Samstagskolumne Peter J. König, den 17. 3. 2012

Gauck am Vorabend seines größten Zieles, die F.D.P. am Vorabend der Götterdämmerung?
Schon in der letzten Woche, aber in weitaus größerem Maße an diesem Wochenende  ist unser Interesse auf innenpolitische Ereignisse  fokussiert.  Werfen wir zunächst einen Blick auf den morgigen Sonntag. Alles was in Deutschland Rang und Namen hat, und ich meine damit die politischen und gesellschaftlichen Eliten, wer immer sich auch dazu zählen möge, haben sich in Berlin versammelt, um unser neues Staatsoberhaupt zu wählen, um Joachim Gauck zum ersten Bundespräsident der Bundesrepublik  Deutschland aus den neuen Bundesländern zu küren. Dieses Ereignis trägt schon eine geschichtliche Dimension in sich, denn zum ersten Mal wird nach der Wiedervereinigung eine Persönlichkeit an die Spitze unseres Staates gewählt, deren Vita einige Jahrzehnte in der ehemaligen DDR stattgefunden hat, dessen Lebenserfahrungen  unmittelbar unter den Mechanismen dieses Unrechtsregimes leidvoll zustande gekommen sind. Umso verständlicher ist Gaucks Ruf nach Freiheit, obwohl mir persönlich seine Diktion etwas zu pastoral daherkommt. Sei es drum, inhaltlich überzeugt der Rufer ohne jeden Zweifel, zumal hier einschneidende  Erfahrungswerte zugrunde liegen.

Unzweifelhaft  ist diese Wahl ein Beleg dafür, dass nach über zwanzig  Jahren Wiedervereinigung so allmählich wieder ein gemeinsamer Staat in Deutschland entsteht, und das bei aller noch immer existierender Ungleichheit: man denke dabei an die ungleiche Lohnvergütung, unterschiedliche Produktivität, aber auch an die verstärkten westlichen Industrieansiedlungen. Mit dem Namen Gauck werfen  die neuen Bundesländer ein nicht zu übersehendes Gewicht in die politische Waagschale, deren positive Einschätzung man bisher nur erahnen kann. Die psychologische Wirkung wird auf Dauer für die Menschen im Osten erheblich sein, ihr Selbstbewusstsein wird  neue Unterstützung bekommen, zumal wenn ihr Landsmann hält, was man sich von ihm verspricht. Dann verschwindet endlich dieser Selbstzweifel, der bei vielen  zumindest  älteren Menschen noch tief versteckt im Unterbewusstsein   schlummert  und der ein unverkrampftes  Miteinander  zwischen Ost und West  oftmals erschwert hat. Weiterhin ist zu hoffen, dass die ewig Gestrigen im Westen endlich verstehen, dass es überhaupt keinen Grund gibt, von oben auf die Menschen aus den neuen Bundesländern  herabzusehen, zumal diese in den letzten Jahrzehnten ein weitaus schwereres Schicksal zu ertragen hatten als sie selbst. Diese Integrationsfähigkeit ist das eigentliche Pfund mit dem unser neuer Bundespräsident  wuchern kann. Von seiner persönlichen Ausstrahlungskraft will ich gar nicht  reden, da es für mich eine Selbstverständlichkeit ist, dass  nur eine Person außerordentlichen Formates ins Schloss Bellevue einzieht, um vergessen zu machen,  welche charakterlichen Mängel sein Vorgänger aufzuweisen hatte.

Alles dieses wird auch dazu beitragen, dass die Politikverdrossenheit, speziell in den neuen Ländern, ein Gegengewicht erhält und das eine Persönlichkeit  an der Spitze des Staates steht, die allen radikalen Bestrebungen, sei es von rechts oder links, unerschrocken gegenüber treten wird. Dies wird weder dem braunen Sumpf noch den Wendehälsen gefallen, es wird jedoch die Demokratie in unserem Land stärken, und damit dazu beitragen, dass wir keine allzu leichte Beute für die Politiker und ihre Parteien werden. Was die pastorale  Sprachgestaltung  anbetrifft, wird das Amt den Inhaber schon noch präsidial umformen, daran besteht überhaupt  kein Zweifel.  

Zu der Kandidatin der Linkspartei, Beate Klarsfeld, möchte ich nur so viel sagen, dass sie sich besser nicht seitens der Linken vor den Karren hätte spannen lassen sollen, zumal dadurch ihre Beziehungen zur DDR, der Stasi und der SED publik wurden. Ich unterstelle, dass Frau Klarsfelds frühere politischen Motive durchaus ehrenwert waren, sie hat für ihr  Engagement  in unterschiedlichen Ländern in Haft gesessen, aber als sie sich mit der DDR einließ, hat sie den Bock zum Gärtner gemacht, sie hat sich von dem Unrechtsregime sponsern lassen und es wäre ein Akt des politischen Feingefühls gewesen, auf eine Kandidatur für die Wendehälse zu verzichten, zumal sie für diese Partei eh nur eine Alibifunktion darstellt.  Vielleicht sollte sie, mit so großem zeitlichem Abstand  sich einmal  fragen, ob sie nicht schon damals seitens Ostberlins zu Propagandazwecken missbraucht wurde?   

