Samstagskolumne Peter J. König 08.06.2019

Die politische Landschaft ist im Umbruch, die Altparteien CDU und SPD scheinen dabei ihren Status als Volksparteien zu verlieren, doch was kommt dann? 

Die Wahlen zum Europäischen Parlament haben deutlich gezeigt, dass wir an einer Zeitenwende stehen, einer Zeitenwende, die nicht nur das System der Vormachtstellung der großen deutschen und europäischen klassischen Parteien ins Wanken gebracht hat, etwa die Sozialisten und Konservativen, so wie in Deutschland #SPD und #CDU, auch in vielen anderen EU-Staaten hat es zum Teil erhebliche Verschiebungen in der Wählergunst gegeben. 

Dabei muss eindeutig festgestellt werden, dass besonders die rechtsnationalen Parteien erhebliche Zuwächse erlangt haben, wie etwa hierzulande, oder gar die Mehrheit in solchen Ländern wie Großbritannien und Italien erreicht haben. Die Christdemokraten der EU, vereint in der Fraktion der EVP jetzt mit 24% im Europäischen Parlament mussten sie genauso Federn lassen, wie die Sozialdemokraten aktuell 20,4% in der Fraktion der S&D, sodass beide Vereinigungen zusammen nicht mehr über die Mehrheit verfügen, die sie zuvor noch innehatten. Zugelegt haben die Liberalen, einschließlich Macrons Partei LREM, die Grünen, die in Deutschland auf ein sensationelles Ergebnis von 20% kamen, insgesamt aber in Europa keine allzu starken Zuwächse erreichten, sodass nur ein geringes Plus von 2,8% Prozentpunkte für das Europaparlament am Ende hinzukam. 

Die #Rechtpopulisten, denen ein gewaltiger Zuspruch voraus gesagt wurde, haben schließlich auch nur 2,8 % hinzu gewonnen und stellen in Frankreich mit der Partei von Marine Le Pen die stärkste Kraft, ebenso wie die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini in Italien und in Polen mit der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. 

Die größten Zuwächse haben die Liberalen bekommen mit 5% und insgesamt zusätzlichen 41 Sitzen, während EVP 37 Sitze und die Sozialdemokraten 42 Sitze verloren haben. Unterm Strich sitzen zukünftig also mehr Liberale, Grüne, Nationalisten und Populisten im Plenum, Linke und Konservative haben erheblich Mandate verloren.

Was bedeutet nun die Verschiebung der Macht im EU-Parlament, was bedeutet dies für die innerdeutsche Politik und wo liegen die Gründe für den Trend, weg von den großen Volksparteien, hin zu bestimmten Einzelparteien, die für ein ganz spezielles Klientel stehen? 

Des Weiteren ergibt sich die Frage, ob es überhaupt noch eine Zukunft für solche Parteien wie #CDU und #SPD geben wird, die ja mit dem Anspruch angetreten sind, alle Wählerschichten in ihren Reihen zu vereinigen, von links, über die große Mitte, bis hin nach rechts und wobei #Franz_Josef_Strauß einst sagte, rechts von der CSU darf es keine demokratische Partei im Parlament geben? Sein Credo war, alles Rechte, selbst Ultranationale und Rechtsradikale in der #CSU einzubinden, um sie so besser unter Kontrolle zu haben. Ähnlich haben #Kurt_Schumacher, #Erich_Ollenhauer und #Herber_Wehner sich artikuliert, um Linke und Kommunisten in die SPD zu integrieren. Dass diese Zeiten längst vorbei sind, ist seit der Wiedervereinigung Realität geworden, als nicht nur mit der PDS, später die Linke oder auch mit der AfD Parteien in den Bundestag eingezogen sind, die die linken und rechten Ränder bedienen, und so zu einer Polarisierung beigetragen haben, wie sie über Jahrzehnte in der jungen Bundesrepublik nicht vorgekommen ist.

