Samstagskolumne Peter J. König 07.04.2018

Friedlich ist anders! 

Konflikte menschlicher Art sind so alt wie die Menschheit selbst. Schon immer hat es Kriege, Überfälle, Vertreibung und das Töten anderer gegeben, die den eigenen Interessen im Wege gestanden haben. Die Geschichte der Menschheit ist voll davon, und es beginnt bereits mit frühzeitlichen Beutezügen um Gebiete, Jagd zur Ernährung oder um Frauen, wie uns die römische Geschichte mit dem Raub der Sabinerinnen weismachen will, damit neue Stämme gegründet werden können. Das Töten anderer menschlicher Spezies war dabei absolut kein Hindernis sondern eine überlebensnotwendige Handlung, die sicherstellen sollte, dass es zu keinerlei Rache- oder Vergeltungsaktionen kommen konnte. Selbst "Ötzi", der legendäre Mumienfund in den Alpen war Opfer einer Attacke von anderen Bewohnern der Alpenregion, die für den Nomaden tödlich endete. Wer im Geschichtsunterricht einigermaßen aufgepasst hat, weiß, dass die Geschichte der Menschheit fast ausschließlich aus Kriegen besteht und dass sich dieses bis heute so fortsetzt.

Gleichgültig welche Motivation diese Kriege hatten, ob politisch, religiös oder zum eigenen Machterhalt, es ging und geht immer um eigene Interessen, um Dominanz und auch zugleich um Größenwahn. So war es immer und so ist es auch heute. Dabei ist besonders interessant festzustellen, dass die Menschen aus ihrer Geschichte eigentlich nichts gelernt haben. Dem widerspricht auch nicht die These, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Natürlich wiederholt sich Geschichte nicht 1 zu 1. Allerdings wiederholt sie sich in der Grundsätzlichkeit, in ähnlicher Form an anderen Orten mit den immer gleichen, den Menschen immanenten Wesenszügen. 

Ein ganz aktuelles Beispiel ist die Situation im Nahen Osten, wo es vermeintlich um Glaubensansprüche geht, etwa durch die Vormachtstellung des Iran mit seiner politischen Führung den schiitischen Mullahs kontra den Führungsansprüchen durch das sunnitische Königshaus in Saudi-Arabien. Unter dem Vorwand der religiösen Primärherrschaft werden tatsächlich aber politische Auseinandersetzungen geführt um die Dominanz im Vorderen Orient. Beide Seiten bedienen sich dabei sogenannter "Stellvertreter-Kriege", wie etwa im Irak, Syrien oder im Jemen, wo es dabei allein um die massive militärische Unterstützung der jeweiligen gleichen Interessensparteien geht, seien sie Vorort von Saudi-Arabien oder vom Iran gesteuert. Beide Staaten beanspruchen die Vorherrschaft in der Region Naher Osten, nachdem die Amerikaner sich geostrategisch weitestgehend aus diesem Teil der Erde zurückgezogen haben, weil sie das dortige Öl nicht mehr aufgrund eigener Ressourcen durch Fracking benötigen, und auch infolge des Irakkrieges durch George W. Bush. 

Dieser hat einst den Anlass des Baus einer vermeintlichen Atombombe durch Saddam Hussein als Vorwand genommen, diesen anzugreifen und zu stürzen, ohne danach in der Lage zu sein, eine neue stabile, von allen Gruppen sunnitischen, schiitischen und christlichen Glaubens getragene Regierung im Anschluss zu installieren. Der viel zu frühe Abzug der Amerikaner, nachdem sie alles in Schutt und Asche gebombt und die stabilisierenden, militärischen Strukturen im Land aufgelöst haben, sodass ein politisches Vakuum entstanden ist, ist der Grund, dass der sogenannten "Islamischen Staat" erst möglich wurde. Die Ursache, warum der Nahe Osten mittlerweile zu einem gefährlichen Pulverfass geworden ist, das aktuell auch die Sicherheit der europäischen Staaten massiv gefährdet, liegt auch darin begründet, dass diese Staaten niemals homogene Gebilde dargestellt haben, sondern mehr oder weniger willkürlich zustande gekommen sind, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Ethnien, Stämme oder aber auch Glaubensrichtungen. 

Die enormen Mengen an Waffen, die an die einzelnen Kriegsparteien geliefert worden sind, erhöhen die Gefahr zusätzlich. Dies zeigte sich besonders im Irak, aber auch in Syrien, im Libanon aber auch in Ägypten und den Maghreb-Staaten, Tunesien, Libyen, Algerien und Marokko. Als Überbleibsel der Kolonialherrschaft der Engländer und Franzosen wurden speziell im Nahen Osten willkürlich Staaten gebildet, die keine geschichtlichen Hintergründe, keine Stammeszugehörigkeiten aber auch keine Glaubenseinheiten besaßen. Die ehemaligen Kolonialherren haben diese Staaten auf der Landkarte mit dem Lineal entworfen und dabei darauf geachtet, dass ihre eigenen Interessen möglichst weitgehend berücksichtigt worden sind. Die Führung dieser Staaten wurde dann an Personen übergeben, die in der Lage waren mit ihrem Machtinstinkt und harter Hand das Land zusammenzuhalten, indem sie sich auf ein starkes Militär und effiziente Geheimdienste stützen. So entstand eine Ober- und Unterschicht, aber keine tragende, ausgebildete Mittelschicht, die eine neue ausgeglichene Staatsform hätte installieren können. 

Dies war in allen Staaten der Region so, ob mit dem Schah im Iran, Hussein im Irak, Assad in Syrien, Nasser in Ägypten, Ali in Tunesien, Gaddafi in Libyen oder auch Algerien mit Abbas nach der Entlassung aus der Herrschaft der Franzosen und schließlich in Marokko mit einem König der vom Westen getragen wurde. Sie alle haben sich durch das Militär und das Geld aus dem Westen an der Macht gehalten. Bezahlt haben sie mit dem Rohstoff Öl, der in der Region endlos zu sprudeln schien. Allein Ägypten und der Jemen haben dann die Seiten gewechselt, sie sind nach dem Zweiten Weltkrieg in das Lager der Sowjets übergelaufen, die begonnen hatten ihre Machtinteressen in der Region stärker auszubauen. Und damit bekamen die Auseinandersetzungen im Nahen Osten eine neue globale Dimension, nicht mehr die führenden Lokalmächte Iran und Saudi-Arabien versuchten ihre Vormachtstellungen auszubauen, die Weltmächte und Sieger des Zweiten Weltkrieges haben mitgemischt und standen sich gegenüber, indem sie bis heute ihre Favoriten unterstützen, Russland den Machthaber Assad in Syrien mit dem sichtbaren Erfolg, dessen Macht im Land wieder zu festigen, auch mit Hilfe des Irans und die USA Saudi-Arabien und natürlich Israel, das Land, das ohne westliche Hilfe speziell aus den Vereinigten Staaten wohl schon längst aufgehört hätte zu existieren. 

Welche veränderte politische Lage sich mittlerweile gebildet hat, zeigt allein die Tatsache einer Äußerung des saudischen Kronprinzen, der kürzlich die Macht im Staat nach seinem Vater übernahm und vor wenigen Tagen in der "New York Times" bei einem Interview der Existenz sowohl des Staates Israel als auch einem noch zu gründenden Staat Palästina seine Zustimmung gab. Dabei muss man wissen, dass Saudi-Arabien der Hauptgeldgeber zur Vernichtung des Staates Israel war und es bis heute noch keine diplomatischen Beziehungen zwischen den Saudis und den Juden gibt. Wie sich die Zeiten doch ändern können!

Auslöser ist der sogenannte "Arabische Frühling", der tatsächlich mehr ein Hoffnungsschimmer in westlichen Hirnen als eine reale Veränderung der politischen Ordnung in den einzelnen Staaten des Nahen Ostens war. Sehr bald hat sich dabei herausgestellt, dass die Entmachtung der Despoten in diesen Ländern nicht zu einer demokratischen Entwicklung westlicher Prägung geführt hat, ganz im Gegenteil, die erzwungene Stabilität hat sich aufgelöst und die staatliche Ordnung ist implodiert, wie im Irak oder auch in Libyen wo Chaos und Anarchie herrschen und selbsternannte Warlords ihr Unwesen treiben, auch durch Schlepperaktivitäten über das Mittelmeer nach Süditalien. In Syrien, dem Irak und Afghanistan hat die Destabilisierung zu Millionen von Flüchtlingen geführt, Hundertausende von Toten sind zu beklagen, die Zivilbevölkerungen wurden grausamst geschunden und zu allem Überfluss hat sich ein Nährboden für die brutalsten Milizenbanden gebildet, etwa mit den Taliban, Al-Qaida, Al Nusra oder dem gefährlichsten und größten Gebilde dem sogenannten „IS“.

Dabei wurde auch die Strategie komplett verändert. Haben früher diese Terrorbanden ihre Aktivitäten auf das jeweilige Land beschränkt, wie etwa die Taliban in Afghanistan, oder Al Nusra in Syrien, so begann mit Osama Bin Laden und Al-Qaida der weltweite Terror, der seinen bisherigen Höhepunkt am 11. September 2001 mit der Vernichtung des World Trade Centers mit mehreren Tausend Toten hatte. Diese Strategie hat sich auch der "IS" zu Eigen gemacht, wenn in vielen westlichen Ländern Terrorakte durchgeführt und immer wieder viele Menschen so zu Opfern werden. Dabei rekrutiert der sogenannte "Islamische Staat" seine Attentäter aus den jeweiligen Ländern, hier werden junge Muslime durch islamistische Gehirnwäsche zu ihren Bluttaten angestiftet. In Deutschland soll es nach neuesten Erkenntnissen mittlerweile etwa 11.000 solcher militanten Salafisten geben, von denen man nicht wirklich weiß, zu welchen Terrorakten sie bereit sind. Dabei handelt es sich auch um aktive Mitglieder des "IS", die bei den Kämpfen in Syrien ausgebildet wurden. 

Fakt ist, das diese Bedrohung unser Land und ganz Europa noch lange beschäftigen wird, wobei die instabile Lage sowohl in Syrien, im Irak aber auch in Afghanistan immer neues Bedrohungspotential in Form von islamistischen Terroristen nach Europa spülen wird. Solange der Nahe Osten nicht zur Ruhe und Ordnung kommt und die Bevölkerungen keine vernünftigen Lebenschancen erhalten, sind die europäischen Staaten im Fokus dieser Terroristen, sei es aus Hass gegen die früheren Kolonialmächte des Westens, ihrer vermeintlichen Dekadenz oder aus Verblendung durch die archaische islamische Glaubenslehre, oder einfach nur weil es ihnen miserabel geht. Dabei muss klar sein, dass natürlich eindeutige Macht- und Wirtschaftsinteressen sich hinter all dem verstecken, was angeblicher Glaubensanspruch ist. Und hier schließt sich der Kreis zu den anfänglich gemachten Ausführungen, dass sich Geschichte zwar nicht direkt, doch immer wieder indirekt wiederholt. 

In Europa hat es im Mittelalter gleichartige Ereignisse gegeben, etwa mit dem 30jährigen Krieg oder später mit dem Nordirland-Konflikt, wo im Namen des Glaubens brutale Macht- und wirtschaftliche Interessen ausschlaggebend waren und es zum Teil heute noch sind. Tatsache ist, dass der Nahe Osten uns Europäer noch lange herausfordern wird, allerdings als nur einer von vielen Brandherden in einer immer unsicherer werdenden Welt, die gerade dabei ist, sich global zu verändern. Alte Maßstäbe haben ihre Gültigkeit verloren, alte Machtstrukturen haben sich bereits aufgelöst oder sind dabei es zu tun. Tiefere Ursachen sind immer die wirtschaftlichen Verhältnisse, ihre Veränderungen, ihre Ansprüche und die Brachialität mit der sie durchgesetzt werden. Dabei entstehen neue „Global Players“ wie China etwa, wo ganz aktuell es zu einem sich anbahnenden Handelskrieg mit den USA kommen kann, wenn jetzt jeweils Einfuhrzölle für die Produkte des anderen Landes erhoben werden sollen, 25% für amerikanische Flugzeuge, Autos und Soja nach China und ähnliche Zölle für Stahl und Aluminium von China in die Vereinigten Staaten und alles jeweils in einer Größenordnung von 50 Milliarden Dollar. Wenn dies so weitergeht, ist der Weg zu einer Weltwirtschaftskrise gigantischen Ausmaßes nicht mehr weit. 

Zum Schluss soll noch auf eine weitere Krise hingewiesen werden, die ebenfalls das Zeug hat sehr explosiv zu sein. Gemeint ist der lebensgefährliche Giftgas-Anschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Skripal und seine Tochter in Salisbury in Südengland. Noch sind die endgültigen Untersuchungen nicht abgeschlossen, aber bekannt ist, dass es sich dabei um ein gefährliches Nervengift namens Nowitschok handelt, dessen Herstellung vermeintlich in einem russischen Chemielabor stattgefunden haben soll und Russland kleine Mengen dieses Giftgases in seinen Lagerbeständen besitzt. Nachdem bereits vor einigen Jahren ein russischer Spion in England nach seiner Enttarnung und Zuflucht dorthin, nachweislich von russischen Agenten in London vergiftet worden ist, ebenfalls mit einem Nervengift, hat die britische Regierung umgehend reagiert und eine zweistellige Zahl von russischen Diplomaten ausgewiesen. Sowohl die USA, Kanada, Australien und einige europäische Staaten darunter Deutschland und Frankreich sind diesem Beispiel gefolgt. Insgesamt mussten so mehr als 140 russische Diplomaten westliche Länder verlassen. Die Reaktion aus Moskau folgte prompt, denn die Russen haben ebenso viele Botschaftsangehörige der jeweiligen Länder ausgewiesen.

Die russische Regierung behauptet felsenfest, sie habe mit dem Giftgas-Anschlag nichts zu tun und beschimpft ihrerseits die Briten als üble Verleumder mit der Absicht Russland zu diskreditieren und vor der Weltöffentlichkeit schlecht zu machen. Boris Johnson, Englands exzentrischer Außenminister, hat daraufhin unmissverständlich und wenig diplomatisch die Russen gewarnt und diese Gift-Attacke als einen Angriff auf Großbritannien gewertet, der auch noch auf englischem Territorium stattgefunden hat. Ähnlich hat dies die EU und die Nato gesehen und Maßnahmen zur Abwehr künftiger Attacken dieser Art angekündigt. Damit ist es zur schwersten diplomatischen Krise nach dem Kalten Krieg zwischen Großbritannien und Russland gekommen, Ende nicht absehbar. Neben allen Kriegen, heißen und kalten oder auch wirtschaftlicher Art sind solche Attacken, von wem auch immer, mehr als geeignet gefährliche Brandherde auszulösen. Und wenn auch nicht sofort eine erhöhte Kriegsgefahr dadurch entsteht, zu einem Szenario eines Kalten Krieges reicht es allemal. Und was dies bedeutet, wissen die älteren unter den Lesern hier allzu gut

 Peter J. König

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