Nun der Blick zurück in die letzte Woche.  Auch hier hat sich innenpolitisch Bedeutsames ereignet. Der Landtag in Nordrhein- Westfalen wurde aufgelöst, nachdem Frau Kraft, die Ministerpräsidentin, nicht die nötige Stimmenmehrheit  zur Verabschiedung  ihres  Haushaltsentwurfs zusammen bekommen  hat. Ob dies verfassungsrechtlich notwendig war, soll uns hier nicht tangieren, jedenfalls gibt es Verfassungsrechtler die dies bezweifeln. Fakt ist, dass jetzt Neuwahlen stattfinden werden und zwar im Mai innerhalb von sechzig Tagen nach der Auflösung. Dies alles an sich ist noch kein besonders  spektakuläres Ereignis, vorzeitige Neuwahlen von Parlamenten gehören zum Alltagsgeschäft in unserer Demokratie.  Die Brisanz dieses Ereignisses entsteht allerdings dadurch,  dass  zwei Besonderheiten  mit der Neuwahl gekoppelt sind, nämlich die Nähe zur im nächsten Jahr stattfindenden Bundestagswahl und dem Dahinsiechen der F.D.P. , von der die Politauguren zum jetzigen Zeitpunkt  vernichtende  zwei Prozentpunkte voraussagen,  und  damit im Bundestag als auch im Landtag des bevölkerungsreichsten Bundeslandes  ein Wiedereinzug in weite Ferne gerückt ist.

Aus bundespolitischer Sicht würde dieses  Szenario ein Fiasko für Frau Merkel bedeuten, denn eine Chance auf  einen Wiedereinzug ins Kanzleramt wäre für sie gleich null, da sie weder auf  eine absolute Mehrheit hoffen kann, noch sich bis dato kein koalitionswilliger Partner findet, weit  und breit nicht mit hilfreichen Wahlergebnissen. Dies sind keine schönen Aussichten, nicht für die amtierende Bundeskanzlerin, aber noch viel weniger für Rösler und seine arg gerupfte Truppe.

Bevor jedoch das Licht der Freiheitlich-Demokratischen völlig erlischt, hat sich  vor zwei Tagen ein Fahnenflüchtiger  aus der „ young-boys-group“  bei der Truppe zurück gemeldet, alle Animositäten gegenüber Rösler, dem verlorenen Freund über Bord werfend, und hoch motiviert , um die Wende für die F.D.P.  nunmehr tatsächlich einzuleiten. Der Anfang  soll  im Mai in Düsseldorf  gelingen, um dann mit einem Husarenritt nach Berlin durch zu stoßen,  um erneut  das Kanzleramt zu erobern, so die Strategie  dieses furchtlosen  Jünglings.  Tatsächlich ist zu berichten, dass Christian Lindner bereits acht Jahre im Düsseldorfer Parlament gesessen hat.  Er galt  schon mit einundzwanzig als das kommende  Talent  bei den Liberalen, ausgestattet mit großem politischem Instinkt und glänzender Rhetorik. Seinen kometenhaften Aufstieg bis zum Generalsekretär  konnten alle innerhalb und außerhalb der Partei bewundern. Jetzt will er als Landesvorsitzender in NRW  das Unmögliche möglich machen, Wiedereinzug in Düsseldorf, Wiederbelebung der Gesamtpartei, Ausmisten im Berliner Parteivorstand und vor allem Rösler in die Wüste schicken.

Gott möge es dem Unerschrockenen geben, allerdings braucht  es eine gehörige Portion Phantasie, um an ein solches Wunder zu glauben, zumal wenn man weiß, dass es in der Politik eigentlich keine  Wunder  gibt, zumindest  dann  nicht, wenn nicht größere Summen  dem Wundersamen  etwas  nachhelfen.

Wenn wir zum Schluss ein Fazit  der Ereignisse  ziehen wollen, so ist Folgendes fest zu halten.  In NRW steht bisher nicht fest, wer stärkste Partei im Land wird. Kraft hat gute Chancen mit den Grünen eine solide Mehrheit zu erreichen, da der Spitzenkandidat der CDU, Norbert  Röttgen sich ziert zu erklären, ob er auch im Falle eines Wahlverlustes als  Oppositionsführer in Düsseldorf antreten wird, oder ob es ihn dann nicht wieder zu Mutti nach Berlin zieht. Wiedereinzug  der Liberalen scheinbar aussichtslos.

Ausgang der Neuwahlen im Saarland: bisher kein eindeutiger Sieger feststellbar, F.D.P. tendiert gegen null, Wiedereinzug aussichtslos.

Ausgang der Wahlen in Schleswig-Holstein: aktuell keine eindeutige Führung einer der großen Parteien, Kubicki mit seinen Liberalen schnuppert an der fünf Prozent Hürde, ist aber noch lange nicht auf der ersehnten, sicheren Seite. 

Stimmung der Genossen in Berlin: optimistische Vorfreude, die Kür des Kanzlerkandidaten steht ja noch aus.

Stimmung  der Grünen in Berlin: breite Brust allenthalben, Claudia Roth lässt das Nebelhorn laut  touten.

Stimmung bei den Schwarzen in Berlin: Nur die aktuelle Stunde zählt, die Kanzlerin ist in Europa zu wichtig, als dass man auf sie verzichten könnte.

Stimmung bei den Liberalen in Berlin: keine Stimmung, blankes Entsetzen wechselt mit Fatalismus.

Stimmung der Linken in Berlin: es geht wieder voran,  Oscar und Sarah schaffen Neues.

Stimmung der Piraten am Prenzlauer Berg in Berlin: Politik macht so viel Spaß, übermorgen haben wir die Gesellschaft erneuert und die haben es überhaupt nicht bemerkt.


Peter J. König


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