Doch zurück zur Frage, was die Machtverschiebung im EU-Parlament konkret bedeutet? Zweifellos wird es in Zukunft viel schwerer sein, sich bei Gesetzesvorhaben auf Kompromisse zu einigen, sind doch jetzt neben der #EVP und den Sozialdemokraten weitere kleinere Parteien notwendig, um die notwendige Mehrheit zur Verabschiedung zu erlangen. Es ist davon auszugehen, dass die #Rechtspopulisten hier ständig versuchen werden zu blockieren und mit dem Briten #Nigel_Farage und seiner rechtsradikalen #Brexit-Partei sitzt jemand im Parlament der nicht nur sofort austreten möchte, sondern insgeheim die EU und das Parlament abschaffen möchte. Ähnliche Bestrebungen haben #AfD, #Lega_Nord und der #Front_National, sodass es im Europa-Parlament eine ganz starke Polarisierung gibt, von Europa-Befürwortern und Europa-Gegnern. Dies macht die Arbeit und den Erfolg im EU-Parlament mitnichten einfacher, denn auch im alten Plenum war die Parlamentsarbeit alles andere als einfach, bei 28 Mitgliedsstaaten. Und zukünftig stehen große Herausforderungen an, etwa mit dem #Brexit und einem zukünftigen Premier in Großbritannien und den bitter notwendigen Reformen in der EU, damit die Akzeptanz bei den Menschen wieder eine Zukunft hat.

Natürlich spielen dabei auch die Volksparteien eine gewichtige Rolle, denn sie waren es, die in der Vergangenheit wegbestimmend waren. Dass dies in den letzte Jahren immer mehr an Bedeutung verloren hat, ist Folge der mangelnden Problemlösungen durch die Regierungsparteien #CDU und SPD, die in den Koalitionen immer weniger die dringenden Probleme der Menschen erkannt haben und sie angegangen sind. Sinkende Mitgliederzahlen sind hier genauso ein Indiz, wie die rückläufigen Wahlergebnisse, wobei es die #SPD besonders gerupft hat, sodass am Ende nur noch etwa 15% für die einst stolze Sozialdemokratie jetzt bei der EU-Wahl übrig blieb. Welch ein Niedergang, hat die SPD doch mit ihren Mehrheiten einst die Kanzler Brandt und Schröder gestellt. 

Und bei der CDU sieht es nicht viel besser aus. Zwar sagen die Wahlforscher den Christdemokraten aktuell für die Bundestagswahl 2021 immer noch einen hauchdünnen Vorsprung von 26,5% gegenüber 25,5% gegenüber den Grünen voraus, dies kann sich jedoch schnell zugunsten der Grünen-Vorsitzenden Habeck und Baerbaum verändern und wenn die Union weiter so desorientiert gegenüber den politischen Interessen der jüngeren Generationen agiert, werden ihre Werte gnadenlos ins Bodenlose fallen, so wie die der SPD. Diese Partei konkurriert mittlerweile mit der AfD um den 3. Platz bei 13,5%, wobei die AfD aktuell auf 13% prognostiziert wird. FDP und Linke liegen beide bei 7,5% vermutlich, wenn am nächsten Sonntag schon Bundestagswahlen wären.

Warum nun dieser Niedergang der beiden Volksparteien CDU und SPD, die tatsächlich keine Volksparteien mehr sind, zumindest die SPD nicht und bei der CDU ist dies augenscheinlich auch nur noch eine Frage der Zeit. Schaut man sich einmal den Wahlkampf und das Programm der beiden Koalitionäre in Berlin bei der Europa-Wahl an, so wird sofort klar, dass man mit den Themen vielleicht nur die über 60jährigen erreichen konnte, wenn überhaupt, denn spezielle Interessensgebiete der jungen Generationen hat man im Wahlkampf vergeblich gesucht. Dies ist auch nicht entschuldbar mit dem Argument, dass es sich ja um eine Europawahl gehandelt hat. Ob Europa oder Bundestagswahl, die Menschen wollen konkrete Vorschläge und Lösungen für ihre Probleme und Herausforderungen hören. Dabei ist es eminent wichtig, das Ohr am Puls der Zeit zu haben, heißt zu hören, welche Fragen die einzelnen Generationen primär interessieren, um dann mit konkreten Lösungen aufzuwarten und dies möglichst in der Kommunikationsform, die heute besonders die jungen Menschen anspricht, also digital. Fernsehspots sind antiqiuert, hier kann man die jungen Wähler von heute und die zukünftigen Wahlen nicht mehr hinter dem Ofen, sprich dem digitalen Netz, hervorlocken.

