriert und finanzielle Hilfen leistet. Kinder sind nun einmal der Garant für unseren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortbestand, zumal wenn sie gut ausgebildet und sich in der globalen Vernetzung versiert bewegen können. 

Und da darf keiner zurückgelassen werden, betonte Angela Merkel, denn nichts wäre schlimmer für unsere Gesellschaft, als eine Teilung in zwei Klassen, die einen, die mit der neuen Entwicklung zurechtkommen und die anderen, die sie nicht verstehen. 

Die Folge wäre eine Verarmung eines ganz großen Teils der Bevölkerung, sie kämen für einen sicheren Job nicht mehr in Frage. Das Ergebnis wäre verheerend, denn mit der Arbeitslosigkeit wächst der Unmut und wenn dann noch die notwendige soziale Unterstützung zu gering ausfällt, dann sind Aufruhr und Aufstände vorprogrammiert. Ein Blick in die Menschheits-Geschichte spricht da Bände, sei es im alten Rom, wo es immer wieder Aufstände und Verwüstungen in den Elendsviertel gab, weil die Menschen gehungert haben, sei es bei der Französischen Revolution, wo der nicht bezahlbare Brotpreis die Menschen nach Versailles an den Königshof zwecks massiven Protests getrieben hat und sie von Marie Antoinette, der französischen Königin mit den Worten beschieden wurden: "Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen". 

Aufstände dieser Art hat es in der Geschichte viele gegeben und die Ursachen waren hauptsächlich krasse Missstände wie Hunger und Elend innerhalb der Bevölkerungen. Dies weiß auch die Kanzlerin, und hat ihre zukünftige Politik ganz auf die digitalen Herausforderungen ausgerichtet, die zwangsläufig einhergehen mit einem gesellschaftlichen Wandel, dessen Richtung noch nicht klar erkennbar ist. 

Spät, aber notwendigerweise, versucht sie jetzt eine Bildungsoffensive, die alle Altersgruppen erfassen soll und die über unsere Zukunft bestimmt. Dabei sitzt ihr noch die AfD im Nacken, die mit ihrer Rechtsradikalität, ihrer Fremdenfeindlichkeit und ihrem Nationalismus alles andere als behilflich ist, um in einem europäischen Konsens die Globalisierung zu meistern, wozu Deutschland alleine in der Zukunft überhaupt nicht mehr in der Lage sein wird. 

Macron hat dies ebenso für sein Land Frankreich erkannt. Deshalb hat er in seiner sehr beachtenswerten Rede in Davos für ein zehnjähriges gemeinsames Entwicklungsprogramm in Europa geworben, das all diesen globalen Herausforderungen begegnen soll, wo die Europäer, gemeinsam mit Frankreich und Deutschland an der Spitze, je nach ihrer Leistungsfähigkeit, aber in striktem Konsens und gemeinsamer Ausrichtung, sich als Einheit dem weltweiten Wettbewerb stellen. Auch für Macron hat die digitale Ausbildung der jungen Menschen die höchste Priorität, um für die Zukunft gewappnet zu sein. 

Aber es gibt noch einen genauso wichtigen Punkt, der sich bei vielen Reden in Davos heraus kristallisiert hat und der nicht nur von den 70 Staatslenkern, die alle ihre Aufwartung beim Weltwirtschafts-Forum gemacht haben immer wieder in den Mittelpunkt gestellt wurde. Auch die Bosse der weltweit größten Firmen, ja selbst aus den USA, haben erkannt, dass es zu einer größeren Verteilungsgerechtigkeit der Gewinne kommen muss, was so viel heißt, dass nicht allein die Unternehmen „den ganzen Rahm abschöpfen“, sondern dass die Arbeitnehmer stärker an den Erlösen beteiligt werden müssen, soll es zukünftig nicht weltweit zu massiven Verwerfungen kommen. 

Gerade die internationalen US-Firmen wie Apple haben in der Vergangenheit durch geschickte Steuervermeidungstaktiken rund um den Globus riesige Vermögen gebunkert. Anstatt diese in den USA zu investieren, um dort neue Arbeitsplätze zu schaffen, wird das Geld weltweit platziert, um neue Milliarden zu akquirieren. Die Folge war eine massive Arbeitslosigkeit der weißen unteren Mittelschicht, die schließlich Trump zum Präsident gemacht hat. Seine kürzlich verordnete Steuersenkung, verbunden mit höheren Zöllen für ausländische Waren, besonders aus China, sollen der produzierenden Wirtschaft in den USA wieder Aufschwung geben und speziell dem unteren gebeutelten Mittelstand wieder neue Jobs verschaffen. 

So versucht er zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen würde er ein Wahlversprechen für seine Wähler einlösen und sie für eine zweite Amtszeit bei der Stange halten, zum anderen, und dies scheint der entscheidende Punkt zu sein, er lässt die Reichen, inklusive seiner eigenen Familie noch reicher werden, ohne dass das Volk aufbegehrt. Ob dies auf Dauer so funktionieren wird, da haben selbst die Experten doch sehr berechtigte Zweifel, zumal noch nicht klar ist, dass der Coup überhaupt gelingt. 

Die internationalen Manager jedenfalls plädieren in Davos für mehr Verteilungsgerechtigkeit. Sie sehen in der Konzentration des Geldes weltweit auf eine immer kleinere Gruppe von Milliardären eine echte Gefahr für die gesamte globale Wirtschaft. Dies ist ja auch logisch, denn wer soll das ganze produzierte Zeug des Konsums eigentlich kaufen, wenn die Masse immer weniger Geld hat und der Reichtum sich auf einige Wenige konzentriert. 

Die Folge wären Aufstände, Zusammenbruch der Wirtschaften, Verwüstungen und schließlich Anarchie und Kriege um Ressourcen und Lebensmittel. Dies kann auch dem geldgierigsten Kapitalisten nicht gefallen, denn was nützt ihm seine weltweit gebunkerte Kohle, wenn er mit seinem Privatjet mangels Sprit nirgendwo mehr zwischenlanden kann? 

Sie glauben, der Autor übertreibt hier maßlos? Informieren Sie sich bitte in der Geschichte, die römischen Imperatoren glaubten auch sie seien unantastbar, bis der Pöbel (populus) sie weggefegt hat. 

Der europäische Adel, erst in Frankreich, später in Russland, Deutschland und Österreich waren sich jahrhundertelang sicher, ihre Privilegien seien ewig. Und dann hat es nur kurze Zeit gedauert, sie zu liquidieren, oder wenn sie Glück hatten, konnten sie ins Exil fliehen. 

In Davos jedenfalls scheint dies die Mächtigen dieser Welt doch sehr beschäftigt zu haben. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft waren sich nahezu einig, dass speziell durch und mit der Globalisierung die soziale Frage mehr als akut ist. Dies sollte zu denken geben, denn eins ist doch klar, aus reiner Menschenfreundlichkeit wird dieses Thema nicht mit einer solchen Dringlichkeit auf die Agenda gesetzt, da muss schon mehr auf dem Spiel stehen. 

Peter J. König

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen