Samstagskolumne Peter J. König 17.02.2018

Keine Zeit mehr für Experimente, alle Kraft gegen rechts! 

Die politische Situation in Deutschland hat einen Zustand erreicht, der mehr als nur nachdenklich macht, man kommt nicht umhin, deutliche Befürchtungen öffentlich zu äußern. Seit nunmehr fast 5 Monaten versuchen die Politiker in Berlin eine stabile Regierung hin zu bekommen, bisher erfolglos und ob der letzte Versuch mit einer erneuten Großen Koalition gelingen wird, ist mehr als fraglich. 

Derweil nimmt die Zustimmung zur rechtsradikalen AfD in erschreckendem Maß zu, zumal diese sich allmählich zu einer Wiederauflage der NSDAP entwickelt. Dies wird ganz klar, wenn man sich die einzelnen Auftritte von führenden Partei-Größen bei den Kundgebungen zum Aschermittwoch anschaut. Besonders deutlich wird hier die Ähnlichkeit mit Reden des damaligen Gauleiters Goebbels zum Anfang der 1930iger Jahre, als er mit Hetzreden gegen die Demokratie der Weimarer Republik und gegen Juden unverhohlene Volksverhetzung betrieb, mit dem Ziel die Nationalsozialisten an die Macht zu bringen, um schlussendlich eine Diktatur zu installieren. 

Dass wir wieder dort angelangt sind, wie einst unmittelbar vor der Machtergreifung der Nazis, ist nicht nur ein schrilles Alarmsignal für jeden Demokraten, es zeigt auch, dass schwelender Nationalismus letztendlich nie aufgehört hat. Die wissenschaftliche Forschung hat immer wieder davor gewarnt, dass der Rechtsradikalismus in unserem Land etwa einen Prozentsatz von 20 bis 25% ausmacht, wobei dieser aber nicht öffentlich zutage getreten ist. 

Parteien wie die NPD oder die Republikaner, die das gleiche rechtsradikale Programm wie heute die AfD hatten, blieben allerdings in der alten Bundesrepublik immer nur Randerscheinungen, die es vielleicht einmal in ein Landesparlament geschafft haben, aber niemals in den Bundestag. Obwohl zu Anfang der Bundesrepublik Deutschland das Land noch immer mit brauner Ideologie verseucht war, speziell von Juristen, Beamten und Politikern, haben diese Alt-Nazis es verstanden, ihre Gesinnung hinter demokratischen Masken zu verbergen, um ihre Karrieren weiterzuführen, um auch in der Bundesrepublik zur Elite zu gehören. Sich öffentlich zu den neugegründeten rechtsradikalen Parteien zu bekennen, schien nicht opportun zu sein. Den öffentlichen Auftritt haben sie den "Proleten" überlassen, die von einstiger Stärke der SA-Schlägertrupps fasziniert waren. Rechtsradikalität war Privatsache, sie passte nicht in die öffentliche Landschaft des demokratisierten Deutschlands. Und doch werden die Älteren sich daran erinnern, welche rechtsradikalen Sprüche im Land die Runde gemacht haben. 

Mit dem Auftritt der AfD hat sich alles abrupt geändert, plötzlich ist es wieder en vogue rechts zu sein, nicht rechts-liberal, nicht rechts-konservativ, nein, rechtsradikal. Und dies muss Angst machen, man muss die Alarmzeichen erkennen und diese läuten bereits mehr als schrill. Jetzt trauen sie sich wieder in die Öffentlichkeit, die rechtsradikalen Mitläufer und die Gesinnungsgenossen, die schreiend und johlend die Säle der AfD-Kundgebungen füllen. Dies aber allein ist nicht der entscheidende Punkt und die Gefahr geht nicht nur von der "Neuen Bewegung" aus, wie sie jetzt von AfD-Führern wie Poggenburg und Höcke ausgerufen wird. 

Viel schlimmer ist die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der AfD-Fraktion im Bundestag aus Akademikern besteht, Juristen wie Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Richter, aber auch Dipl.-Ingenieure und Dipl.-Betriebswirte. Der Rechtsradikalismus ist damit in den Eliten unserer Gesellschaft wieder angekommen und zeigt deutliche Spuren in unserem Staatswesen, denn diese Juristen sind ja nicht auf einen Schlag rechtsradikal geworden, sie sind es bereits früher schon gewesen, bevor sich die AfD gebildet hat. 

Die AfD war ja zunächst eine Wirtschafts-Partei, gegen den Euro und gegen die europäische Vergemeinschaftung von Kapital und Schulden, bevor sie sich nach einer Häutung auf den Weg gemacht hat, eine rechtsradikale, nationalistische Gesinnungspartei zu werden. Im Zuge dieser Entwicklung wird auch das rechtspopulistische Führungspersonal wie Gauland, Weidel oder Meuthen in naher Zukunft von Nazis wie Poggenburg, Höcke und Gleichgesinnten ersetzt werden, dies scheint den Herrschaften nur noch nicht klar zu sein. 

Die Geister, die sie riefen, werden sie bald verschlingen. Dabei spielt der Rechtsradikalismus in den östlichen Bundesländern eine ganz entscheidende Rolle. Hier sind die Brutstätten und die Empfänglichkeit für den rechtsradikalen Nationalismus am größten. Zwar kann auch Niederbayern erschreckende Zahlen bei der Bundestagswahl vom 24. September 2017 vorweisen, auch bis zu 27 bis 28% in einzelnen Landkreisen, wobei in ganz Bayern etwa 12% für die Rechtsradikalen sich entschieden haben. In Sachsen-Anhalt sieht dies mit 24,3% bei der letzten Landtagswahl schon ganz anders aus. Und das ist beileibe noch nicht das Ende. 

Die jüngsten Umfragen sehen die AfD bei 15%, wenn am Sonntag Bundestagswahlen wären, nur noch 1% hinter der SPD. Wenn das kein Alarmzeichen ist! Auch radikalisiert sich die AfD zusehends, wie bei den Reden am Aschermittwoch zu hören und zu sehen war. Der Pöbel hat Aufwind, geschürt von seinen Einpeitschern, denen jede radikale Parole recht ist, ob gegen die Demokratie, Völkerverständigung durch ein vereintes Europa, kriegsbedingte Flüchtlinge, rassisch oder politische Verfolgte, ja sogar den seit mehreren Generationen hier lebenden und gut integrierten türkischen Mitbürgern wollen sie einen Tritt in den Hintern geben, um "Deutschland wieder den Deutschen zurückzugeben“. 

Welch ein Schwachsinn, welche Verkennung von Tatsachen und welche Hybris! So als könnte die Bundesrepublik allein auf Dauer in der Welt bestehen, sowohl wirtschaftlich als auch außenpolitisch. Haben diese rechtsradikalen Spinner nicht begriffen, dass wir nur gemeinsam in Europa noch eine ordentliche Rolle in der globalisierten Welt spielen können? 

Anstatt sich an ihrer rechtsradikalen, nationalistischen Großmannssucht zu berauschen, sollten sie einmal etwas aus der Geschichte lernen, aber da scheint das Erinnerungsvermögen und die Bereitschaft die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, doch nicht besonders ausgeprägt zu sein. "Deutschland, Deutschland über alles", welches Gift hat da doch das Hirn immer noch vernebelt. Kommen wir zur aktuellen politischen Situation zurück. Die Lage ist, wie eingangs erwähnt, alarmierend. Was passiert eigentlich, wenn die SPD-Mitglieder die Große Koalition ablehnen? 

Über kurz oder lang werden Neuwahlen unvermeidlich sein. Viele Sozialdemokraten, und besonders die jungen, scheinen sich dem Ernst der Lage nicht bewusst zu sein, wenn sie jetzt vor der Mitgliederbefragung durchs Land ziehen, um den Ihren weiszumachen, vor Neuwahlen braucht man keine Angst zu haben, die SPD als ehrwürdige Partei sei stark genug um bei der Aussicht auf Opposition wieder größere Zustimmung zu bekommen. Dies ist eine Verkennung der aktuellen Situation. 

Bei dem Chaos, das die SPD mit Martin Schulz heraufbeschworen hat, werden die Sozialdemokraten noch weiter beträchtlich Federn lassen, und bei 11 bis 12% kann man dann wirklich nicht mehr von einer mitentscheidenden Volkspartei sprechen. Aber auch die CDU wird noch weitere Verluste einfahren. Es gibt nur einen Gewinner zurzeit, und das ist die AfD. Dieses Menetekel leuchtet ganz deutlich am Horizont auf, und es ist nur zu verhindern wenn jetzt die Große Koalition kommt, und zwar schnell. Jede Verzögerung ist Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen, denn diese verkaufen den Mangel eine neue Regierung zu bilden, als das Scheitern der etablierten Alt-Parteien. Und diesem Scheitern wollen sie die "Neue Bewegung" entgegensetzen. Alles wie gehabt. 

Deshalb kann es keine Experimente mehr geben. Die Nazis stehen in den Startlöchern, sie warten nur auf die nächste Gelegenheit. Das Wahlergebnis vom letzten September ist Warnung und letzte Gelegenheit zugleich, Warnung vor dem rasanten Anwachsen der Wähler der AfD und Chance dieses doch noch zu verhindern durch eine richtige, gerechte Politik, die die Parolen der Nazis bei der Bevölkerung ins Leere laufen lassen. 

Es wird höchste Zeit, dass dem Rechtsradikalismus und dem Nationalismus hierzulande eine grundsätzlich andere Politik entgegen gesetzt wird. Das Schicksal bewahre uns vor einer weiteren Zunahme der AfD. 

Schon jetzt ist die Großspurigkeit und Unverschämtheit dieser "selbsternannten Retter Deutschlands" unverträglich, schon allein wegen der Dummheit und der Hetze ihrer Reden, von den Zielen ganz zu schweigen. Alarmierend ist auch der angestrebte Schulterschluss von AfD und Pegida, zeigt er doch deutlich wohin die Reise gehen soll, nämlich zu einem Sammelbecken der Enttäuschten, Unzufriedenen und Verunsicherten. Dieses Potential soll dann die Basis der "Neuen Bewegung" sein, sie soll der legitime Durchmarsch durch die demokratischen Institutionen bringen, der dann mit einer weiteren Diktatur auf deutschem Boden enden soll. 

Viel Neues haben sich die Nazis dabei heute nicht einfallen lassen müssen, es genügten ihnen die Blaupausen ihrer großen Vorbilder aus der schlimmen Vergangenheit. Deshalb noch einmal: Setzen wir dieser Entwicklung mit aller Energie unsere ganze demokratische Kraft entgegen.

Wir kennen die Probleme unseres Landes, wir wissen wo der Nährboden für das Abgleiten großer Bevölkerungsteile in die Rechtsradikalität und den Nationalismus zu suchen ist. Jetzt wird es höchste Zeit sich gemeinsam dagegen zu stemmen. Und mit der Großen Koalition müssen wir damit anfangen und uns dabei im Klaren sein, diesen Nazis keinen Zentimeter unseres Landes mehr weiterhin zu überlassen. Und wir müssen versuchen, die Verirrten zurück zu gewinnen. AfD-Auftritte wie am Aschermittwoch sollten Warnung genug sein, sie dürfen sich nicht wiederholen.  

Peter J. König 

1 Kommentar:

  1. Sehr geehrter Herr König,

    Ihr Artikel hat mich sehr bewegt und mir nur noch einmal vor Augen geführt, dass es bereits 5 Minuten nach 12.00 Uhr ist in Deutschland u. wir uns nun mit den Geistern beschäftigen müssen, die wir riefen!
    Die Entwicklung u. Radikalisierung der AfD führt uns täglich vor Augen, wie es 1934-1945 mit der NSDAP bestellt war. Damals gab es bis auf Ausnahmen des aktiven Widerstandes kaum Gegenwind in der Bevölkerung. Dass hingegen derzeit auch viele Intellektuelle sich vor den Wagen rechter Parteien spannen lassen, dürfte uns mehr als einen kalten Schauer über den Rücken jagen.
    Ihr Artikel ist ein mehr als legitimer Aufruf zum Handeln, Herr König! Danke dafür.
    Herzlich, Andrea Bredenbröker

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