Dass aktuell allerwichtigste Thema, und dies nicht nur für die Jüngeren, wurde total verschlafen. Klimawandel, Umweltschutz, digitale Vernetzung, Globalisierung sind so gut wie gar nicht vorgekommen, obwohl dies bereits die Gegenwart ist und die Zukunft mit Sicherheit dominieren wird, sowohl in Deutschland, in Europa und auch auf dem gesamten Globus. 

Da spielt es keine Rolle, ob für den Bundestag oder für das EU-Parlament gewählt wird. Die Grünen haben nicht zuletzt zumindest in Deutschland einen solchen Aufschwung erreicht, weil sie gerade mit diesen Themen identifiziert werden und mit den Mitteln der modernen Kommunikation punkten. Sie haben die Zeiten des Umbruchs erkannt, ihnen ist klar, dass "#old_school" passé ist. Außerdem ist ihnen nicht entgangen, dass das politische Interesse der Jungen und Jüngsten plötzlich wieder erwacht ist, ähnlich der Zeit der 1968er. Mobilisierung durch Jugendbewegungen wie "#Friday_for_Future" bringen heute Hunderttausende weltweit auf die Strasse, auch zu Zig-tausenden in Deutschland. Die jungen Menschen haben erkannt, dass es um ihre Zukunft geht, um ihre Chancen und um ihre zukünftige Welt, die auch nach wissenschaftlichen Einschätzungen extrem gefährdet ist. 

Dabei haben sie festgestellt, dass die Regierenden in den letzten 30 Jahren zwar immer wieder angekündigt haben, sofort entscheidende Schritte gegen den bedrohlichen #Klimawandel zu unternehmen, letztendlich ist die versprochene veränderte Klimapolitik allerdings nur eine leere Worthülse geblieben, im Vergleich zur rasenden Veränderung bei den stattfindenden Klima-Extremen. Ähnlich sieht es auf anderen Politikfeldern aus, z.B. bei der #Explosion_der_Mieten, der #Verschluderung der #Bildung junger Menschen und wenn man sieht, wie Regierungsparteien einschließlich Kanzlerin und Verkehrsminister mit dem gigantischen #Diesel_Betrug umgegangen sind, stellt sich doch die Frage, wozu sind die Regierenden in Berlin eigentlich noch in der Lage, Probleme, die uns alle angehen, zu erkennen, zu benennen und Abhilfe zu schaffen. 

Die neuesten Umfragen von Donnerstag zeigen, dass die Bevölkerung kaum noch Vertrauen in die Altparteien setzen, denn zum ersten Mal liegen die Grünen mit 26% beim"Deutschlandtrend" um einen Prozentpunkt vor der CDU, die 25% umfragemäßig erreicht hat. Und es sieht so aus, dass der Trend so anhält. #Habeck, der Parteiführer neben #Baerbock in der Doppelspitze der Grünen ist beim #ZDF_Politbarometer mittlerweile der beliebteste Politiker noch vor Merkel und man sieht in ihm schon den nächsten #Kanzlerkandidat seiner Partei und viele wollen ihn auch als Nachfolger von Merkel im Bundeskanzleramt sehen, was durchaus möglich erscheint, denn das anhaltende Hoch der Grünen scheint sich zu stabilisieren, auch weil CDU und SPD immer weiter abschmieren und die Grünen von beiden Altparteien maßgeblich profitieren. Denn weder FDP, Linke oder gar die AfD konnten die neuesten Wählerwanderungen für sich verbuchen. Dies haben allein die Grünen geschafft, die immer mehr #Akzeptanz in der klassischen #Mittelschicht erhalten, ebenso auch von der #Wirtschaft und im #liberalen_Bürgertum. Die Gründe liegen ganz entscheidend bei den Themen #Ökologie, #klimaneutraler_Fortschritt und #Nachhaltigkeit durch die Beendigung der Verschmutzung von Kontinenten und Meeren. Hier traut das Gros der Bevölkerung den Grünen mittlerweile die größte #Kompetenz und den entscheidenden #Durchsetzungswillen zu. Wirklich interessant in der Debatte ist, dass mittlerweile die jungen Leute es sind, die mit ihren Aktivitäten ihre Eltern und Großeltern nicht nur nachdenklich gemacht haben sondern auch in der Lage sind, sie auf dem Weg der grünen Nachhaltigkeit zu überzeugen und mitzunehmen.

In den östlichen Bundesländern scheint dies noch nicht zu funktionieren, hier gewinnen die Rechtsradikalen von der AfD noch immer mehr an Boden. Auch dies hat die Europawahl gezeigt und bei den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September und Oktober scheint sich Schreckliches anzubahnen, auch weil CDU und SPD auf der ganzen Linie versagen und die Grünen dort erst langsam besser Fuß fassen können. So wird die AfD womöglich stärkste Kraft in Sachsen mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, die erste rechtsradikale Landesregierung in einem deutschen Bundesland. Größer kann ein politischer Alptraum nicht sein, obwohl die Steigerung darin bestünde, wenn noch ein zweites ostdeutsches Bundesland hinzukommen würde, was nicht ausgeschlossen ist. Dies kommt einer Spaltung gleich, einer Spaltung zwischen West und Ost, einer Polarisierung mit entsprechenden Entfremdungstendenzen, die wir doch seit der Wende versuchen zu überwinden. Welch eine Belastung für die gesamte Bundesrepublik, welch ein Menetekel für das vereinte Europa und welche Gefahr auch für die Stabilität unseres Landes, sowohl politisch, ökonomisch und auch für den Wohlstand jedes Einzelnen! Über die Bewältigung aller akuten Probleme muss erst gar nicht spekuliert werden, denn die AfD hat keinerlei wirksame Konzepte, diese auch nur im Ansatz zu lösen. Diese Erfahrungen sind das Ergebnis, das die AfD seit ihrem Einzug in den Bundestag hinterlassen haben. Da kommt nichts Gutes auf unser Land zu, zumal CDU und SPD nicht in der Lage waren, die Bevölkerung im Osten mit ihrer Politik zu überzeugen, sodass sie sich nun von der AfD rosige Zeiten vorgaukeln lassen, ohne Flüchtlinge, ohne Kriminalität und ohne vermeintlich abgehängt zu sein. 

Da ist es doch ein erfreulicher #Lichtblick, das wenigstens in den großen Städten wie Leipzig und Dresden die #Grünen gute Fortschritte gemacht haben. Aber wenn wie in Görlitz der AfD-Kandidat bei der Europawahl den amtierenden Ministerpräident von Sachsen, Michael Kretschmer entscheidend schlagen konnte, dann wird klar, wie es um die CDU in Sachsen bestellt ist, dann wird auch klar, was dort bei den nächsten Landtagswahlen zu erwarten ist. In der Fläche ist die AfD aktuell führend und dies wird sich auch kaum bis zum Herbst ändern, ganz im Gegenteil. Düstere Zeiten also! Und was passiert, wenn unser Wirtschaftsmotor anfängt zu stottern, dies möchte sich der Autor gar nicht ausmalen.

Um noch einmal hier auf den Anfang der Kolumne zu kommen, Fakt ist, wir befinden uns in einem erheblichen Prozess des #Umbruchs, politisch gesehen, der ausgelöst wird von den Ereignissen des weltumspannenden Wandels, von der ökologischen Krise, dem Klimawandel und der Flüchtlingskrise. Endgültige Antwort hat bisher keine Partei wirklich darauf gefunden und die Altparteien trotz mehrerer Legislaturperioden schon gar nicht. 

Nun muss frischer Wind und es müssen neue Köpfe mit neuen Ideen in die Regierung und ins Kanzleramt. Und was spricht dagegen, dass ein Kanzler oder eine Kanzlerin von den Grünen nun die Führung übernimmt und zeigt, dass Ökologie und Ökonomie überhaupt kein Widerspruch sein müssen? Winfried Kretschmer hat bereits in Baden-Württemberg bewiesen, dass dies geht. 

 Peter J. König

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